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Die schwarzen Bogenschützen
ОглавлениеDie Infanterie gilt allgemeinhin als das Rückgrat der Armee. Bei den Alten Ägyptern war sie die Armee.
Doch in den Anfängen des Reiches scheint es keine Armee gegeben zu haben, zumindest liegen keine entsprechenden Zeugnisse vor, was auf eine fast tausendjährige Periode relativen Friedens deutet, die mit dem Niedergang des Alten Reiches ihr Ende findet.
Vermutlich waren die ersten Truppen bewaffnete Expeditionen unter Führung eines Mitglieds des Königshauses, weit entfernt von dem, was wir heute unter dem umgangssprachlichen Begriff „Armee“ verstehen. Von ersten größeren Kriegszügen und damit indirekt von einer Armee, berichtet der sogenannte Palermostein, der seit 1877 im sizilianischen Regionalmuseum von Palermo aufbewahrt wird, ein Bruchstück des aus der 5. Dynastie stammenden Annalensteins.
Abb. 38: Die hieroglyphische Schreibung des Titels „Herr der beiden Länder“.
Er überliefert, daß erstmals Dewen, einer der frühen Könige der 1. Dynastie, siegreiche Expeditionen gegen den Sinai und Südpalästina durchführte und erfolgreich gegen die „Hundeleute“ stritt, mit denen eventuell nubische Stämme gemeint sind. Und Dewen ist es, der erstmals den Titel „Herr der beiden Länder“, nesubit (Njswt-bjtj), hieroglyphisch dargestellt durch die Binse für Ober- und die Biene (Abb. 38) für Unterägypten, führt, ein Epitheton, das fortan festem Bestand in der Titulatur aller ägyptischer Könige ist.
Weiter schildert der Palermostein, daß der rund 370 Jahre nach Dewen regierende Begründer der 4. Dynastie, König Snofru, eine Festung errichtet und zwei Kriegszüge unternommen habe.
Der erste führte nach Nubien, das „elende Land Kusch“ (K#S), wo 7000 Gefangene gemacht und 200 000 Stück Vieh erbeutet wurden; der zweite war eine Strafexpedition nach Libyen, bei der die Zahl der Gefangenen mit 1100 und des erbeuteten Viehs mit 13 000 beziffert wird.
Daß die numerischen Angaben stimmen, sei unterstellt; zwei Felseninschriften, als Nr. 27 und Nr. 28 bezeichnet, bei Khor el-Aquiba, gegenüber des ehemaligen Tempels von Karanog zwischen dem 1. und 2. Katarakt im Süden Ägyptens, nennen ebenfalls die Zahl von 7000 Nubiern, die von einem Aufgebot von 20 000 Soldaten unter dem Befehl der Hofbeamten Chaibaubata und Sauibi gefangengenommen wurden, gestellt von zwei Gauen, dem 17. oberägyptischen Gau und dem 14. unterägyptischen Gau, „um Unternubien zu zerhacken“15:
jrj-jX.t-nj·swt Jnpw.t %oj-b#w-Bt jw(j).t=f
Hno mSo.w 20 000 (Dbo.wj) [jr] XbÜ W#w#.t
Der königliche Hofangehörige des Schakalsgaues, Chaibaubata:
Er kam mit 20 000 Soldaten, um Wawat zu zerhacken.
jrj-jX.t-nj·swt J#bt·j-pHtH·j c#w[=J]-jb[=j]
nDr(j).t NHÜj 7000 (ÜfXw-X#)
Der königliche Hofangehörige des Hinteren Ostgaues, Sauibi:
Gefangennehmen von 7000 Nubiern.
Doch mit Sicherheit ging es dabei weniger um das Zerhacken von Nubien oder Nubiern, als mehr um die Beschaffung von Arbeitskräften für Snofrus umfangreiche Bauprojekte, zu denen auch drei Pyramiden gehören16.
War diese Armee schon mal verfügbar, konnte sie auch andere Aufgaben wahrnehmen, zum Beispiel die Sicherung der Wege zu den Steinbrüchen im Süden Ägyptens oder zu den Minen im Sinai.
Die Inschriften der Felsenbilder im Wadi Maghara, östlich der etwa 19 Kilometer am Golf von Suez liegenden Ortschaft Abu Suweis im südlichen Sinai, machen die Annahme tragfähig, daß bereits Snofru den Sinai, das „Bergwerkland“ (Bj#w) mit seinen Kupfer- und Türkisminen17, dauerhaft, das heißt militärisch, für Ägypten gesichert hat.
1894 wird in der Nekropole nahe des mittelägyptischen Assiut, rund 375 Kilometer südlich von Kairo und am westlichen Nilufer gelegen, das Grab eines Gaufürsten aus der 11. Dynastie namens Meseheti entdeckt.
Im Grab gefunden werden auch zwei Holzmodelle, die Aufschluß über Bewaffnung und Ausstattung der Soldaten geben. Jedes dieser Modelle zeigt ebenso plastisch wie lebensnah eine Gruppe von jeweils 40 Soldaten in Marschaufstellung, beide bislang im Saal 37 des Ägyptischen Museums in Kairo ausgestellt.
Die Zahl 40 ist weder zufällig gewählt noch ein Hinweis auf die Mannstärke einer bestimmten militärischen Formation. Sie verdankt ihr Zustandekommen der babylonischen Zahlenmagie, in welcher die Zahl 40 zum einen das Symbol für Prüfung und Bewährung, zum anderen eine undefinierte Mengenangabe, ähnlich dem heutigen „ziemlich viel“, vorstellt18. In den „40 Jahren“, beispielsweise der Dauer des Exodus, der Flucht der Israeliten aus Ägypten bis zum Erreichen des Gelobten Landes19, taucht die 40 mit gleichem Hintergrund wieder auf. Auch hier sind keine wirklichen 40 Jahre gemeint, sondern einfach nur ein sehr langer, viele Jahre umfassender Zeitraum.
Im Gegensatz zu den auf der Jäger-Palette dargestellten Jäger-Kriegern sind die Soldaten des Meseheti der jeweiligen Marschformation nur mit einer Waffe ausgestattet; es ist also zu einer Spezialisierung gekommen, die bis zum Ende des pharaonischen Ägyptens nahezu unverändert beibehalten werden wird.
Abb. 39: Die mit Schild und Lanze bewaffneten Soldaten des Meseheti.
Die Bewaffnung der einen Gruppe (Abb. 39) besteht aus Schild und Lanze (sk), eine Gattung, die wohl die Mehrheit der ägyptischen Armee ausmacht. Nicht von ungefähr dürfte es kommen, daß die altägyptische Aufstellung „in Reih und Glied“ als „unter Lanzen“ (xr skw) befohlen wurde.
Daß es sich um Lanzen und keine Speere handelt, liegt auf der Hand, denn nach dem Werfen des Speeres wäre der Soldat waffenlos gewesen. Die Lanzenspitzen des Modells sind als feine, blattförmig gezogene Metallklingen ausgeführt.
Waren die archaischen Speere und Lanzen noch mit Feuersteinspitzen bestückt, wurden diese nach und nach erst durch Kupfer, dann durch Bronze und schließlich durch Eisen ersetzt.
Feuersteinspitzen sind zwar noch bis weit in die Zeit des Mittleren Reichs nachgewiesen, doch dürfte dieses Material im militärischen Bereich bereits in der 12. Dynastie keine Rolle mehr gespielt haben.
Bis zum Ende des Mittleren Reiches liefen die Lanzen- und Speerspitzen hinten in einem stumpfen Fortsatz aus, mit denen sie in eine entsprechend tiefe Kerbe am Ende des jeweiligen Schaftes eingesenkt und mit Harz sowie einer die Kerbung einzwingenden Umschnürung gehalten wurden.
Abb. 40: Lanzenspitze mit Mittelrippe und Tülle.
