Читать книгу Rockstar Love - Ein Song für Holly - Poppy J. Anderson - Страница 9

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Holly kam sich wie eine Einbrecherin vor, als sie leise und vorsichtig den Schlüssel ins Schloss steckte, die Tür einen Spalt aufstieß und ins Innere der Wohnung lugte, um nachzuschauen, ob ihre Mitbewohnerin zu Hause war.

Sie wusste, dass sie sich albern benahm, und sie wusste auch, dass sie Donna nicht ewig aus dem Weg gehen konnte. Außerdem war ihr auch klar, dass es langsam auffällig wurde, wie sehr sie ihre Mitbewohnerin und Freundin mied. Es war das schlechte Gewissen, das sie aus dem Haus trieb, bei Alexis schlafen ließ und Überstunden im Restaurant arbeiten ließ. Und die Extraschicht heute in der Bibliothek hätte auch nicht sein müssen. Ganz sicher nicht an einem Samstag, den sie mit einem Dutzend anderer Dinge hätte verbringen können.

In der Wohnung war es still, was bedeutete, dass Donna nicht zu Hause war.

Geradezu erleichtert schloss Holly die Tür hinter sich und legte ihren Schlüsselbund auf den runden Küchentisch, bevor sie ihre Laptoptasche und ihren Rucksack auf einen der vier Stühle fallen ließ. Während sie aus ihren Flipflops schlüpfte, schnappte sie sich einen Apfel aus der Schale, die auf dem Tisch stand, und lief anschließend zum Kühlschrank, um sich eine Flasche Wasser herauszunehmen. Noch im Stehen begann sie, den Apfel zu essen, und schaute sich dabei in der winzigen gemütlichen Küche um, die sie gemeinsam mit Donna ihr Eigen nannte.

Sie waren vor ungefähr anderthalb Jahren zusammengezogen, hatten die Wohnung gemeinsam renoviert und waren bislang ziemlich zufrieden gewesen. Neben der Küche gab es ein Wohnzimmer und zwei Schlafzimmer sowie ein Bad, das sogar eine Badewanne besaß. Im Verhältnis zu anderen Wohnungen in dieser Gegend war die Miete recht okay, was vermutlich daran lag, dass der Hausbesitzer auf Renovierungen keinen großen Wert legte. Zwar ließ das Sicherheitssystem ein wenig zu wünschen übrig, aber für den Fall der Fälle stand ein Baseballschläger neben der Wohnungstür, den Holly zu nutzen wusste, schließlich hatte sie sogar noch auf dem College Baseball gespielt und war ein fabelhafter Shortstop gewesen.

Zudem würde nur ein total bescheuerter Idiot hier einbrechen, weil eine Filiale von Dunkin’ Donuts drei Häuser weiter stand und es in der Straße vor Cops nur so wimmelte.

Wer brauchte unter diesen Voraussetzungen eine Alarmanlage? Cops im Zuckerrausch würden jeden Einbrecher sofort überwältigen, bevor Holly auch nur die Möglichkeit hätte, nach ihrem Baseballschläger zu greifen.

Somit waren sie ziemlich sicher, wie sie fand.

Lediglich ihre Mom sah das anders. Auch nach anderthalb Jahren, in denen Holly hier lebte, beschwerte sich ihre Mutter darüber, dass Holly sich lieber eine andere Wohnung suchen sollte – eine Wohnung, die sicherer war und am besten in einem abgeschiedenen Wohnviertel lag, das von einer Sicherheitsfirma rund um die Uhr bewacht wurde. Eine Wohnung, die Holly von dem Geld, das sie im Restaurant verdiente, niemals bezahlen könnte. Aber wie sollte sie ihrer Mutter klarmachen, dass sie von ihrem eigenen Geld leben wollte und nicht von Alexis’ Geld?

Bald würde sie dreißig Jahre alt werden und war damit in einem Alter, in dem sie nicht von anderen abhängig sein wollte. Es war okay, wenn man sich mit sechzehn Jahren die Handyrechnung bezahlen ließ, aber mit neunundzwanzig war man kein Teenager mehr, der auf Taschengeld angewiesen war.

