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Die Wurzeln der Landwirtschaft

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Felsnadeln ragten aus ausgedörrten, steil abfallenden Wiesen voller Wildblumen. Blutroter Mohn und Scharlachroter Hahnenfuß, die prächtigen Blüten der Schwertlilien, vielfarbige Wogen aus Anemonen, orangefarbene Studentenblumen, chromgelbe Chrysanthemen, lilafarbener Lavendel und die seidenrosanen Kelche von Winden verleiteten uns dazu, innezuhalten und durch diese Wiesen zu streifen. Hinter uns lagen die ertragreichen, kultivierten Felder von Galiläa. Nun waren wir in einem wilderen Landstrich – eine Landschaft, in der Zäune aus um Pfähle gewundenem Stacheldraht verhindern sollten, der Lust zum Erkunden nachzugeben. Unheimliche kleine Schilder mit dem Wort „Minen“ unter einem Totenschädel mit gekreuzten Knochen vermittelten eine klare Botschaft. Drei Jahre zuvor, 1967, hatte die israelische Armee die Golanhöhen erstürmt, die Syrier vertrieben und sie den halben Weg die Straße nach Damaskus hinunter verfolgt. Nun hatte die Natur die verlassenen Felder um menschenleere Dörfer und Städte zurückerobert. Das Schlachtfeld war zu einem Rastplatz Tausender Vögel geworden, die nach Norden Richtung Türkei und Europa zogen, wo sie den Sommer verbrachten. Storchschwärme dösten inmitten der Landminen, balancierten auf einem Bein in den mit Stacheldraht umzäunten Gebieten. Ihre langen Schnäbel nestelten im Brustgefieder, nicht ahnend, dass unter ihren Füßen eine tödliche Saat schlummerte.

Wir blickten vom Gipfel der Golanhöhen zurück über den See Genezareth in das Land, das wir gerade hinter uns gelassen hatten (1). Über uns ragte der Hermon in den Himmel, seine oberen Hänge von Schnee bedeckt und seine Gipfel versteckt in den Wolken. Nachdem wir das Auto verlassen hatten, gingen wir über verlassene Felder. Gräser mit schmalen kümmerlichen Blättern und seltsamen, stacheligen Blütenköpfen strichen gegen unsere Knie. Es handelte sich um Walch-Gräser, und obwohl die farbenfrohen Reize anderer Wildblumen vielleicht verlockender erscheinen mochten, waren eben sie es, die wir gesucht hatten. Trotz ihres unscheinbaren Äußeren hatten wir die Walch-Gräser ausgesucht, weil sie für die Entstehung des Brotweizens wichtig gewesen waren, und weil sich die Gene, die sie enthielten, bei der Weizenzüchtung als nützlich herausstellen konnten.

Die bescheidenen Walch-Gräser haben in der Geschichte der Menschheit eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Zehntausende Jahre lang waren die halbnomadischen Stämme am Fuße der Berge, die sich quer durch den Nahen Osten bis in den Iran und darüber hinaus erstreckten, Teil von Gesellschaften, die Walch-Gräser sehr schätzten. Sie werden, genau, wie wir es an diesem Tag getan hatten, durch wilde Wiesen aus Walch-Gräsern – durchsetzt mit wilden Weizen- und Gerstensorten – gewandert sein. Mit Sicheln aus Knochen in die Feuersteine eingesetzt waren, werden sie sie büschelweise abgeerntet und sie einige Tage zum Trocknen ausgelegt haben, bevor sie die Samen mit primitiven Dreschflegeln aus Holz von der Spreu trennten.

Die Aktivitäten von Angehörigen nomadischer Stämme, die vor etwa 19.000 Jahren durch diese Wiesen gezogen waren, haben leise Spuren hinterlassen: die frühesten, bekannten Überbleibsel der Ursprünge westlicher Landwirtschaft. Sie waren während der letzten 1000 Jahre einer Periode hier, von der man annimmt, dass damals Männer die Tiere in der Umgebung jagten und Frauen die Samen, Wurzeln und Früchte wilder Pflanzen sammelten, so wie es bereits ihre Vorfahren getan hatten. Solche Stämme werden beobachtet haben, dass Gräser und andere nützliche Pflanzen sich auf Erdflecken ausbreiteten, die entstanden waren, nachdem Feuer die Bäume und Sträucher vernichtet hatten, und sie könnten selbst Feuer gelegt haben, um diesen Prozess in Gang zu setzen. Abgesehen davon verließen sie sich darauf, was ihnen die Natur bereitstellte. Bevor weitere 10.000 Jahre verstrichen sein werden, werden ihre entfernten Nachkommen angefangen haben, Pflanzen zu kultivieren, anstatt sie einfach nur wahllos zu sammeln. Dabei hatten sie bereits begonnen, sich nichts ahnend in einem Netz zu verfangen – ein Netz, das ihre Nachkommen unaufhaltsam verändern würde, langsam und subtil, Jahrtausend um Jahrtausend. Aus Menschen, die frei waren, dorthin zu ziehen, wohin sie die Wildpflanzen führten, wurden Gemeinschaften, die Ackerbau betrieben, die an den Boden gebunden und den Bedürfnissen von Pflanzen Untertan waren – in dem Irrglauben, sie beherrschten die Pflanzen.

Die Körner von Walch-Gräsern haben etwa die Größe kleiner Gerstenkörner. Sie sind nahrhaft und gut zu essen, doch jede Pflanze produziert nur einige wenige, und es ist zeitraubend und mühselig ausreichend viele zu gewinnen, um eine richtige Mahlzeit zuzubereiten. Die dünnen Ähren von wilden Weizen- und Gerstensorten mit ihren zahlreichen kleinen, runden Körnern sind zwar lohnender, weil die Ähren jedoch während des Reifeprozesses zerfallen, verliert man einen Großteil der Ernte bei der Lese. Die essbaren Körner müssen von den harten Spelzen durch heftiges Dreschen und Rollen getrennt werden. Danach werden die hartnäckiger haftenden Teile in der Glut weggebrannt – eine Entspelzung also durch Rösten. Einige Körner werden dabei kaum angesengt, andere sind braun geröstet, und wenn man nicht aufpasst, werden manche ganz zu Kohle. Verkohlte Körner sind gegen Verfall und Zersetzung beinahe unempfindlich.

Solche verkohlten Überreste wurden in sorgfältiger Kleinarbeit aus den Rückständen alter Lagerfeuer gesiebt. Sie geben uns Auskunft darüber, was unsere Vorfahren im Nahen Osten als Nahrung sammelten und später anbauten, Zehntausende von Jahren, nachdem sie es geerntet hatten. Diese Überreste verraten uns, dass, als vor ungefähr 10.000 Jahren die Gletscher Nordeuropa nicht mehr so fest im Griff hatten, die Menschen, die über die felsigen Hänge oberhalb des See Genezareth streiften, in kleinen Familienverbänden zusammenlebten, Tiere jagten und alles an Pflanzen sammelten, was sie finden konnten. Im Lauf der nächsten paar Tausend Jahre begannen die Bewohner riesiger Landstriche, von Südosteuropa und dem westlichen Mittelmeerraum bis Anatolien und Irak, allmählich und kaum wahrnehmbar, die ausgetretenen Pfade ihrer Vorfahren zu verlassen und neue Wege einzuschlagen.

