Читать книгу Die Katholische Grundschule NRW Öffentliche Grundschule im konfessionellen Gewand - Petra Lillmeier - Страница 12
1.4Aufbau der Studie
ОглавлениеDie Studie ist insgesamt auf drei Teile hin angelegt:
Der erste Teil beschäftigt sich mit einer historischen Rekonstruktion des Phänomens „Katholische Grundschule“. Zu fragen ist nach den geschichtlichen Wurzeln der KGS als Grundschule innerhalb der Entwicklung des deutschen Schulsystems insgesamt und spezifisch nach ihrer nordrhein-westfälischen Schulgeschichte. Die Studie konzentriert sich auf die Fragestellung möglicher historischer Absichten der beiden Einflussgrößen Staat und Katholische Kirche mit Blick auf Wesen, Gestalt und Substanz (Propria) einer KGS. Dazu wird eine historische Einteilung vorgenommen, insofern insgesamt vier Phasen ihrer Geschichte Betrachtung finden: die Gründungsphase in der Weimarer Republik,32 ihre Nachkriegsentwicklung, sodann ihre Emanzipationsphase in den ausgehenden 1960er Jahren und schließlich ihre Etablierungsphase, die bis in die Gegenwart reicht.
Innerhalb dieser historischen Rekonstruktion sucht diese Studie nach den geschichtlichen Bau- und Konstruktionsplänen, den politischen, kirchenpolitischen, theologischen und gesellschaftlichen Bedingungen ihres Aufbaus und geht so den zeithistorischen Grundlagen einer auf Konfessionalität ausgerichteten Grundschule nach, um abschließend nach deren Bedeutung für die Gegenwart Katholischer Grundschule zu fragen.
Den Bedingungslagen Katholischer Grundschule der Gegenwart wird sich der zweite Teil dann eingehend widmen. Dabei trifft man in diesem Feld auf zwei Rechtsträger, die in ihrem und für ihren jeweiligen Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich über eine eigene Jurisdiktion verfügen, also spezifische gesetzliche Grundsätze erlassen und freilich auch miteinander Vereinbarungen treffen. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass in Deutschland keine Staatskirche besteht (§ 137 Abs. 1 GG), staatliches Recht also da seine Grenzen findet, wo es um innere Angelegenheiten der Kirchen, hier signifikant der Katholischen Kirche, geht. Als Körperschaft öffentlichen Rechts (vgl. § 140 GG) also obliegt der Katholischen Kirche im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Erlassung einer eigenen Rechtsordnung. Dieses Wechselspiel zwischen staatlicher und kirchlicher Jurisdiktion im Hinblick auf eine religiöse Bildung und Erziehung von Kindern im Bereich der KGS findet eine spannende Schnittstelle in der Frage nach dem vorrangigen Elternrecht (Art. 6 des Grundgesetzes) und der damit verbundenen Pflicht zur Erziehung der Kinder auf dem Hintergrund einer staatlichen Schulpflicht. Deshalb kommt der Frage nach den Elternrechten besondere Bedeutung zu.
Grundsätzlich unterscheidet diese Untersuchung zwischen dem Recht zur Erziehung und Bildung und dem Recht des Kindes als Rechtsträger auf Erziehung und Bildung. Daher wird den Kinderrechten in einem eigenen Abschnitt nachgegangen.
Dem rechtlichen Begründungs- und Bezugsrahmen schließt sich das vierte Kapitel an, welches sich – in Orientierung an eine eigenständige Grundschulpädagogik, wie sie sich in den ausgehenden 1960er Jahren durchsetzte – theologischen, pädagogischen und religionspädagogischen Grundsachverhalten und Grundlagentexten einer grundschulischen Erziehung und Bildung widmet. Die Grundschulpädagogik, die, im Bild gesprochen, die Operationsbasis dieser Studie bildet, stellt eine eigene wissenschaftliche Richtung dar, die sich den besonderen Lern- und Entwicklungsbedingungen von Grundschulkindern und den spezifischen Bedingungen, Aufgaben und Funktionen der Grundschule verpflichtet weiß und die von einer allgemeinen Schulpädagogik und Unterrichtsdidaktik zu unterscheiden ist. Aus dieser Grundannahme heraus ist im Sinne einer phänomenologischen Annäherung an eine Katholische Grundschule nach deren institutioneller Verortung innerhalb ihrer beiden Bezugsgrößen Staat und Kirche zu fragen. Hier richtet sich das Augenmerk zunächst auf zentrale Texte des II. Vatikanischen Konzils, dem wohl wichtigsten und entscheidendsten Großereignis der jüngeren Geschichte der Katholischen Kirche. In den zentralen Konstitutionen „Lumen Gentium“ und „Gaudium et Spes“ trifft die Katholische Kirche wesentliche Aussagen über ihr Selbstverständnis, ihren Auftrag und ihre Sendung, ihr Verhältnis zur Welt sowie zu anderen Konfessionen und Religionen. Dabei geht es in dieser Untersuchung keineswegs um eine allgemeine Darstellung dieser Texte. Vielmehr betrachtet diese Abhandlung die Konzilstexte auf der Folie „Katholische Grundschule NRW“ und arbeitet heraus, unter welchem genuinen Verständnis der Katholischen Kirche sich der Auftrag der KGS, nämlich „Unterricht und Bildung auf der Grundlage des Bekenntnisses“ zu gestalten, normativ realisieren muss.
