Читать книгу Lone in Norwegen - Poul Nørgaard - Страница 4
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ОглавлениеMit seiner kräftigen, sehnigen Gestalt, den blauen Augen und der sonnengebräunten Haut glich Pastor Hanner eigentlich eher einem Seemann als einem Pfarrer. Besonders kennzeichnend für ihn war sein Lächeln. Es war so froh und herzlich, daß es ihm nicht nur die meisten Türen öffnete, sondern auch die meisten Herzen; und es kam nur selten vor, daß Pastor Hanner nicht lächelte. Die Bevölkerung der kleinen norwegischen Landgemeinde liebte ihren Pfarrer.
Zu Pastor Hanners vielen guten Eigenschaften gehörte auch ein ausgeprägter Ordnungssinn, eine Tugend, die sein vierzehnjähriger Sohn Asger leider nicht geerbt hatte. Von dieser einen bedauerlichen Ausnahme abgesehen, glich er im übrigen seinem Vater in jeder Hinsicht, ja, als Schiläufer machte er ihm sogar geradezu den Rang streitig. Und das wollte nicht wenig besagen.
Asgers Mutter sorgte sich um ihren Sohn; bisher hatte er sich kaum Gedanken über seine Kleidung gemacht und war recht gleichgültig damit gewesen. Aber zu ihrer großen Verwunderung war er plötzlich so genau mit sich selbst geworden wie ein Apotheker. Er benutzte Brillantine und zog sich sorgfältig einen schnurgeraden Scheitel. Kleider-, Schuh- und Nagelbürste gebrauchte er häufig, und zu seinem großen Ärger hatte sie ihn schon zweimal dabei ertappt, als er sich an einem ganz gewöhnlichen Werktag in seinem Sonntagsanzug hatte davonschleichen wollen. Nur unter heftigem Protest seinerseits hatte sie ihn dazu bewegen können, sich wieder Werktagskleider anzuziehen. Sein Vater hatte darauf nicht weiter geachtet, und seine Mutter hatte sich schließlich mit dem Gedanken abgefunden, daß dieser Wechsel wohl dem Alter zuzuschreiben sei, in dem er sich befand. Nur überraschte sie, daß jene Umstellung in Gewohnheiten und Interessen, die bei den meisten Kindern früher oder später einzutreten pflegt, bei Asger so plötzlich geschehen war.
Pastor Hanner war gerade von einem Besuch in der Gemeinde zurückgekehrt und wollte nun seine Sonntagspredigt vorbereiten. Aber als er nach seinem Federhalter griff, der immer auf einem bestimmten Platz auf dem Schreibtisch zu liegen pflegte, konnte er dieses unentbehrliche Werkzeug nicht finden.
Das Reinemachen ist eine lobenswerte Sache, dachte der Pfarrer, wenn die Frauen in ihrem Eifer nur meine Sachen nicht immer wegräumen würden. Als sein Suchen ergebnislos blieb, fiel ihm ein, daß er seiner Frau und ihrer tüchtigen, langjährigen Hilfe womöglich Unrecht tat. Schließlich war es nicht das erste Mal, daß Asger sich in seiner Abwesenheit irgend etwas auf seinem Schreibtisch ausgeliehen und dann vergessen hatte, es wieder an Ort und Stelle zu legen.
Gutmütig ging er die Treppe hinauf in den ersten Stock. In der Tür zu Asgers Zimmer blieb er einen Augenblick stehen und ließ seinen Blick über die dort herrschende Unordnung gleiten; dann machte er sich mit einem stillschweigenden Kopfschütteln daran, den Schreibtisch gründlich zu untersuchen, der in seiner bunten Reichhaltigkeit einen Vergleich mit dem Schaufenster eines Trödelladens nicht zu scheuen brauchte. Leider blieb jedoch alles Suchen erfolglos.
Das ist ja, als wollte man in einem Heuschober nach einer Nadel suchen, dachte der Pfarrer, während er ohne große Hoffnung noch eben in eine Schublade guckte. Gerade dort fand er zu seiner freudigen Überraschung, was er suchte. Doch gleichzeitig fiel sein Blick auf ein rotes Aufsatzheft, auf dem mit einer für seinen Sohn ungewöhnlich zierlichen Schrift geschrieben stand: