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Tekapo, Aoraki/Mount Cook und Twizel: Richtung Cromwell
ОглавлениеUnser Ziel für die nächste Wwoofing-Station ist Cromwell in Central Otago. Um dorthin zu kommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wir haben uns für den Weg durchs Inland entschieden und brechen Richtung Lake Tekapo auf. Wir fahren über den „Scenic Drive“, State Highway 72, um etwas zu sehen. Tun wir aber nicht, denn der Mount Hutt, die anderen Berge samt Skigebieten und auch sonst vieles verschwinden im Regen und den tiefhängenden Wolken. Immerhin ist der Rakaia River mit seinem milchigen Wasser noch immer beeindruckend türkis. Das Wasser strahlt trotz des schlechten Wetters in dem unnatürlichen Blauton – und das über die gesamte Breite: Ein Stopp ist ein Muss! Wir fahren sogar mit dem Van auf das Flussbett und stellen ihn auf dem Schotter, nur zwei Meter vom Wasser entfernt, ab. Ja, das ist möglicherweise etwas leichtsinnig, aber es waren ja schon vorher (Geländewagen-)Spuren dort. Bei der Weiterfahrt sehen wir immer wieder Vans, die irgendwo an diesem nur spärlich befahrenen Highway campen. Auch wir schauen uns zwei Picknickstellen an. Allerdings liegen dort die Bäume entweder schon auf dem Boden oder hängen noch gefährlich ineinander fest. Der Sturm hatte offenbar auch hier in den Ausläufern der Southern Alps seinen Kräften freies Spiel gelassen. Wir fahren also weiter – bis es fast böse geendet wäre: Ich ärgere mich gerade über die Unordnung in unserer Mittelkonsole und werkle darin herum. Mit der Konzentration bin ich damit nicht mehr auf der Straße und mit meinen Augen auch nicht. Ich verlasse langsam meine Spur und der Wagen zieht nach rechts herüber. Anders als in Deutschland ist dort nicht der Graben, sondern der Gegenverkehr. Im letzten Moment schaue ich auf und reiße das Lenkrad wieder zurück. Wäre der entgegenkommende Truck nicht zur Hälfte auf den Grünstreifen ausgewichen, hätte es bei etwa 80 km/h einen Frontalzusammenstoß gegeben. Hat es aber nicht, so dass wir mit einer ordentlichen Portion Adrenalin im Blut uns weiter durch den Regen schieben. Kurz bevor wir den Lake Tekapo erreichen, wird es trocken und die Sonne kommt sogar heraus. Da das Campen auf den Parkplätzen per Schild am See verboten ist, beißen wir in den sauren Apfel und gehen auf einen kommerziellen Campingplatz, der sich aber wegen der Lage direkt am See lohnt. In der Küche kocht neben mir Stefan. Der 28-Jährige bereist zusammen mit seiner Freundin in einem Mietwagen für knapp sechs Wochen die neuseeländische Südinsel. Vorher habe ich wohl noch nie mit jemandem aus Taiwan gesprochen – auch das ist eben Backpacker-Leben. Egal woher, egal was für eine Person: Man redet einfach ganz unbedarft über alles Mögliche. Am nächsten Morgen verschwindet Stefan dann auch schon wieder aus unserem Blickfeld, wie das meistens mit Leuten ist, die man unterwegs trifft.