Da die KGS keine Privatschule darstellt, sondern als staatliche Einrichtung den jeweiligen Bildungsprogrammen verpflichtet ist, werden in einem nächsten Schritt die aktuellen Richtlinien des Landes NRW deskribiert, dekonstruiert und interpretiert. In Bekenntnisschulen sind diese auf der Grundlage des jeweiligen Bekenntnisses zu lesen und auszulegen. Auf der Suche nach Propria der KGS werden im Rahmen dieses Kapitels die aktuellen Richtlinien daher daraufhin befragt, ob und in welcher Weise die „Grundsätze des Bekenntnisses“ zu einer Interpretation der Richtlinien beitragen können und auch müssen.
Die Grundschule als pädagogisches Handlungsfeld weiß sich ihren Akteuren als Handlungsträgern verpflichtet, denn natürlich sind es die Menschen auf der Meso- und Mikroebene von Schule, welche die pädagogische Gestalt einer Katholischen Grundschule maßgeblich bestimmen und prägen. Somit stellen sich die sehr wesentlichen Fragen nach einer „Anschlussfähigkeit“ der bislang erarbeiteten Grundlagen wissenschaftlicher Theorien und Theoriefelder einer Grundschulpädagogik an die zentralen Akteure. Dazu bedarf es zunächst einer Klärung der Begriffe „Person“, „Subjekt“ und „Identität“, weil es sich hierbei um anthropologische und theologische Grundkategorien handelt, die aus christlicher Sicht konstitutiv sind für ein Verständnis vom Menschen und die diesem Akteursverständnis zugrunde liegen.
Damit ist das phänomenologische Substrat Katholischer Grundschule erarbeitet und sind grundschulpädagogische und religionspädagogische Grundlagen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene für ein genuines Verständnis umfassend gelegt.
Im dritten Teil dieser Untersuchung werden die aus der rekonstruierten Historie resultierenden und die aus der Deskription der rechtlichen, theologischen, religionspädagogischen und grundschulpädagogischen Grundlagen gewonnenen Erkenntnisse in eine Performation Katholischer Grundschule überführt und damit die sie bestimmenden Propria und vorrangigen Optionen in ein handlungsbezogenes Modell eingebunden. Dabei wird auch nach den notwendigen Ressourcen und Ressourcengebern zu fragen sein, da die Antworten auf das, was (Propria) und wie (vorrangig optional) eine KGS normativ sein sollte und muss, auf allen Ebenen von Grundschule und mit Blick auf ihre Bezugsgrößen Staat, Kirche und Wissenschaft tief- und raumgreifend voraussetzungsvoll sind. Diese Studie stellt sich insgesamt der Herausforderung einer wissenschaftlichen, also theoretischen Untersuchung, deren Ergebnisse sich allerdings im Verständnis einer Grundschulpädagogik an einem für Katholische Grundschulen erkennbaren Theorie-Praxis-Verhältnis messen lassen sollen und müssen. Theologisch erweist sich dann an der KGS auch der Praxischarakter einer Theologie, sofern „es ihr gelingt, christliche Glaubenspraxis im Kontext gelebter Religion zu sehen“33 und – zielperspektivisch – die gegenwärtigen Herausforderungen einer KGS im Licht der Bibel und der kirchlichen Überlieferungen zu reflektieren und in eine Praxis grundschulischer Bildung und Erziehung einfließen zu lassen.
So will die hier vorgelegte Arbeit die Geschichte dieser Schulart und ihre Situation heute aufarbeiten, um auf diese Weise sinnvolle, wissenschaftlich begründete Kriterien zu ihrer substanziellen Bestimmung aufzustellen. Erst wenn solche spezifischen Merkmale, Propria Katholischer Grundschule, gefunden sind, lässt sich legitim über ihre Zukunftsfähigkeit nachdenken. Dies muss geschehen im Kontext einer „Grundschultheorie“, von der Ludwig Duncker34 berechtigt die Frage stellt, ob diese überhaupt schon geschrieben ist. Das Nachdenken über die Schulart Katholische Grundschule versteht sich insofern als ein Beitrag dazu.