Читать книгу Die Raketenbrüder: Entführt - Preben Dahl - Страница 4
1. Kapitel
ОглавлениеVerschwunden
- Oh-oh…
Jonathan starrte auf die Rakete, die mit einem „pffftschhhss” losschoss. Nicht in die Luft – wie geplant – sondern schräg zur Seite.
- Duck dich, Kristoffer! rief er und nahm einen Schritt in Richtung seines Bruders, der ein paar Meter vor ihm kniete.
Kristoffer warf sich aufs Gras des Flugplatzes, während die Rakete wie ein zischender Pfeil über seinen Kopf hinweg schoss. Die lilafarbene Raketenspitze und der schwarze Körper zickzackten quer über die Landebahn.
„Pfffffssssschhhhhhhsss.”
Wie ein Wurfgeschoss nahm sie Kurs auf einen alten, weißen Benzintank, der in einer Betonwanne halb eingegraben war. AV-GAZ stand auf der Seite des 2.000 Liter großen Behälters mit Flugzeugtreibstoff. Eine riesige Treibstoffbombe, wenn er in Flammen ausbrechen würde.
- Nein, bitte nicht…
Kristoffer nahm die Hände vors Gesicht, voller Angst davor was geschehen würde…
„Pffffssschhsss..”
Erst runter, danach stieg die Rakete aufwärts – über den Benzintank hinweg – und 20 Meter weiter, direkt auf den zwei Hallen des Platzes hinzu.
„Klonnnkkkkkk…”
Das rostrote Wellblechtor der einen Halle wurde in einigen Metern höhe getroffen.
„Bofff!”
Die Spitze flog ab und raus kam ein rot-weißer Fallschirm. Der Schirm entfaltete sich nur halb, bevor die Rakete auf den Beton prallte.
- Verdammt..! sagte Kristoffer, der zwischen seinen Fingern ein Auge riskierte.
- Das ist ja der Wahnsinn…
Die Jungs liefen schnell zur Halle. Jonathan war am schnellsten und sammelte die 40 Zentimeter lange Rakete auf. Die vier lilafarbenen Heckflügel waren warm und er musste alles am Fallschirm festhalten.
- Die Rakete ist unversehrt! Aber schau dir das Tor an. Dieser lange Riss.
Jonathan, der 14 Jahre alte große Bruder machte in der Sommersonne die Augen halbwegs zu und fügte mit einem frechen Lächeln hinzu:
- Das war ja total cool!
Die zwei Brüder klatschten die Hände. Kristoffer, der 11-Jährige gebräunte und schlaksige kleine Bruder ging einige Schritte zurück.
- Dieser Riss wird ärger geben! Wir dürfen doch nicht die Rakete in der Nähe der Halle abschießen. Was sollen wir tun?
Der kleine Bruder fand den Riss nicht mehr so cool. Jonathan zuckte einfach mit den Schultern:
- Wenn jemand fragt, habe ich ihn mit - hmmm – einem Rechen oder einer Schaufel gemacht. Komm, das ist doch egal!
Die zwei Brüder kreuzten die Landebahn und gingen zur kleinen Startrampe zurück. Zwei Jungs in alten Skater Shorts, T-Shirts und Tennisschuhen, die in der zweiten Woche der Sommerferien mit Sachen beschäftigt waren, die Schule, Freunde und Sport sonst nicht zulassen.
- Schau, alles ist in Ordnung. Die drei Beine stehen fest auf den Boden. Und die Stahlstange, die die Rakete nach oben lenkt, zeigt auch in die richtige Richtung.
Kristoffer wurde in der Schule „Ingenieur” genannt. Er war ein Fachidiot. Ein Technikfreak. Zweifellos. Er nahm alles Mögliche auseinander. Und setzte es wieder zusammen. Er war es auch, der die Startrampe des Modellraketensatzes von ihrem Vater zusammenbaute.
- Aber was ist das denn, lachte der große Bruder, der nur halbwegs an Technik interessiert war, und trotzdem oftmals nützliche Ideen hatte.
- Schau dir das Elektrokabel am Startgriff an. Es ist um die Rampe gewickelt. Soll das so sein?
Er beugte sich nieder und zog ein wenig am Kabel, bevor er wieder nach oben kam.
- Vielleicht hast du ein wenig am Kabel gezogen, als du die Rakete abgefeuert hast. Deshalb flog sie wahrscheinlich schief!
Kristoffer fingerte am schwarzen Kabel herum, das von der Startrampe zu einem kleinen Griff mit Batterien verlief. Er benutzte den Griff zum Zünden des Raketenmotors.
- Also… Es ging ein wenig schnell. Ich meine…
Jonathan schubste den kleinen Bruder und warf sich auf ihn. Die zwei Jungs rangelten im Grass. Sie lachten und tobten, als sie von einem bekannten Geräusch unterbrochen wurden.
- Ach du grüne Neune… Schnell! befahl Jonathan und schnappte sich schnell Rakete und Startrampe. Kristoffer folgte ihm und nahm gleichzeitig den Startgriff, während er schnell nach seinem Bruder rannte.
Das Geräusch kam von einem kleinen Flugzeug. Der gelbe Flieger mit blaukarierter Nase war scheinbar im Anflug auf die 600 Meter lange Landebahn, die direkt neben ihrem Elternhaus lag.
Die Jungs wohnten am Flugplatz Mittelfünen. Ein privater Flugplatz, der außer zwei alten Hallen, eine lange unebene Landebahn, eine Flugzeugwerkstatt und einigen alten verschrotteten Fliegern aus dem Haus bestand. Ein großes weißes Wohnhaus, das so aussah wie die meisten Höfe in der Nähe. Der Unterschied war nur, dass es hier keine Ställe mit Tieren gab, sondern Hallen mit insgesamt neun Flugzeugen. Jetzt gerade acht, weil eines gerade im Anflug auf die Landebahn war. Ein grauhaariger und grinsender Mann winkten mit einer Hand, während er mit der anderen das Flugzeug aufwärts und von den Jungs weglenkte.
