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19.05h. Vor der Ratsgasse sieben steht ein Streifenwagen, Golf, älteres Modell.

Im Erdgeschoss kämpft Frederick Kaufmann gegen Staub, Gestank und alten Müll1. Luisa Schwerte kämmt einer namenlosen Puppe das künstliche Haar, um danach einen Zopf zu flechten. Kommt sie aber nicht dazu. Gibt schon Abendbrot. Ein blauer Passat CC rast mit überhöhter Geschwindigkeit und zu lautem Auspuff/ der ist gar nicht aufgebohrt, der ist locker! Richtung Fahrbach, Amberg, Nürnberg. Fabian Martenbach (55) sitzt mit seiner Frau Anne (54) auf der Terrasse. Brot, Wurst, Blick über die Felder, die eigenen, Romantik, Feierabend. Ölgemälde, Deutschland.

ANNE

Die Kohlstett, Inge hat gesagt, wir haben jetzt wieder eine Polizei.

FABIAN

Mh.

ANNE

Doch.

FABIAN

Morgen muss des Kraut bei deinen Kartoffeln raus. Sonst werden die nix. Was sollen wir mit einer Polizei?

ANNE

Wenns den Posten gibt.

FABIAN

Ich brauche Diesel für den Häcksler. Hast du nicht morgen Sport?

ANNE

Yoga? Des war heut´. Und dann habe ich die Inge getroffen im Laden, weil, sie möcht von meinen Kartoffeln, wenns die dann gibt. Und wie ich da so steh, zeigt sie rüber, übern Platz, und sagt: Da ist heut einer rein.

FABIAN

Hm. Kannst mir trotzdem einen Diesel holen? Morgen?

ANNE

Morgen habe ich Amt. Und außerdem muss doch des Kraut raus.

FABIAN

Des kann ich machen.

ANNE

Des sind meine Kartoffeln. Des sollen meine einmal werden.

(Man merkt hier gleich, wie, nur weil es ein landwirtschaftlich tätiges Ehepaar ist, ihnen eine gewisse Grobschlächtigkeit und ein dialektal gefärbter Sprachduktus unterstellt wird. Das ist natürlich mitunter Blödsinn, weil, genauso gut könnte ja der zuvor gezeigte Bürgermeister Robert Fogel mit dialektalem Einschlag sprechen. Hat er aber nicht. Und tun Anne und Fabian eigentlich auch nicht. Aber es hilft doch, das Bild eines Caspar-David-Friedrich2-haften Dorfendpunktes, will sagen: letztes Haus, nur noch Wiesen und Felder, zu verstärken. Im weiteren Verlauf wird er (der dialektale Einschlag) nicht mehr zur Anwendung kommen, da er sich realiter einfach nicht nachweisen ließ.)

FABIAN

Gut.

Das haben Sie jetzt nicht gehört.

FABIAN

Ich sag das auch zu Anne.

Ah. Sorry.

FABIAN

Machst eben das Unkraut selber raus. Und ich hol den Diesel, obwohl ich genug zu schaffen habe.

ANNE

Vielleicht fahr ich in der Mittagspause schnell rüber. Ist ja nur nach Pfraumberg.3

FABIAN

Eben.

Dann Schweigen. Stille. Leises Aufstoßen. Und:

1 (Was ist schlimmer als Müll? Alter Müll!) s.o.

2 Caspar David Friedrich (* 5. September 1774 in Greifswald; † 7. Mai 1840 in Dresden) war ein deutscher Maler, Grafiker und Zeichner. Er gilt als der bedeutendste Künstler der deutschen Frühromantik. [Allerdings hat sich Friedrich nach einem traumatisierenden Ereignis in seiner Jugend in den Feldern rund um Greifswald nie tiefergehend mit Wiesen und Feldern malerisch beschäftigt, sondern sein Hauptaugenmerk auf die Gesteinsformationen des Elbsandsteingebirges gelegt. (Hier weist das Protokoll Ungenauigkeiten auf, wie sie schon zuvor beim Umgang mit Dialekt und Lokalkolorit auftraten.)]

3 Přimda (deutsch Pfraumberg) ist eine Stadt in Tschechien. Sie befindet sich im südwestlichen Teil des Okres Tachov, in 700 Metern über Normalnull, unter dem gleichnamigen Berg, zehn Kilomenter von der Staatsgrenze zu Deutschland.

Am Rand (ein Protokoll)

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