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GEDICHTE von Asger Hanner

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Pastor Hanner stutzte: Gedichte? Und in Verbindung mit Asger? Das erregte seine Neugierde, und obgleich er sonst nicht in die Heimlichkeiten seines Sohnes einzudringen pflegte, nahm er das Heft heraus und begann darin zu blättern. Als er kurz darauf wieder hinunterging, nahm er es mit.

»Inga«, rief Pastor Hanner aus seinem Studierzimmer, »komm doch bitte mal eben!«

Frau Hanner legte die Handarbeit beiseite und ging in sein Zimmer. »Ja, was ist denn, Gustav?«

Der Pfarrer drehte sich auf dem Stuhl halb um. »Weißt du, daß dein Sohn ein Dichter ist?« fragte er.

»Ein Dichter? Wie meinst du das?«

»Hier, bitte!« Er hielt das Aufsatzheft vor sie hin.

»Hat Asger es dir selbst gegeben?« fragte seine Frau.

»Nein, das nicht, aber . . .«

»Dann solltest du auch nicht darin lesen, finde ich. Wo hast du es gefunden?«

»In seiner Schreibtischschublade.«

Sie sah ihn vorwurfsvoll an. »Na hör mal, Gustav, jetzt bin ich aber wirklich sprachlos! Spionierst du in Asgers Sachen herum?«

»Äußerst ungern. So etwas von Unordnung ist einfach unbegreiflich. Aber wenn sich der Junge mein Schreibzeug ausleiht und regelmäßig vergißt, es wieder an seinen Platz zu legen, ja, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als meine Sachen dort zu holen, wo ich sie eben finde.«

»Deshalb brauchst du doch aber seine Gedichte nicht zu lesen«, wandte seine Frau ein.

»Das ist allerdings nicht unbedingt nötig, und wenn du es so schlimm findest, dann werde ich das ›Kunstwerk‹ eben wieder dorthin legen, wo ich es gefunden habe«, sagte der Pfarrer.

»Nein, warte mal«, ereiferte sich seine Frau, als er Miene macht, sich zu erheben. »Wenn du die Gedichte gelesen hast, dann möchte ich natürlich auch gern sehen, was er schreibt. Meinst du, daß er Talent hat?«

»Talent! Das ist das schlimmste Zuckerwasser, das mir je vorgekommen ist. Was bloß in den Jungen gefahren sein mag? Hör dir zum Beispiel dieses Gedicht hier an, ›Frühlingsanbruch‹ nennt er es.« Der Pfarrer schlug das Heft auf und begann vorzulesen:

»›Ich sitze in der Allnatur und denke nur an dich!‹ Allnatur? – Was sagst du bloß dazu? – Woher er diesen verkrampften Ausdruck nur hat? Aber weiter:

›Ich sitze in der Allnatur und denke nur an dich,

du aber verschwendest keinen Blick an mich.

Ich träume, wir wandern durch duftende Wälder,

durch blühende Auen und wogende Felder.

Oh, könnt ich doch immer wandern so mit dir,

alle Schätze des Morgenlandes gäb ich dafür.‹

Die Schätze des Morgenlandes? Was sagst du nun?« Pastor Hanner sah seine Frau an. »Der Junge muß völlig übergeschnappt sein.«

Seine Frau riß ihm das Aufsatzheft aus der Hand. »Keine Spur, verliebt hat er sich, das ist alles.«

»Verlieht? Unsinn – in dem Alter verliebt man sich nicht.«

»Nicht? Du scheinst ein schlechtes Gedächtnis zu haben.«

Er sah seine Frau verständnislos an. »Wieso?«

»Denk nur mal nach«, sagte sie lächelnd. »Im übrigen wird Asger im Sommer fünfzehn Jahre alt.«

»Fünfzehn!« Der Pfarrer schnaufte verächtlich.

»Ja, fünfzehn!« sagte seine Frau. »Dein Gedächtnis hat also tatsächlich im Laufe der Jahre gelitten. Wie alt warst du denn, als du dein erstes, unbeholfenes Liebesgedicht an mich schriebst?«

»Habe ich . . . Hm, das weiß ich wirklich nicht mehr.«

»Nein, aber ich; und Wenn du es ganz genau wissen willst, warst du damals erst dreizehn.« Ihre Augen blickten träumerisch. »Oh, ich entsinne mich noch deutlich an deine verlegene Miene, als du es mir auf der Schulbank zuschobst.«

»Hm, das ist mir völlig entfallen. Außerdem sprachen wir ja nicht von mir, sondern von Asger.«

»Allerdings, aber wenn du aus der Fassung gerätst, weil dein fast fünfzehnjähriger Sohn sich einen kleinen Schwarm zugelegt hat, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als dich daran zu erinnern, daß du auch einmal in dem Alter gewesen bist.«

Der Pfarrer zeigte beleidigt auf das Aufsatzheft, das seine Frau noch immer in der Hand hielt. »Du willst doch damit hoffentlich nicht andeuten, daß ich selbst derartigen Kitsch geschrieben habe?«

»Möchtest du das kleine Gedicht sehen, von dem ich dir eben erzählte?« lächelte sie. »Ich habe es natürlich aufgehoben.« – »Nein! Vielen Dank!«

Sie lachte vergnügt. »Es ist wirklich ein hübsches Gedicht – so romantisch –, wenn du vielleicht auch nicht die gleichen dichterischen Fähigkeiten hattest wie Asger.«

»Dichterische Fähigkeiten!« Der Pfarrer griff sich verzweifelt an den Kopf. »Es ist doch wohl nicht dein Ernst, daß du . . .«

»Doch«, nickte seine Frau, »ich finde den Vers wirklich sehr hübsch. Etwas unbeholfen vielleicht, aber dafür ist er sicher sein erster Versuch. Auf jeden Fall finde ich es nicht recht von dir, darüber zu lachen. Du hättest es überhaupt nicht lesen sollen.«

»Nein, das gebe ich zu, und deshalb werde ich das Heft sofort wieder in die Schublade legen und so tun, als hätte ich nichts gesehen.« Er machte eine Bewegung, um das Heft an sich zu nehmen, griff aber in die Luft. »Nein«, widersprach seine Frau, »nachdem Asgers Geheimnis jetzt sowieso verraten ist, möchte ich auch wissen, was er noch geschriebehat. Schließlich hat niemand ein größeres Recht darauf, es zu lesen, als seine Mutter.« Sie setzte sich und blätterte die erste Seite um:

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