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Das Waldreservat – der Urwald von morgen

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Dunkler, von mächtigen Kronen beschatteter Boden, dicke Stämme mit Spechthöhlen, umgestürzte Riesen – so sieht ein Urwaldreservat aus. Da hier keine Baumfällungen erlaubt sind, finden Sie in solchen Schutzgebieten auch keine glatt gesägten Stümpfe oder liegende Kronenreste, die beim Abtransport des Holzes übrig geblieben sind. Abgestorbene Bäume sowie heruntergefallene Äste vermodern in der feuchten, windstillen Atmosphäre sehr rasch, sodass es im Vergleich zu bewirtschafteten Wäldern in manchen Reservaten richtig aufgeräumt aussieht.

Kann das bloße Nichtstun ein Wirtschaftsziel sein? Dazu komme ich gleich, doch es gibt noch einen anderen Grund, diese Waldform an den Anfang zu setzen: Da es keine echten, vom Menschen völlig unbeeinflussten Wälder mehr in Mitteleuropa gibt, stellt das Reservat die naturnächste Waldform und damit einen Referenzwert für die ökologische Waldwirtschaft dar. Hier lassen sich ungestörte Prozesse vom Werden und Vergehen beobachten, hier haben die letzten Urwaldarten ein Refugium. Wie sehr Forstwirtschaft dieses Ökosystem verändert, lässt sich nur durch vergleichende Forschung herausfinden, und das ist der besondere Wert dieser Schutzgebiete. Wenn im Folgenden andere Wirtschaftsformen vorgestellt werden, dann können Sie diese vor Ihrem geistigen Auge neben die Reservate stellen und sehen, wie sehr sie von der Natur entfernt sind.


Wo der Mensch nicht eingreift, finden unzählige Pflanzen- und Tierarten geeignete Lebensräume.

Waldreservate funktionieren wie Urwälder. Sie lagern etwa zehn Tonnen Biomasse pro Jahr und Hektar in Form von lebenden und toten Bäumen sowie Humus ein. Ein Teil dieses Materials wird wieder von Pilzen und Bakterien gefressen und veratmet, doch die Hälfte verbleibt dauerhaft im Ökosystem. So bindet der Wald nach Jahrhunderten über 150 000 Tonnen Kohlendioxid pro Quadratkilometer. Die lebende und tote organische Substanz ist voller Wasser, welches an heißen Tagen an die Luft abgegeben wird und diese deutlich kühlt. Zudem haben die Bäume selbst in Trockenperioden immer Zugang zu genügend Feuchtigkeit für ihre Wurzeln. Viele Tierarten sind auf solch konstante Bedingungen angewiesen. Laufkäfer des Urwalds etwa brauchen eine bestimmte Luftfeuchtigkeit. Werden auch nur einzelne Bäume gefällt, so wird die Luft etwas trockener und die Käfer verschwinden. Selbst die Zusammensetzung der Spinnenarten verändert sich in dem Augenblick, wenn Holz geerntet wird. Die nachgelagerte Nahrungskette der Vögel und Säugetiere beeinträchtigt dies zwangsläufig auch – wie genau, das ist noch nicht erforscht.

Neben der Artenvielfalt geht es aber auch um die Bäume selbst. Von Natur aus wachsen die jungen im Dämmerlicht unter den Kronen der ausgewachsenen Exemplare jährlich nur wenige Millimeter. Ein zwei Meter hoher Baum kann durchaus schon 100 Jahre alt sein, und diese Langsamkeit ist das Geheimnis, warum diese Wesen so lange leben können. Nur bei einem extrem gebremsten Jugendwachstum können sie später ein Alter von mehreren Hundert Jahren erreichen. Das Holz wird dicht und zäh und ist widerstandsfähig gegen Pilzbefall. Zudem bleibt stets genug Energie übrig, um sich gegen Parasiten zu wehren und eine heftige Krankheit zu überstehen. Solche Geruhsamkeit und solche Bedacht sind in Wirtschaftswäldern gar nicht gefragt und auch schädlich für die Rendite. Wer will schon nach 100 Jahren nur bleistiftdicke Stämme ernten? Wo Bäume bereits nach 80 Jahren ins Sägewerk wandern sollen, legt man auf diese Prozesse keinen Wert. Für die Tierarten, die Buchen oder Eichen erst ab Baumalter 200 besiedeln können, sieht die Sache schon ganz anders aus. Der Mittelspecht etwa benötigt solche alten Recken, hat in forstwirtschaftlichen Fragen aber leider kein Mitspracherecht. Dabei lassen sich Reservate auch anderweitig nutzen, wovon ich ab Seite 85 noch erzählen werde.


Jeder Knoten am Zweig steht für ein Lebensjahr.

Menschenspuren im Wald

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