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Erste Schritte im schönsten Land unseres Planeten
ОглавлениеSchon lange bevor wir die schneebedeckten Gipfel der Southern Alps aus dem Flugzeugfenster sehen, verfolgen wir den Flug nach Neuseeland auf dem Bildschirm. Wir haben Glück und sitzen in der Boeing 777 von Sydney nach Christchurch am Fenster. Kaum überfliegen wir die Küste, da sind wir schon über hohen Bergen. Oben Schnee, in den Tälern grün-braunes Gestrüpp. Noch wenige Minuten, dann sind wir endlich dort, wo wir die nächsten Monate verbringen werden. Es gibt kein Zurück mehr und das ist gut so.
Die Southern Alps von oben
Landeanflug Christchurch
„Was ist eigentlich, wenn bei der Landung ein Erdbeben ist?“, fragen wir uns, während wir uns im Landeanflug über grünen Wiesen mit weißen Wollknäueln auf vier Beinen befinden. Christchurch, mir bislang nur aus den Erdbeben-Berichten bekannt, ist für uns aber das Tor nach Neuseeland – und das mit festem Boden. Der Flughafen der 300.000-Einwohner-Stadt ähnelt einem Provinzflughafen Deutschlands, hat dafür aber sehr gründliches Zoll-Personal: Nachdem alle Fragen auf den Einreisezetteln beantwortet sind und die Einreisestempel in unseren Pässen glänzen, warten wir auf unsere Rucksäcke. Mit dem Gepäck geht es dann in die Schlange für die Einreisekontrolle – wir kennen diesen etwas nervigen, aber wohl nötigen Umstand bereits aus Sydney. Neu ist allerdings, dass schon während wir unsere Rucksäcke gerade wieder tragbar machen, Sicherheitspersonal mit Spürhunden entlang schlendert. Der schwarzweiß gefleckte Hund ist richtig süß. Er findet aber beunruhigend viel Gefallen an Marias Trageutensil. Jetzt finde ich ihn nur noch bedingt süß! Die Folge: Unsere Einreisekarten bekommen einen kleinen Vermerk mit großem Ausmaß: Am ersten Schalter müssen wir alle Lebensmittel ausräumen. Nutella, Gewürze und Tee sind kein Problem. Meine Wanderschuhe werden sicherheitshalber gereinigt – ein angenehmer Service. Weniger angenehm sind die Fragen der Beamtin. „Haben Sie wirklich keine frischen Lebensmittel dabei?“ Durch die Androhung von mehreren hundert Dollar Strafe kommen wir dann doch ins Grübeln, gehen mehrfach unseren Packvorgang durch und sind uns dann sicher: Wir haben nichts Frisches dabei. Trotzdem wird unser gesamtes Gepäck gefilzt und dann durch einen Scanner geschickt. Kein Fund. Alles gut, wir können nach fast anderthalb Stunden endlich aus dem Sicherheitsbereich raus. Von wegen. Wieder wird uns einer dieser „süßen“ Hunde zum Verhängnis: Kurz bevor wir durch die Schiebetür nach draußen wollen, schnuppert nochmals einer an Marias blau-lila Rucksack und bellt. Der diensthabende Chefbeamte räumt daraufhin höchst persönlich den kompletten Rucksack aus – findet letztlich aber, wie auch die Male zuvor, doch nichts. Immerhin sind die neuseeländischen „Grenzbehörden“ freundlich und geben uns schon gleich Tipps mit, was wir in Christchurch machen können. Mit zwei Stunden Verspätung betreten wir endlich den öffentlichen Bereich des Christchurcher Flughafens, wo wir bereits erwartet werden.
Fiona kommt direkt auf uns zu. „Maria und Philip?“ Ja, das sind wir! Fiona Prest ihr Mann und die drei Söhne sind eine der Familien, die wir noch in Deutschland ausfindig gemacht haben. Marias Cousin lebte einst bei der Familie im Christchurcher Ortsteil Avonhead als Austauschschüler. Nun sind wir für einige Nächte eingeladen. Wie viele es aus den angedachten „zwei, drei Übernachtungen“ im Spielzimmer der Familie werden sollten, ist schon fast unangenehm. Doch die Familie ist offen, freundlich und hilfsbereit – wohl, auch weil sie wissen, wie es ist, in einem gänzlich unbekannten Land anzukommen: Sie immigrierten vor einigen Jahren aus Afrika nach Mittelerde.