Diese Konzeption wird bis ins Neue Reich beibehalten, doch seit Beginn der 18. Dynastie wird der Fortsatz zunehmend von einer auf den Schaft aufgesetzten und mit einer Niete oder einem Klebematerial gehaltenen Tülle abgelöst, die sich als Mittelrippe des Blattes mit kreisrundem Schnitt fortsetzt (Abb. 40).
Abb. 41: Lanzenspitzen unterschiedlicher Ausführung.
Foto: Walther Wolf (1926)
Nimmt man die Größe der Modellsoldaten als Maßstab, haben die Lanzen eine Länge von bis zu 2 Metern gehabt.
Speere und Lanzen waren mit den gleichen, langen lanzettförmigen Stoßklingen mit waagerecht abgeschnittenen Seitenflügeln ausgestattet und unterschieden sich nur durch das Material der Schäfte. Neben dieser Hauptform gab es unterschiedliche Ausführungen, von denen angenommen wird, daß es sich um Importe oder Beutestücke handelt (Abb. 41).
Der Speer wurde als nisut (nswt) bezeichnet, als Binse. Das läßt annehmen, daß das leichte Rohr der Binse das Material für den Speerschaft stellte oder in der Frühzeit gestellt hatte.
Für die Lanze als Stoßwaffe wurde ein Holz benötigt, welches vor allem stoß- und druckfest sein mußte. Hier kommt die Birke in Frage, deren Holz sich außerdem noch durch das geringste Schwindmaß aller Holzarten auszeichnet, es also bei Trockenheit kaum schrumpft und bei Feuchtigkeit kaum quillt.
Im Sarg des in der 17. Dynastie herrschenden Pharaos Kamose wurde der Teil eines Lanzenschaftes aus Ebenholz (hbnj) gefunden. Das kostbare Edelholz dürfte für die Truppe kaum zur Verfügung gestanden und nur für die königliche Prunkwaffe Verwendung gefunden haben, ebenso wie seine Lanzenspitze aus vergoldetem Eisen.
Tragen die „Pikeniere“ in der Rechten die Lanze, halten sie in der Linken den Schild (SnT).
Dieser hat eine waagerechte Unterkante, die seitliche Außenkontur steigt gerade an und verjüngt sich in einem in einer Spitze endenden Bogen. Diese Form (Abb. 42) repräsentiert den Schildtypus des Mittleren Reiches und hat den im Alten Reich üblichen, aus archaischer Zeit stammenden, leicht konkaven, rechteckigen Schild abgelöst. Funde belegen eine hölzerne, mit Rindsleder überzogene vordere bemalte Schildfläche, an deren Innenseite im oberen Teil ein als Griff dienender, durchbrochener Querriegel angebracht ist (Abb. 43).
In der Weiterentwicklung findet sich am oberen Ende der Schilde des Mittleren Reiches häufig eine kleine Öse. Wurde zwischen dieser und dem Griff ein weiter Lederriemen angebracht, konnte der Schild bequem auf dem Rücken getragen werden.
Die Bemalung deutet ein geschecktes Rinderfell an, das Fell des „starken Stieres“ (k#-nXt), dem tradierten Symbol für Kraft, Mannhaftigkeit und Stärke.
Ein umlaufender schwarzer Strich steht für den Saum der Naht, mit welcher die archaische Fellbespannung in einem umlaufenden Holzrahmen befestigt war.
Im Neuen Reich dürfte der Sinngehalt der Schildbemalung nicht mehr von Bedeutung oder überhaupt gegenwärtig gewesen sein; die Bemalung wird immer öfter auf ein Minimum reduziert, der angedeutete Saum entfällt oft ganz.
Die Schilde des Neuen Reiches haben keine Spitzen mehr. Der Schild ist oben durch einen Bogen abgeschlossen und verjüngt sich nach unten, die Seiten treffen im stumpfen Winkel auf die gerade untere Linie (Abb. 45).
Abb. 42: Die Schilde der Soldaten des Meseheti.
Abb. 43: Die Innenseite des Schildes mit einem durchbrochenen Querriegel als Griff.
Foto: Walther Wolf (1926)
Im oberen Teil ist in den Darstellungen häufig ein runder Kreis zu sehen, der entweder als metallener Schildbuckel oder traditionell angebrachte Restbemalung ausgelegt wird (Abb. 45).
Die Größe der Schilder reichte vom kleinen Schild, welches nur den Torso schütze, bis zum fast mannshohen, hinter welchem der ganze Soldat Deckung finden konnte. Die Mehrzahl der Schilde hatte eine Höhe von etwa 50 cm bis 1 Meter.
Die „kleine Öse“ am oberen Schildrand stellte in der Tat eine Weiterentwicklung dar, eine wichtige sogar, denn durch das Tragen auf dem Rücken wurde eine Hand frei.
Abb. 44: Ein Beil, wie es der Soldat des Amarna-Reliefs trägt.
Foto: Walther Wolf (1926)
In Heliopolis wurden aus dem Abrissgut Amarnas, heute Tell el-Amarna, der einstigen Hauptstadt Echnatons am Ostufer des Nils in Mittelägypten, stammende Steinblöcke ausgegraben, deren Relief in der Rekonstruktion eine Gruppe eilender Soldaten zeigt (Abb. 45).
Der rechte Soldat trägt seinen Schild auf dem Rücken und in der nunmehr freien Hand ein Beil. – Die Beile haben die Kriegskeulen längst abgelöst.
Ein genau solches Beil wurde bereits 1916 von einem Grabungsteam des Metropolitan Museum of Art im Grab des Wesirs Chay in al-Asasif in Theben-West, östlich von Deir el-Bahari, gefunden und wird heute in New York mit der Inventarnummer 16. 10. 403a-c ausgestellt (Abb. 44).
Die für das Neue Reich typische Beilklinge mit einer Länge von 14,5 cm besteht aus Bronze, der 54,5 cm lange Schaft aus Holz. Die Klinge hat nahe der Basis vorstehende Fortsätze, mit denen sie in eine Kerbung am Schaftende eingesetzt und von einer Lederumschnürung gehalten wird.
Abb. 45: Eine Gruppe eilender Soldaten auf einem Relief aus Amarna.
Ebenfalls im Besitz des Metropolitan Museums ist eine Axtklinge, die einem Entenschnabel ähnlich sieht, was diesem Klingentyp zum Namen verhalf: Entenschnabelklinge (Abb. 46).
Diese gefensterte Tüllenbeilklinge, ebenfalls aus Bronze, hat eine halbovale Form mit zwei elliptischen Durchbrüchen und wird mit einer vertikalen Steckhülse auf den Schaft geschoben.
Die Klinge stammt aus dem syrisch-kanaanitischen Raum und wurde in der 12. Dynastie entweder erbeutet oder importiert.
Über die Herkunft ist nichts Genaues bekannt, als gesichert kann aber angenommen werden, daß der Fund in Ägypten gemacht wurde.
Abb. 46: Gefensterte Tüllenbeilklinge, Höhe 11 cm.
Foto: Walther Wolf (1926)
Die Axt (jqXw) war nie die Waffe der Ägypter, auch wenn nahe des heutigen Tell el-Dab’a bei Quantir, dem ehemaligen Auaris ("wt-wort) im östlichen Nildelta, Streitäxte gefunden wurden.
Abb. 47: Klinge einer Hyksos-Streitaxt.
Sie zeichnen sich durch eine sehr schmale, lange Klinge, ähnlich einem Meißel, und einem Öhr für die Aufnahme des Schaftes aus (Abb. 47).
Es war eine der Nahkampfwaffen der Asiaten, der Hyksos, semitischer Einwanderer, die hier siedelten und den Ort mit Seth als Schutzgott zu ihrer Hauptstadt machten.
Abb. 48: Beilklingen, die in eine Längsrille des Schaftes eingesetzt und mit einer Lederumschnürung gehalten werden.
Foto: Walther Wolf (1926)
Zwischen der Ersten und der Zweiten Zwischenzeit tritt in Ägypten ein ganz besonderes Beil auf, welches sich durch eine langgezogene, symmetrische oder asymmetrische Klinge auszeichnet, die in eine Längsrille des hölzernen Schaftes eingesetzt ist.
Überkreuzt ist eine Lederschnur um den Schaft und durch Löcher in der Klinge geführt, die feucht gewickelt wurde und durch das Zusammenziehen beim Trocknen für die nötige Festigkeit der Verschnürung und damit den sicheren Halt der Klinge sorgte (Abb. 48).
Diese einfache Technik scheint sich so erfolgreich bewährt zu haben, daß auch „normale“ Klingen auf diese Weise angebracht wurden. Parallel zu diesem Beiltyp ist nach wie vor und bis zum Ende des Neuen Reiches das Ärmchenbeil (Abb. 49) mit den stark ausgeprägten Haken an den Enden des Klingenrückens im Gebrauch, wenn auch nicht mehr aus Feuerstein wie in der Naqada I Periode geschlagen, sondern aus Bronze gegossen.
Die Frage nach dem Holz der Schäfte muß vorerst unbeantwortet bleiben, bis heute ist kein einziges der wenigen Originale in dieser Richtung untersucht worden, da entsprechende Analysen nicht zerstörungsfrei möglich sind.
Merkwürdig mutet die Beilkeule an, eine Birnenkeule mit einer langgezogenen Beilklinge über oder unter dem Keulenkopf (Abb. 50), die nur aus Darstellungen des Königs beim „Erschlagen der Feinde“ bekannt ist, beispielsweise aus dem Totentempel Ramses‘ III. im westthebanischen Medinet Habu.
Bislang ist solch eine Waffe noch nicht gefunden worden und so läßt sich der Verdacht nicht von der Hand weisen, daß es sich letztlich um ein Phantasieprodukt handelt; der Künstler könnte die „veraltete“ Keule mit dem „modernen“ Beil vereint haben.
Abb. 49: Ärmchenbeilklingen
Foto: Walther Wolf (1926)
Ein Sonderfall sind die Prunkbeile, Waffen, die keine Waffen waren und deren ältesten Vertreter uns aus der Ersten Zwischenzeit vorliegen.
Orientiert sind diese Beile (Abb. 51) überwiegend an den Gebrauchstypen des mittleren Alten Reiches.
Die Klingenblätter sind in der Mehrzahl durchbrochen aus Bronze gegossen, die schmuckvollen Schäfte bestehen meist aus Holz, selten auch aus Bronze oder Silber. Daß es keine Kampfbeile waren, beweist sich allein schon durch die Aussparungen in der Klinge, welche diese für den Kampf viel zu instabil machte.
Die Klingen wurden üblicherweise in eine entsprechend gearbeitete Längsrille des Schaftes eingelassen und mit einer aufwändigen Verschnürung aus Lederriemen gehalten.
Prunkbeile waren keine Dekoration oder dienten der Zurschaustellung eines gehobenen Lebensstils, sondern wurden, gleich einem Orden, für herausragende militärische Leistungen verliehen. Doch anders als ein Orden konnte ein Prunkbeil auch den militärischen Rang ausweisen und in dieser Verbindung die Funktion eines Kommandostabes erfüllen.
Nicht auszuschließen ist, daß diesen Beilen in Abhängigkeit vom in der Klinge dargestellten Motiv ein apotropäischen Charakter zugesprochen und sie im Krieg als Amulett mitgeführt wurden.
Abb. 50: Beilkeulen
Ihren Anfang als Amulett könnten auch die seit vordynastischer Zeit nachgewiesenen „Fliegenanhänger“ genommen haben, die seit dem Beginn des Neuen Reiches als Tapferkeitsauszeichnung verliehen wurden.
Diese Anhänger sind stilisierte Nachbildungen von Fliegen aus mit Blattgold belegter Bronze, aus Gold oder aus Elfenbein, die am „Kopf“ als kleine Öse enden, was das Auffädeln und Tragen um den Hals an einer Schnur oder einer dünnen Kette nahelegt; die Flügelspanne bewegt sich zwischen etwa 1 cm und 3 cm, die Länge zwischen rund 1,5 cm und 5 cm (Abb. 52).
Wahrscheinlich ging man in den Anfängen davon aus, Gleiches mit Gleichem vergelten und sich damit die Fliegen vom Leibe halten zu können.
Abb. 51: Prunkbeile
Foto: Walther Wolf (1926)
Spätestens im Neuen Reich dürfte dieser Sinn jedoch längst vergessenen und neu interpretiert worden sein, eventuell in der Bedeutung, daß tapfere Soldaten wie die Fliegen über die Feinde herfallen.
Es wundert ein wenig, daß „nur“ die Fliege als „Orden“ gewählt wurde, denn eine Plage, der die Ägypter nicht Herr werden konnten, waren die Mücken. Die alljährlichen Nilüberschwemmungen sowie die zahlreichen Sümpfe, verbunden mit dem warmen Klima, boten diesen Insekten hervorragende Lebensbedingungen.
Abb. 52: Die Orden des alten Ägyptens: Fliegen.
Das Pathologische Institut der Universität Turin besitzt eine Sammlung ägyptischer Schädel aus pharaonischer Zeit. Bei Messungen an diesen Schädeln wurde festgestellt, daß bei der Mehrzahl die Dicke der Kalotte stärker ausgeprägt ist, als bei vergleichbaren Schädeln anderer Kulturen. Eine Verdickung des Knochenmaterials an dieser Stelle ist ein untrüglicher Nachweis für eine chronische Erkrankung an Malaria, die von den weiblichen Anophelesmücken auf den Menschen übertragen wird.
Das läßt eine Aussage Herodots in seinem Bericht über die Schlacht der siegreichen Perser 525 v. Chr. unter Kambyses gegen die Ägypter in einem neuen Licht erscheinen, war man doch bislang davon ausgegangen, daß hier die Phantasie dem Schriftsteller die Hand geführt hat20:
Von den Bewohnern jener Gegend habe ich etwas höchst Wunderbares erfahren. Denn die Gebeine der in dieser Schlacht Gefallenen sind gesondert aufgeschichtet; auf der einen Seite liegen die Gebeine der Perser, wie sie begraben worden sind, und auf der anderen Seite die der Ägypter. Nun sind aber die Perserschädel so zart, daß man mit einem einzigen Steinchen ein Loch in sie werfen kann, während die der Ägypter so fest sind, daß man sie kaum mit einem großen Stein zerschmettern kann. Als Grund dafür gaben sie an – was mir auch sehr einleuchtet - daß die Ägypter gleich von Kindheit an ihren Kopf scheren, so daß der Kopf in der Sonne hart wird. Das ist auch der Grund, weshalb sie nicht kahlköpfig werden. Nirgends findet man so wenig Kahlköpfe wie in Ägypten. So also erklärt sich die Festigkeit der ägyptischen Schädel und dementsprechend auch die Zerbrechlichkeit der persischen …
Mag seine Begründung für den „harten Schädel“ nicht zutreffen und seine Bezeichnung der „Perserschädel“ als „zart“ übertrieben sein, dokumentiert er doch erstmalig diese häufige Anomalie der ägyptischen Schädel21.
