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Eintrag 4

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Kurz bevor wir den Unterschlupf der Forscher erreichen, erhalte ich eine Gesprächsanfrage von Erny. Ich wische sie fort, schließlich habe ich das Mädchen gefunden. Mit ihm zu sprechen, würde unnötige Energie kosten. So langsam bekomme ich echt Panik, mich nicht rechtzeitig aufladen zu können und wie so ein verdammter Naturfreak in den Wäldern zu verrotten. Käme jetzt eine unvorhergesehene Situation, wäre ich echt aufgeschmissen. Das Mädel hat mich noch ein paarmal angesprochen, doch meine Konzentration liegt darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und nicht nachzudenken. Um den Akku zu schonen. Energiesparmodus, sozusagen. Die Aufnahme meiner Erlebnisse und Gedanken läuft weiter, ich will ja etwas zurücklassen in dieser Welt. Für dich. Damit jemand weiß, was mir widerfahren ist. Auch als Roboter wünscht man sich manchmal, einen Stempel in der Geschichte zu hinterlassen. Ich habe bisher nichts Großartiges geleistet, doch die Vorstellung, einfach sang- und klanglos zu verschwinden, beunruhigt mich.

Das Problem ist, dass ich so nicht in einer besonders guten Lage bin, mit den Forschern zu verhandeln. Ich kann nur auf eine gerechte Zahlung hoffen, aber sie könnten mich auch einfach über den Tisch ziehen. Sprachbereit und schlagfertig bin ich unter solchen Bedingungen nicht mehr, allerdings darf man mir das auf keinen Fall anmerken.

Die zwei Wächter am Eingang machen Platz, als wir auf die Lichtung treten. Ich merke, dass das Mädchen seinen Griff um meine Finger verstärkt, aber ich reagiere nicht. Vielleicht würde ich ihm Mut zusprechen, wenn mich das keine Energie kosten würde. Ich bin zu müde, um darüber nachzudenken, und folge dem Forscher, der sich vor uns einreiht und uns dahin führt, wo ich ein paar Stunden zuvor den Auftrag erhalten habe.

Es dauert einige kostbare Minuten, bis der Anführer auftaucht und uns mustert. Dann streckt er den Arm aus und nimmt die freie Hand des Kindes in seine. »Kaia. Da bist du ja wieder.« Jegliche Sorge fehlt in seiner Stimme, er könnte wenigstens den Anstand haben, sie zu imitieren.

Nur ein winziger Teil von mir registriert, nun den Namen des Mädchens zu wissen. Warum mir das wichtig zu sein scheint, weiß ich nicht. Schließlich werde ich es nie wiedersehen. Ich werde gleich einen Energieschub bekommen, das Biotop auf Nimmerwiedersehen verlassen und keinen weiteren Gedanken an das alles hier verschwenden.

Kaia macht keine Anstalten, sich von mir zu lösen. Der Anführer sieht mich abwartend an. Ich seufze und schüttele meine Hand, damit ihre Finger von mir abgleiten. Es reicht nicht, ich bin gerade schlichtweg zu schwach. So viel zum Thema, mir dies nicht anmerken zu lassen.

»Geh mit ihm«, fordere ich sie leise auf, aber auch das hilft nicht.

Die leuchtenden Augen meines Gegenübers flackern für einen Moment, dann greift er ohne Umschweife nach dem anderen Arm des Mädchens und zieht es mit sich. Kaia schreit auf, aber der Stärke des Forschers ist sie definitiv unterlegen. Ihre Finger entgleiten mir und meine Hand ballt sich zur Faust. Aus Reflex, hoffentlich, und nicht, weil ich das hier womöglich gar nicht zulassen will.

»Bezahlung?«, frage ich. »Biomasse.« Ich rede abgehackt und alles in meinem Sichtfeld blinkt rot.

Der Anführer nickt dem Roboter hinter mir zu. »Danke für deine Dienste. Folge ihm.« Damit wendet er sich von mir ab und nimmt Kaia mit, die immer wieder versucht, sich loszureißen und zu mir zurückzukehren.

Mechanisch drehe ich mich um und gehe meiner Belohnung entgegen. Ich werde in ein Zelt geführt, in dem jede Menge Kisten und Käfige stehen. Der Forscher stellt eine davon auf den Tisch und verbindet Schläuche mit mir. Ich kann nicht erkennen, was darin ist, doch obwohl ich kurz vor dem Tod bin, bin ich noch wählerisch.

»Pflanzen?«, krächze ich, woraufhin die Forschereinheit nur knapp nickt. Muss ich wohl hinnehmen. »Wie viel?«

»Eine Woche.«

Wow, das gibt mir einen Energieboost, auch ohne die Aufnahme von Biomasse. »Eine Woche?«, rufe ich und muss mich geradezu ekstatisch am Tisch festhalten.

Der Roboter nickt und knipst etwas an den Verbindungen an und endlich – endlich! – fühle ich, wie sich mein Akku auflädt. Seufzend lehne ich mich zurück.

»Es wird etwas dauern. Hiernach erhältst du eine zweite Ladung. Ich komme gleich wieder.« Damit entfernt sich der hübsche Kumpan und ich kann mich gebührend freuen und balle siegreich eine Faust vor meiner Brust. Eine ganze Woche! Das reicht locker für das Verlassen des Biotops und das Suchen neuer Aufträge. Außerhalb muss ich mir auch keine Sorgen mehr machen, nicht so richtig jedenfalls. So schnell würde ich wohl kein Biotop mehr betreten, die machen mich und meine Synapsen echt fertig.

Während ich wacher werde, funkt Erny mich erneut an. Diesmal kann ich es mir leisten anzunehmen. »Hab sie gefunden«, sage ich direkt. »Danke noch mal …«

»Deswegen melde ich mich nicht.«

Ich verstumme und setze mich gerade hin, weil ich plötzlich angespannt bin. »Was ist los?«

»Kann ich noch nicht sagen. Aber wenn du kannst, hau ab. Oder komm her und hilf uns.«

Mir kommt in den Sinn, was das Spender-Empfänger-Pärchen gesagt hat. »Was soll das heißen? In Biotopen ist friedliches Verhalten vorgeschrieben.« Ich hab mich nicht daran gehalten, aber pst!

»Wir haben gerade aus mehreren Bereichen die Meldung bekommen, dass wir angezapft werden. In dieser Größenordnung ist das noch nie vorgekommen. Noch nie!«

Hätte ich ein menschliches Herz, würde es nun wie verrückt in meiner Brust schlagen. Dinge, die sonst nie vorkommen, sind fatal. Wie eine grausame Krankheit, die plötzlich von einem Körper Besitz ergreift und alles Gekannte auf den Kopf stellt. Der Sundown war so etwas. Und jetzt passiert es womöglich wieder?

Schwarzmalerei kann ich, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Und die Energie, die ich aktuell zu mir nehme, begünstigt diese kreativen Gedankengänge. Keine gute Kombination. »Danke für die Warnung. Ich warte meine Bezahlung ab, sonst bin ich zu nichts zu gebrauchen.«

Erny kappt ohne einen Abschiedsgruß die Verbindung und ich versuche zu verdrängen, dass ich mindestens zwei Tage brauche, um hier rauszukommen. In denen so einiges passieren kann, und ich will eigentlich nicht mittendrin sein. Das klingt schon eine Nummer zu groß für einen einzelnen Söldner. Andererseits sind die Biotope überlebenswichtig. Kann ich so einfach wegsehen?

Während sich mein Akku weiter auflädt, grübele ich darüber nach, was das Spender-Empfänger-Pärchen damit zu tun hat. Warum wissen sie von dem Coup oder was auch immer hier gerade passiert? Warum sonst haben sie mich gewarnt? Steckt dieser Clan mit drin? Haben sie etwas aufgeschnappt?