Tristes Wetter und schlechte Sicht auf der Scenic Route 72
Leider ist es in der Nacht noch leicht bewölkt, so dass wir nicht den Sternenhimmel über Lake Tekapo genießen können. Die leuchtenden Himmelsobjekte sollen hier neuseelandweit mit am besten zu sehen sein. Der Grund: Die wenigen Ortschaften und Städte dieser Region können kaum Licht in die Atmosphäre strahlen. Daher sind auch alle Straßenlaternen des Ortes Tekapo nach oben hin abgedunkelt, damit auch die Arbeit des sich auf dem Mount John befindenden Observatoriums nicht beeinträchtigt wird. Strahlender Sonnenschein weckt uns am nächsten Morgen, so dass wir gut gelaunt mit Blick auf den tiefblauen See frühstücken. Die zweistündige und steile Wanderung auf den Mount John sparen wir uns – stattdessen fahren wir lieber hinauf. Die Straße geht allerdings nicht weniger bergauf und ist für unseren Wagen eine harte Prüfung. Vorher fahren wir aber noch zu der kleinen Kapelle, der „Church of the Good Shepherd“, direkt am See: Eines der bekanntesten Postkartenmotive Neuseelands ist tatsächlich so malerisch schön, wie oft abgedruckt. Das kleine Häuschen liegt am Ufer, dahinter erstrecken sich der See und die alpinen Berge. Betritt man die Kapelle, schaut man über den Altar mit einem kleinen Kreuz darauf auf den See. Einen solchen Ort mal für eine halbe Stunde ohne all die Touristen zu erleben, wäre ein unglaublicher Moment, der uns aber, wie erwartet, verwehrt bleibt.
Mit nur 14 km/h bringt uns der Van schließlich den Mount John hinauf. Oben überprüfen wir sicherheitshalber nochmals das Kühlwasser, denn das verlieren wir überraschend schnell. Vom Gipfel des Berges aus bietet sich zwischen den wissenschaftlichen Gebäuden der Canterbury Universität ein toller Blick über den Lake Tekapo. Die blaue Farbe ist absolut faszinierend – wenn nun das Gras noch saftig grün wäre und etwas weniger Touristen hier wären. Aber es soll ja jeder etwas von diesem Naturschauspiel mit Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Southern Alps haben.
Die „Church of the Good Shepherd“ liegt direkt am Ufer des Lake Tekapo
Keine Wasserfarbe, keine Fotomontage – einfach Gletscherwasser
Der nächste Halt ist der nächste See: Der Lake Pukaki ist größer, türkiser und irgendwie noch beeindruckender. Spätestens hier ist die Farbe so unnatürlich, dass ich mir sicher bin, irgendwer hat einen großen Eimer Wasserfarbe dazu gekippt. Hat zwar niemand, ganz natürlich sind die Seen trotzdem nicht: Manche wurden komplett aufgestaut, andere sind nur als bestehende Seen für die Energiegewinnung mit Staumauern vergrößert worden. Am großen Parkplatz, direkt am Lake Pukaki, kann man teuren Lachs kaufen oder campen – geht wohl beides. Wir machen allerdings nur Pause und fahren dann weiter entlang des Sees zum Mount Cook Village. Der Aoraki/Mount Cook selbst, der höchste Berg Neuseelands, zeigt sich uns zunächst nicht, weil er in Wolken eingehüllt ist. Eigentlich war die Idee gewesen, eine zweistündige Wanderung zu einem Aussichtspunkt zu machen, die unser Reiseführer beschreibt. Als wir dann den Wagen parken, fällt uns auf, dass wir schon einen Großteil der Wanderung gefahren sind. Also bleibt ein zwanzigminütiger Gang zum Kea Point. Am Ende des Weges geht es senkrecht hinunter mit Blick in die Moräne des Mueller Glacier. Man sieht nicht nur eine riesige Geröllwand auf der anderen Seite, sondern auch Wasseransammlungen, die wie kleine Teiche in unterschiedlichen Blautönen wirken – all das ist Schmelzwasser des weitestgehend verschwundenen Gletschers. Dafür ragen oberhalb die Eismassen des Huddleston Glacier heraus. Erst als wir zurück am Wagen sind, lassen die Wolken den Gipfel des Aoraki/Mount Cook doch noch frei, und wir haben den gesamten Abend einen Blick auf den majestätischen Berg. Der Aoraki/Mount Cook National Park ist ein echter Touristenmagnet. In dem über 700 Quadratkilometer großen Nationalpark stehen neben dem namensgebenden Gipfel noch 21 weitere Dreitausender. Der Aoraki/Mount Cook ist mit 3724 Metern der höchste Berg des Nationalparks und des gesamten Landes. Allerdings schrumpfte er während unseres Aufenthalts um dreißig Meter: Eine Expedition der University of Otago hatte im November 2013 den Berg neu und erstmalig in jüngerer Zeit vom Boden aus vermessen. Anstatt 3754 Meter ist der Aoraki/Mount Cook nur 3724 Meter hoch. Der Auslöser für die Überraschung: Im Dezember 1991 brachen von der Spitze des Riesen zwanzig Meter Eis und Gestein ab, etwa 13 Millionen Kubikmeter Schutt ergossen sich damals in das daneben liegende Tal und über den Tasman Glacier. Seitdem, so die Forscher, sei die Spitze vermutlich noch weiter erodiert.