Auch dem Mückenproblem selbst widmet Herodot seine Aufmerksamkeit22:
Gegen die Mücken, die es in ungeheuren Mengen gibt, hat man folgende Schutzvorrichtungen. Im Oberland schützt man sich durch turmartige Schlafräume, zu denen man hinaufsteigt. Der Wind hindert nämlich die Mücken, hoch zu fliegen. Die Bewohner des Sumpflandes haben statt dieser Türme eine andere Einrichtung. Jeder ist da dort im Besitz eines Fischernetzes, das er bei Tage zum Fischen braucht. Das befestigt er bei Nacht rings an dem Lager, auf dem er ruht. Zum Schlafen kriecht er darunter. Schliefe er im Mantel oder unter einem Bettuch, so würden die Mücken hindurchstechen. Durch die Maschen zu dringen, versuchen sie aber gar nicht.
Die „turmartigen Schlafräumen“, von denen Herodot schreibt, sind das Ergebnis einer Fehlinterpretation; gemeint ist vielmehr der auch heute noch in warmen Ländern geübte Brauch, auf den flachen Dächern zu schlafen. Dies schützt zwar nicht vor Mücken, welche durchaus hoch fliegen können, sondern in erster Linie vor Schlangen und Skorpionen. Auch die beschriebenen Fischernetze dürften kaum zum Fischen, sondern ausschließlich als Moskitonetze verwendet worden sein.
Unter Sahure, dem zweiten Herrscher der 5. Dynastie, wird die Tradition der Expeditionen fortgesetzt.
Auf dem Palermostein gibt es die Beschreibung einer Strafexpedition gegen die schasut, die Beduinen der Wüste, sowie Hinweise, die auf eine Expedition nach Punt schließen lassen.
Eine Felsstele im Wadi Gudami im Süden der Ostwüste, bezeugt eine Expedition zu den Dioritbrüchen von Abu Simbel, eine weitere wird durch ein Graffito bestätigt.
In seinem Pyramidentempel23 in der Nekropole von Abusir zwischen Gizeh und Saqqara berichten Wandreliefs nicht nur von Siegen über Asiaten und Libyer, sondern erstmalig auch von ägyptischen Hochseeschiffen, die allerdings mit asiatischer Besatzung, vermutlich Syrern, Phöniziern, bemannt sind.
Unter Unas, dem letzten König der 5. Dynastie, gehören die guten Handelsbeziehungen mit Syrien und die syrischen Schiffsbesatzungen bereits zur Tradition.
Zur Tradition gehört auch der als Waffe geführte Stock (Sbd). Er kommt dann zum Einsatz, wenn nicht die Vernichtung des Gegners im Vordergrund steht, sondern schlicht und einfach die Vereinnahmung seiner Arbeitskraft. Und die ist nur gewährleistet, wenn Knochen, Muskeln und Sehnen unversehrt bleiben, Striemen und blaue Flecken sind im Sinne der zukünftigen Verwendung dem Unterfangen sogar zuträglich.
Im Totentempel Ramses‘ III. in Medinet Habu zeigt eine Darstellung Soldaten mit Schild auf einem Schiff, die sich zum Angriff bereit machen, in der rechten Hand halten sie ihre Stöcke; ganz offensichtlich ist das Ziel der Expedition der Fang von Sklaven (Abb. 53).
Abb. 53: Soldaten mit Stock.
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Der Stock war auch die Waffe der Tempeldiener (Hm-pr)7), oft Priester im unteren Rang24, die nicht nur im Tempel, sondern auch in der Funktion einer Polizeitruppe im Auftrag der Tempelverwaltung (pr) und damit des Pharaos innerhalb des Tempelhorizontes für Ordnung sorgten.
Der Dolch (b#gsw) war eine der konsequenten Weiterentwicklungen des Faustkeils; zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jungpaläolithikum hatte der frühe Mensch festgestellt, daß ein besonders schmaler, weniger bauchiger Faustkeil mit der Spitze leichter in einen Körper eindringt als ein herkömmlicher.
Abb. 54: Im frühen Mittleren Reich zeigt sich die heute noch übliche Grundform des Dolches.
War in der rhombischen Dolchform der Periode Naqada II noch die Nähe zum Faustkeil erkennbar, zeigen die Dolche des frühen Mittleren Reiches die langgestreckte Klinge, wie sie heute noch üblich ist; an den Schmalseiten nach unten gezogene Hefthörner umfassen die Klinge und geben ihr den nötigen Halt, der durch den kurzen Fortsatz am Klingenende allein nicht gewährleistet ist (Abb. 54). Die härtere Bronze hat das Kupfer abgelöst.
Aus dem Alten Reich liegen so gut wie keine Dolche vor, zumindest keine, die sich zweifelsfrei in diesen Zeitabschnitt datieren lassen. Erst im Mittleren Reich beginnen die Ägypter, ihre Toten mit deren Waffen zu bestatten. Waren diese aus dem kostbaren Metall, wurden sie in der frühen Phase meist durch Nachbildungen aus Holz oder Ton ersetzt. – Die Magie des Osiris ließ sie auch im Jenseits ihren Zweck erfüllen.
Die Gusstechnik hat erhebliche Fortschritte gemacht, einige Dolchklingen weisen beidseitig kunstvolle Riefen auf, die auf den Guss in einer geschlossenen Form hindeuten.
Zum Ende des Mittleren Reiches endet das Blatt nicht mehr in einem kurzen Fortsatz, sondern setzt sich in gabelartig erweiterten Metallstreben nach oben fort. Auf diesem Skelett wurde der meist aus Elfenbein bestehende Griff mit durchgehenden Stiften befestigt.
Abb. 55: Dolch mit Gerüstgriff.
Dolche mit diesen Gerüstgriffen (Abb. 55) wurden in der Gusstechnik der „verlorenen Form“ hergestellt. Ein vollständiger Dolch wurde zunächst aus Bienenwachs modelliert, der dann mit feuerfestem Gips oder Ton ummantelt wurde. Nach dem Aushärten wurde von oben das glutflüssige Metall hineingegossen, welches das Wachs verdrängte und die Form des Hohlraums annahm. Nach dem Abkühlen wurde die Form zerschlagen, der Guss entnommen und, wenn nötig, nachgearbeitet sowie mit den Griffbeschlägen ausgestattet.
Geschärft werden mußte der Bereich der Spitze, im Gegensatz zum Messer ist der Dolch eine Stichwaffe und kein Schneidwerkzeug.
In der Zweiten Zwischenzeit erhält die ägyptische Technik neue Schübe, in der 17. Dynastie werden aus einem Stück gegossene Dolche (Abb. 56) hergestellt, die weitaus stabiler als die herkömmlichen sind.
In unterschiedlichen Ausführungen waren solche Dolche schon im gesamten östlichen Mittelmeerraum verbreitet und gelangten damit erst relativ spät nach Ägypten (Abb. 57).
Abb. 56: In einem Stück gegossener Dolch
Axial haben die Klingen eine starke Verdickung, der Griff, meist ausgestattet mit einer Ausbuchtung für den besseren Halt in der Hand, besteht aus einer flachen Zunge mit seitlichen Leisten und geht in einen halbrunden Knauf über, weitere Ausstattungen dienen nur als Dekoration und haben keinen Einfluss auf dieStabilität.
Bei den gefundenen Scheiden (mtpnt) fällt auf, daß sie weder über eine Lasche noch einen Bügel verfügen, sie also nicht an einem Gürtel befestigt werden können. Das läßt darauf schließen, daß sie in den Bund des Schurzes eingeschoben geführt wurden.
Hatten die frühen Dolche eine Länge von etwa 20 cm, fallen die Dolche des Mittleren Reiches mit um die 30 cm und die zu Beginn des Neuen Reiches mit mehr als 35 cm deutlich länger aus, die Klingen stellen sich überwiegend geradlinig verjüngend oder weidenblattartig geformt dar.
Sie sind der Übergang von der Stich- zur Hiebwaffe, die nächste Stufe der Entwicklung werden die Kurzschwerter der früheren Ramessidenzeit sein.
Abb. 57: Mykenischer Prunkdolch.