Sie beuteten den Boden auch weiterhin noch nicht aus, sondern jagten Wild und ergänzten das Fleisch lediglich mit den Samen und den Dingen, welche die Natur hervorbrachte, die sie am einfachsten sammeln konnten. Das stumme Zeugnis, das weitere verkohlte Körner geben, die in alten Siedlungen entdeckt wurden, legt nahe, dass vor ungefähr 12.000 Jahren in Jericho ebenso wie an einer Reihe anderer Orte bewusst Versuche unternommen wurden, das Wachstum einiger der bevorzugteren Arten von Gräsern und Hülsenfrüchten zu fördern, wenn nicht sogar sie zu kultivieren. Bestimmte Getreidearten begannen, bei der jeweiligen Ernährung vorzuherrschen. An einigen Orten war dies Einkorn (2, 3), eine der ursprünglichen Arten wilden Weizens. An anderen war es Gerste oder manchmal Emmer, eine Mischform aus einer Sorte wildem Weizen und einem der Walch-Gräser. Es lässt sich eine zunehmende Tendenz ablesen, einer Art den Vorzug vor einer anderen zu geben, vielleicht, indem bewusst der Versuch unternommen wurde, ihr Wachstum an Orten zu fördern, an denen sie leichter zugänglich waren. Die Sammler fingen an, sich weniger auf das zu verlassen, was ihnen die Natur bot, sondern mehr auf ihre eigenen Anstrengungen. Sie waren noch ein bisschen mehr ins Netz gegangen.

Der Rückgang der Gletscher markiert den Beginn eines Alters, das als Mesolithikum oder Mittelsteinzeit bekannt ist. Dieser Abschnitt der Geschichte der Menschheit endete, als die Menschen im Lauf des Neolithikums, oder der Jungsteinzeit, damit begannen, Land zu bestellen.

Langsam, vereinzelt und ungleichmäßig nehmen die Beweise für eine zunehmende Abhängigkeit von angebautem Getreide während der nächsten 4000 Jahre zu. Samen, die mühsam und in Kleinarbeit zwischen verkohlten Getreidekörnern herausgelesen wurden, sind mit größerer Wahrscheinlichkeit nun keine zufällige Ansammlung von Steppenarten mehr. Es gibt Hinweise auf Unkräuter – den unvermeidbaren Mitläufern des Ackerbaus – darunter wilde Hafersorten und Trespen, Erdrauch, Wicken, Malven, Kornblumen, Herbst-Adonisröschen, Studentenblumen, Mohn und Knöteriche, allesamt Landwirten und Gärtnern auch heute noch nur allzu bekannt. Später, als neolithische Bauern nach Südafrika und durch Kleinasien nach Europa zogen, begleiteten die Samen solcher Unkrautsorten sie als unbeabsichtigte, doch geduldete Mitreisende.

Die wesentlichen Veränderungen, die den Ausschlag gaben, die Abhängigkeit vom Sammeln wilder Getreidearten zugunsten einer Art Landwirtschaft aufzugeben, scheinen sich vor etwa 10.000 bis 7000 Jahren vollzogen zu haben. Wie bei vielen historischen Prozessen lässt sich auch diese ausgedehnte Periode des Wandels erst rückblickend besser bestimmen, da Anfang und Ende dieser Phase sich nicht eindeutig abgrenzen lassen. Darüber hinaus dauerte diese Periode je nach Ort, an dem die Menschen lebten, unterschiedlich lange an. Während dieser Zeitspanne wurden seit Langem etablierte Lebensgewohnheiten aufgegeben und durch neue Formen, das Leben zu bestreiten und die Gesellschaft zu organisieren, ersetzt. Als diese Periode einsetzte, begannen die Menschen bereits damit, mehr oder weniger dauerhafte Siedlungen zu gründen, mit stabilen geradlinigen Gebäuden, anstatt mit Rundhütten, wie sie in nomadischen Gesellschaften üblich waren. Sie fingen an, Ziegen zu domestizieren, gefolgt von Schafen kurze Zeit später, und gaben damit einige der Freuden, aber auch der Risiken auf, die die Jagd auf wilde Tiere in Begleitung von Hunden, ihren ältesten Verbündeten, mit sich brachte. Sie nahmen stattdessen die eher banalen Verantwortlichkeiten der Tierhaltung in Kauf. Schaf- und Ziegenherden könnten entscheidend dazu beigetragen haben, dass der Mensch sowohl Bauer als auch Viehhüter wurde. Ziegen grasten in der Umgebung, verringerten dadurch den Bestand an Büschen und ebneten den Weg für die Besiedlung durch Gräser. Schafe weideten und förderten so die Bildung von Narben aus kurz geschorenen Pflanzenarten, unter denen Gräser vorherrschten. Die Aktivitäten beider Tierarten könnten die Größe und Fruchtbarkeit natürlicher Weiden in der Nähe von Siedlungen erhöht und dazu geführt haben, dass sie sich weiter ausdehnten, ergiebiger waren und sich leichter abernten ließen.

Davor hatten unsere Vorfahren Samen und Wurzeln von wilden Wiesen gesammelt, hatten Früchte von Bäumen gepflückt und waren dann weitergezogen. Nun blieben sie länger an den Orten, an denen es am einfachsten war, an nützliche Pflanzen zu kommen. Die hybride Weizensorte Emmer lässt sich immer häufiger in Siedlungsresten im gesamten Nahen Osten antreffen, und die Samen von Unkräutern werden zu regelmäßigen Begleitern der verkohlten Getreidekörner. Die Menschen wurden sesshaft. Sie begannen, die Samen ihrer bevorzugten Getreidearten in der Nähe der Siedlungen auszustreuen, und sammelten sie zusammen mit Wildgräsern, wenn sie im Frühling reiften. Die Menschen besaßen Lager für Samen, von denen sie sich das Jahr hindurch ernähren konnten.

Damals wie heute beanspruchten Vögel ihren Anteil an allem Getreide, das angebaut werden konnte. Kleinkörnige Feldfrüchte, unter anderem Gerste, Reis, Roggen, Sorghum- und Millethirsen wirken so anziehend auf Vögel und sind für ihre Plünderungen so anfällig, dass es beinahe unmöglich ist, einen lohnenden, ja überhaupt einen Ertrag, auf einer kleinen, isolierten Fläche zu erzielen. In größerem landwirtschaftlichen Maßstab stellt sich dieses Problem ganz selbstverständlich nicht. Die ersten Bauern jedoch mussten sich damit auseinandersetzen. Wildformen von Weizen und Gerste sind weniger anfällig für Vögel als halbdomestizierte Arten. Ihre Körner werden von einem Teil der Ähre fester umschlossen und die Brüchigkeit der Ähre selbst führt dazu, dass sie auseinanderfällt, wenn Vögel sich daran zu schaffen machen. Dadurch werden die Körner auf dem Boden verteilt, wo zumindest ein Teil von ihnen dem Schicksal entgeht, gefressen zu werden. Bei halbdomestizierten Sorten, die unseren heutigen ähnlicher sind, bleibt die Ähre intakt, wodurch sie ausgesprochen anfällig für Plünderungen durch Spatzen und Finken sind. Verbrachten also die Kinder unserer Vorfahren eine beträchtliche Zeit damit, Vögel von Feldern zu verscheuchen, auf denen das Getreide heranreifte? Oder wurde das Getreide zu der Zeit, als verbesserte Arten von Weizen zur Verfügung standen, bereits in einem ausreichend großen Maßstab angebaut, dass der Appetit von Vögeln nicht mehr so stark ins Gewicht fiel? Sahen sich Bauern schon kurz, nachdem die Zeit des Ackerbaus angebrochen war, gezwungen, in einer Art gemeinschaftlicher Felderwirtschaft zusammenzuarbeiten?