Holly hatte finanziell gesehen bislang viel Glück gehabt. Dank ihres Collegefunds hatte sie keine Studienschulden und dank der Beharrlichkeit ihrer Schwester musste sie sich über die Finanzierung ihrer Dissertation keine Sorgen machen. Alexis hatte ihr nämlich das Versprechen abgenommen, sie bei ihrer Ausbildung zu unterstützen. Das Angebot hatte Holly gerne angenommen, und sie verstand das Bedürfnis ihrer Schwester, ihr unter die Arme zu greifen, was ihr Studium betraf. Und dafür war sie Alexis dankbar. Aber das bedeutete nicht, dass Holly nicht in der Lage war, ihren eigenen Unterhalt zu verdienen. Ihr machte es nichts aus, ein paarmal in der Woche in einem angesagten Restaurant in Beverly Hills am Empfang zu stehen, Gäste zu begrüßen, Tische zu koordinieren und Reservierungen zu bestätigen. Nur weil ihre Schwester millionenschwer und ein Superstar war, wollte Holly nicht auf der faulen Haut liegen.

Warum ihre Mom das nicht verstehen konnte, war ihr schleierhaft.

Holly biss ein weiteres Mal von ihrem Apfel ab und sagte sich, dass es ihr egal sein sollte, ob ihre Mom sie verstand oder nicht.

Ja, es sollte ihr egal sein, dass ihre Mom nicht verstand, dass Holly etwas von sich aus schaffen wollte und dass sie etwas Eigenes haben wollte – dass sie aus dem Schatten ihrer Schwester hervortreten wollte. Aber es war ihr nicht egal. Eigentlich machte es sie sogar ziemlich wütend, dass ihre Mom nicht einmal versuchte, sie zu verstehen. Es machte sie noch immer genauso wütend wie mit neun oder wie mit neunzehn Jahren. Und das war vermutlich auch der Grund dafür, weshalb sie kein konfliktfreies Verhältnis zu ihrer Mom hatte.

Sie warf den kläglichen Rest des Apfels in den Abfall und sagte sich, dass sie sich nicht den Tag versauen lassen wollte, indem sie über ihre verkorkste Mutter-Tochter-Beziehung nachgrübelte. Momentan war ihr Leben sowieso das reine Chaos, also musste sie nicht zusätzlich an dieser Baustelle arbeiten.

Noch vor zwei Monaten war alles in ihrem Leben perfekt gelaufen – ihr Doktorvater hatte sie für das renommierte Wyndham-Stipendium vorgeschlagen, die Ellesmere-Gesellschaft hatte sie für einen Vortrag über Chaucers frühe Werke aufs jährliche Royal Literature Festival nach London eingeladen, und sie hatte eine scheinbar großartige Beziehung zu einem Mann geführt, mit dem sie die gleichen Interessen teilte. Aber dann hatte sie entdeckt, dass der Mann, mit dem sie seit drei Monaten ausging, verheiratet war. Und zu allem Überfluss war der Mistkerl auch noch Vater zweier kleiner Kinder!

Holly schnappte sich ihre Tasche und den Rucksack und verließ die Küche, um in ihr Schlafzimmer zu gelangen. Vielleicht würde ein Schaumbad helfen, um den Ärger und die deprimierenden Gedanken zu vertreiben, die sich in ihr breitmachten.

In ihrem Zimmer angekommen warf sie ihre Sachen aufs Bett, zog sich aus und machte sich zusammen mit ihrem Handy auf den Weg ins Badezimmer, wo sie sich ein Bad einließ und großzügig nach Vanille duftenden Badezusatz ins Wasser gab. Sobald die Badewanne voll war, lehnte sie sich zurück und hörte über die Mediathek in ihrem Handy Musik, um sich ein wenig berieseln zu lassen.

Während Lenny Kravitz aus dem Handy zu hören war, dachte sie unwillkürlich daran, wie wütend sie geworden war, als sie erfahren hatte, dass ihr Freund ein verheirateter Familienvater war und dass sie somit die andere Frau war. Sie war die Geliebte gewesen – die Frau, mit der er seine Ehefrau betrogen hatte. Dass sie sich in diese Position manövriert hatte, war ziemlich beschissen gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie eine wirklich ernsthafte Beziehung geführt und war damit auf die Nase gefallen.

Nach dem Desaster mit ihrem ersten Freund war Holly davon ausgegangen, dass ihr so etwas nicht mehr passieren würde. Aber offenbar hatte sie sich geirrt.

Mit achtzehn hatte sie Rick kennengelernt und sich prompt verliebt. Damals war sie auf dem College gewesen und hatte den Musiker mit dem seelenvollen Blick und der rauen Stimme so großartig gefunden, dass sie aus dem Wohnheim raus und in seine Bruchbude eingezogen war. Einen Musiker zum Freund zu haben, hatte sie aufregend gefunden – Bandproben, Auftritte, Studioaufnahmen. Rick war zwar notorisch pleite, selten nüchtern und alles andere als erfolgreich gewesen, aber Holly hatte das alles nichts ausgemacht. Was ihr jedoch sehr viel ausgemacht hatte, war die Tatsache gewesen, dass Rick hinter ihrem Rücken andere Frauen gevögelt hatte.

