Читать книгу Roboter: Fading Smoke - R. M. Amerein - Страница 7

Eintrag 2

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Dass sich hier ein temporärer Stützpunkt der Forscher befindet, ist an den Zelten erkennbar, welche die Lichtung säumen. Normalerweise haust diese weit fortgeschrittene Art von Robotern in regelrechten Bunkern, die von außen nicht einsehbar sind. Man braucht einen guten Grund, um sie zu besuchen, ansonsten schotten sie sich weitestgehend ab. Ich habe gehört, dass ihr Clansprecher kürzlich sogar einem Meeting der Vereinigung ferngeblieben ist. Das ist ein absolutes No-Go. Und jetzt eine versteckte Basis in einem Biotop? Irgendetwas ist im Busch, im wahrsten Sinne des Wortes. Es brodelt im Untergrund. Ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob es die Welt noch lange so geben wird, wie ich sie kenne. Seit dem Sundown sind Hunderte, nicht immer harmonische Jahre vergangen. Es ist allerdings ewig kein ernsthafter Konflikt mehr aufgetreten. Dass sich der Frieden so langsam zu drehen beginnt, ist nicht überraschend. Beunruhigend jedoch schon.

Es ist unüblich, dass die Forscher eine Anlage mitten in einem Biotop aufbauen, und dass es wirklich von den Biobots geduldet ist, wage ich zu bezweifeln. Dafür hat sich Erny zu viele Sorgen darum gemacht, belauscht zu werden. Keine Ahnung, was ich von dieser Sache halten soll, aber ich bin nicht in der Position, Fragen zu stellen. Meine Programmierung priorisiert mich, was im Moment bedeutet, dass ich Energie auffüllen muss. Laut Anzeige habe ich nur wenige Stunden bis zur Abschaltung. Für das Verlassen des Biotops bräuchte ich mindestens zwei Tage.

Einige Roboter stampfen um das Zelt herum. Ich bin neidisch auf ihr gutes Aussehen. Natürlich können wir uns bis zu einem gewissen Grad selbst anpassen und modifizieren, doch die verschiedenen Clans haben Merkmale, die man nur erhält, wenn man die eigene Programmierung der ihren anpasst. Wir Söldner sind übrigens so speziell, dass wir alle unterschiedlich aussehen. Freigeister, sozusagen. Weil wir nirgends reinpassen, haben wir eine eigene Kaste gebildet. Damit meine ich nicht nur die Optik, sondern auch unsere Ziele. Keiner von uns hat sich einem einzigen untergeordnet, wie dem Schutz der Biotope oder dem Erforschen aller Anomalien der Welt. Söldner machen Arbeit, die aufkommt und für die die anderen Clans keine Zeit, Lust oder Programmierung haben. Es gibt immer etwas, das erledigt werden muss. Jemanden, der Schutz benötigt, womöglich sogar gesucht wird. Wenn wir dafür unsere Individualität behalten dürfen, reisen wir gern in der Welt umher und suchen nach jenen, die uns brauchen.

Die Forscher scheinen mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Sie besitzen dasselbe durchdringende Schwarz wie der Ring um die Sonnenkorona und sind von leuchtenden Kabeln überzogen. Nur ihr Oberkörper ist von einzelnen silbernen Platten bedeckt. Die Augen strahlen in einem stetigen Azur und die Leitungen an ihrem Kopf pulsieren im Blau der Kabel. Sieht echt cool aus, das kannst du mir glauben. Trotzdem sind die Forscher die Kaste, mit der ich aus genannten Gründen am seltensten und wenigsten gern Geschäfte tätige. Jetzt komme ich aber nicht drumherum, also gebe ich mir einen Ruck und marschiere auf das Zeltdorf zu.

Ich bin mir sicher, schon bemerkt worden zu sein, als ich noch im Schatten des Dschungels stand. Doch erst jetzt wenden sich mir die zwei Roboter am Eingang zu. Einer tritt vor, den Arm abwehrend gehoben und die Finger der flachen Hand weit gespreizt. »Halt!«

Für einen kurzen Moment überlege ich, die Situation auf die Spitze zu treiben, ich mag ein bisschen Risiko. Aber nicht mit sinkenden Energiereserven, also bleibe ich artig stehen. »Ich hörte, hier gibt es etwas zu tun. Muss ich mich als Söldner ausweisen oder glaubt ihr mir auch so?« Mit den Händen deute ich auf meinen Körper.

Die azurblauen Augen des zweiten Forschers betrachten mich, während sein Compagnon seine Pose beibehält. Meine Metallplatten kribbeln unter diesem intensiven Blick. Normalerweise bin ich nicht eitel, aber mein Aussehen ist mir vor diesen schicken Maschinen etwas peinlich. Ich strotze vor Einschusslöchern, die ich noch nicht versiegelt habe. In meinem Schädel sind mehrere Schlitze eingekerbt, aus denen der Rauch der Zigaretten strömt, wenn ich eine quarze. Die Belüftung habe ich so montiert, dass tiefe Züge möglich sind, als würde ich atmen. Ich habe mir das Rauchen irgendwann mal angewöhnt. So was Ähnliches habe ich bei den Geschichtsbewahrern gesehen, die menschliche Kulturen imitieren und erhalten. Und meine Seriennummer SM0K3 … Hat doch was Ironisches, oder? Smoke smokes. Hätte ich Mundwinkel, würden sie sich jetzt für ein breites Grinsen heben.