Für uns sind Fiona und Gary mit ihren drei Söhnen jedenfalls die kostenlose und deutlich herzlichere Alternative zu einer teuren Organisation. Gleich am Anfang helfen uns Fiona und Adam, der mittlere Sohn, dabei, die Zeitungen nach inserierten Backpacker-Autos zu durchschauen. Denn das steht als Erstes an: der Kauf eines Wagens. Außerdem werden wir im Verlauf der nächsten Tage viele informative und nette Abende zusammen mit der Familie verbringen. Die Freundlichkeit und Offenheit unserer neuen Bezugspersonen ist überwältigend. Mit dabei ist auch Paul, der damalige Austauschschüler der Familie. Der Kieler ist im selben Alter wie wir und bereits seit einigen Wochen in Neuseeland.
Der wird es nicht, …
Noch am ersten Abend suchen wir über die Internetseiten gumtree.co.nz, eine kostenlose Kleinanzeigenplattform, und trademe.co.nz, eine Versteigerungsseite, nach einem passenden Wagen. Direkt nehmen wir Kontakt mit den ersten Backpackern auf und verabreden uns für den nächsten Tag. Fiona bringt uns zum ersten Treffen: Zwei US-Amerikaner sind kurz vor Ende ihrer Reise und wollen uns ihren alten Mazda mit Vierradantrieb verkaufen. Die von meinem Vater erstellte Liste mit zu überprüfenden Punkten versuche ich durchzugehen. Der babyblaue Wagen ist aber nicht nur dreckig und unaufgeräumt, sondern fällt auch ansonsten durch zusammengebastelte Technik und rostiges Gehäuse auf. Nach einer Probefahrt – zum ersten Mal im städtischen Linksverkehr und fast mit einem Unfall – will ich unsere Verhandlungstaktik anwenden. Aber anstatt so zu tun, als wäre Maria der Preis viel zu hoch, unterhält sie sich lieber mit der Freundin des Verkäufers. So wird das nix. Dennoch halten wir uns das Angebot offen.
Weiter geht es: Der Herbergsvater eines Hostels in Christchurch soll auch Wagen verkaufen. Als wir ihm von unserem Budget erzählen, zerstört er unsere Illusionen. „Unter 3500 Dollar bekommt ihr nichts, was einigermaßen vernünftig ist“, sagt er. Unsere Grenze liegt bei 3000 Dollar. Schließlich entscheiden wir uns gegen eine seiner ohnehin nur rustikal ausgebauten Karren und suchen weiter, schauen uns einen Toyota Townace in der Innenstadt an, machen eine Testfahrt mit einem weiteren, diesmal allradbetriebenen Toyota Townace und besichtigen den kleinen Geländewagen einer Australierin, die ihre Schrottlaube für 1500 Dollar irgendwie loswerden will. All diese Angebote verwirren uns zwar kräftig, helfen uns letztlich nicht weiter – mit Ausnahme der zuletzt genannten Australierin. Vor lauter Frustration, dass sie noch immer keinen Kunden hat, und das zwei Tage bevor sie abreist (um ehrlich zu sein, der Albtraum eines jeden Backpackers), drückt sie uns einen Flyer in die Hand. „Der Automarkt dort hat zig Autos. Aber alle teuer“, sagt sie und schiebt noch hinterher: „Müsst euch halt entscheiden, wie viel ihr anlegen wollt.“ Ein Hoffnungsschimmer. Denn all die bisherigen Wagen haben uns nicht komplett zugesagt – so langsam wollen wir aber Fortschritte sehen, denn es sind mittlerweile schon vier Tage seit unserer Ankunft vergangen. Am nächsten Morgen steigen wir in den Linienbus und fahren in die Innenstadt. Am zentralen Busbahnhof ausgestiegen, laufen wir nach Süden und versuchen uns im Straßensystem der Christchurcher Innenstadt zurechtzufinden, was keine leichte Aufgabe ist. Schließlich finden wir aber den Car Market in der Battersea Street.
… aber das ist jetzt unser: Eddie!