Damals war Holly zu der Erkenntnis gekommen, dass Musiker nicht dazu bestimmt waren, eine ernste Beziehung einzugehen. Sie waren zu sprunghaft, zu egozentrisch und zu verantwortungslos. Für etwas Festes waren sie einfach nicht geeignet, also hatte Holly einen großen Bogen um Männer wie Rick gemacht.

Nach ihm hatte es einige Männer in ihrem Leben gegeben, aber sie waren nie lange geblieben. Entweder hatte Holly nichts Festes im Sinn gehabt, oder es hatte sich herausgestellt, dass der betreffende Kandidat völlig ungeeignet für eine Beziehung war. Daher hatte sie sich darauf verlegt, Spaß zu haben.

Männer, mit denen man Spaß haben konnte, gab es wie Sand am Meer. Aber Männer, mit denen sie sich eine Beziehung vorstellen konnte, mit denen sie ernsthafte Gespräche führen konnte und mit denen sie die gleichen Interessen teilte, gab es augenscheinlich nicht.

Dann hatte sie Oliver kennengelernt.

Von Beginn an hatte er sie fasziniert, immerhin war er charismatisch, intelligent und humorvoll. Zur Abwechslung einen Mann kennenzulernen, der distinguiert und seriös war, hatte ihr gefallen. Anders als die Männer aus ihrem Freundeskreis, die auf den Putz hauen wollten, hatte sich Oliver für Literatur, gute Weine und den Sinn des Lebens interessiert. Mit ihm hatte sie sich stundenlang über Gott und die Welt unterhalten können und es genossen, wie gebildet und belesen er war. Er war durch und durch ein Mann und kein Junge.

Wenn sie essen gegangen waren, hatte er den Wein ausgesucht und ihr erklären können, woher dieser stammte und was das Besondere daran war. Das hatte sie beeindruckt. Seine Wohnung war voller Bücher gewesen, und anstatt zusammengeklaubter Studentenmöbel war seine Einrichtung geschmackvoll und perfekt aufeinander abgestimmt gewesen. An den Wänden seines Wohnzimmers hatten kunstvolle Lithografien gehangen und keine Festivalposter. Dates mit ihm waren anders verlaufen als mit den Typen, mit denen sie zuvor ausgegangen war. Er hatte ihr die Tür aufgehalten, aus der Jacke geholfen und den Stuhl zurechtgerückt. Und sie waren in guten Restaurants essen gewesen und nicht in irgendwelchen Stehbistros, in denen man mit den Händen aß.

Oliver hatte Lebenserfahrung besessen und diese auch ausgestrahlt.

Das hatte Holly gefallen.

Der Altersunterschied von achtzehn Jahren war für sie kein Problem gewesen. Das einzige Problem war die Tatsache gewesen, dass er verheiratet gewesen war und ihr nichts von seiner Frau und seinen Kindern erzählt hatte, die fünftausend Meilen entfernt lebten.

Verdammt, sie hatte sich grauenvoll gefühlt, als die Affäre aufflog. Und sie fühlte sich noch immer grauenvoll, weil diese Affäre nicht nur auf sie Auswirkungen gehabt hatte.

Holly sackte tiefer ins Wasser hinein.

Vielleicht sollte sie es lieber aufgeben, nach einem Mann für eine feste Beziehung zu suchen, und wieder mit Männern ausgehen, von denen sie keine tiefschürfenden Gespräche erwarten durfte. Womöglich waren ungezwungene Sexabenteuer, die Spaß machten und niemandem wehtaten, die beste Alternative.

Warum sie plötzlich an Cole Maddox dachte, irritierte sie kurz, aber es wunderte sie nicht. Es kam immerhin nicht oft vor, dass sie völlig unverhofft einen derart heißen Kuss von einem Mann bekam, der aussah, als wäre er einer sexy Unterwäschewerbung entsprungen. Außerdem musste Holly bekennen, dass Cole der Typ Mann war, mit dem man ungezwungene Sexabenteuer haben konnte – nichts Festes und nichts Ernstes. Das hatte sie schon nach wenigen Minuten herausgefunden, als sie heute Nacht eher unabsichtlich in sein Bett gekrochen war.