Na ja, und ansonsten mag ich es bunt. Ich habe vielerorts meine Hülle angesprayt und mir eine witzige neongrüne Antenne zur Zierde neben den rechten Ohrknubbel geklebt. Augen gibts bei mir übrigens keine. Ich habe ein schwarzes Visier, in dem sich das Umfeld spiegelt, nur nichts von meinem Innenleben. Warum wir alle so unterschiedlich aussehen? Das muss an den Maschinenmüttern liegen, die Menschen drücken Knöpfe und was Neues kommt raus. Wir sollten ursprünglich so individuell wie möglich sein, vom Erscheinungsbild, unserer Programmierung und Charakterentwicklung her. Der Zusammenschluss in Kasten steht dem entgegen, war jedoch nötig.

Zurück zu den Forschern. Sie scheinen sich einig zu sein, mir fürs Erste zu vertrauen. Der eine gibt seine Haltung auf, während der andere mir zunickt. Die beiden gehen in das Innere des Lagers und ich folge ihnen.

Unauffällig schaue ich mich um. Sie müssen echt verzweifelt sein, sie haben nur wenig Technik mitgebracht und scheinen alles in ziemlicher Eile aufgebaut zu haben.

Eine Zeltplane wird zur Seite geschlagen. Der Neuankömmling unterscheidet sich äußerlich nicht von seinen Kollegen und doch umgibt ihn eine andere Aura. Roboter haben eigentlich keine; womöglich sind wir dennoch sensibel dafür, wenn uns eine Maschine gegenübersteht, die mehr zu sagen hat als andere.

»SM0K3«, weise ich mich aus, bevor mein Gegenüber eine Aufforderung aussprechen muss. »Söldner.«

Der Forscher nickt und verschränkt typisch menschlich die Arme vor der Brust. »Wer schickt dich?«

»Ähm … 3RNY?«, antworte ich unbedarft. Keine Ahnung, ob ich das sagen sollte.

Wieder nickt der Sprecher. »Wir haben tatsächlich einen Auftrag zu vergeben, allerdings ist er ziemlich delikat. Wir hatten gehofft, die Biobots hätten nichts von unserer Anwesenheit bemerkt.«

»Tja, die haben ihre Glubschaugen eben überall.«

Der Forscher geht nicht darauf ein. »Wir vermissen ein Subjekt. Ein menschliches Kind, weiblich, zehn Jahre alt. Ich übermittele dir jetzt ein Bild.«

Zeitgleich sehe ich ein verängstigt wirkendes Mädchen auf meinem Visierinterface, furchtbar blass und mit nichts als Lumpen bekleidet. Die schwarzen Haare kleben nass in seinem Gesicht, die Arme presst es um seinen Oberkörper, wie um sich selbst zu umarmen. In mir regt sich kein Gefühl, aber ich weiß, dass bei den meisten Menschen jetzt sofort der Beschützerinstinkt anspringen würde.

»Nur aus Neugierde: Warum sucht ihr nicht selbst nach ihr?«

»Tun wir. Doch jede Hilfe ist uns willkommen. Das Biotop ist groß, wir sind nur wenige. Ich übermittele dir unser Suchraster.«

Wieder flackert etwas auf meinem Interface auf und ich nicke als Zeichen, dass ich es empfangen habe. Die bereits abgesuchten Bereiche sind lila markiert.

»Falls du es uns zurückbringst, musst du dir um etwaige Verletzungen erst mal keine Sorgen mehr machen. Wir haben genug Reparaturkits und Ersatzteile hier. Auf Wunsch justieren wir dich neu. Überleg dir, was du willst.«

»Danke, aber Biomasse genügt mir. Ihr lasst euch nicht zufällig auf einen Energieboost als Vorauszahlung ein?«

Der andere Roboter fixiert mich kurz und ich habe das Gefühl, dass das blaue Licht der Augen flackert. Dann schüttelt er den Kopf.

»Von mir aus«, antworte ich zerknirscht. Es bleibt also spannend. »Was, wenn ihr das Mädchen zuerst findet? Ich brauche definitiv Energie und möchte meine vorhandene nicht unnötig opfern.« Zwar schaffe ich es mit der eh nicht raus, aber das müssen die ja nicht wissen.

»Du wirst für deine Mühen entlohnt werden.«

Tja, da muss ich mich wohl auf das Wort des Forschers verlassen. Eine andere Option habe ich nicht wirklich.

»Was macht ihr überhaupt im Biotop? Die Bots hier sehen das nicht so gern.« Solange sie sich nicht an der Biomasse bedienen, wird man sie vermutlich dulden. Ich habe nur keine Lust, den Auftrag zu erfüllen und zu befürchten, dass meine Auftraggeber währenddessen verbannt wurden. Aber dieses Mädchen scheint ihnen wichtig zu sein, sie würden also kaum ohne es weiterziehen.

»Das Subjekt ist vor einem halben Tag geflohen. Es hat keinen Proviant bei sich. Wenn es sich an den hiesigen Pflanzen bedient, werden die Biobots es wissen. Wir vermuten, dass es nicht weit gekommen ist.«

Natürlich geht er nicht auf meine Frage ein. Kurz gehe ich meine Möglichkeiten durch. Entweder ich kontaktiere Erny und befrage ihn nach Meldungen aus dem Biotop, vielleicht ist das Mädchen sogar dort. Oder ich durchforste planlos das Suchraster. Wobei, warum soll ich mich zwischen beiden Optionen entscheiden? Ich habe Ernys Seriennummer und bin in Reichweite. Somit ist die Kontaktaufnahme kein Problem und ich kann gleichzeitig in der Wildnis suchen.

»Ich nehme den Auftrag an.« Das Biotop ist zwar riesig, dennoch traue ich mir durchaus zu, dieses Kind zu finden. Es ist die einzige Chance, die ich habe.

Roboter: Fading Smoke

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