Sammlung Wolfgang Halbig
Unter Pepi I., dem dritten König der 6. Dynastie, kommt es zu innerpolitischen Spannungen.
Nach dem ersten eigentlich literarischen Werk Ägyptens, dem Bericht des Höflings Uni, unter Merenre I. Vorsteher Oberägyptens, soll Pepis erste Ehefrau eine Verschwörung gegen den König angezettelt haben, die ihren Ausgang im Harem nahm und eventuell zu einer zweiten unter Leitung eines in Ungnade gefallenen Wesirs namens Rewer führte.
Um Oberägypten zur Sicherung der inneren Stabilität stärker einzubinden, heiratet Pepi zwei Töchter des Chui, Gaufürst des Ta-wer-Gaus (T#- wr), des 8. Gaus; dessen Gattin Nebet er, ein unerhörter Vorgang, zur Wesirin ernennt.
Pepi verstärkt das Heer und rekrutiert Soldaten. Da sich nicht genügend Ägypter finden, dehnt er die Rekrutierung erstmalig auf Nubien aus, dessen Bogenschützen (r#-pDtjw) als besonders zielsicher gelten.
Aus Kleinasien dringen immer wieder beduinische Stämme zu Raubzügen in Ägypten ein, in fünf Feldzügen, einen in Verbindung mit der ebenfalls verstärkten Flotte, werden sie von Pepi vernichtend geschlagen.
Die nubischen Bogenschützen bilden schon bald vom Gegner gefürchtete Einheiten. Wie die schwarzen Bogenschützen (Abb. 72) ausgestattet waren, überliefert das zweite Modell (Abb. 37) aus dem Grab des Meseheti.
Sie tragen den Bogen (jwnt) in der linken Hand und ein Bündel Pfeile (XrSt nt oH#) in der rechten.
Funde belegen, daß sich diese einfachen Bogen bis ins Neue Reich hinein nicht sonderlich von den vordynastischen unterscheiden, es sind nach wie vor zugeschnittene „Stecken“ mit leicht gekrümmten, sich nach außen verjüngten Enden, wenn auch mit einer Höhe zwischen 1 Meter und 2 Metern, an deren einer Spitze (Abb. 58) die Sehne (rwD) mit mehr oder weniger aufwändigen Knoten (Tst), an der anderen mit einem geschnittenen oder geschlungenen Auge befestigt wurde.
Abb. 58: Bogen mit festgeknoteter Sehne aus dem Grab eines Bogenschützen des Mentuhotep.
Foto: Museum of Modern Arts, New York (1945)
Untersuchungen eines Bogens aus einem Soldatengrab in der Nekropole des nördlich des heutigen Luxors auf der westlichen Nilseite gelegenen Deir el-Bahari im Labor des Metropolitan Museum of Art in New York haben ergeben, daß das Holz der heimischen Akazie (SnDt) für den Bogen und verdrillter Tierdarm für die Sehne genommen wurden, der durch Zerbrechen „unschädlich gemacht“ mit einem Schützen des Pharaos Mentuhotep I. bestattet war.
Abb. 59: Bogenspannen
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Um Ermüdungserscheinungen vorzubeugen, wurde die Sehne erst kurz vor dem Einsatz aufgezogen. Die Darstellung in einem Grab in Beni Hassan, rund 23 Kilometer südlich von al-Minya in Mittelägypten, belegt, daß das Aufspannen der Sehne mit einer gewissen Kraftanstrengung verbunden war (Abb. 59). Mit Nachbauten dieser Bogen aus Akazienholz wurden unterschiedlich befiederte Pfeile über eine Distanz von 80 Metern geschossen, ein halbwegs zielgenaues Treffen war aber nur bis zu einer Entfernung von etwa 40 Metern möglich.
Abb. 60: Bogenschütze mit Hörnerbogen. Darstellung im Totentempel Ramses‘ II. in Medinet Habu.
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Im Mittleren Reich kommt ein neuer Bogentyp auf, der Hörnerbogen. Er besteht aus zwei geraden, spitz endenden Antilopenhörnern, die auf ein Mittelstück aus Horn oder Holz aufgesetzt werden (Abb. 60). Der Bogen ist ebenso schwer wie unhandlich und anstelle eines Teiles müssen jetzt drei Teile mitgeführt werden; löst sich der Knoten oder reißt die Sehne, fällt der Bogen auseinander.
Diese Konstruktion kann sich nicht durchsetzen und wird aufgegeben.
Die nächste Generation der Bogen erscheint in der Zweiten Zwischenzeit, wenn auch zunächst nicht in den Händen der Ägypter, sondern in denen der Hyksos.
Die Bogen der Hyksoskrieger sind aus übereinanderliegenden Lagen von Holz und Horn gefertigt, die durch eine feste Umwicklung aus Sehnen zusammengehalten werden (Abb. 61). Damit die Sehnen vor Feuchtigkeit, vor allem dem Hautschweiß, geschützt sind und sich nicht lösen, liegt über ihnen noch eine Schicht aus Birkenbast. Diese Bogen sind leicht und erheblich leistungsstärker als die ägyptischen.
Das Geheimnis dieser Wunderwaffe bleibt nicht lange geheim. Die Ägypter stellen fest, wie der Bogen konstruiert und mit welcher Technik er gefertigt ist.
Und sie stellen noch etwas anderes fest, daß nämlich die Konstruktion gut und schön aber auf halbem Wege in der Weiterentwicklung irgendwie steckengeblieben ist.
Abb. 61: Aufbau des Kompositbogens der Hyksos.
Zeichnung: Korisios
Die Umwicklung der Hyksosbogen mit Sehnen erhöht die Bruchfestigkeit des Holzes, was die Verwendung sehr harter Hölzer zuläßt. Diese Festigkeit ist aber bereits, zumindest bei solider Verarbeitung, durch die verklebte Schichtung mit den Hornstreifen ausreichend gegeben; die Sehnenumwicklung damit im Grunde überflüssig.
Die Ägypter bauen ihre Kompositbogen, um solche handelt es sich aufgrund der Sandwichbauweise, mit einer wesentlichen Änderung, sie wickeln die Sehnen nicht um den Bogen, sondern kleben (dmj) breite Sehnenstreifen, im Regelfall die Achillessehne der Rinder, vor den vom Schützen abgewandten Teil des Bogens.
Damit werden beim Spannen auch diese Sehnen gespannt, was der Waffe zusätzliche Kraft verleiht.
Geklebt wurde mit Harz oder Hautleim. Dieser Leim wurde durch Kochen der Haut von Rindern, Schafen oder Ziegen und anschließendem Eindampfen des aus dem freigesetzten Kollagen entstandenen Glutins gewonnen25.
Beibehalten wird die Schichtung aus Holz und Horn, die Abdeckung der aufgeklebten Sehnenstreifen mit Birkenbast und vor allem die geschwungenen Arme, welche durch ihre nach vorn gebogene Krümmung beim Spannen einen immer flacher werdenden Hebel zum Schützen bilden; der Bogenarm verhält sich, als wäre er kürzer. Umgekehrt verhält sich der Bogen, als würde er beim Spannen immer länger und ist damit weicher zu ziehen, was bei einer aufzuwendenden Zugkraft von etwa 30 kg ein enormer Vorteil ist (Abb. 62).
Beim Schuss läuft der Vorgang rückwärts ab, der Pfeil erhält seine höchste Beschleunigung erst kurz vor der Trennung von der Sehne, Fluggeschwindigkeit, Reichweite und Zielgenauigkeit steigen merklich. – Die Leistung der Bogen wurde nahezu verdoppelt.
Die Kompositbogen (Abb. 63) waren nicht nur gut, sie waren auch teuer. Und so blieben sie der Elite vorbehalten, die gemeine Infanterie schoss weiterhin mit den herkömmlichen Bogen.