Gemeinsam mit Richard, dem Verkäufer dort, laufen wir durch die Halle mit Vans, die ehemalige Backpacker für Miete dort haben stehen lassen. Richard, der also nur Vermittler ist, zeigt uns einige Wagen: Manche sind zu klein, andere zu alt oder zu teuer. Gute Wagen sind schon reserviert oder ich traue den Vierrädern noch nicht mal mehr fünf Kilometer zu, so alt sehen sie aus. Enttäuschung macht sich bei Maria und mir breit. Schon wieder kein geeigneter Wagen? Richard grinst und macht nebenbei die Seitentür auf: Weitere vierzig Backpacker-Karren stehen dort und warten auf den zukünftigen Besitzer. Und unter dieser großen Auswahl findet sich tatsächlich auch ein Wagen, der unsere Aufmerksamkeit erregt. Ein Toyota Hiace von 1988, mit 256.000 Kilometern auf den Achsen – doch ansonsten klasse. Hoffnungsvoll nehmen wir den Wagen auf eine Probefahrt mit. Schon bald steht fest: Der soll es sein! Glücklich halten wir zum Mittagessen an und inspizieren den Wagen von innen. Ein großes Bett zum Aufklappen, dazu noch Platz, um sich drinnen hinzusetzen; viele Ausrüstungsgegenstände und eine gute Musikanlage bietet der Wagen auch. Also lassen wir ihn vom Mechaniker des Car Market überprüfen. Er – als dazugehöriger Mechaniker natürlich – gibt grünes Licht. Über die nächsten Tage hinweg verhandeln wir mit den Verkäufern via E-Mail: Da noch einiges am Wagen repariert werden muss, wollen wir nicht einfach den geforderten Preis bezahlen, sondern müssen uns erst mit den Vorbesitzern, die seit vier Monaten schon wieder zu Hause in Frankreich sind, einigen. Für die entscheidenden Mails stehe ich nachts um halb drei neuseeländischer Zeit auf und wir erhandeln einen guten Preis: 4000 Dollar, inklusive der nötigen Reparaturen. Auch für die Erneuerung des neuseeländischen TÜVs, dem WOF (Warrant of Fitness), müssen noch einige Dinge getan werden. Denn der Wagen hat zwar noch zwei Monate die Zulassung, doch jetzt kommen die Vorbesitzer noch für die Auffrischung auf – so die Regeln des Car Market. Es dauert dann noch weitere fünf Tage, bis die Frontscheibe gewechselt, der Rost entfernt und die Abblendlichter ausgewechselt sind.
Mitten in der City: Earthquake-Ruinen
All die Vorbereitungen und die Reparaturen haben deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen, als ursprünglich erwartet, aber wir haben die zwölf Tage in Christchurch genutzt: Wir eröffneten ein Bankkonto, beantragten die Steuernummer (IRD-Nummer) und unternahmen auch einiges. Die Metropole der Südinsel wirkt im Jahr 2013 auf uns so, wie ich mir eine deutsche Großstadt 1948 vorstelle. Wo in den Straßen keine Löcher sind, da ist der Asphalt wellig. In der Innenstadt stehen nur noch wenige Gebäude der ehemaligen Vorzeigestadt. Wo die Ruinen des Erdbebens schon abgeräumt sind, befinden sich nun (teure) Parkplätze. Es wäre aber gelogen zu behaupten, dass schon alle eingestürzten Häuser beseitigt wären. Nur an wenigen Stellen sitzt noch ein Stein auf dem anderen, da, wo Christchurch einmal blühte und lebte. Städtebaulich bietet die Stadt nun großes Potenzial – doch soweit ist es noch nicht. Das zweite, das große Erdbeben, liegt jetzt zwei Jahre zurück, aber noch immer sind ganze Straßenzüge gesperrt. In ehemaligen Cafés sehe ich die unangetastete Möblierung, die Kaffeetassen stehen noch auf den Tischen. Daneben ein Bekleidungsgeschäft mit angezogenen Ausstellungspuppen im Schaufenster. Spätestens beim Anblick der ehemaligen Kathedrale, mit eingestürztem Turm und nur durch einen Bauzaun gesichert, versteht man, dass das Beben in den Köpfen der Bewohner noch allgegenwärtig sein muss. Viele der