Auch für Bergsteiger ist der Aoraki/Mount Cook eine gerne gewählte Herausforderung. Die Erstbesteigung fand 1884 durch drei Einheimische statt. Sir Edmund Hillary übte schließlich 1948 zusammen mit seinem Kollegen Tenzing Norgay am Mount Cook für seine Everest-Expedition. Bekanntermaßen erfolgreich: Hillary und Norgay waren 1953 die nachweislich ersten Menschen auf dem Everest.
Wer nicht der große Bergsteiger ist, dafür aber das nötige Kleingeld hat, kann mit einem der zahlreichen Unternehmen einen „Scenic Flight“ buchen. Die nicht ganz billigen Panoramaflüge starten im Flugzeug oder im Helikopter von allen möglichen Orten. Uns fehlen allerdings sowohl die bergsteigerischen Ambitionen und Fähigkeiten als auch besagtes Kleingeld, so dass wir lediglich an den vielen Werbetafeln für das teure Panorama vorbeifahren. Im Mount Cook Village wollen wir das „Sir Edmund Hillary Alpine Centre“ besuchen. Das Museum – so erfahren wir vor Ort – ist allerdings nicht ganz billig. Daher entscheiden wir uns dazu, das Geld zu sparen und stromern stattdessen nur durch den Souvenir-Shop. Vielleicht die falsche Entscheidung, denn so sitzen wir später wieder im Wagen und sind von unserem eigenen Tagesprogramm enttäuscht. Wir waren weder wandern noch im Museum. Immerhin entscheiden wir uns spontan, dem Wegweiser zum Tasman Glacier zu folgen. Über eine kurvige Schotterpiste – zu diesem Zeitpunkt noch ein Novum und eine Besonderheit für uns – fahren wir zum Parkplatz und laufen den 15-minütigen Weg bergauf. Oben bietet sich uns nicht nur ein toller Blick auf die Rückseite des Mount Cook, sondern auch ein See mit Eisbergen. Eisberge? Also fast: Der Tasman Glacier verlief einst durch das gesamte große Tal bis zum Lake Pukaki. Heute, im Jahr 2013, ist das Eis schon weit zurückgeschmolzen. Dort, wo der Gletscher noch vor wenigen Jahren war, lag er allerdings waagerecht in seinem Becken. Durch die Erderwärmung taute er daher nicht wie andere Gletscher, von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Dadurch wirkt es heute so, als würden die letzten Eisreste wie Eisberge aus dem Gletschersee des bereits geschmolzenen Eises herausragen. Außerdem brechen immer wieder größere Eisbrocken vom Ende des Gletschers ab und schwimmen dann im Lake Tasman, dem beschriebenen See, bis sie wegschmelzen. Ein Naturschauspiel, das so äußerst selten ist und wohl in wenigen Jahren gänzlich verschwunden sein wird. Drumherum liegt viel Geröll, das durch das schmelzende Eis freigelegt wurde. Dieses Geröll bedeckt aber nicht nur Erde, sondern vor allem Tonnen von Eis, das es gleichzeitig gegen die Sonneneinstrahlung schützt. Man geht davon aus, so lernen wir, dass der Gletscher an manchen Stellen noch etwa 600 Meter dick ist. Wir verlassen den Tasman Glacier und fahren weiter. Anstatt am DOC-Campingplatz „White Horse Hill“ zu nächtigen, fahren wir wieder entlang des Lake Pukaki in Richtung State Highway nach Cromwell, wo unsere nächste Wwoofing-Stelle liegt.
