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Prolog

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»Ich sehe … ich sehe …«

»Was siehst du?«, drängte der schnurrbärtige Mann, auf dessen garstigem Gesicht die Pockennarben in der Aufregung zu glühen schienen.

»Was siehst du?«, fragte er noch eindringlicher als zuvor.

Doch das Mädchen schwieg. Ihr kleiner, von zwei zu groß anmutenden Ketten fixierter Brustkorb hob und senkte sich schnell, dann wurde ihr Atem flacher und erstarb schließlich ganz.

Der Kaiser schüttelte verärgert den Kopf. »Ist sie tot?«

Die Köpfe der übrigen Anwesenden beugten sich vor. Ihre Blicke begutachteten den winzigen Körper. Nach der langwierigen Tortur, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, lag er nun still und friedlich.

Der Aushorcher rüttelte an dem geschorenen Kopf des Mädchens. Diese ganze Sache mit der Kleinen war nicht der erste Versuch, und wenn auch dieser fehlschlüge, musste er befürchten, der Kaiser würde seine Enttäuschung an ihm auslassen.

Die zwei Zwillinge, äußerlich so ähnlich wie Mann und Frau einander nur sein konnten, tauschten ein gehässiges Grinsen aus. Sie freuten sich bereits auf die Strafe, welche den hässlichen Bischopos ereilen würde, zuckten aber gleich den anderen Vertrauten des Kaisers zusammen, als die Augen des Mädchens mit einem Mal zu flimmern begannen und der leichenblasse Mund unversehens Laute formte, die klangen, als würden diese aus weiter Ferne kommen.

»Feuer. Ich sehe … Flammen. Sie züngeln, lodern, tanzen an den Haaren eines Mannes … Nein, die Flammen sind seine Haare.«

»Weiter!«, verlangte der Bischopos, mühevoll Schreck und Erregung in seiner Stimme unterdrückend.

»Tanz mit mir, tanz mit mir«, murmelte das Mädchen. »Tanz mit mir, tanz mit mir«, flötete es unheimlich in einem fort, »dreh dich im Kreis.«

»Wer tanzt?«, unterbrach der Bischopos den entrückten Singsang.

Die Zwillinge deuteten eine festliche Geste an und lachten gehässig über den pikierten Gesichtsausdruck zweier Priester, die mit ihrem Bischopos bangten, bis der Kaiser, der neugierig auf das Kind starrte, sie mit einem Zischlaut zum Schweigen brachte.

»Wer ist der Tänzer?«, wiederholte er die Frage in der ganzen Macht seiner Autorität.

Die gefesselten Hände des Mädchens verkrampften sich, ihr Geist drohte zu entfliehen. Einer der Priester reagierte schnell, fuhr der Kleinen mit einem feuchten Tuch über die Stirn und wischte dann damit die Schweißperlen an Hals und Armen ab.

»Sie sind zu zweit«, murmelte das Kind unter Qualen, »sie haben einen Pakt geschlossen.«

Die Worte wurden noch leiser. Bischopos, Kaiser und Priester berührten mit ihren Ohren jetzt fast die bläulich angelaufenen Lippen, um sie zu verstehen.

»Krähe und Spielmann im Feuer vereint«, es war kaum mehr als ein Flüstern, »Schlange und Schwinge nicht Feind, sondern Freund …«

»Die Schlange!«, rief der jüngere der beiden Priester aus. »Sie sieht den Teufel!« Der Kaiser stieß ihn weg, dass er hinfiel.

»Was wollen sie? Wohin werden sie gehen?«, schrie er das Medium an. Seine Miene unter der goldenen Krone war rot vor Zorn, aber wenn man genau hinsah, und das tat das Mädchen mit seinem letzten Blick, war auch ein Hauch Unsicherheit darin zu lesen und noch etwas anderes … etwas, das weder zum Zorn noch zur Unsicherheit passen wollte … eine wissende Arglist. Ja, der Mann mit der Krone gaukelte dem Fiesling mit den Pockennarben etwas vor …

Den sterbenden Lippen gelang ein Lächeln.

»Sie kommen.«

Krähentanz

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