Abb. 62: Durch ihre nach vorn gebogene Krümmung bilden die Arme des Kompositbogens beim Spannen einen immer flacher werdenden Hebel.
Die Bogensehne schnellt nicht nur beim Schuss nach vorn, sondern schwingt nach dem Pfeilabschuss auch mehr oder weniger unkontrolliert mit der Wirkung einer scharfen Peitschenschnur zurück.
Das ist für den Schützen im besten Fall unangenehm oder schmerzhaft, im schlimmsten, und das dürfte der Regelfall gewesen sein, führt es zu Verletzungen an Handgelenk und Unterarm.
Abb. 63: Ein Kompositbogen, wie er im Grab Ramses‘ III., KV 11 im Tal der Könige, gefunden wurde.
Zum Schutz trugen die Bogenschützen eine Lederzunge über der Innenfläche des Handgelenks, welche in zwei etwa 25 cm lange Lederriemen auslief, die um den Unterarm (Abb. 64) oder hinter den Ellenbogen gebunden waren (Abb. 65).
Eine aufwändigere Ausführung bestand aus einer Ledermanschette, die am vorderen Ende mit einer Zunge bis in die Handinnenfläche reichte und den Handteller polsterte.
Gehalten wurde die um die 20 cm bis 30 cm lange Manschette durch Lederbänder (DHrw) oder Schnüre, die durch kleine Löcher an den Enden der Manschette geführt und mehrfach um den Unterarm geschlungen wurden.
Die Verzierung der Außenfläche reichte vom Nichts bis zur reichen Ornamentik, häufig war die zentrale Darstellung ein apotropäisches Symbol.
Die Kompositbogen waren Spitzenerzeugnisse der Hochtechnologie ihrer Zeit und waren, wie es „Hightech“ noch heute an sich hat, entsprechend empfindlich. Die „Achillessehne“ dieser Bogen war ihre Eigenheit, sich bei Feuchtigkeit zu verziehen, sie mußten also geschützt aufbewahrt werden.
Dazu wurden aus Leder, selten aus Leinen oder Holz, Futterale gefertigt, bunt verzierte Bogenköcher, die mit einer Kappe aus gleichem Material verschlossen und von den Bogenschützen auf dem Rücken getragen wurden (Abb. 66).
Abb. 64: Die mumifizierte Hand eines Bogenschützen aus dem Mittleren Reich mit Handgelenkschutz.
Foto: Metropolitan Museum of Modern Arts, New York (1945)
Seit vordynastischer Zeit stellte der Stängel des Schilfs, Phragmites australis, das Material des Pfeilschafts (nbjt) und stellte es auch weiterhin. – Eine Regel, welche durch die seltenen Funde hölzerner Pfeile bestätigt wird.
Schilf wuchs in den Sumpfgebieten des Deltas und säumte die Ufer des Nils, war also reichlich vorhanden, die Stängel erreichen, je nach Art, Höhen bis 4 Meter, manche sogar bis 10 Meter.
Ähnlich wie sein Verwandter, der Bambus, ist das Schilfrohr durch flache, feste Knoten in einzelne Abschnitte unterteilt. Da es keine Feuchtigkeit aufnimmt, verzieht es sich nicht; die Oberflächenstruktur ist griffig, die Wandung aufgrund ihres hohen Kieselsäuregehalts fest.
Abb. 65: Bogenschützen mit am Ellenbogen befestigtem Handgelenkschutz, wie er in thebanischen Gräbern häufig dargestellt wird.
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Eine Standardlänge der Pfeile läßt sich nicht festlegen, die Funde bewegen sich in der Häufung zwischen etwa 75 cm und 85 cm bei einem Querschnitt von rund 0,9 cm am „dicken Ende“ und verjüngen sich bis zu 0,3 cm an der Spitze.
Am Ende des Pfeilschaftes befindet sich meist eine längsaxiale, bis zum Schilfrohrknoten gesägte Riefe zur Aufnahme der Bogensehne. Weniger häufig ist ein entsprechend gearbeitetes Endstück aus Hartholz übergeschoben, welches gleichzeitig die zur ballistischen Stabilisierung notwendige, aus drei im Kiel halbierten und zugeschnittenen Vogelfedern bestehende Befiederung trägt.
Abb. 66: Bogenköcher
Foto: Walther Wolf (1926)
Für die Herstellung der Pfeilspitzen wurde alles genommen, was geeignet erschien, Holz, Knochen, Horn, Elfenbein, Kupfer, Bronze, Eisen und sogar noch der scharfe Feuerstein begegnet im Neuen Reich; für militärische Zwecke wird jedoch seit der 18. Dynastie nur noch Bronze verwendet.
Die Form der Pfeilspitzen war vielfältig (Abb. 67) und bestimmte sich durch das Ziel. Spitzen mit Widerhaken konnten weder von der Jagdbeute noch vom getroffenen Gegner einfach aus dem Körper gezogen werden und vergrößerten beim Entfernen die Wunde. Breite Spitzen durchtrennten Fleisch und Sehnen, schmalspitzige durchdrangen Schild und Kleidung, auf kurze Distanz auch die Rüstung.
In der 18. Dynastie sind die bevorzugten Pfeilspitzen lanzettförmig mit gerundetem Mittelgrat und ähneln Schilfblättern, mit ihrer Länge um die 7 cm kleine Verwandte der Dolche ihrer Zeit (Abb. 68).
So unterschiedlich wie die Pfeilspitzen, sind auch die Befestigungstechniken. Manche Enden sind als Tüllen in Verlängerung einer mehr oder weniger ausgeprägten Mittelrippe ausgeführt und werden über den Schaft gestülpt. Wieder andere enden in einem mitunter runden, mitunter vierkantigen Zapfen oder nagelähnlichen Fortsatz, mit dem sie in das Schilfrohr eingesetzt werden, bei anderen greift die Schaftkerbe bis fast zur Klingenmitte. Scheint bei den eingesetzten Spitzen die Klebung aus Harz für den Halt nicht ausreichend, wird der Überstand des Schaftes mit einer Wicklung dünner Riemen aus Leder oder feinen Schnüren aus Pflanzenfasern zusammengepresst.
Abb. 67: Pfeilspitzen des Neuen Reiches.
Foto: Walther Wolf (1926)
Abb. 68: Lanzettförmige Pfeilspitzen des Neuen Reiches.
Foto: Walther Wolf (1926)
Bereits bei den ersten Kontakten mit den Asiaten lernten die Ägypter eine Waffe kennen, die ebenso wirkungsvoll wie preiswert zu beschaffen war und deren erfolgreicher Einsatz im Alten Testament der Bibel beschrieben wird26:
Und David tat seine Hand in die Tasche und nahm einen Stein daraus und schleuderte und traf den Philister an seine Stirn, daß der Stein in seine Stirn fuhr und er zur Erde fiel auf sein Angesicht.
Also überwand David den Philister mit der Schleuder und mit dem Stein und schlug ihn und tötete ihn.
Die Schleuder (rwD) bestand aus einem Band oder Riemen mit einer taschenähnlichen Erweiterung zur Aufnahme eines Steins in der Mitte und wurde aus Leinen, Leder oder geflochtenem Riedgras hergestellt. Als Stein wurde genommen, was zur Verfügung stand und möglichst rund war, vorzugsweise harte Kiesel.
Bei Versuchen mit solchen Schleudern wurden Reichweiten bis zu 200 Metern erzielt; über die Treffgenauigkeit wurde jedoch keine Aussage gemacht, da die Versuche von mehr oder weniger im Schleudern ungeübten Archäologiestudenten durchgeführt wurden.
Nachgewiesen ist die Schleuder seit dem frühen Mittleren Reich, doch ist sie mit hoher Wahrscheinlichkeit schon weit früher im Gebrauch gewesen.