Sie kannte einige Männer von seiner Sorte. Typische Aufreißer, die gut aussahen, Humor und jungenhaften Charme besaßen und gerne die Sau herausließen. Im Grunde war daran nichts falsch, denn Typen wie Cole machten einer Frau nichts vor. Bei ihnen konnte man sicher sein, dass es nur um Sex ging. Männer wie Cole würden ihre Ehefrauen nicht mit jüngeren Frauen betrügen, weil sie erst gar nicht auf die Idee kamen, sich an eine einzige Frau zu binden.

Für Holly war das okay. Zudem war es ehrlich.

„Holly? Bist du zu Hause?“

„Ja, ich nehme gerade ein Bad“, rief sie ihrer Freundin zu und setzte gleich darauf ein gespieltes Lächeln auf, als Donna vorsichtig die Tür einen Spalt öffnete und den Kopf ins Zimmer steckte.

Ihre rothaarige Freundin wirkte verwundert. „Bist du jetzt erst nach Hause gekommen?“

„Ja, ich war den ganzen Tag unterwegs“, erwiderte sie unverbindlich und erwähnte lieber nicht, dass sie in der Bibliothek gesessen hatte, weil es Donna unweigerlich auf das Thema gebracht hätte, das Holly gerne vermeiden würde.

„Oh.“ Ihre Freundin lächelte schwach. „Eigentlich wäre ich gestern Abend gerne mit dir ins Kino gegangen. Hast du bei Alexis geschlafen?“

Holly nickte und fügte der Liste ihrer aktuellen Lügen einen weiteren Punkt zu. „Sie hat an neuen Songs gearbeitet und wollte sie mir vorspielen – das hat bis in die Nacht gedauert, also bin ich gleich dortgeblieben.“

„Ah, okay.“ Donna, die noch nie Anstalten gemacht hatte, in Alexis mehr zu sehen als lediglich die ältere Schwester ihrer Freundin und Mitbewohnerin, fragte interessiert nach: „Und haben sie dir gefallen?“

„Wer?“

„Die Songs.“ Ihre Freundin runzelte die Stirn.

Verdammt! „Sie waren gar nicht schlecht“, erklärte Holly ausweichend. „Für den ersten Versuch. In welchen Film wolltest du denn gehen?“, wollte sie in dem Bestreben wissen, ihre Freundin vom aktuellen Thema ein bisschen abzulenken, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, Donna derart ins Gesicht zu lügen.

„Erst dachte ich an die neue Jane-Austen-Verfilmung, aber das hätte mir nur schlechte Laune bereitet.“ Donna schnitt eine Grimasse. „Patrick und ich sind dann in den neuen Film von Vin Diesel gegangen.“

Dass Donna mit ihrer neuesten Flamme ins Kino gegangen war, klang nach einer guten Neuigkeit, schließlich musste Holly nicht ein total schlechtes Gewissen haben, dass sie ihre Freundin gestern sozusagen im Stich gelassen hatte, weil sie ihr momentan lieber aus dem Weg ging.

„Und war der gut?“

„Wie man es nimmt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Wenige Dialoge, dafür umso mehr Action.“

„Das klingt, als hättest du dich sehr amüsiert“, antwortete Holly mit einem Schmunzeln.

Mit einem Grinsen fügte Donna hinzu: „Was tut man nicht alles, um nach dem Kino flachgelegt zu werden.“

Holly musste lachen. „Also das klingt schon mehr danach, als hättest du dich gestern wirklich amüsiert.“

„Sagen wir doch einfach, dass Patrick eine fabelhafte Ablenkung von meinen aktuellen Problemen ist.“ Sie klopfte demonstrativ gegen die Tür. „Ich lasse dich mal weiter in Ruhe dein Bad nehmen und mache mir ein Sandwich. Willst du auch eines?“

Holly schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich glaube, ich gehe gleich direkt ins Bett.“

„Okay.“ Mit einem abschließenden Lächeln verschwand Donna und schloss die Tür hinter sich.

Und Holly fragte sich, wie sie aus dieser verfahrenen Situation wieder herauskommen sollte.


„Kann ich dir noch einen bringen, Cole?“

„Danke, Meg, ich habe noch.“ Cole nickte der Barkeeperin über die Theke hinweg zu, die gerade Soda in ein Glas füllte und ihn dabei nicht aus den Augen ließ. Den Gast, für den sie den Drink zubereitete, ignorierte sie größtenteils, obwohl der offenbar viel mehr Geld in die Kasse der Bar spülte als Cole und der auch sehr viel interessierter an Meg war als Cole. Außerdem war er derjenige, der Meg bei jeder einzelnen Bestellung ein wahnsinniges Trinkgeld gab. Cole war schon kurz davor, dem armen Kerl zu sagen, dass er von dem Trinkgeld eine erstklassige Nutte bezahlen könnte, anstatt es an Meg zu verschwenden, die nicht interessiert war.