Mit einem Mal fängt meine Umgebung an zu zittern. Kisten fallen aus den Regalen und zersplittern. Ich kralle mich mit aller Macht an der Tischkante fest. Allerdings rumpelt es überaus heftig und ich fliege vom Stuhl. So viel Kraft habe ich wohl noch nicht zurückerlangt. Unsanft lande ich auf dem Rücken und sehe, wie der Kasten mit meiner kostbaren Bezahlung vom Tisch segelt und neben mir zerdeppert. Zum Vorschein kommt ein halb verwester Fuchs, und mir dreht sich der Magen um – metaphorisch gesehen. Ernsthaft? Ernsthaft? Ich weiß, das sollte gerade meine geringste Sorge sein, aber ich fasse es einfach nicht, dass die Forscher mich belogen haben. Warum haben sie das getan? Perplex blicke ich mich um und entdecke überall ausgebüxte Tiere, die aufgescheucht durch die Gegend rennen, schlängeln oder hüpfen. Keine einzige Pflanze ist in diesem Zimmer.

Die Erde bebt erneut. Rings um mich herum ist es bis auf das Gewusel und die Laute der Tiere absolut still. Allerdings schreien Roboter in der Regel auch nicht aus Panik herum, wir agieren logisch und vernünftig. Vermutlich sind die Forscher vor ihre Zeltsiedlung getreten, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Ich kann wenigstens die Ereignisse mit Ernys Warnung verknüpfen, was mich jedoch nicht im Ansatz beruhigt. Genauso wenig, wie dass ich Kaia nicht wahrnehme. Keine Ahnung, warum ich an sie denke, aber ein Kind hat doch sicher Angst, wenn ein Erdbeben das nächste jagt, oder? Und da sie schon geschrien hatte, nur weil ich erwähnte, dass ich für die Forscher arbeite, müsste sie nun vollkommen aufgelöst sein. Es sei denn, der Anführer hat etwas mit ihr gemacht. Sie schlafen gelegt oder so. Wieder bemerke ich dieses ungute Gefühl in mir, das mich mehr aufwühlt als alles andere.

Mein Selbsterhaltungstrieb sollte dafür sorgen, dass ich mich aus dem Staub mache und mir das Spektakel aus sicherer Entfernung ansehe. Stattdessen sitze ich hier und kappe seelenruhig die Verbindung zur Kiste, während ich an das Mädchen denke. Verrückt. Ist heute vielleicht Tag X, an dem alles anders wird? Oder den Bach runtergeht? So wie damals beim Sundown?

Nicht nur Schwarzmalerei kann ich gut. Ich bin auch ein Experte darin, mir philosophische Gedanken in den unmöglichsten Situationen zu machen. Meine Synapsen sind vermutlich noch ein wenig überfordert mit der Sachlage. Erst bekommen sie Energie, kurz darauf nicht mehr. Außerdem besteht offenbar eine diffuse Gefahr, die ich nicht recht erfassen kann. Und dann sitze ich auch noch hier und werde von zwei Katzen angeflauscht. Ich nehme eine davon auf den Schoß und rufe meine Energieanzeige ab. Besonders lang war ich nicht an der Kiste angeschlossen und habe keine Ahnung, wie viel Biomasse so ein Fuchs liefert. Laut Anzeige haben mir die vergangenen zehn Minuten gerade mal zwei weitere Stunden geschenkt. Was irgendwie nicht passt, so angefault, wie der Fuchs ist. Oder haben sie ihn mir schon so vorgesetzt? Wenn ja, habe ich ein Problem. Ein noch größeres. Denn verfaulte Biomasse wirkt sich auf einen Roboter in etwa so aus wie ranziges Essen auf einen Menschen. Ich würde zwar nicht kotzen, aber Spaß hätte ich definitiv keinen in nächster Zeit.

Spaß, ha! Unwillkürlich presse ich die Katze an mich, die dabei leise schnurrt. Ich fühle mich wie gelähmt, weil die Gesamtsituation miserabel ist.

Kurze Bestandsaufnahme, für alle, die inzwischen den Faden verloren haben. Inklusive mir, denn ich bin immer noch nicht so schnell im Denken.

1 Das Biotop, in dem ich festsitze, wird unrechtmäßig angezapft. An mehreren Stellen gleichzeitig. Nicht gut.

2 Das Erzittern der Erde ist zu regelmäßig für ein Erdbeben. Wahrscheinlicher sind Explosionen in der Ferne. Ziemlich beschissen.

3 Ich hatte gerade Fuchs zu Mittag. Angefaulten. So richtig beschissen.

4 Eingebracht hat er mir nur zwei weitere Stunden Laufzeit. Das ist immerhin etwas, aber in Kombination mit dem Rest macht es keinen Unterschied. Ich werde sterben.

5 Ich mache mir Sorgen um Kaia. Mein Roboter-Geisteszustand ist definitiv instabil.

6 Trotz all der düsteren Umstände weigere ich mich immer noch, unrechtmäßig Energie zu mir zu nehmen, geschweige denn, mich an den Tieren hier zu vergreifen. Instabilität erneut bewiesen.

Joa … sieht doch gut aus, oder? Aufgeben steht mir jedoch nicht, weswegen ich mich mit neu gewonnener Entschlossenheit erhebe. Das Kätzchen springt vorher mit einem frustrierten Maunzen von meiner Brust. Gerade als ich endlich stehe, geht wieder ein Beben durch das Biotop und ich halte mich an einem der Regale fest. Es scheint, als würden die Explosionen immer näher kommen. Ob ich Erny anfunken sollte, um an neue Informationen zu gelangen? Sicher ist er an der Front. Die Biobots sehen vielleicht harmlos aus, aber sie sind nicht umsonst die Wächter der für die Roboter und Menschen wichtigsten Gebiete. Anlegen sollte man sich mit ihnen niemals. Manchmal gibt es zusätzlich Söldner in der Gegend, die Kampfkraft und Schutz anbieten, aber ich habe zumindest bei Ernys Stützpunkt keine gesehen. Normalerweise ist es auch nicht nötig. Nur scheinen die alten Regeln nicht mehr zu gelten und ich bin nicht in der Lage, heute noch irgendwen zu schützen, denn bald werden meine Ölfilter explodieren und das ganze Visier bunt blinken wegen dieser vermaledeiten Fuchsleiche. Garantiert wollen die Forscher mich loswerden und der Grund dafür hat irgendwie mit Kaia zu tun. Ich habe mich tatsächlich übers Ohr hauen lassen. Schon wieder. Verrate das bloß niemandem, okay?

Endlich bin ich bei dem Zeltausgang angekommen und stürze hinaus. Wie erwartet, ist das Areal leer. Ich wage es jedoch noch nicht, mich vor die Zelte zu bewegen, für den Fall, dass Wachen zurückgelassen wurden. Garantiert gehen sie davon aus, dass ich schon in meinem eigenen Öl auf dem Boden liege und dahinschwinde. Sie zu überraschen, wäre also möglich. Meine rechte Hand liegt auf dem Griff des Schrotdrillings, der an meiner Taille befestigt ist. Nie habe ich damit gerechnet, die Waffe einmal ausgerechnet auf dem heiligen Boden eines Biotops ziehen zu müssen. Tja. Viele erste Male heute.

Ich bewege mich in die Richtung, in die vorhin der Anführer mit dem Mädchen verschwunden ist. Dabei folge ich einem Instinkt von mir, den ich nicht kenne und den ich schon seit dem Zusammentreffen mit Kaia kritisch beäuge. Die persönliche Weiterentwicklung eines Roboters wird nie gestoppt und ich habe keine künstlichen Sperren einprogrammiert. Meinen Kodex habe ich selbst entwickelt und er wäre nicht echt, wenn ich ihm nicht Raum zur Entfaltung und für gelegentliche Korrekturen geben würde. Wahrscheinlich hat Kaia irgendwelche neuen Berechnungen angeregt. Vatergefühle. Schon allein dieses Wort lässt mich schnauben, nur leider ohne schicke Rauchwölkchen aus den Luftschlitzen. Mal wieder.

Ich bitte meine Synapsen, diesen Werdegang noch einmal zu überdenken, aber meine Schritte führen mich trotzdem weiter in das nächste Zelt. Vorsichtig bücke ich mich unter die Plane und spähe hinein. Hier ist nichts bis auf eine Klappe im Boden. Da hätten wir wohl den Bunker. Schlau, ihn dermaßen zu verbergen. Ob die Biobots davon wissen? Oder wurde er heimlich gebaut? Ich speichere diese Erkenntnis gut ab, denn es wäre ein weiterer Verstoß der Forscher gegen geltendes Recht. Nach allem, was sie mir angetan haben, bin ich gern gewillt, es ihnen heimzuzahlen.

Beim Öffnen der Luke bemerke ich erste Anzeichen der Biomassevergiftung. Meine Bewegungen werden schwerfälliger und die inneren Verkabelungen kribbeln unangenehm. Das Gefühl setzt sich fort in Richtung Kühlung und Ölkreislauf. Blöd. Ich muss mich beeilen.

Hinunter führt eine kleine Leiter, die mir ziemlich morsch erscheint. Zögerlich setze ich einen Fuß darauf. Wenn sie die schweren Forschermaschinen trägt, dann doch hoffentlich auch mich.

Meine Motorik ist gerade echt nicht mehr so gut, ich brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich auf festem Boden ankomme und die Umgebung inspizieren kann. Erwartet habe ich einen Bunker, sehe mich jedoch einem Höhlensystem gegenüber. Faszinierend und sehr schlau. Sicher hat der Clan nach einem natürlichen Hohlraum unter der Erde gesucht, um nicht selbst tätig werden zu müssen. Das hätte schließlich definitiv die Aufmerksamkeit der Biobots erregt.

Auch hier ist es still, viel stiller als oben. Inzwischen haben sogar die Explosionen aufgehört. Diese sind in Kombination mit einem unterirdischen Tunnelsystem nun noch beängstigender. Nicht dass hier in den nächsten Minuten alles einstürzt, weil die uralten Gänge die Erschütterungen nicht unbeschadet überstanden haben.

Wankend mache ich einige Schritte in den Stollen hinein und fixiere mich auf die Fußabdrücke im matschigen Boden. Die zeigen mir, in welche Richtung ich gehen muss. Meine Laune verschlechtert sich immer weiter, denn nun würde ich auch noch unter der Erde verrecken. Ob ich mit der Vergiftung diese Leiter wieder hochkomme, ist fraglich. Außerdem ignoriere ich seit ein paar Sekunden gekonnt, dass sich schwarze Schmiere aus meinem linken Ohrknubbel drückt.

Aufhalten kann ich diesen Prozess nicht, nur ertragen. Frische Energie würde helfen, nach diesem Ausraster meines Körpers die erforderlichen Reparaturen vorzunehmen, aber ja … du kennst meine Probleme. Warum ich die letzten Momente meines synthetischen Lebens in dieser Kloake und auf der Suche nach einem Kind verbringe, das ich kaum kenne, ist auch mir ein Rätsel.

Aber irgendwie kann es mir ja egal sein, oder? Viele Optionen habe ich schließlich nicht und das hier hat mehr Sinn, als den Forschern draußen in die Arme zu laufen oder bei einer dieser Explosionen in die Luft zu fliegen.

Ich taste mich also vor. Mein Blick verschwimmt etwas und in typisch menschlicher Manier wische ich mit der Hand über mein Visier. Als würde es an Regentropfen oder so liegen. Tut es natürlich nicht, also bringt die Geste auch nichts. Mich beruhigt sie dennoch.

Je mehr ich das Höhlensystem erkunde, desto dunkler wird es um mich herum. Bis ich vor mir witzigerweise eine Tür sehe. Ja, eine Tür. Aus Metall. Mitten in einer Höhle. Die Forscher haben sie hier angebracht, wahrscheinlich weil es etwas Gewohntes ist. Sie operieren sonst nicht in der Natur, sie mögen es klinisch und steril. Eine Tür gaukelt ihnen vor, einen Raum zum Abschließen zu haben. Oh, und ich nehme an, dass Operieren durchaus auch medizinisch gemeint ist. Zumindest kombiniere ich das fix, als ich die Pforte aufstemme und mich einem OP-Saal gegenübersehe. Womöglich sogar einer Folterkammer. So sicher bin ich mir da nicht. Denn es ist Kaia, die dort auf einem Tisch fixiert ist, aschfahl und mit zusammengepressten Augenlidern. Der Forscheranführer hängt gierig über ihr und ist durch Schläuche mit ihr verbunden.

Das ist … wow, mehr, als ich ertragen kann. Vor allem, weil ich dachte, dass sie keine Energie von ihr nehmen. Es klang vorhin nicht so, als würde sie diese Prozedur kennen. Aber das hier sieht genau danach aus. Was sonst tut er da?

Ich habe meine Flinte gezogen und halte sie zitternd hoch. Dass ich sie nicht abfeuern kann, liegt auf der Hand. Schrot verteilt sich zu sehr, ich würde Kaia ebenso treffen. Allerdings tropft mir das Öl nun schon aus beiden Ohrknubbeln und mein Prozessor ist so heiß, dass es fürchterlich brennt. Ich kann nicht mehr so richtig logisch denken, sonst hätte ich die Waffe stecken lassen und nur durch meine Präsenz Angriffslust ausgestrahlt. Aber so greift ein niederer Instinkt zu einer menschlichen Ausdrucksweise. Echt peinlich. Wenigstens kann ich mich davon abhalten abzudrücken.

»Weg von ihr!«

Langsam erhebt sich der Forscher. Die blinkenden Lichter der Technik spiegeln sich in seinem Antlitz. Verdammt, er sieht schon schick aus. Aber das darf mich nicht ablenken. Vielleicht sollte ich mir den Neid doch mal abklemmen, der ist in solchen Situationen echt störend.

»Was machst du mit ihr?«, will ich wissen, während er mich unerbittlich anstarrt.

Die Augen meines Gegenübers leuchten nicht mehr im üblichen Azur. Zumindest nicht nur. Es verschwimmt mit einem Orange, das ich noch nie gesehen habe. Umringt ist es von einem schwarzen Kranz … und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr erinnert mich dieses Farbengemisch an die Sonne. Fakt ist, dass solche Augen bei Robotern nicht vorkommen.

Der Anführer reißt sich die Kabel aus dem Leib und nach wenigen Sekunden sind die Punkte auf seinem Visier wieder blau. Keine Spur mehr von anderen Nuancen. Habe ich mir das eben nur eingebildet? Oder hat diese Veränderung etwas mit Kaia zu tun? Mein Blick legt sich für einen Moment auf sie. Ihre Wangen bekommen ein wenig Farbe zurück, allerdings war sie zuvor schon blass, sodass ich es nicht genau sagen kann. Dafür geht ihr Atem etwas ruhiger und ihr Körper entspannt sich. Die Lider hat sie nach wie vor geschlossen.

»Was machst du hier?«, fragt der Forscher und geht einen Schritt auf mich zu. »Du hast deinen Auftrag abgeschlossen.«

»Hast du nicht mitbekommen, was da oben los ist?« Für jedes Wort brauche ich eine gefühlte Ewigkeit.