- Ach, Großvater war am spielen. Er musste vor einer Weile losgeflogen sein. Jonathan winkte zurück zum Piloten, der bereits wieder mehrere hundert Meter weg, über einen kleinen Wald flog. Das Flugzeug wollte also nicht landen. Großvater flog einfach nur in niedriger Höhe über den Platz, bevor es weiterging.
Jonathan und Kristoffer gingen mit ihrer Rakete und der Startrampe unterm Arm Richtung Haus. Es war später Nachmittag, und sie wollten jetzt Computer spielen. Als sie um die Ecke kamen, fingen sie an zu laufen.
- Letzter ist ’ne Schnecke, forderte Jonathan auf und rannte. Siegessicher. Er war fester Bestandteil des örtlichen Athletikklubs. Er lief die kurzen und mittellangen Strecken, was man seinen trainierten und muskulösen Beinen ansah.
- Buh, du gewinnst immer, protestierte Kristoffer, als er nach wenigen Metern aufgab.
Sie warfen Rakete und Startrampe in den Flur und gingen laut in die Küche. Hier stand ihre Mutter am Ende des langen Tisches mit dem Telefon in einer Hand. Mit der anderen trocknete Sie eine Träne weg. Ihre Augen waren rot.
- Was ist los, Mama? fragte Jonathan unruhig.
- Setzt euch bitte hin.
Die Brüder setzten sich auf ihren festen Plätzen am Holztisch mitten in der Küche und schauten sie nervös an.
- Euer Vater ist verschwunden.
Die Tränen schossen der Mutter in die Augen. Ihre Lippen zitterten, als sie sich nach vorne beugte und die Hände der Jungs nahm und fest drückte.
- Das kann nicht sein. Ich habe heute Morgen mit ihm gesimst, protestierte Jonathan.
- Doch. Das war gerade Estec am Telefon. Per ging heute zu Mittag, kam aber nicht zurück.
Die Jungs schauten sie an. Ihr Vater konnte doch nicht verschwunden sein. Er war wie immer bei der Arbeit bei ESA, der europäischen Weltraumorganisation. In der größten Abteilung Estec in Holland. Direkt an der Küste im Ferienort Noordwijk. Im großen, eingezäunten und gut bewachten Gebiet, wo sie ihn erst letzte Woche besucht hatten.
- Warum ruft Estec an? Papa ist bestimmt nur bei einer Besprechung?
- Nein. Sie haben alles versucht. Er ist nicht bei einer Besprechung. Das hätte er der Wache erzählt. Er ist bereits mehr als zwei Stunden verschwunden.
Jonathan dachte an seinen Vater, der als Computerspezialist an Satelliten arbeitete und nur an Wochenenden und in den Ferien zuhause auf Fünen war. Er hat beim letzten Besuch über die Sorge der ESA in Bezug auf Industriespionage und Terror berichtet. Deshalb hat eine Spezialgruppe besonders ein Auge auf ausgewählte Mitarbeiter. Menschen, die entscheidende Informationen hatten. Wissen, das in den falschen Händen das europäische Weltraumprogramm schaden könnte. Per Dam war einer dieser Menschen.
- Aber Mama, versuchte sich Kristoffer, konnte aber nichts sagen, weil er nicht ganz verstand, wie ernst die Nachricht über das Verschwinden des Vaters war.
- Jungs! Das ist nicht alles.
Sie fing an zu erzählen. Die Holländer waren wirklich besorgt über sein Verschwinden. Per Dam war immer genau da, wo er sein sollte. Es war das erste Mal, das so etwas geschah.
- Sein Chef wollte wissen, wo Per vielleicht hingehen würde. Ob ich das wüsste? Aber das weiß ich ja nicht…
Die Mutter stand langsam auf und schubste dabei das schnurlose Telefon auf den Boden. Sie schaute das schwarze Telefon an, als wäre es an allem Schuld. Kristoffer sammelte es schnell auf. Einen Augenblick später umarmte sie ihre Jungs und ging dann zur Kaffeemaschine um Kaffee zu kochen. Als wäre sie nicht ganz wach; mit langsamen Bewegungen und zusammengekniffenen Augen. Als wäre nichts passiert, und es bloß früh am Morgen war.
- Mama, sagte Jonathan, während er sie anschaute:
- Papa ist ganz sicher nicht verschwunden. Das ist alles ein Missverständnis. Estec übertreibt einfach!
Er fand sein Handy in der Tasche und wählte die Handynummer seines Vaters. Fünf, sechs, sieben Mal ließ er es klingeln, bis am anderen Ende der Anrufbeantworter ranging:
- Hallo, hier ist Per Dam, sagte eine fröhliche Stimme, vor langer Zeit eingesprochen, und weiter:
- Ja, ich kann gerade nicht ans Telefon gehen. Das Wetter ist einfach zu schön, und ich bin bestimmt ohne Telefon spazieren gegangen. Versuchen Sie es einfach später nochmal oder hinterlassen Sie mir eine Nachricht…
Jonathan klappte das Handy zusammen, als der Vater anfing die gleiche Nachricht auf Englisch zu sagen, und er setzte sich hin. Er kannte die lustige Nachricht auf dem Anrufbeantworter nur zu gut. Als er sie jetzt hörte, bekam er Gänsehaut und er fröstelte auf dem Stuhl. Er bekam Angst. Wo war bloß sein Vater?