Oh, sie war schon interessiert, aber nicht an dem Kerl, der neben Cole saß und so ziemlich alles versuchte, um Megs Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Wenn du irgendetwas brauchst, lass es mich wissen“, erklärte sie abschließend mit einem Lächeln, das sie ihm bereits den ganzen Abend schenkte und das bedeuten sollte, wie gerne sie ihm nicht nur einen weiteren Drink servieren, sondern ihm auch den Schwanz lutschen würde.

Woher er das wusste?

Cole hatte in seinem bisherigen Leben einige weibliche Barkeeper kennengelernt und sich von einem nicht unerheblichen Teil von ihnen den Schwanz lutschen lassen. Außerdem hatte Meg ihm bereits gestern Abend ihre Telefonnummer zugesteckt und ihn wissen lassen, wie gerne sie mit ihm nach Hause gehen würde. Das war nur etwa eine halbe Stunde nach der Begegnung mit den beiden beinahe noch minderjährigen Mädchen gewesen, die ihm einen Dreier angeboten hatten. Deren Telefonnummer musste noch irgendwo in seiner Jackentasche stecken – zusammen mit Megs Nummer und dem Zettel, auf dem Carla, die Frontfrau von Saving Salvation, ihre Nummer aufgeschrieben hatte. Das war ebenfalls gestern gewesen.

Heute war Cole nicht etwa in die gleiche Bar gekommen wie gestern, weil man ständig Telefonnummern von heißen Frauen zugesteckt bekam, sondern weil ein paar richtig gute Bands hier auftraten. Telefonnummern konnte er überall bekommen, aber gute Musik wurde leider nicht überall gespielt.

Saving Salvation war ziemlich gut gewesen. Und Mike, der Geschäftsführer des Clubs, den Cole gestern über einem Bier kennengelernt hatte, hatte ihm anvertraut, dass die Band, die heute auftreten wollte, sogar noch besser war. Das hatte sich Cole nicht entgehen lassen wollen.

Außerdem wollte er dem frisch verliebten Paar ein bisschen Privatsphäre gönnen, denn Cole war sich sicher, dass sein Kumpel lieber ohne Zaungäste nackt durchs Haus rennen und Sex mit seiner Freundin haben wollte, ohne dass Cole alles hören konnte.

Dass Taylor bis über beide Ohren verliebt war, war schwer zu übersehen. Er himmelte seine Freundin geradezu an und strahlte über das ganze Gesicht, sobald sie einen Raum betrat. Und ihr schien es nicht anders zu gehen, weil Alexis an Taylors Lippen hing und ihn kaum aus den Augen ließ.

Cole fand das Verhalten der beiden extrem niedlich und hatte seinen Spaß an der Verliebtheit seines Kumpels, denn so kannte er Taylor überhaupt nicht. Bisher war Taylor nicht der Typ gewesen, der seine Verliebtheit derart zeigte. Um ehrlich zu sein, hatte Cole seinen Freund noch nie wirklich verliebt erlebt. In den letzten Jahren hatte sich Taylor eher auf seine Karriere als auf sein Privatleben konzentriert und hatte seine Gefühlswelt für sich behalten. Generell war Taylor ernsthaft, fokussiert und sehr diszipliniert und war damit das genaue Gegenteil von Cole.

Er selbst ließ sich lieber treiben und hielt nicht viel davon, Pläne zu machen. Das Leben konnte sehr viel spannender und aufregender sein, wenn man es auf die leichte Schulter nahm und nicht alles plante. Beispielsweise erlebte man mehr, wenn man seine Fahrtroute nicht plante, als wenn man die Adresse ins Navi eingab. Vielleicht kam man schneller ans Ziel, verpasste aber womöglich die coolsten Partys und die schönsten Orte der Welt, weil man nicht ein paar Umwege fuhr.

„Könnte ich vielleicht eine Serviette haben?“

Eher unbeteiligt schaute Cole nach rechts, wo sein Sitznachbar Meg mit einem Dackelblick ansah und zwanzig Dollar über die Theke schob, um seinen Drink zu bezahlen, der zwölf Dollar kostete. Meg klatschte dem armen Trottel eher widerwillig eine Serviette hin und nahm das Geld entgegen.