Über die Jahrtausende hinweg, in deren Verlauf man sich ihrer Vorzüge immer bewusster geworden war, begannen sich die ertragreicheren, domestizierten Arten von Emmer und anderen Getreidearten auch in Regionen außerhalb der Vorgebirge auszubreiten. Sie wurden den Euphrat und Tigris hinunter nach Mesopotamien und an andere, noch weiter entfernte Orte gebracht. Unsere Vorfahren hatten sich nun völlig im Netz verstrickt. Nichts ahnend wurden sie von zahlreichen Versprechungen gelockt – unter anderem von denen auf noch größere Vorräte, auf schmackhaftere Nahrung und auf häufigere und bessere Gelegenheiten, mit ihren Nachbarn Tauschhandel zu treiben.

Im gesamten Nahen Osten – in einem Bogen vom Berg Hebron, durch Südanatolien und den Irak, in den nördlichen Teil des Irans, Tadschikistan und östlich in Richtung der Grenzen zu China – hatten die Bewohner der tiefer gelegenen Bergregionen einen optimalen Standort, um die Gräser, die um sie herum wuchsen, zu domestizieren. Die Berge milderten die heißen, trockenen Sommer ab, die in den tiefer gelegenen, weniger begünstigten Teilen dieser Region herrschten, und führten zu regelmäßigem, ausgiebigem Regen im Winter. Die Samen von Weizen, Gerste, Roggen und Linsen, die mit den widerkehrenden Herbstregen ausgebracht wurden, bildeten Sämlinge aus, die den Winter überdauerten und dann im Frühling kräftig ausschlugen. Sie brachten eine Ernte hervor, als die Trockenperiode im Sommer die Landschaft in eine Wüste verwandelte.

Verschiedene Völker an verschiedenen Orten domestizierten unterschiedliche Pflanzen, je nachdem, welche sie in ihrer Umgebung vorfanden und was für Wachstumsbedingungen herrschten. Die Völker im östlichen Mittelmeerraum, die alle unter ähnlichen Bedingungen lebten, genossen die Vorzüge milder Winter, die es den Pflanzen ermöglichten, vom Herbst bis in den Frühling mehr oder weniger kontinuierlich zu wachsen, wenn auch nur langsam. 8000 Kilometer davon entfernt lernten Jäger und Sammler im Norden Chinas Millethirsen, Sorghum und Bohnen anzubauen, in einem Landstrich, wo eiskalte sibirische Winde vom späten Herbst an den gesamten Winter hindurch das Land und die Pflanzen fast völlig ausdörrten. Für sie war der Frühling die Zeit der Erneuerung, in der der Samen ausgebracht wurde und Sämlinge sprossen und kräftig wuchsen, bewässert von dem Sommermonsun, der vom Pazifik herübergetragen wurde. Beinahe zur selben Zeit domestizierten die Menschen in Yunnan Buchweizen und Gerste an den Berghängen, die subtropische Täler überragten. Und, was am erstaunlichsten ist, innerhalb nur weniger Tausend Jahre entdeckten die Bewohner der Täler in den Bergen Mexikos auf der anderen Seite des gewaltigen Pazifiks die Geheimnisse des Mais-, Bohnen- und Kürbisanbaus und passten sie ihrem Klima an. Sie brachten gegen Ende der heißen, feuchten Sommer die Ernte ein, lagerten sie die trockenen, kühlen Winter hindurch ein und säten sie auf dem kahlen Erdboden aus, nachdem die Frostgefahr im Frühling nachließ. Weit davon entfernt im Süden lernten die Bewohner der Andenausläufer, Tomaten und Inkakorn aus Samen zu kultivieren und aus den Knollen, die sie von Jahr zu Jahr zurückbehielten, Kartoffeln zu ziehen.

Domestizierung war ein zufälliger Prozess, der an einem Ort Fortschritte machte, während er an einem anderen wieder zurückging, dann jahrhundertelang stagnierte, während Generation um Generation der Lebensweise folgte, die ihnen ihre Eltern beigebracht hatten. Selbst als domestizierte Arten von Weizen, Gerste und Roggen weit verbreitet waren und nicht selten überwogen, ist es nicht ungewöhnlich, in Ausgrabungsstätten im Nahen Osten bis zu 50 Prozent verkohlter Überreste zu finden, bei denen es sich um unkrautartige, unkultivierte Formen handelt. Die Menschen ernteten auch weiterhin die Samen der wilden Walch-Gräser, der Weizen- und Gerstenarten – vermutlich, weil sie so wie heute noch an vielen Orten so zahlreich und auf solch großen Flächen wuchsen, dass sie einen ganz ordentlichen Ertrag abwarfen. Wir würden solche Pflanzen Unkraut nennen, doch dieses gedankliche Konzept wäre Menschen fremd gewesen, die sie über Jahrtausende hinweg gesammelt hatten, und dies auch dann noch taten, als sich allmählich neue Möglichkeiten ergaben.

Die ersten Bauern – ob im Nahen Osten, in Mexiko oder China – ernteten Samen von verschiedensten Pflanzen, je nachdem, wo sie lebten. Nach und nach wurden aber domestizierte Formen immer häufiger angebaut. Andere Kulturpflanzen, die „Begleitpflanzen“, von Archäologen auch sekundäre Kulturpflanzen genannt, waren der Ursprung vieler Gemüsesorten, Kräuter und einjähriger Blumen, die heute in Gärten angepflanzt werden. Alles, was man essen konnte, war auf den Feldern gerne gesehen und wurde auch genutzt, wie es immer noch in vielen Teilen der Welt üblich ist. Einige dieser Pflanzen, wie etwa Weißer Gänsefuß, Spinat, Amarant, Guter Heinrich und weiteres Blattgemüse, darunter auch Kopfsalat, wurden gesammelt, während die Getreidepflanzen noch nicht reif waren, und als grünes Gemüse gegessen. Verschiedene Zwiebeln, Lauch, Rucola, Dill, Fenchel, Kerbel und die unterschiedlichsten Kräuter mit geschmacksintensiven Blättern gaben dem Speiseplan zusätzliche Würze. Rettiche, Möhren oder Schwarzwurzeln wurden neben anderem Wurzelgemüse aus der Erde geholt, sobald sie reif waren. Linsen, Erbsen und viele Bohnensorten wuchsen gewöhnlich zwischen dem Getreide. Die Samen, die sie ausbildeten, wurden mit dem Getreide abgeerntet, mit ihm zusammen gedroschen und waren ganz selbstverständlich Teil der Ernte, sodass sie in der Folge die Ernährung der Menschen bereicherten.


1 Die wilden und unbewirtschafteten Gebiete der Golanhöhen und die Regionen um den See Genezareth sind Orte, an denen Samensammler nach den wilden Verwandten von vertrauten Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste und Bohnen suchen.


2 Einkorn, eine der frühesten kultivierten Getreidesorten, tritt mit anderen dem Weizen verwandten Arten oft am Rand von Feldern auf. Seine Ähren setzen sich aus zahlreichen Blüten (oder Ährchen) zusammen, von denen jede ein einzelnes Korn hervorbringt. Verglichen mit anderen kultivierten Getreidearten sind die Ähren von Einkorn eher zierlich. Vor Tausenden von Jahren war der Anbau von Einkorn sehr verbreitet. Heute ist seine Kultivierung auf vereinzelte Regionen in Indien und im Mittelmeerraum beschränkt.


3 Einkorn, eine der frühesten kultivierten Getreidesorten, tritt mit anderen dem Weizen verwandten Arten oft am Rand von Feldern auf. Seine Ähren setzen sich aus zahlreichen Blüten (oder Ährchen) zusammen, von denen jede ein einzelnes Korn hervorbringt. Verglichen mit anderen kultivierten Getreidearten sind die Ähren von Einkorn eher zierlich. Vor Tausenden von Jahren war der Anbau von Einkorn sehr verbreitet. Heute ist seine Kultivierung auf vereinzelte Regionen in Indien und im Mittelmeerraum beschränkt.