Eine Wandmalerei in einem Grab in Beni Hassan zeigt einen ägyptischen Schleuderer (Abb. 69), der seine Waffe zum Einsatz bereit macht, einen Beutel mit weiterer „Munition“ trägt er an einem schräg über die Schulter gelegten Riemen oder einer Schnur vor der linken Brust.
Beide Enden der Schleuder hält er in der rechten Hand, die linke Hand umfaßt die mit einem Stein gefüllte Schleudertasche und zieht sie nach links unter die Hüfte.
Abb. 69: Schleuderer aus einem Grab in Beni Hassan.
Zeichnung: J.G. Wilkinson (1853)
Mit der Rechten wird die Schleuder dann nach oben gerissen und über dem Kopf geschwungen, bis im richtigen Moment soviel Finger geöffnet werden, daß sich das eine Ende der Schlinge löst und die Tasche damit das „Geschoss“ freigibt.
Eine im Grab Tutanchamuns gefundene Schleuder läuft an einem Ende in einer kleinen Schlaufe zur Aufnahme des kleinen Fingers aus, was den Vorgang etwas vereinfacht haben dürfte.
Doch ob mit oder ohne Schlaufe, das zielsichere Treffen verlangt Übung von Kindesbeinen an und so ist es nicht erstaunlich, daß in Kindergräbern in Kahun und Abydos solche Schleudern als Beigaben gefunden wurden.
Der Sohn Pepis, Merenre I., widmet sich verstärkt Nubien, wahrscheinlich sogar mit einem Feldzug, denn Felsinschriften auf Elephantine (#bw), auf dem befestigten Weg von Assuan nach Philae und südlich des 1. Katarakts berichten, daß Merenre die Unterwerfung der nubischen Fürsten entgegengenommen habe.
Damit ist der Weg zu den nubischen Steinbrüchen gesichert.
Nicht ganz so gesichert scheint die innere Stabilität des Reiches zu sein; Merenre verfügt in einem Dekret, daß die bislang in der Hauptstadt Memphis residierenden Gaufürsten und Vorsteher ihre Ämter in ihren jeweiligen Provinzen auszuüben haben. Untermauert wird das königliche Gebot mit der Anordnung, daß sie sich dort auch beisetzen lassen müssen.
Nach einer Regierungszeit von wahrscheinlich nur etwa sechs oder sieben Jahren stirbt Merenre.
Eine Rüstung hat der ägyptische Fußsoldat nie getragen. Wie es auch bei den Kriegern aus dem Grab des Meseheti zu sehen ist, trugen die Soldaten lediglich einen Schurz (bs#w) und gingen barfuß.
Abb. 70: Die Riemen der altägyptischen Sandale, Vorlage für das Anchzeichen.
Ob die Barfüßigkeit zum Standard gehörte, ist unsicher. Die beiden lebensgroßen Wächterfiguren im Grab Tutanchamuns sind mit vorne spitz zulaufenden Sandalen ausgestattet. Die Riemen (rwD) der ägyptischen Sandale (Abb. 70) bieten übrigens die Vorlage für das „geheimnisvolle“ Anchzeichen, das Symbol für Leben: Nur die Lebendigen tragen Sandalen (wX#tj).
Der übliche Schurz (bs#w) war ein spitzwinkliges, leinenes Dreieckstuch mit leicht nach innen gebogener Basis, deren Enden von hinten um die Hüften geschlungen und vorne in einem Knoten zusammengefaßt wurden (Abb. 71). Das spitze Tuchende (ns) wurde zwischen den Beinen hindurchgezogen und von unten über den Knoten nach vorn gelegt.
Abb. 71: Ein Schurz aus dem Grab Tutanchamuns. Die Struktur entstand durch die Faltung.
Die schwarzen Bogenschützen des Meseheti tragen bunte Schurze, von denen angenommen werden kann, daß sie entweder ganz aus Leder gefertigt wurden oder aber aus Leinen und mit ledernen Applikationen versehen sind. Zu der Bedeutung der Farben gibt es keinen Hinweis, Vermutungen, daß es sich um Kennzeichnungen des Ranges oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Truppe handelt, haben sich bislang nicht bestätigt.
Durch Funde aus dem Neuen Reich sind Lederschurze nachgewiesen, die über dem Leinenschurz getragen wurden und überwiegend von Gazellen stammen. Ob sie tatsächlich zur feldmäßigen Ausstattung gehörten, ist fraglich, ebenso wie die oft dargestellte Dekoration der Schurze mit breiten Bändern oder Tierschwänzen. Praktische Überlegungen legen nahe, daß es sich hier um „Paradeuniformen“ handeln könnte.
Bei den Lanzenträgern kann angenommen werden, daß sie Perücken tragen, bei den nubischen Bogenschützen belegen Mumienfunde das eigene Haar in einheitlichem Schnitt, unterstützt durch ein Kopf-, bzw. Stirnband (Abb. 72).
Nach dem frühen Tod Merenres wird sein Halbbruder Pepi II. im Alter von nur 6 Jahren zum König erhoben; die Regierungsgeschäfte werden von seiner Mutter geführt. Wann Pepi zum alleinigen Souverän wurde, ist unbekannt.
Ebenso unbekannt ist die Dauer seiner Regentschaft, die Annahmen schwanken zwischen 63 und 94 Jahren.
Gestützt auf sein Militär, führt er das durch, was bereits unter seinen Vorgängern als das Entsenden von Expeditionen bezeichnet wurde. In seinem Totentempel in Saqqara-Süd wird er als Sieger über die Feinde dargestellt und in gleicher Weise als Sieger über libysche Fürsten, gegen die er nie gekämpft hat.
Auch die vorgefundenen Figürchen, Gefangene darstellend, haben nicht viel in dieser Hinsicht zu bedeuten; solche fanden sich auch im Grab des Königs Neferefre aus der 5. Dynastie, der nachweislich nie einen Feldzug geführt hatte.
Nachgewiesen sind Pepis vier Expeditionen in das Gebiet des sudanesischen Kerma am 3. Nilkatarakt und eine Expedition nach Punt, ebenso militärische Unternehmungen zur Bekämpfung asiatischer Beduinen sowie zur Befriedung des stets zum Aufruhr neigenden Nubiens. Diese Neigung ist verständlich, denn die Ägypter warben in Nubien im großen Stil Arbeitskräfte und Soldaten, deren Auszug nach Ägypten die Wirtschaft Nubiens enorm schwächte.
Die Erwähnung nubischer „Gefangener“ auf ägyptischer Seite ist in den meisten Nennungen eine gelinde Übertreibung zur Überhöhung des Königs; die überwiegende Mehrzahl der „Gefangenen“ wurden mit dem Versprechen auf Lohn und Brot und ein besseres Leben für sich und ihre Familien in ägyptischen Diensten eingefangen.
Innerpolitisch geht die Saat auf, die von Userkaf, dem Begründer der 5. Dynastie, mehr als 200 Jahre zuvor gesät wurde. Da trotz emsiger Produktion der Harem nicht genügend Prinzen lieferte, wurden unter ihm auch Beamte nichtköniglicher Abstammung mit hohen Ämtern bekleidet.
Inschriften aus der 5. Dynastie weisen aus, daß die Provinzialbeamten unter Asosi größere Selbständigkeit zu Lasten der Zentralregierung erhalten haben.
Doch die Machtfülle der Beamten unter Pepi II. hat mit „größerer Selbständigkeit“ nicht mehr viel zu tun, sie liegt weit über dem, was der Begriff der Selbständigkeit zuläßt.
Ein Edikt Pepis für den Tempel des Min in Koptus läßt darauf schließen, daß höchste Beamte sogar eigenmächtig in die königlich verbrieften Rechte der Tempel eingegriffen haben, was einer Schmähung Pepis gleichkommt27:
[Horus NTrj-Xow – Jahr nach] der 22. Zählung.