Innenstadtstraßen sind noch gesperrt, und das neue Einkaufszentrum befindet sich in bunten Schiffscontainern – „Restart Mall“ (Neustart Einkaufszentrum) hat man den verzweifelten, aber auf seine Art gelungenen Versuch getauft. Bei einem späteren Aufenthalt in Christchurch besuchen wir in dieser Restart Mall auch das Museum Quake City. In den Räumlichkeiten wird alles rund um Neuseelands Erdbebenanfälligkeit und die möglichen Folgen erklärt. Besonders deutlich werden die beiden starken Erschütterungen in Christchurch am 4. September 2010 und am 22. Februar 2011 dargestellt. Ich empfehle jedem den Besuch, der einen Einblick in diesen Einschnitt in der Stadtgeschichte und im Leben vieler Neuseeländer bekommen möchte. Leid vermischt sich im Museum mit Hoffnung, Interessantem und Glücklichem – die Trauer spielt aber eine entscheidende Rolle. Eine kuriose Geschichte in der Cashel Street 99 ist hingegen die des Bieres. Auch in der lokalen Brauerei fiel der Strom aus, als der Boden zitterte. Der Brauvorgang wurde unterbrochen, das Bier dadurch deutlich stärker als üblich. Was also tun mit dem „flüssigen Gold“? Man war erfinderisch und verkaufte die Charge als Erdbebenbier. Der Alkoholanteil stimmte am Ende mit dem Wert auf der Richterskala über ein – 6,3.
Die schöne Kathedrale: eingestürzt und abgezäunt
Sonne, Sand, Sumner. Der Stadtteil grenzt an das Meer und die Port Hills.
Direkt am ersten Tag bringt uns Fiona in die Port Hills. Die kleine Hügellandschaft trennt Christchurch von der Banks Peninsula ab. Einige Tage später fahren wir noch mal mit Paul, dem Gastschüler, in das Luxus-Naherholungsgebiet. Es ist unser erster Gang durch die saftig grünen Wiesen Neuseelands. Der Weg schlängelt sich entlang des Meeres und führt neben zwei ehemaligen Geschützposten des neuseeländischen Militärs an unzähligen Schafen mit ihren Lämmern vorbei. Auch sonst lernen wir Paul zu schätzen – er wird über die zehn Tage, die wir zu Beginn bei den Prests verbringen, zu unserem ersten Freund, den wir hier finden. Paul und ich verbringen viele Abende damit, uns die Bälle auf der Tischtennisplatte in unserem Zimmer gegenseitig zuzuschlagen, oder Maria und ich treffen uns mit ihm in der Stadt.
Ein Spaß: Tischtennis-Duelle mit Paul
Als wir unseren Wagen von der Werkstatt wenigstens schon mal über Nacht mitnehmen dürfen, treffen wir uns abends mit Paul am Strand in Sumner und kochen dort auf unserem Campingkocher. In der folgenden Nacht schlafen Maria und ich testweise das erste Mal im Van – zwar nur vor der Haustür unserer Gastgeber, aber man muss ja irgendwo anfangen. Mitten in der Nacht wackelt der Wagen. Ich werde wach und wecke Maria. „Wer rüttelt da am Van?“, frage ich im Halbschlaf. „Hm … Das ist bestimmt ein Erdbeben“, antwortet Maria abgeklärt. Klar, also schlafen wir weiter. Am nächsten Morgen frage ich Fiona und Gary, die aber beide nichts gespürt haben. Sie nennen mir jedoch die Internetseite www.geonet. co.nz, die alle Erdbeben und Vulkanaktivitäten Neuseelands aufzeichnet. Und tatsächlich: In der Nacht hatte in Christchurch der Boden gewackelt. Stärke: 3,2 auf der Richter-Skala. Kein starkes Beben, aber durch die Stoßdämpfer des stehenden Wagens durchaus zu spüren. Danach unterhalten wir uns länger mit Fiona und Gary darüber, wie man im Falle eines starken Erdbebens handeln soll. Es ist sinnvoll zu wissen, dass man sich in einen Türrahmen stellen, die Matratze über den Kopf ziehen oder unter den Küchentisch krabbeln soll. Zum Glück müssen wir das neu gewonnene Wissen nicht anwenden: Wir selbst sollten von diesem Tag an bis zur Abreise kein weiteres Beben mehr spüren.