4 Emmersorten sind größer und widerstandsfähiger als ihre Einkorn-Verwandten. Darüber hinaus besitzen sie vier vollständige Chromosomensätze, im Gegensatz zu den zwei Sätzen, die man in Einkorn findet. Hartweizen, der häufig für die Herstellung von Pasta und Grieß angebaut wird, ist eine Art des Emmers.


5 Brotweizen macht 90 Prozent der weltweiten Weizenproduktion aus. Er entwickelte sich durch Kultivierung aus Emmer und besitzt sechs vollständige Chromosomensätze. Brotweizen enthält das genetische Material von mindestens drei verschiedenen Weizenarten.


6 Teosinte, der wilde Verwandte des Mais, besitzt Körner, die in vielen kleinen Ähren an einem sich verzweigenden Stängel angeordnet sind. Im Gegensatz dazu hat Mais nur einen einzigen Hauptstängel und die Körner sind in nur wenigen, leicht abzuerntenden Kolben angeordnet.


7 Die Kolben heutiger Maissorten unterscheiden sich von Sorte zu Sorte stark in Form, Größe und Farbe voneinander. Dies ist das Ergebnis einer Selektion, die über Tausende von Jahren vom Menschen betrieben wurde.

Die Getreide waren im Nahen Osten ein bunt gemischter Haufen. Sie entstammten einer Vielzahl wilder Spezies und unter ihnen waren manchmal Hybride aus Wildformen. Von Zeit zu Zeit, wenn man durch Tauschhandel oder auf andere Art an Samen von benachbarten Gruppen herankam, führte die Vermischung der Gene verschiedener lokaler Formen zur Entstehung neuer Sorten. Einige haben einen Platz unter den Anbaupflanzen eingenommen; viele wurden nur „Begleitpflanzen“ oder Unkraut und wuchsen auf den Feldern gemeinsam mit Ersteren und zwischen ihnen. Zahlreiche kultivierte Pflanzen des Nahen Ostens, etwa Weizen (5), Gerste, Roggen, Hafer, Möhren, Rettiche und Salatpflanzen wachsen zusammen mit unkrautartigen Verwandten. In Jahren, in denen Seuchen, Krankheiten oder Dürren die Getreideerträge dezimierten, sicherte die größere Widerstandsfähigkeit einiger dieser Pflanzen den Menschen das nackte Überleben. Heute weiß man, dass sie auch eine entscheidende Rolle bei der Evolution von Nutzpflanzen spielten, indem sie neue Sorten mit dem genetischen Material versorgten, das sie resistent gegen Krankheiten und toleranter gegenüber Trockenheit, Salz oder Frost machte.

Selbst in diesem frühen Stadium der Pflanzendomestizierung hatten die kultivierten Pflanzen auf den Feldern um die Siedlungen herum einen Einfluss auf die benachbarte Flora. Die Methoden der Kultivierung waren erst rudimentär entwickelt; es herrschten eher liberale Ansichten darüber vor, was ausgesät und was geerntet wurde. Es wurde kaum Wert darauf gelegt, Pflanzen zu entfernen, die eigentlich gar nicht dort wachsen sollten, doch dieser einfache Ackerbau, der daraus bestand, den Boden zu bestellen, zu säen, zu ernten und Samen zu lagern, gab den Ausschlag, einige Spezies zugunsten anderer zu bevorzugen. Viele der Pflanzen, denen die Sammler noch den Vorzug gegeben hatten, erwiesen sich für den Anbau als ungeeignet. Ihre Samen keimten nicht zur richtigen Zeit oder ihre Sämlinge kamen mit den Bedingungen nicht zurecht. Diese Pflanzen wurden immer seltener, bis sie gar nicht mehr auf den Feldern auftauchten und sich nur noch unter Wildpflanzen in nicht bewirtschafteten Gegenden fanden.

Anderen gelang der Übergang von der Wild- zur Kulturpflanze mühelos und sie florierten. Jedes Jahr wurden ihre Samen mit dem Getreide eingebracht und außerhalb der Reichweite von Insekten und Nagetieren gelagert, die sie ausfindig gemacht und gefressen hätten, wenn sie ungeschützt im Boden liegen geblieben wären. Die Samen wurden zur richtigen Zeit gesät, unter Bedingungen, die ihnen den bestmöglichen Start ins Leben garantierten. Und als die Sämlinge zu sprießen begannen, wurden sie vor grasenden Tieren geschützt, als sie am stärksten gefährdet waren. Generation um Generation reagierten die Pflanzen auf die Fürsorge der Bauern und büßten dadurch einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit ein, die es ihnen ermöglicht hatte, sich gegen die Widrigkeiten unter natürlichen Bedingungen zu behaupten. Vom Druck der natürlichen Auslese befreit, veränderten sie sich, verloren ihre Spezialisierung, manchmal ihre Widerstandsfähigkeit, waren weniger fein darauf abgestimmt, mit dem Stress und der Unbeständigkeit zurechtzukommen, um auf sich allein gestellt zu überleben. Wenn domestizierte Sorten auf Feldern in der Nähe ihrer wilden Verwandten wuchsen, was oft der Fall war, kreuzten sie sich untereinander, da Bienen, Schmetterlinge oder der Wind die Pollen von einer zur anderen trugen. Die Folge war, dass die für den Wettbewerb weniger geeigneten Gene von Kulturpflanzen in den Genbestand der Wildpopulation integriert wurden und so deren Überlebensfähigkeit schwächten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass manchmal der Genbestand einer Wildart von diesem Zustrom bis zu einem kritischen Punkt untergraben, ihre Widerstandskraft gegenüber widrigen Bedingungen verringert wurde und sie ausstarb. Ein Gras mit dem Namen Teosinte (6), das eine sehr bedeutende Rolle bei der Evolution von kultiviertem Mais (7) gespielt hatte, wächst euch heute noch am Rand von Feldern im mexikanischen Hochland. Teosinte weist große Körner auf, die zum Teil von Spelzen umschlossen werden, wie es auch bei primitiven Maissorten der Fall gewesen sein könnte. Durch die gesamte Geschichte der Maiskultivierung hindurch trat das Gras beständig in und um Maisfelder herum auf, und es besteht kein Zweifel darüber, dass seine Gene unwiderruflich Teil eines jeden einzelnen Maiskorns an jedem Kolben sind.

Als menschliche Gemeinschaften noch klein waren und weit verstreut lebten, reichten die einfachsten Methoden aus, um die Nahrung, die gebraucht wurde, zu sammeln. Für die Menschen gab es wenig Ansporn sich zu ändern. Ein Großteil ihrer Ernährung bestand aus dem Fleisch von Tieren, die sie bei der Jagd erlegten, und sie konnten ohne große Mühen an die Samen kommen, die sie brauchten. Aber ob der Mensch nun danach strebte oder nicht, Siedlungen im Nahen Osten, wie rudimentär und temporär sie auch immer gewesen sein mochten, führten unbeabsichtigt, aber unvermeidbar zu einem Wandel. Je abhängiger die Menschen von gesammelten Körnern wurden, umso zahlreicher wurden sie. Ihr zunehmend sesshafter Lebensstil führte dazu, dass sie verstärkt in die Landschaft um ihre Siedlungen herum eingriffen. Bäume und Büsche wurden als Feuerholz geschlagen, und Gräser breiteten sich aus, um den neu geschaffenen Raum zu besetzen. Schafe weideten die Wildpflanzen und Ziegen grasten die Sträucher ab, und Jahr für Jahr dehnte sich das Grasland um die Siedlungen herum immer weiter aus. Die Menschen gaben ertragreicheren Getreidesorten – Sorten, die sich leichter dreschen ließen und solchen, die besser schmeckten – den Vorzug, und als sie diese Sorten zu ihren Siedlungen zurücktrugen, führten die Getreidekörner, die sie dabei fallen ließen, dazu, dass diese bevorzugten Arten sich stärker in der Nähe der Orte konzentrierten, an denen die Menschen lebten. Eine dieser Sorten war ein Hybrid, diesmal aus der halbdomestizierten hybriden Weizensorte Emmer und einem anderen Walch-Gras. Das Ergebnis dieser glücklichen Kreuzung war der Vorfahre der Brotweizensorten, die heute angebaut werden.