Manche Aussichten in Neuseeland müssen einfach nicht kommentiert werden!
Nach einigem Überlegen ringen wir uns dazu durch, zum ersten Mal wild zu campen. Wir parken den Van auf einem kleinen Schotterplatz, etwa doppelt so groß wie der Wagen. Auf der einen Seite die Straße, von der man uns erst im zweiten Moment sehen kann, auf der anderen Seite ein toller Blick auf den unter uns liegenden Lake Pukaki. Uns ist etwas mulmig zumute. Dürfen wir nun hier campen oder riskieren wir 200 Dollar Strafe? Sehr vorsichtig kochen wir mit zugezogenen Vorhängen und machen unsere Campinglaterne bei jedem sich nahenden Auto aus. Wir wollen schließlich nicht erwischt werden, und ein wenig unheimlich ist dieses Campen im Nirgendwo auch. Letztlich kommen insgesamt vielleicht drei oder vier Autos vorbei. Allerdings rauscht der Wind immer wieder über die umliegenden Hügel, so dass wir alle paar Minuten aus Angst vor einem Auto oder Bus das Licht ausknipsen. Zum Essen setzen wir uns in die offene Seitentür. Über dem Wagen leuchten Millionen von Sternen, die Milchstraße erstreckt sich über weite Teile des Himmels. Wären wir vom Sternenhimmel im australischen Outback nicht derartig verwöhnt, würde ich wohl aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Unter diesem Himmel ist das Wildcampen unfassbar berauschend. Allein im schwarzen Nichts der neuseeländischen Nacht. Die nächsten Menschen sind mindestens zehn Kilometer in alle Richtungen entfernt. Ein solches Erlebnis von Weite, Stille und Einsamkeit kostet anfangs Überwindung, aber hat man sich dran gewöhnt, wird es zu einem reizvollen und wunderschönen Abenteurer-Erlebnis mit einer gewissen Romantik, die unsere Zeit, unsere Gesellschaft weitestgehend verlernt hat.
Sonnenaufgang beim Wild Campen
Ein rotglühender Himmel weckt uns am Morgen. Noch ist kein Auto auf der achtzig Kilometer langen Sackgasse unterwegs gewesen. Die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich im Osten über die Bergkette hinter dem See. Ein atemberaubender – und das ist keine Floskel – Sonnenaufgang am Lake Pukaki. Dazu der Blick auf den angeleuchteten Aoraki/Mount Cook, von dessen Spitze in einer großen Wolke der Puderschnee gepustet wird. Keine Worte unserer Sprache können diese Atmosphäre beschreiben, keine Bilder zeigen die Pracht dieses Moments zur Gänze. Und wir haben es erlebt!
Lachsfütterung
Bald geht es weiter zurück zum State Highway und nach Twizel, das auf der Strecke liegt. Das kleine Städtchen, das sich laut Reiseführer von einer Bauarbeitersiedlung zu einem kleinen Touristenort gehamstert hat, beeindruckt nur wenig. Abgesehen von zwei (!) der kleinen Four Square Supermärkte gibt es noch einige Geschäfte, die um einen Platz herum im Quadrat angeordnet sind. Wir nutzen die öffentliche Toilette, um uns frischzumachen und loggen uns dann im kostenlosen Internet ein. Dabei sitzen wir auf dem Marktplätzchen und lauschen dem lokalen Radiosender. Blechern tönt das aktuelle Programm, mit einer interessanten Musikmischung aus aktuellen Pop-Hits und Country-Musik aus alten Lautsprechern. Der gesamte Platz wird beschallt. Warum sich der Radiosender einen Bungalow mit der Toilette teilt, bleibt mir unerschlossen – so bescheiden ist das Programm jedenfalls nicht. Bei Twizel liegt auch eine der vielen Lachsfarmen, die ihre Fische in den künstlichen und hochgelegten Kanälen zwischen den Seen aufziehen. Dort kann man kostenlos einige Lachse füttern, die in einem großen Netzkäfig im Kanal schwimmen, und zwar den ganzen Tag im Kreis, denn viel Platz ist hier nicht. Das Füttern ist dennoch amüsant, da die Lachse beim Fressen aus dem Wasser herausspringen.