Campen auf Asphalt in New Brighton …
Einen Tag bevor endlich alle Reparaturen abgeschlossen sind und wir Christchurch endlich verlassen können, sagen wir Fiona, Gary und den Jungs „Tschüss“. Zwar hätten wir noch bleiben dürfen, aber wir wollen selbst die größte Gastfreundschaft nicht übermäßig strapazieren, dem sind wir nach zehn Nächten zweifelsohne nahe. Wir bedanken uns mit einem Gutschein über ein Essen für alle in einer netten Pizzeria und fahren los. „Wenn etwas ist oder ihr nochmals in Christchurch sein solltet, meldet euch“, sagen Fiona und Gary noch durchs Autofenster. Mal schauen … Austauschschüler Paul ist jedenfalls traurig und auch mir werden die abendlichen Tischtennisduelle fehlen.
Weiter geht es mit den Reparaturen unseres Wagens: Mechaniker Gary bringt uns zu seinem Kollegen – dem Rostentferner. Auf dem Rückweg machen wir uns Gedanken über den nächsten Schlafplatz. Die kommerziellen Campingplätze in Christchurch sind uns mit Preisen über 30 Dollar viel zu teuer. Kostenlose oder günstige Campingplätze des Department of Conservation (DOC) gibt es nicht. Diese findet man im ganzen Land an zahlreichen Stellen – der nächste von Christchurch aus ist allerdings knapp 25 Kilometer entfernt. Also was tun? Doch wieder zurück zur Familie in Avonhead? Das können wir ihr eigentlich nicht zumuten. Glücklicherweise gibt uns der Mechaniker einen Tipp: In der Nähe seines Hauses sei ein Parkplatz direkt am Strand. Dort sei es zwar auch verboten zu campen, aber im Sommer stünden da immer die Surfer mit ihren Vans über Nacht. Zwar haben wir momentan höchstens Frühling und wir sind auch ganz bestimmt keine Surfer, aber wir wollen es trotzdem probieren. Um 16 Uhr holen wir den Wagen ab, fertig ist er noch immer nicht, aber wir können ihn über Nacht nutzen. Mit unserem beweglichen Bett machen wir uns auf zum beschriebenen „Parkplatz am Strand“: New Brighton.
… dafür aber mit direktem Blick auf Meer und Sonnenaufgang
Die große geteerte Fläche mit Toiletten und kalten Duschen liegt direkt neben dem langen Betonpier New Brightons und der dazugehörigen Bücherei. Als wir ankommen, stehen tatsächlich einige Vans und auch gewöhnliche Pkw auf dem Abstellplatz. So ganz vertraue ich dem Mechaniker nicht, denn bei unseren Reisevorbereitungen hatten wir des Öfteren von verhängten 200-Dollar-Strafen gehört. Sicherheitshalber gehe ich zu einem der Vans und frage nach. „Jaja, das ist kein Problem. Um 22 Uhr wird zwar die Schranke zu gemacht und erst morgens um sieben Uhr wieder geöffnet, aber die sagen nichts“, lautet die Antwort in gebrochenem Englisch – Franzosen. Unsere europäischen Nachbarn können meist nur auf sehr eingeschränkte Englischkenntnisse zurückgreifen, wie sich im Laufe der sechs Monate zweifelsfrei herausstellt, aber trotzdem nett. Mit uns sind auch vier Deutsche gekommen, die wir über die letzten Tage am Car Market kennen gelernt hatten. Jan, Hannah, Jonas und Lennart kommen aus Dülmen und haben sich kurzfristig dazu entschieden, zwei Vans zu kaufen. Erst mal wollen sie daher auch weiter zusammen reisen. Wir werden sie noch deutlich öfter wiedersehen, als wir an diesem Abend denken. Gemeinsam verbarrikadieren wir uns an diesem ersten Abend gegen den Wind, bauen eine Wagenburg, kochen zusammen und genießen am nächsten Morgen einen rot-orangenen Sonnenaufgang.
Als die Sonne ihr Farbenspiel beendet hat, fahren wir zum letzten Mal zum Car Market – wenigstens vorerst. Während wir wieder auf den Rostentferner warten, gehen Maria und ich in ein nahes Kino. „Blue Jasmin“ – den Film verstehen wir immerhin größtenteils, unser Englisch ist eben auch noch nicht so berauschend. Der Reaktion des ansonsten deutlich älteren Publikums (es war Senioren-Tag im Kino …) nach zu urteilen, war der Streifen aber gut.