Mehr Raum für ergiebigere Gräsersorten, das Aufkommen von Gräserformen, die ihren Ertrag unter weniger Aufwand lieferten und der Bau von Kornspeichern waren die Faktoren, die dazu geführt hatten, dass der Anbau insgesamt ergiebiger wurde. Die Siedlungen wurden größer und bevölkerungsreicher, denn die Nahrungsvorräte nahmen zu und waren besser abgesichert, wodurch sich zunehmend komplexe soziale Strukturen ausbildeten, die notwendig waren, um das Land dauerhaft in Besitz zu nehmen und zu bewirtschaften. Schließlich führten diese Veränderungen zu der Entstehung der facettenreichen, urbanen Lebenswelten, die wir Städte nennen. Der Mensch war unwiderruflich ins Netz gegangen. In Zukunft sollte die Lebensqualität unserer Vorfahren und der Fortbestand ihrer Gesellschaften – wie es bei uns auch heute noch der Fall ist – untrennbar mit ihrer Fähigkeit verknüpft sein, sich um den Samen zu kümmern, und mit ihren Fertigkeiten beim Bestellen des Landes. Sie waren an den Boden gebunden.

Der Ackerbau im Nahen Osten entstand als unbeabsichtigte Folge des Sammelns, Lagerns und der Nutzung von Getreidekörnern als Nahrungsmittel: Einem vorsätzlichen Entschluss verdankte er sich kaum oder gar nicht. Es gab niemanden, der vor langer, langer Zeit einen Walchhalm aufhob oder eine Ähre wilden Weizens betrachtete und dachte: „Was könnte dies doch für eine nützliche Pflanze sein, wenn es uns nur gelänge, sie größer, besser und wohlschmeckender zu machen.“ Wir haben uns die Pflanzen, die wir anbauten, nicht ausgesucht. Die Natur legte uns eine Auswahl dessen vor, was angebaut werden konnte, und sagte: „Nehmt es und werdet Bauern oder lasst es und lebt weiterhin von dem, was ihr erlegen und sammeln könnt.“ Zu diesem entscheidenden Punkt in der Entwicklung der Menschheit kam es, weil die Pflanzen uns zeigten, was wir anbauen konnten, welche unserer Handlungen dazu führten, dass sie eine Ernte abwarfen und welche nicht, und nicht weil frühe Ackerbauern ganz von selbst diesen Geheimnissen auf die Spur gekommen wären. Es war nicht so, dass sie einfach unscheinbare Wildgräser zu Getreidearten machten, die einmal in der Lage sein sollten, ganze Zivilisationen zu ernähren. Das geschah durch etwas anderes, nämlich durch spontane Kreuzung, einen Prozess, den sie nicht verstehen konnten und dessen sie sich vermutlich nicht einmal bewusst waren. Hätten die Menschen über diese Dinge Buch geführt, wäre ihnen aufgefallen, dass mit zunehmender Abhängigkeit vom Ackerbau die Zahl der Pflanzenarten, die dabei eine Rolle spielten, immer geringer wurde. In der bereits sehr fernen Vergangenheit hatten ihre Vorfahren unzählige verschiedene Pflanzen gesammelt. Doch vor 8500 Jahren baute ein Bauer im Nahen Osten vielleicht ein Dutzend unterschiedlicher Pflanzen an, die ihm die Grundnahrungsmittel lieferten und nebenher noch etwa 20 weitere, die als Nahrung für die ganze Gemeinschaft gedacht waren. Die meisten Pflanzen, die seine Vorfahren gesammelt hatten, spielten in seinem Alltag keine Rolle mehr, denn genau das war es, was die Pflanzen vorgaben, und es geschah nicht, weil die Ackerbauern sich bewusst gegen sie entschieden hätten oder sich ihre Familien geweigert hätten, sie zu essen.

Die meisten dieser Pflanzen sortierten sich selbst aus, indem sie nicht die Qualitäten besaßen, die sie für einen Anbau brauchbar gemacht hätten. Diejenigen, die sie doch besaßen, darunter frühe Weizen-, Gerste- und andere primitive Getreidesorten, bildeten Samen aus, die einfach zu handhaben waren (nicht zu groß und nicht zu klein), sie warfen zuverlässig mehrere Jahre lang Erträge ab, und sie keimten zur rechten Zeit in ausreichender Menge, um ihren Anbau zu einer lohnenden Angelegenheit zu machen. Während die Jahre verstrichen, kamen außerdem durch Kreuzung und Selektion neue Eigenschaften hinzu, oder bereits vorhandene prägten sich stärker aus, wodurch sie für den Bauer noch einfacher zu kultivieren waren und damit noch nützlicher und wertvoller wurden. Diese Verbesserungen gingen über eine offensichtliche Zunahme der Körnergröße und Ertragsmenge hinaus, die sich aus der Kombination großsamiger Walch-Gräser mit kleinkörnigem wilden Weizen ergab. Auch anatomische Veränderungen gehörten dazu, durch die das reife Korn sicherer in den Ähren gehalten wurde, bis es gedroschen wurde und sich dann leichter aus der Spelze löste. Physiologische Veränderungen, die zu einer höheren Frost- oder Trockenheitstoleranz führten, waren ebenfalls Teil dieser Verbesserungen, genauso wie Veränderungen im Stoffwechsel, die den Anteil an Proteinen, vor allem Gluten, in den Getreidekörnern erhöhte. Dadurch erhielt der Teig, der aus ihrem Mehl gemacht wurde, die nötige Elastizität, um daraus gutes Brot backen zu können.

Archäologen haben sich die Mühe gemacht, mehr über die Geschichte des Weizens herauszufinden, da er eher zufällig für zahlreiche Menschen auf einer gewaltigen Fläche der Erde das Hauptnahrungsmittel ist. Was jedoch aus dem Weizen einmal werden sollte, hatte zunächst kaum etwas oder gar nichts damit zu tun, dass er in die Reihen der Anbaupflanzen aufgenommen wurde. Niemand sah seine Zukunft voraus; er erschuf sie sich selbst. Zum Teil, weil seine wilden Vorväter von Natur aus mit Qualitäten ausgestattet waren, die sie überhaupt erst für eine Kultivierung empfänglich machten, zum Teil, weil sich diese Qualitäten danach durch eine bemerkenswerte Folge von Ereignissen noch stärker ausbildeten – etwa durch Kreuzung und Chromosomänderungen, bei denen sich die Gene von verschiedenen Pflanzenspezies mischten. Und zu guter Letzt erwies er sich als eine Pflanze, deren Anbau ausgesprochen lohnend war. Auch die Geschichte der Domestizierung vieler seit Langem etablierter Gartenpflanzen im Nahen Osten und anderswo ist voll von Zufällen und spontanen Kreuzungen. Ihre Vorfahren vereinten Qualitäten, die sie nützlich machten, mit Eigenschaften, die es möglich machten, sie zu kultivieren. Das alles geschah mit solch einer Effizienz, dass man feststellte, als vor etwa 200 Jahren gezielt Versuche unternommen wurden, verbesserte Pflanzen zu züchten, dass fast all die Grundformen, die man brauchte, bereits zur Verfügung standen – nicht nur von Weizen, sondern von Hunderten anderer Pflanzen, die auf Feldern und in Gärten angebaut wurden. Sie sind versehentlich domestiziert worden, da ihre Vorfahren vor langer Zeit zur täglichen Ausbeute gehörten, die in der Wildnis gesammelt wurde.