»Habe ich. Aber das hier ist wichtiger als irgendeine weltliche Auseinandersetzung.«

Er kommt noch näher und legt den Kopf schräg. »Die Vergiftung hat schon eingesetzt. Gut. Ich möchte nicht die Spur eines Risikos eingehen. Wahrscheinlich könnte dich keine Belohnung der Welt davon abbringen, anderen von Kaia zu erzählen. Selbst wenn du nicht weißt, wer oder vielmehr was sie ist, hast du garantiert ihre Besonderheit bemerkt. Das darf sich nicht rumsprechen.«

Ich habe Schwierigkeiten, ihm zu folgen, und würde ihn am liebsten mit der Flinte abschießen, weil er meine Kaste beleidigt hat. Wenn wir zu Verschwiegenheit verpflichtet werden, schweigen wir. Noch nie hat sich jemand beschwert, dass wir unseren Teil der Abmachung nicht einhalten würden. »Heißt das, du weißt, was hier vor sich geht?«

Der Forscher zuckt mit den Schultern. Eine viel zu menschliche Geste für ihn, weswegen es mir direkt auffällt.

»Und was hast du mit Kaia vor?«, bohre ich nach.

»Das würdest du nicht verstehen. Aber ich verspreche dir, dass es das Leben aller Roboterkasten verändern wird. Allerdings wirst du das nicht mehr mitbekommen.«

Ich muss hilflos dabei zusehen, wie er mir mit einem gezielten Hieb die Waffe aus der Hand schlägt. Klappernd landet sie auf dem Boden und ich bin so dämlich, ihr beim Stürzen zuzusehen, anstatt mich auf den Gegner zu konzentrieren. Meine Energiereserven geben mir noch dreißig Minuten und die fallen schneller als vorgesehen, was der Vergiftung geschuldet ist.

Es wird schwarz vor meinen Sensoren, als der Anführer seine Hand auf mein Visier legt und zudrückt. Dabei knirscht es unheilvoll und ich weiß, dass jeden Moment etwas kaputtgehen wird. So nicht, mein Freund!

Nur weil ich in den nächsten Minuten ohnehin sterbe, heißt das nicht, dass ich ohne Knall abgehen werde. Den Typen hier werde ich mitnehmen und dann findet hoffentlich jemand Kaia und bringt sie von hier fort. Dass nur Forscher wissen, wo sie ist, blende ich getrost aus, das würde mir gerade jegliche Entschlossenheit nehmen.

Ich taste nach dem Arm meines Gegners und ziehe daran. Zu schwach. Okay, was habe ich in meinem desolaten Zustand noch drauf, das nicht gleich die ganze Höhle zum Einstürzen bringt und somit Kaia gefährdet? Den Kick, genau! Ich trete zielsicher und mit jeglicher noch vorhandenen Kraft zu, immerhin steht der Typ direkt vor mir.

Die Wucht reicht, dass er seinen Griff lockert und von mir wegstolpert. Ich drehe mich um die eigene Achse, um durch die physikalischen Gesetze erneuten Schwung zu bekommen, und trete noch mal zu. Doch diesmal ist der Forscher schneller, packt mein Bein und hebt mich daran in die Luft. Kurz darauf komme ich mit einem lauten Scheppern rücklings auf dem Boden auf und bleibe liegen.

Mann, ich hasse es, so entkräftet zu sein. Klar, dass mein Gegenspieler nun auf mich klettert und zum Schlag ausholt. Ich kann nur zusehen. Ob ich nun wegen des Energiemangels, der Vergiftung oder dieses Schlags verende, kann ich nicht sagen. Ich registriere die Risse in meinem Visier und wie alles unerträglich hell um mich wird. Sogar das erneute Knirschen und Bersten höre ich.

Aber hey, es war schön mit dir. Sehr nett, diesen Weg nicht allein gehen zu …

Roboter: Fading Smoke

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