[Der König befahl (an) …..] Ackerschreiber des Distriktes [von Koptus]
[(Betreffend) den Vorsteher der] Priester die sHd-Priester und alle Angehörigen des Min-Heiligtums der Gefolgschaft und des Tagesdienstes, die Arbeiter und Maurer …..
[Nicht erlaubt] die Majestät, daß man sie in die Königshürden setzt, in die Rinderweiden, Eselweiden (des) pr-z# (oder in) irgendeine Pflichtarbeit oder eine Steuer, die veranlagt ist in der königlichen Verwaltung, in alle Ewigkeit. [Sie sind exempiert für Min] von Koptus heute erneut auf Befehl zugunsten des Königs von Ober- und Unterägypten Neferkare‘, er lebe immer und ewig.
[Bezüglich eines Vorstehers von Oberägypten, der ihre Aushebung tun sollte für] das Büro der königlichen Aufträge, der Landesverwaltung, der Registratur der gesiegelten Aufträge oder der Registratur, (oder) um sie in irgendeine Arbeit des Königshauses zu setzen. Das was der König haßt ist es [wahrlich].
[Bezüglich irgendeines Oberhauptes,] eines wr-mD Cmo, eines Vorstehers der Phylen von Oberägypten, eines Vorstehers der Kommissionen, eines rX-nswt, eines Vorstehers der opr (?) oder eines Vorstehers der Königsleute, der sie rekrutieren sollte, entsprechend einem Auftrag, der gebracht ist für das Büro der königlichen Aufträge, der Landesverwaltung, der Registratur der gesiegelten Dokumente oder der Registratur, (oder) um sie in irgendeine Arbeit des Königshauses zu setzen. Das was der König haßt ist es [wahrlich].
So befiehlt der König von Ober- und Unterägypten Neferkare‘, er lebe immer und ewig.
Bezüglich eines Auftrags für den Distrikt, der gebracht wird zum Vorsteher von Oberägypten, um danach zu handeln, nachdem er zu den Magistraten [gebracht wurde:] Die Majestät befiehlt, daß er entferne die Namen der Priester dieses Tempels.
Bezüglich eines Magistraten, eines königlichen Urkundenschreibers, eines Vorstehers der Ackerschreiber, eines Schreibers der gesiegelten Urkunden oder (sonst) eines Funktionärs, der einen Auftrag erhalten wird oder der Befehle schreiben wird, um zu setzen [den Namen des Vorstehers der Priester,] der sHD-Priester oder Funktionäre und irgendwelcher Angehörigen des Heiligtums des Min in Koptus in irgendeine Arbeit des Königshauses. Das was der König haßt ist es wahrlich.
So befiehlt der König von Ober- und Unterägypten Neferkare‘, er lebe immer und ewig.
Gebracht werde eine Urkunde über diesen Befehl, die auf eine Stele aus Kalkstein gesetzt werde am Torbau des Heiligtums des Min in Koptus, damit die Funktionäre des Distriktes (es) sehen, daß sie nicht nehmen sollen die Priester dieses Tempels zu irgendeiner Arbeit des Königs in alle Ewigkeit.
[Bezüglich] dem, das gesagt wurde zur Majestät, daß Befehle ausgestellt sind für dieses Oberägypten, um zu tun eine Verpflichtung für die Arbeit des Königs, bestehend aus Trage- und Transportarbeit; (für) die Abgabe des Vorstehers von Oberägypten: Gold und Kupfer und Juwelen; (für) den Bedarf des pr-onX: die jährliche Abgabe, Nahrungsmittel, Viehfutter, Opfergaben (?), nwH-Seile, spw-Stricke, Häute; (für) oHt-Land von 19 5/8 Aruren und den Pflugrechten – irgendwelche Steuern, irgendwelche Arbeit oder irgendwelches Aussenden zu Wasser und zu Lande – die in diesem Oberägypten zu tun befohlen sind. Indem es in diesen Befehlen heißt: „Nicht soll man irgendeine Exemption davon machen in den exemtierten Städten, die in diesem Oberägypten sind“. Nicht erlaubt die Majestät, daß diese Priester diese Sachen machen, die in diesem Oberägypten zu tun befohlen sind.
Es befiehlt der König von Ober- und Unterägypten Neferkare‘, er lebe immer und ewig, daß sie exempiert und beschützt sind für Min von Koptus in alle Ewigkeit.
Die Majestät weiters veranlaßt, daß man ausführt den früheren Königsbefehl für ihre Exempierung für Min von Koptus. Du sollst danach handeln. Nicht aber erlaubt die Majestät, daß ein Emissär des Vorstehers von Oberägypten oder ein Magistrat hinausgeht zu der Höhe von Koptus ….. Min-Heiligtum.
So wahr der König von Ober- und Unterägypten Pepi-Neferkare‘, er lebe immer und ewig, lebt, dauert und gesund ist, du sollst sie nicht [zu diesen Sachen] nehmen ….., um das Eigentum gegen sie zu besteuern, (oder) um Steuern des Eigentums von ihnen einzuziehen, außer zur Ausführung ihres Dienstes für Min von Koptus. Das was der König von Ober- und Unterägypten Neferkare‘, er lebe immer und ewig, wünscht, ist das Handeln gemäß dem Wortlaut dieses Befehls.
Ein Vorsteher von Oberägypten oder irgendein Magistrat, irgendein Emissär oder Funktionär, der nicht handeln wird nach dem Wortlaut dieses Befehls, werde zur „Halle des Horus“ genommen und nicht erlaubt die Majestät, daß er Priester sei in der Pyramide Mn-oX-Nfr-k#-ro.
[Gesiegelt in der persönlichen Gegenwart des Königs (?)] ….. 4. Monat der Smw-Jahreszeit, Tag 28.
Gaufürsten und Landesvorsteher haben an Macht und Einfluß gewonnen, die staatliche Macht verlagert sich vom Hof in Memphis in ihre Hände. Am Ende der Regierungszeit Pepis wird sie nur noch von den Händen zweier Gaufürsten gehalten, denen des Gaufürsten von Meir und denen des Gaufürsten von Theben.
Abb. 72: Kopf der Mumie des nubischen Bogenschützen Maiherpri im Ägyptischen Museum, Kairo.
Foto: George Émilie J. Daressy (1902)
Pepis Sohn, Nemti-Emsaf, übernimmt eine Verwaltung, welche ihn allem Anschein nach völlig ignoriert.
Mit militärischem Nachdruck kann er seine Ansprüche nicht durchsetzen, denn das Militär steht hinter denen, welche die Priesterschaft und mit ihr die in den Tempeln ausgebildeten Beamten hinter sich haben28. Ob er als Regent tatsächlich nur ein Jahr überdauert hat, ist unbewiesen. Der Legende nach wird er nach einem vertanen Jahr königlichen Nichtstuns von seiner schönen Gemahlin Nitokris ermordet, die sich anschließend zur Herrscherin aufschwingt und sich nach einem weiteren Jahr schuldgeplagt das Leben nimmt.
Es ist das Ende des Alten Reiches und der Beginn der rund 100 Jahre andauernden Ersten Zwischenzeit, in der Ägypten zwischen Herakleopolis im Norden und Theben im Süden aufgespalten wird und es Nubien gelingt, sich des ägyptischen Einflusses zu entledigen. Mit dem Ende des Alten Reiches war nicht nur ein wesentliches Kapitel der ägyptischen Geschichte abgeschlossen, sondern auch die grundlegende Entwicklung der Waffen und des Militärs.
Es wird mehr als 500 Jahre dauern, bis ein neuer Waffentyp die Schlachtfelder erobert, der Streitwagen.
Abb. 73: Tutanchamun auf seinem Streitwagen im Kampf gegen die Syrer. Darstellung auf einer in seinem Grab im Tal der Könige gefundenen Truhe.