Die Domestizierung von Weizen im Nahen Osten war Teil eines globalen Wandels, der vor etwa 20.000 Jahren eingesetzt hatte. Bereits lange davor hatten Menschen die Timorsee durchquert, waren auf Paddelbooten, in Flößen oder indem sie sich einfach treiben ließen, nach Australien gelangt und sind dann weiter nach Tasmanien gezogen. In der Zeitspanne vor etwa 20.000 bis 16.000 Jahren durchquerten kleine Gruppen asiatischer Stämme die kargen Wüsten aus Gräsern und Seggen, die damals eine Landbrücke über die Beringstraße bildeten, und zogen weiter, um den amerikanischen Kontinent zu besiedeln. Menschen hatten jeden Flecken des Erdballs bewohnt, abgesehen von unzugänglichen Inseln wie Madagaskar oder Neuseeland und den unwirtlichen Einöden der Arktis und Antarktis, und überall lebten sie als Jäger und Sammler. Dann, in einem Zeitraum von rund 6000 Jahren – nach historischen Maßstäben ein ganzes Zeitalter, doch nur ein Wimpernschlag in der Geschichte der Menschheit – entdeckten die Bewohner auf weit voneinander entfernten Flecken der Erde das Potenzial von Pflanzensamen. In mehreren Regionen und in der Regel innerhalb einer jeden an verschiedenen Orten wiederholten sich die Abläufe, durch die Weizen, Gerste, Linsen und Roggen im Nahen Osten zu Kulturpflanzen geworden waren. An jedem dieser Orte offenbarte sich das Potenzial von Pflanzensamen, öffnete den nomadischen Jägern und Sammlern die Augen und enthüllte ihnen die Geheimnisse, wie man den Boden urbar macht, die Saat ausbringt, die Feldfrüchte anbaut, erntet und lagert.

An jedem einzelnen dieser Orte lebten die Menschen Tausende von Jahren lang von dem, was sie an wilden Pflanzen finden und sammeln konnten. Dann, während einer Zeitspanne von weniger als 10.000 Jahren, lernten die Menschen, die Pflanzen selbst anzubauen, auf die sie angewiesen waren, und nicht mehr alles der Natur zu überlassen. Wie könnte jemand einen Zeitgeist erklären, der so mächtig und umwälzend war, dass er Menschen erfasste, die so weit voneinander entfernt lebten? Welcher frische Wind muss über die Welt gefegt sein, dass er das Leben der Menschen in einer solch kurzen Zeitspanne so tief greifend verändert hat?

Vielleicht ist es müßig, über solche Fragen zu spekulieren. Fest steht, dass sich eine Zeitenwende vollzogen hatte, die die Kulturen dieser Menschen und ihre Sicht auf die Welt, in der sie lebten, grundlegend veränderte. Sie hatten gelernt, wie sie das Beste aus dem herausholen konnten, was in der Natur verborgen lag, anstatt mit dem über die Runden zu kommen, was sie ihnen unmittelbar darbot. Es war den Menschen gelungen, das Land in der näheren Umgebung ihrer Siedlungen zu bewirtschaften, sodass Pflanzen besser darauf wachsen konnten. Sie lernten, sich um den Samen zu kümmern – ihn zu lagern, auszusäen, die Sämlinge zu kultivieren und schließlich die Früchte zu ernten, die sie eigens dafür hatten gedeihen lassen. Einen Teil des Ertrags verbrauchten sie sofort, doch sie behielten genug zurück, um auch im folgenden Jahr wieder ernten zu können. Das Bündnis zwischen Mensch und Pflanze, bei dem sich beide gegenseitig versorgten, und das man Kultivierung nennt, brachte für beide Bündnispartner tief greifende Veränderungen mit sich.

Indem sie die Verantwortung übernahmen, sich um den Samen zu kümmern, tauschten die Bewohner einiger weniger, vergleichsweise eng umgrenzter Regionen in weit voneinander entfernten Teilen der Welt ihre Abhängigkeit von der Natur gegen komplexer strukturierte Lebensweisen ein. In einer sesshaften Ackerbaugesellschaft hingen Wohlstand und Wohlergehen davon ab, wie erfolgreich Individuen sich selbst organisieren konnten. Jemand, der die Ereignisse im Nahen Osten zu jener Zeit beobachtet hätte, wäre zu dem Schluss gekommen, dass die unvermeidliche Konsequenz der Sesshaftigkeit die Gründung von Städten sein musste. Ein zeitgenössischer Beobachter in Nordamerika hätte dafür weitaus weniger Anhaltspunkte erkennen können und wäre höchstwahrscheinlich nicht zu diesem Schluss gekommen. Warum es unter den scheinbar selben Bedingungen an einem Ort zur Gründung von Städten kam und an einem anderen nicht, bleibt wohl eines der Rätsel der Menschheit.

Drei Kulturpflanzen waren von herausragender Bedeutung: Weizen, Mais und Reis. Eine jede von ihnen sollte zum Grundnahrungsmittel für Menschen in weiten Teilen der Welt werden, ergänzt von einer ausgewählten Anzahl anderer Getreidearten, ebenso wie von Bohnen, Kürbissen, Kartoffeln und weiterem Wurzelgemüse, die je nach Ort verschieden waren. Jedes dieser drei Getreide scheint, wenn nicht die entscheidende, so doch eine sehr wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Ackerbaus und der Gründung sesshafter Gemeinschaften gespielt zu haben. Ein kurzer Blick auf die anschließende Geschichte und die sozialen Entwicklungen der Konsumenten von Weizen, Mais oder Reis offenbart gewaltige Unterschiede in ihrer Lebensweise, insbesondere in Bezug darauf, in welchem Maße sie urbane Gemeinschaften ausbildeten. Waren diese Unterschiede die Folge geografischer Gegebenheiten und anderer äußerer Einflüsse der Regionen, in denen die Menschen lebten? Oder haben die Kulturpflanzen selbst den Rahmen geschaffen, der vorgab, wie sich diejenigen, die sie jeweils domestizierten, entwickeln sollten?

Die Geografie liefert anscheinend die offensichtliche Erklärung, aber reichen die unterschiedlichen geografischen Bedingungen in verschiedenen Teilen der Welt wirklich aus, um die gewaltigen Unterschiede zwischen den Kulturen zu erklären? Nordamerika und Eurasien liegen beide in gemäßigten Regionen und haben bezüglich ihres Klimas, der Topografie und der Geografie vieles gemeinsam. Auf beiden Kontinenten gibt es Flusstäler, Deltas, Moore, weite Ebenen, Bergwiesen, Steppen und Wälder. Man findet auch auf dem nordamerikanischen Kontinent ähnliche Bedingungen, wie die, die Städtegründungen in Mesopotamien, am Indus und selbst im oberen Nildelta begünstigten. Und doch ist es auffallend, dass, abgesehen vielleicht von Siedlungen, die wohl hauptsächlich kulturelle Zentren waren, wie etwa Cahokia an der Mündung des Missouri River in den Mississippi, Städte oder auch nur größere Ortschaften, die mit denen der Alten Welt in Größe und Funktion vergleichbar wären, hier nicht vorhanden waren. Betrachtet man lediglich die geografischen Merkmale beider Landmassen, lassen sich die bemerkenswert verschiedenen Richtungen nicht erklären, in die sich ihrer Bewohner entwickelten.