Eddie kämpft am Abgrund
Aller guten Dinge sind drei – so ist es auch bei den blauen Seen in der Mitte der Südinsel. Nach Tekapo und Pukaki besuchen wir daher auch den Lake Ohau. Es ist der kleinste der drei Wasserreservoirs und Energieträgern und liegt vom State Highway etwas abgelegen, so dass sich kaum Touristen und keine Busse hierher verirren. Wir hatten ursprünglich mal vor, eine Wanderung an einem der steilen Hänge, die um den See herum liegen, zu machen – allerdings sehe ich an der Straße ein Hinweisschild auf das Lake Ohau Skifield. Schon vor unserer Ankunft in Neuseeland wollte ich gerne einmal in dieser Zeit Ski laufen, quasi im deutschen Sommer. Ist dies nun meine Chance? Schnell google ich mit dem Handy das Skigebiet: Ein kleines Gebiet mit nur zwei Liften und erschwinglichen Preisen. Geöffnet ist es auch, wie ich über das Telefon herausfinde. Maria, die weniger skibegeistert ist, gibt ihr „okay“ und möchte so lange im Wagen oder auf einer Hütte warten. Also nichts wie hin! Wandern können wir ja danach immer noch. Da die Pisten oberhalb des Sees liegen, etwa 400 Meter höher, muss man hinauf fahren. Direkt nach der Abzweigung ist die Straße nicht mehr asphaltiert, sondern führt über Felsen und Schotter. Schafft unser Van das? Sicherheitshalber rufe ich nochmals an. „Natürlich, da sind viele Vans auf dem Parkplatz“, lautet die Antwort. Also los. Noch bevor es bergauf geht, müssen wir durch einen etwa 25 Zentimeter tiefen Fluss. Na klasse! Wir machen das, was wir zu Hause nie gemacht hätten und fahren durch die Furt. Den Wagen treiben wir mit streckenweise unter 15 Kilometern pro Stunde den Berg hinauf. Die Straße, eine Schotterpiste, anderthalb Autos breit und ohne jegliche Leitplanken oder dergleichen, ist ein Abenteuer und erst recht ein Riesenerlebnis. Auch der Blick ist das Ganze definitiv wert! Nach 35 Minuten erreichen wir den Parkplatz und stellen uns zwischen zwei große Geländewagen. Ich sehe weit und breit keinen einzigen Van – egal, wir haben es geschafft und ich will auf die Piste. Von Skiern und Schuhen über eine vernünftige Ski-Jacke bis hin zu Brille und Handschuhen – alles kann ich mir im Lake Ohau Skifield leihen. Das international besetzte Team ist freundlich und offen. Als ich endlich auf den Schnee komme, ist natürlich der einzige Sessellift gerade kaputt. Also fahre ich einige Male den kurzen Schlepplift. Dann geht es endlich bis ganz nach oben. Der Blick ist sensationell und sogar die Sonne kommt heraus. Durch schweren Frühlingsschnee drehe ich meine Kurven und kann die Augen nur schwer vom unter mir liegenden Blau des Sees abwenden. Für nur zwei Lifte bietet das Skigebiet eine bemerkenswert große Auswahl an Pisten – fast alle der insgesamt vierzehn möglichen Pisten sind zwei Wochen vor Saisonende noch geöffnet. Während sich zur Hochsaison um die 350 Skiverrückte die Pisten herunterstürzen, sind es heute nur 30. Jeder Skiläufer muss sich eintragen. Daher bin ich eindeutig der Letzte, der nach drei Stunden doch noch vor dem Regen flüchtet, denn dieser hatte irgendwann eingesetzt und dem Schnee zugesetzt. Feierabend für heute – auch für die Angestellten. „Der Regen hört eh nicht mehr auf“, sagt der Kanadier und nimmt meine Skischuhe wieder an sich. Im Regen fahren wir dann also wieder den Schotterweg hinunter. Wasser und Schlamm fließen fast schneller den Berg hinab als wir rollen. In aller Vorsicht kommen wir unten wieder an. Hinter uns ist auch schon der Kleinbus mit dem Personal drin – sowas gibt’s vermutlich auch wirklich nur in Neuseeland. Noch eine letzte Bemerkung zu der Straße: Wir hatten noch Glück! Üblicherweise liegt auf dem Weg dick Schnee. Ohne Ketten sei dann dort kein Hochkommen – aber keine Sorge: Schneekettenverleih (inklusive Montage) gibt es in der dazugehörigen Lake Ohau Lodge am Fuße des Berges.