„Stimmt schon, Meg, danke“, erklärte der Typ und erhielt von seiner Angebeteten nicht einmal ein Dankeschön.

Stattdessen wandte sich Meg an Cole und begann augenblicklich zu lächeln. „Bist du sicher, dass du nichts mehr willst, Süßer?“

Kommentarlos hob er sein Glas in die Höhe und zwinkerte ihr zu, woraufhin sie sich kichernd umdrehte und die Gäste am anderen Ende der Bar zu bedienen begann. Natürlich schenkte sie ihm über die Schulter hinweg einen langen Blick und zwinkerte ebenfalls.

„O Mann, wie machst du das nur?“ Sein Sitznachbar seufzte schwer.

Obwohl er wusste, was der andere Mann meinte, fragte er nach: „Wie mache ich was?“

„Wie schaffst du es, dass Meg dich ansieht, als würde sie am liebsten sofort über dich herfallen? Ich komme seit Wochen fast täglich her und gebe ihr jedes Mal ein fettes Trinkgeld, aber sie scheint mich nicht einmal zu bemerken.“ Der arme Kerl klang regelrecht verzweifelt. „Wenn das so weitergeht, habe ich bald ein Alkoholproblem, weil ich mich hier tagtäglich in der Hoffnung betrinke, dass sie endlich mit mir ausgeht.“

Cole drehte sich auf seinem Barhocker zu seinem Nachbarn um und stützte sich mit seinem linken Ellenbogen auf der Theke ab. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der andere Mann wie ein verklemmter Buchhalter aussah und so gar nicht in diese Bar passte, die irgendwo in West Los Angeles stand. Die Bar war ein Hotspot für Leute, die auf Rock standen und denen es egal war, wenn an ihren Schuhen Bier sowie Nussschalen klebten.

Die Bar war keine der hippen Clubs, in denen Wasser mit Gurkenscheiben für dreißig Dollar serviert wurden und in denen Geschäftsmänner ihre erfolgreichen Abschlüsse feierten. Der Mann neben Cole gehörte eher zu denen, die Wasser mit Gurkenscheiben tranken und ihre Schuhe mit einem Taschentuch reinigten, bevor sie ihre Wohnung betraten. Hier wirkte er ein wenig fehl am Platz und die Jeans, die er trug, war eine Spur zu weit nach oben gezogen. Cole wäre jede Wette eingegangen, dass er eher selten Jeans trug und eigentlich zur Anzugfraktion gehörte.

Neugierig schaute er den anderen Mann an und wollte leichthin von ihm wissen: „Du willst mit Meg ausgehen?“

„Ich versuche schon seit Monaten, sie auf ein Date einzuladen“, gab er ohne Umschweife zu. „Bisher ohne Erfolg.“

Das war eine lange Zeitspanne für einen Kerl – jedenfalls für jemanden, der nur auf etwas Sex aus war. Cole ging nicht davon aus, dass der Typ neben ihm die Barkeeperin nur vögeln wollte, sondern dass er eine Beziehung im Sinn hatte. Sollte Cole etwa derjenige sein, der den armen Tropf darüber aufklärte, dass eine Frau, die bauchfrei in einer Bar hinter der Theke stand und wildfremden Männern ihre Nummer gab, nicht die Art von Frau war, die ein vermeintlicher Buchhalter seiner Mutter vorstellen sollte?

„Willst du mir damit sagen, dass du seit Monaten herkommst, um Meg auf ein Date einzuladen?“

Kopfschüttelnd entgegnete er: „Sie ist meine Nachbarin und hält mich für einen Langweiler, weil ich Steuerberater bin. Ich habe angefangen, vor ein paar Wochen herzukommen, damit sie mich für cool hält.“

Bingo! Cole hatte es gleich gewusst.

Weil er einem verzweifelt wirkenden Geschlechtsgenossen nicht ins Gesicht sagen wollte, dass er auch dann nicht cool war, wenn er hier an der Bar saß, schlug er ihm gutmütig auf die Schulter. „Darf ich dir einen Tipp geben?“

„Ja, bitte“, erwiderte der Steuerberater inbrünstig.