Urbane Zivilisationen entstanden im gesamten Nahen Osten in vergleichsweise kurzer Zeit als scheinbar logische Konsequenz der Domestizierung von Weizen und daneben von Gerste, Roggen und Hülsenfrüchten. Vom Mittelmeer bis zu den Grenzen Nordchinas, am Indus und in Nordafrika entstanden und vergingen Weltreiche. Urbane Zivilisationen kamen auch in den tropischen Regionen Zentral- und Südamerikas auf. Anders als im Nahen Osten und am Indus entstanden die Städte hier allerdings aus Kultstätten und waren Orte, die für religiöse Rituale bestimmt waren. Trotzdem beherbergten sie neben den Priestern und anderen, die mit den religiösen Zeremonien zu tun hatten, zahlreiche Handwerker, Händler, Verwaltungsbeamte, Arbeiter, Sklaven und Lastenschlepper, die unter ähnlichen Bedingungen wie Stadtbewohner andernorts lebten. Zu den wichtigsten Kulturpflanzen in tropischen Regionen gehörten Maniok, Süßkartoffel, Tomate, Paprikaschote, Avocado und Kakao, des Weiteren Mais, Speisekürbis und Bohnen. Diese Nutzpflanzen versorgten die Menschen das ganze Jahr hindurch mit Nahrungsmitteln, im Gegensatz zum saisonalen Ackerbau im Nahen Osten und in Nordamerika, wo es Zeiten gab, in denen nur wenig oder gar nichts von den Feldern geerntet werden konnte. Folglich spielen Lebensmittel, die außerhalb der Saison gelagert werden können, für das Überleben der Menschen in Regionen mit gemäßigterem Klima eine bedeutendere Rolle.

In Teilen Nordamerikas, in denen tropische Nutzpflanzen nicht angebaut werden konnten, sondern wo man Mais zusammen mit Kürbissen und Bohnen während des Sommers anbaute, entwickelten sich alternative, nichturbane Zivilisationen. Diese hatten einen vollkommen anderen Charakter als diejenigen in Eurasien. Als Kolumbus seine Reise in die Neue Welt antrat, gab es in Europa etwa 20 Städte, in denen zwischen 50.000 und 100.000 Bürger lebten, ungefähr 80 mit 20.000 bis 50.000 und sehr viele weitere mit einer Bevölkerung zwischen 10.000 und 20.000 Menschen. Zu dieser Zeit gab es auf der gesamten Fläche des Gebiets, das heute als die Vereinigten Staaten von Amerika bekannt ist, keine einzige Siedlung mit mehr als ein paar Tausend Einwohnern. Vielen Siedlungen wiederfuhr die Ehre, Stadt genannt zu werden, doch keine von ihnen wies die komplexen sozialen Strukturen und hierarchischen Verwaltungsformen auf, die das Merkmal solcher Orte in Europa oder im Westen Asiens waren.

Obwohl sie keine Städte erbauten, bildeten die indigenen Völker Nordamerikas organisierte und kohärente, alternative Zivilisationsformen mit bedeutenden kulturellen und künstlerischen Traditionen aus. Diese Strukturen gingen über die bloße Zugehörigkeit zu einer Stammesgruppe hinaus und beinhalteten auch freundschaftliche Beziehungen zu alteingesessenen Verbündeten über ausgedehnte Entfernungen hinweg – nicht unähnlich dem Konzept der Nationalstaatlichkeit, das viele Länder in der Alten Welt besaßen. In Eurasien beschleunigten solche Gegebenheiten die Gründung von Städten als Zentren des Handels und der nationalen Identität, als Häfen oder militärische Festungen. Nicht so im gemäßigten Nordamerika. Die Bewohner vieler Teile des nordamerikanischen Kontinents, insbesondere östlich des Mississippis produzierten oft beträchtliche Mengen an Mais, Bohnen und Kürbissen auf den Feldern, die um ihre Siedlungen lagen. Sie lebten in Dorfgemeinschaften und ergänzten die Erzeugnisse ihrer Felder durch die Jagd. Und doch waren Siedlungen in Nordamerika, abgesehen von denen der Pueblo-Indianer im Südwesten, nie wirklich beständig. Die Materialien, die zum Bau der Häuser verwendet wurden, und die Art und Weise, wie diese Häuser gebaut waren, führten dazu, dass es heute viel zu wenig Überreste gibt, als dass man annehmen könnte, sie hätten dieselbe Bedeutung wie die Gebäude in der Alten Welt gehabt. Selbst östlich des Mississippi, wo die Häuser länger Bestand hatten, ließen sie sich doch recht einfach ersetzen, wenn die Notwendigkeit bestand, an einen anderen Ort zu ziehen – ein Widerspruch zu den Prinzipien, aufgrund derer Städte errichtet werden.

An der unterschiedlichen Art und Weise, wie die Bewohner Eurasiens und Nordamerikas an den Bau von Städten und die Entwicklung urbaner Zivilisationen herangingen, lässt sich eine positive Haltung gegenüber der Städtebildung bei Ersteren, eine negative bei Letzteren ablesen. Beide Einstellungen sind so tief in den Menschen verwurzelt, dass man sie fast schon als instinktiv bezeichnen könnte. Dass der Ursprung dieser unterschiedlichen Lebenseinstellungen bereits von alters her besteht, bemerkte Pleasant Porter, der Häuptling der Creeks mit gemischter Abstammung, 1906 gegenüber einem Ausschuss des US-Senats. Während des Verfahrens, das dazu führte, dass Oklahoma ein eigener Bundesstaat wurde, analysierte er die Situation als „ein komplexes Problem, meine Herren [...] Sie sind das Ergebnis einer Evolution von Tausenden von Jahren, und wir sind das Ergebnis einer Evolution von Tausenden von Jahren, möglicherweise [...] Wir haben wahrscheinlich beide einmal an demselben Punkt angefangen, aber unsere Wege trennten sich und die Einflüsse, denen wir jeweils unterlagen, waren unterschiedlich, und zu welchem Ergebnis das führte, kann man sehen.“ Könnten diese Einflüsse in den frühesten Tagen des Ackerbaus ihren Anfang genommen haben, als sich beide Gruppen mit dem Wesen und den Anforderungen ihres jeweiligen Hauptgetreides vertraut machten und sich ihm anpassten, um an ihr tägliches Brot zu kommen? Wenn das der Fall ist, drängt sich die Frage auf, welche Eigenschaften Weizen die Macht verliehen, Städte entstehen zu lassen, die Mais nicht besaß.

Domestizierung ist ein wechselseitiger Prozess. Jedes Getreide stellt spezifische Ansprüche und bietet eigene Möglichkeiten, gibt die Methoden der Kultivierung vor, verlangt nach unterschiedlichen Graden der Kooperation mit den Nachbarn und bestimmt die Art und Weise, wie es als Nahrung zubereitet werden muss. Soziale Aspekte bei seinem Verzehr unterscheiden sich voneinander und beeinflussen die Entwicklung einer Gesellschaft als Ganzes. Diejenigen, die Weizen, Mais oder Reis domestizierten und für ihre tägliche Ernährung auf sie angewiesen waren, reagierten auf die Feldfrüchte, die sie anbauten und auf das Korn, das sie aßen. Und die jeweilige Art der Reaktion führte zu unterschiedlichen Erwartungen und Lebensweisen.