Lake Ohau Skifield: Piste mit Seeblick
Und was bleibt von diesem Erlebnis außer im deutschen Sommer mal Ski gefahren zu sein? Ein Name für unseren Van! Ab sofort nennen wir den Toyota „Eddie“. Benannt ist er nach dem bereits erwähnten Bergsteiger Sir Edmund Hillary. Denn Eddie klettert die Berge genauso schnell hinauf wie einst Hillary den Everest oder Cook erklomm – also wir meinen dieselbe Geschwindigkeit.
Weiter geht's. Denn an Wandern ist bei dem Regen nicht mehr zu denken. Kurz vor Omarama am State Highway 8 folgen wir einem Schild zu den Clay Cliffs. Die Sandsteinformation sieht aus wie gewundene Stachel. Über Jahrtausende wurde der Sand unter größeren Kieselsteinen weggespült, so dass daraus diese Stachelgebilde entstanden. All der Sand befindet sich dafür nun auf der Straße – Eddie, unser Van, hängt darin kurz fest. Halb rutschend, halb rollend kommen wir aber rückwärts nochmals raus. Das Gelände ist in Privatbesitz, weswegen am Beginn der Straße eine Box steht mit der Bitte, fünf Dollar zu bezahlen. Die Box ist so ehrlich, dass man die fünf Dollarnote wieder herausziehen und dazu noch weitere stibitzen kann. Man müsste den roten Metallkasten mal dringend wieder leeren! Trotzdem ist es typisch Neuseeland: Es gibt viele, viele Straßenverkäufe mit „honesty box“ (Ehrlichkeitsbox). Teilweise liegt sogar eine Liste dabei, in die man sich eintragen kann, wenn man gerade kein Geld dabei hat.
Felsen aus Sand: die Clay Cliffs
Omarama selbst bietet außer (für uns zu teure) Entspannung in Fässern mit heißem Wasser, Segelfliegen und teurem Sprit nicht viel. Wir fahren daher weiter den Lindis Pass hinauf, der Canterbury mit Otago verbindet. Die Straße ist hier stark befahren und führt durch um diese Jahreszeit braunes Grasland.
That is my road!
Danach geht es durch felsige Täler, wieder bergauf und bergab. Wir unternehmen hier nicht allzu viel, abgesehen von einem Päuschen an meiner Straße: „Philips Road“ ist ein kleiner Seitenweg, der ansonsten aber auch nicht viel bietet. Da unser Tank fast leer ist, peilen wir Tarras an. Über fast 100 Kilometer ist dieser Ort ausgeschildert. Als wir ankommen, besteht er aus einer Tankstelle, einem Café und einer Töpferei. Das Benzin ist hier natürlich noch teurer als in Omarama – Pech gehabt. Mit nur halb vollem Tank fahren wir entlang des Lake Dunstan bis nach Cromwell, wo wir uns im ersten größeren Supermarkt seit drei Tagen für das Abendessen eindecken. Bald wird uns klar, dass es hier schwer werden dürfte, einen Job zu finden. Unsere Hoffnung lag in den Weinbergen und Obstplantagen – aber Ende September sind diese noch kahl und in den letzten Zügen der Winterstarre. Wir suchen dann erst mal unsere Wwoofing-Stelle: Cairnmuir Station liegt 15 Minuten außerhalb von Cromwell in Bannockburn.