Cole nickte in Richtung einer Frau, die allein an einem Tisch saß, seit dreißig Minuten immer wieder auf ihre Uhr sah und sich an ihren Drink klammerte, als wäre er ein Rettungsanker. Für eine Bar wie diese war sie ein bisschen zu ordentlich angezogen, und den Blicken nach zu schließen, mit denen sie immer wieder hoffnungsvoll zur Tür sah, war sie versetzt worden. „Siehst du die Brünette dort am Tisch? Du solltest vielleicht einmal rübergehen und sie auf einen Drink einladen.“

Im Gegensatz zu Meg, die mit ihren engen schwarzen Lederhosen, dem bauchfreien Top und dem auffälligen Make-up problemlos in einem Musikvideo der pornografischen Art hätte mitspielen können, wirkte die andere Frau ein bisschen wie eine graue Maus, was aber kein Problem darstellen sollte, immerhin sah auch der Steuerberater nicht wie ein Rockstar aus.

Die Miene, die dieser zog, sagte eindeutig, dass er sich lieber an Meg gehalten hätte, jedoch schien er von der höflichen Sorte zu sein, da er zurückhaltend murmelte: „Ich weiß nicht ... Eigentlich würde ich lieber mit Meg sprechen und ...“

„Kumpel.“ Cole stieß ihn freundschaftlich in die Seite. „Wenn ich dir eines über Frauen sagen kann, dann ist es, dass sie eifersüchtig werden, sobald ein Mann ihnen die Aufmerksamkeit entzieht. Deshalb rate ich dir, die Dame dort drüben auf einen Drink einzuladen und mit ihr ein bisschen zu flirten.“

Das Gesicht des anderen Mannes erhellte sich. „Und dann wird Meg eifersüchtig reagieren und mit mir ausgehen. Meinst du wirklich, dass das funktionieren wird?“

Nein, das meinte er nicht, aber er hoffte, dass der Buchhalter und die graue Maus zueinanderfanden, denn Meg würde den armen Kerl vermutlich zum Frühstück verspeisen –

falls er es wirklich schaffen würde, sie auf ein Date einzuladen. Das sagte Cole jedoch nicht. Stattdessen nickte er. „Ganz bestimmt.“

„Danke, ich bin dir was schuldig.“ Sein Sitznachbar rutschte langsam von seinem Platz.

„Ach, da wäre noch eine Sache“, erklärte Cole, bevor der andere Mann sich auf den Weg zum Tisch der Frau machen konnte.

„Ja?“

Er grinste schief. „Sei ruhig etwas geiziger, was das Trinkgeld betrifft. Frauen mögen es nicht, wenn sie das Gefühl haben, gekauft zu werden.“

Der Andere tippte sich an den Kopf. „Danke. Ist schon notiert.“

Kaum war der Steuerberater verschwunden und sprach die Frau an, deren Verabredung noch immer nicht erschienen war, stand auch schon Meg wieder hinter der Theke und raunte Cole dankbar zu. „Was auch immer du getan hast, um Stanley loszuwerden – ich danke dir.“

„Nichts zu danken“, erwiderte er fröhlich. Er würde Meg nicht gestehen, dass er die Schuld daran trug, wenn ihr Trinkgeld in Zukunft weit weniger üppig ausfiel als zuvor. „Das habe ich gerne getan“, log er.

„Darf ich dir zum Dank einen Drink ausgeben?“

Wie schon zuvor deutete er auf sein noch gut gefülltes Glas.

„Okay.“ Sie lachte leise auf. „Du bist noch versorgt. Verstanden. Aber wenn ich sonst etwas für dich tun kann ...“ Sie ließ den Satz unvollendet.

Cole nickte unvermindert freundlich. „Dann lasse ich es dich wissen, Meg.“

„Mehr will ich gar nicht.“ Um ihre Lippen spielte ein eindeutiges Lächeln, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte.

Cole verließ seinen Platz an der Bar, als kurze Zeit später die Band angekündigt wurde, derentwegen er heute hergekommen war. Man hatte ihm nicht zu viel versprochen, wie er aus erster Hand erfuhr, sobald sie zu spielen begannen. Die Musik klang nach solidem Rock mit eingängigen Texten und guten Tempowechseln. Die Rhythmen waren nicht zu hart und die Instrumente beherrschten sie ziemlich gut. Den Namen der Jungs, die allesamt jung und unverbraucht waren, sollte man sich merken, dachte er sich, während er gegen eine Säule lehnte und beobachtete, wie die Band eine Pause ankündigte und die Bühne verließ.

„Hey.“

Beim Klang der Stimme drehte er den Kopf nach links und entdeckte ein junges Mädchen, das an ihn herantrat und ihn fragend musterte.

„Hey“, erwiderte er schlicht und trank den Rest seines Drinks, bevor er das Glas auf den Stehtisch rechts von ihm stellte.