Weizen ist eine gesellige Kulturpflanze. Um die Früchte des Weizenanbaus zu ernten, muss das Land großflächig bewirtschaftet, besät und abgeerntet werden, etwas, was nur durch Zusammenarbeit und eine effiziente soziale Organisation zu bewerkstelligen ist. Diejenigen, die Weizen anbauten, selbst auf die primitivste Art, mussten unweigerlich den Grundstein für den strukturellen Rahmen einer Art von Regierung gelegt haben. Sie haben Gesetz und Ordnung aufrechterhalten und eine Art sozialer Hierarchie entwickeln müssen: die Vorstufen einer erfolgreichen Städteentwicklung. Im Gegensatz dazu sind Maisbauern nicht gezwungen zu kooperieren, obwohl sie dadurch durchaus profitieren könnten. Tatsächlich war der Maisanbau in vielen Stammesgruppen in Nordamerika eine gemeinschaftliche Tätigkeit, indem sich alle zusammentaten, um ein gemeinsames Feld zu bewirtschaften, das sich manchmal über Hunderte von Morgen erstreckte. Obwohl er für Krähen und Ratten interessant ist, kann Mais auch in kleinem Maßstab erfolgreich angebaut werden, was er auch oft wird. Ein Kleinbauer kann, selbst auf einem sehr kleinen Feld, mit gutem Grund annehmen, dass seine Erträge groß genug sein werden, um seine Familie zu ernähren, und dass er einen kleinen Überschuss zurückbehalten wird, den er verkaufen oder eintauschen kann.

Weizen, genauer gesagt das Mehl, das daraus gewonnen wird, ist ein Gut, das nur durch handwerkliches Können hergestellt werden kann. Es eröffnet die Möglichkeit, Verfahrensweisen, Sachverstand und Vorstellungskraft zu entwickeln, die denjenigen, die sich von Reis- oder Maiserzeugnissen ernähren, verwehrt bleiben. In den Händen von jemandem, der damit umzugehen weiß, bildet Mehl die Grundlage für eine bemerkenswerte Vielfalt ansprechender Erzeugnisse, etwa verschiedenste Sorten Brot, Gebäck, Torten, Nachspeisen, Pasteten, Pizzen und Nudeln. Reis- und Maismehl bieten im Vergleich zu Weizenmehl nur einen Bruchteil an Möglichkeiten, sein Können und seinen Erfindungsreichtum auszuprobieren. Dorfbäckereien waren jahrhundertelang das Herzstück von Dorfgemeinschaften und bildeten die Brennpunkte sozialer Interaktion in Dörfern und Städten. Konditoren und andere, die das Weizenmehl geschickt zu verarbeiten wissen, sind und waren seit Langem ein wesentlicher und hoch geschätzter Bestandteil im Gefolge von Herrschern und einflussreichen Personen. Maisgrütze, Succotash, Polenta und Maisbrei lassen sich nicht nur bezüglich der Vielseitigkeit und Schmackhaftigkeit nicht mit Weizenerzeugnissen vergleichen, sondern sind immer dann, wenn auch Weizenprodukte zur Verfügung stehen, das Essen der armen Landbevölkerung, der einfachen Arbeiter in Städten und der Sklaven, also das der Stützen und nicht der Gestalter von Gesellschaften.

Seit den frühesten Tagen seiner Kultivierung beförderte Weizen die Zusammenarbeit und Spezialisierung. Er begünstige die Herausbildung einer sozialen Ordnung, in der Bauern das Getreide anbauten, Müller das Mehl mahlten und Bäcker backten, sodass die Kapazitäten anderer Mitglieder der Gemeinschaft frei waren, die dadurch spezialisierte Rollen einnehmen konnten. Sowohl Weizen als auch Mais und Reis lieferten die Grundlage, auf der sesshafte Gemeinschaften gegründet werden konnten, doch während die Grundlagen, die Mais und Reis lieferten, gerade ausreichten, um Mauern zu errichten, stellten die zusätzlichen Qualitäten des Weizens die Grundpfeiler für die Bögen bereit, mit denen die Gebäude städtischer Zivilisationen gestützt wurden.

Jahrtausende lang, bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, erhielten Bauern auf der ganzen Welt ihr Korn von der Pflanzenmischung, die es zufälligerweise hervorbrachte. Die Saat, die sie für die nächste Ernte ausbrachten, würde eine Kombination aus allem sein, was sie davor geerntet hatten. Im Nahen Osten – und nachdem sich die Landwirtschaft ausgebreitet hatte in ganz Europa und in vielen Teilen Nordafrikas – herrschte in manchen Gegenden Weizen vor, in anderen Gerste, Roggen in kühleren, trockeneren Teilen der Welt und Hafer in Regionen, wo kurze Wachstumszeiten und feuchte Sommer Weizen oder Gerste nicht so gut gedeihen ließen. Von Zeit zu Zeit führten Bauern neue Samenkörner ein, die sie auf dem Markt gekauft oder durch Tauschhandel vom Nachbarn erworben hatten, doch im Allgemeinen waren sie Selbstversorger, wobei sie ihre Hoffnungen auf das setzten, was sich am längsten auf ihren Feldern gehalten hatte. Dies war das prähistorische Modell, und es war die Feuerprobe, aus welcher die Feldfrüchte und Gemüsesorten hervorgingen, die wir heute anbauen.

Weizen, Gerste, Mais, Reis, Roggen, Millethirsen und Sorghum (die Hauptnahrungsmittel der Welt), Sojabohnen, Erbsen, Linsen und Bohnen verschiedenster Arten, Süßkartoffeln, Kartoffeln, Speisekürbisse, Datteln und Bananen kamen alle mit den besten Grüßen unserer neolithischen Vorfahren zu uns. Beinahe das gesamte Spektrum an kultivierten Früchten, kultiviertem Gemüse, Getreide und anderen Feldfrüchten entstand lange bevor die Wissenschaft überhaupt eine Rolle spielte und in der Tat lange bevor wir auch nur das geringste Verständnis davon hatten, wie Pflanzensamen funktionieren oder uns des Potenzials bewusst waren, das sie in sich bergen.

Jäger und Sammler lernten, Samen zu sammeln und sie auszusäen, wenn die Zeit dafür reif war, dass eine weitere Generation aus derselben Mischung von Pflanzen entstehen konnte. Gärtner tun heute so ziemlich das Gleiche, obwohl die meisten von uns die Samen, die sie aussäen, kaufen, anstatt sie selbst zu sammeln. Unsere Vorfahren hielten Samen für dehydrierte Pflanzen oder vielmehr für praktische Arten von Knospen und waren zufrieden, wenn sie aufgingen und ihre Erwartungen erfüllten, indem sie Pflanzen hervorbrachten wie die, aus denen sie davor gewonnen worden waren. Die meisten von uns sind heute glücklich, wenn die Samen aufkeimen, die wir aussäen, und die Sämlinge in etwa so aussehen wie das Bild auf dem Päckchen, dem wir sie entnommen haben. Obwohl sich unsere Vorfahren vor 10.000 Jahren der biologischen Prozesse, die zur Keimung führen, und der Komplexität der Geschlechtlichkeit von Pflanzen nicht bewusst waren, könnte es sein, dass sie die subtilen Anforderungen von Pflanzensamen besser verstanden als viele von uns heutzutage.

Der Keim unserer Zivilisation

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