Nach dem Kino, gegen 14 Uhr, machen wir uns auf den Weg zur Werkstatt, der Wagen ist fertig! Auf dem Weg kommen wir bei einem Imbiss vorbei und bestellen uns unsere ersten neuseeländischen Fish'n'Chips. In einer alten Zeitung eingewickelt liegt ein verschnörkeltes Stück Meerestier neben dicken, goldenen Pommes, gesalzen mit leckerem „Chicken Salt“, einer Gewürzmischung aus Meeressalz und Kräutern. Es ist frisch und schmeckt vorzüglich. Schade nur, dass wir mit diesem auch noch sehr günstigen Mittagessen die besten Fish'n'Chips der kommenden sechs Monate gleich als Erstes probieren. Bis zu unserer Abreise aus Auckland essen wir keine vergleichbare Variante des Fastfood-Klassikers. Ein Besuch dieses Fischladens ist daher ein Muss: „Kumea's Delicatessen“ in der Shakespeare Road 9 gehört einem Zyprer und versteckt sich in einem kleinen Hinterhof.
Wir haben in Christchurch eigentlich schon alles gesehen: Der Botanische Garten ist vor allem im Sommer einen Besuch wert und das kostenlose Canterbury Museum ist für Backpacker ein guter Zeitvertreib. Auch nach Lyttelton sind wir gefahren, dem ehemals größten Hafen der Südinsel. Als wir dort aus dem Linienbus aussteigen, sind wir etwas enttäuscht: Vom Charme, den unser Reiseführer beschreibt, ist nicht viel zu spüren. Auch in Lyttelton sind viele der sehr steilen Straßen kaputt, Häuser renovierungsbedürftig und die Straßenzüge verlassen – außer einer Touristengruppe, die gemeinsam mit uns aus dem Linienbus gestiegen ist, sehen wir nicht viele Leute. Und der Hafen? Der hat seit dem Erdbeben seine wirtschaftlichen Probleme, wie wir später erfahren. Zwar liegen dort noch immer viele Holzstämme am Pier, doch übergroße Frachtschiffe fehlen. Nach einem kleinen Gang, der vor allem die sehr steilen Straßen hinauf geht, verabschieden wir uns wieder vom Überseehafen. Wir wollen ja ohnehin noch hier bleiben. Und besuchen stattdessen die sich in einem perfekten Zustand befindenden Einkaufszentren außerhalb der Innenstadt. Die „Riccarton Mall“ bietet alles, was das (Shopping-)Herz begehrt. Und auch die „Northgate Mall“ glänzt mit modernem Gebäude und vielen Läden – vom Supermarkt über Bekleidungsgeschäfte bis hin zum Fitnesscenter und einer Bücherei.
Der Überseehafen in Lyttelton wirkt überraschend „little“
Als wir den Wagen dann abholen können, bezahlen wir den Mann bar auf die Hand und fahren einkaufen. Denn es soll noch an diesem Tag endlich losgehen. Das erste Ziel: Little River auf der Banks Peninsula. Für dort haben wir uns noch von zu Hause aus eine Wwoofing-Stelle organisiert. Wwoofing, das ist Arbeiten auf einer Bio-Farm, und als Bezahlung gibt es Unterkunft und Verpflegung – so wenigstens die Idee des Internetnetzwerkes, für dessen vollständige Nutzung man sich gegen jährliche Gebühr anmelden muss. Faktisch sieht Wwoofing in Neuseeland aber anders aus: Zwar gibt es auch noch Bio-Farmen, aber auch viele andere Bauernhöfe oder Leute, die Helfer für alle möglichen Arbeiten gebrauchen können, suchen nach arbeitswilligen Wwoofern. So hat auch unsere erste Station die Wwoofing-Regeln etwas abgewandelt: Wir haben uns für den Little River-Campingplatz entschieden, wo wir drei (statt üblicherweise vier) Stunden am Tag arbeiten sollen. Als Bezahlung gibt es dafür dann auch nur eine der Campinghütten (cabins) und kein Essen.