„Kann ich dich etwas fragen?“

„Klar.“ Freundlich musterte er sie und fragte sich, was das für ein Schuppen war, in dem sich derart junge Mädchen die Klinke in die Hand gaben, die legal noch lange keinen Alkohol trinken durften. Er konnte sich nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Kleine bereits einundzwanzig war. Glücklicherweise stand er nicht auf blutjunge Frauen, weil es ihn davor bewahrte, die Ausweise der Mädels checken zu müssen, bevor er sie abschleppen würde, um nicht im Knast zu landen.

„Sind Sie Cole Maddox?“

„Ja, bin ich.“

Himmel, das Mädel war so jung, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern dürfte, dass er vor vierzehn Jahren Mitglied einer Boyband gewesen war!

„Ha!“ Sie begann triumphierend zu grinsen. „Ich hatte recht! Ich wusste gleich, dass ich Sie kenne.“

Cole lächelte leicht.

Sie war jedoch noch nicht fertig und setzte hinzu: „Meine Freundinnen haben mir nicht geglaubt, dass Sie der Typ sind, der bei Tropicana halb nackt an diesem Glücksrad hing. Schade, dass ich nicht mit ihnen gewettet habe, denn ich hätte glatt gegen sie gewonnen.“

Am liebsten hätte Cole laut gestöhnt, denn wenn es eine Sache auf der Welt gab, auf die er nicht gerne angesprochen wurde, dann war es diese beschissene Sendung, auf die er sich eingelassen hatte, weil er sich davon karrieretechnisch viel versprochen hatte. Dass er sich während der Ausstrahlung zum Idioten der Nation gemacht hatte, war für seine Karriere als Musiker nicht förderlich gewesen.

Überhaupt nicht.

„Darf ich ein Foto mit Ihnen machen?“ Sie sah ihn mit heldenhafter Verehrung in den Augen an und bemerkte offenbar nicht, dass sie ihn an den peinlichsten Augenblick seines Lebens erinnert hatte.

„Nur zu“, hörte er sich selbst sagen und lächelte kurz darauf schwach in ihre Handykamera, während er sich wiederholt einen Dummkopf nannte, dass er damals nicht auf seinen Agenten gehört hatte, als dieser ihm davon abriet, den Vertrag mit der Produktionsfirma von Tropicana zu unterschreiben.

Eigentlich war Cole niemand, der Dinge bereute, die er getan oder nicht getan hatte. Aber seine Teilnahme an der Show bereute er.

„Das ist so cool! Vielen Dank, Mr. Maddox.“

„Cole reicht völlig.“ Er winkte lässig ab und verspürte plötzlich das Bedürfnis, ein Taxi zu nehmen und zu seiner momentanen Unterkunft zurückzufahren, anstatt sich die zweite Hälfte des Auftritts anzusehen.

„Danke, Cole.“ Die Kleine deutete auf sich selbst. „Ich heiße Sasha und bin erst vor ein paar Monaten nach L. A. gezogen.“

Jetzt kam er sich tatsächlich uralt vor und fühlte sich dazu gezwungen, nachzufragen: „Aha. Und wie gefällt dir die Stadt?“

„Sehr gut.“ Sasha nickte nach hinten. „Meine Freundinnen und ich haben uns gefragt, ob du vielleicht Lust hättest, mit uns etwas zu trinken. Sozusagen ein Dank für das Foto.“

Auch wenn er sich alt fühlte, war er nicht von gestern und ahnte, dass zumindest Sasha, wenn nicht sogar ein paar ihrer Freundinnen, die ihm zuwinkten, sobald er in ihre Richtung sah, darauf aus waren, mit jemandem in die Kiste zu hüpfen, den sie für prominent hielten. Cole hatte immerhin ein paar Jahre lang einschlägige Erfahrungen als Rockstar hinter sich und kannte die Anzeichen.

Heute war er jedoch nüchtern und vernünftig genug, um das Angebot abzulehnen. Er hing an seiner Freiheit und wollte nicht hinter schwedischen Gardinen hocken und die Freundin eines bis an die Stirn tätowierten Inhaftierten namens Der Gorilla werden, weil er in flagranti mit jemandem aufgegriffen wurde, der sich einen gefälschten Ausweis besorgt hatte und erst siebzehn war. Außerdem standen ihm mit großer Sicherheit orangefarbene Häftlingsanzüge nicht.

Abgesehen davon hatte die Erwähnung von Tropicana gereicht, um seine Laune zu verderben.

Daher schüttelte er den Kopf. „Danke fürs Angebot, Sasha, aber heute habe ich schon etwas vor.“

Rockstar Love - Ein Song für Holly

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