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Kapitel Fünf


»Und wenn Mr. Hall richtig wütend wurde, wie entwickelte sich dann der Streit?«

In Barbaras Augen veränderte sich etwas. Es war, als würde sie den Atem anhalten. »Ich war nie dabei anwesend. Sobald die Gespräche persönlich wurden, verließen wir Angestellten das Zimmer. Manchmal bekamen wir Wortfetzen durch die Tür mit, aber wir waren niemals im selben Raum.«

»Waren diese Streitigkeiten eher lautstark? Hatten Sie das Gefühl, dass Mr. Hall mit seiner Frau lieber unter vier Augen stritt, als in Anwesenheit des Personals?«

Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Ich denke nicht, dass er diesbezüglich einen Unterschied gemacht hat. Und wegen der Lautstärke: Er hatte eben generell eine laute Stimme.«

»Und die Wortfetzen?«, bohrte Larsson weiter. »Was waren das für Worte? Beleidigungen?«

»Das kann ich beim besten Willen nicht mehr sagen.« Abwehrend hob Barbara beide Hände. »Wie erwähnt war das Thema Kinder oft vorrangig. Und gewisse Regeln, die Mr. Hall aufgestellt hatte.«

»Was waren das für Regeln?«

Barbara zuckte mit den Schultern. »Dem Chef war besonders wichtig, dass niemand vom männlichen Personal in den Wohnbereich seiner Frau ging. Außer mir hat generell kaum jemand von den Bediensteten ein Wort mit Mrs. Hall gewechselt.«

»Und was war, wenn Mrs. Hall gegen eine der aufgestellten Regeln verstieß?«

»Was wollen Sie noch hören? Ich habe schon gesagt, dass er laut wurde. Alles andere kann ich nicht unter Eid sagen, denn ich war nicht dabei.«

»Aber haben Sie nach solchen Situationen Veränderungen an Mrs. Hall gesehen? War sie verletzt oder hat sie oft geweint?«

»Mrs. Hall ist eine sehr emotionale Frau. Sie hat öfter mal geweint. An ein paar Platzwunden und blaue Flecke kann ich mich erinnern. Aber wenn Mrs. Hall bemerkte, dass ich sie anstarre, hatte sie meist eine Erklärung dafür. Beispielsweise, dass sie gestolpert und gegen die Stuhllehne gefallen sei. Ob das nun stimmt, kann ich nicht bezeugen.«

Dean Larsson sah die Frau eine Weile an. Mit verschränkten Armen saß sie auf ihrem Stuhl. Sie konnte Larssons Blick nicht standhalten, sondern wanderte mit den Augen stetig hin und her.

»Okay, vielen Dank, Miss Willow«, seufzte er schließlich. Mit hängenden Schultern kehrte er auf seinen Platz zwischen seinen Mandanten zurück.


Als die Zimmertür mit Schwung ins Schloss fiel, zuckte Jane zusammen. Sie hatte Theodore gar nicht kommen gehört. Vielmehr hatte sie mit ihrer Zofe gerechnet.

»Oh, Theodore«, stammelte sie. »Ich bin noch gar nicht fertig. Kassandra wollte zu mir kommen und mir die Haare flechten.«

Ihr Mann setzte ein diabolisches Grinsen auf. »Kassandra. Was du nicht sagst. Leider muss ich dir mitteilen, dass du ab sofort eine andere Zofe hast. Deine Kassandra darfst du nicht mehr erwarten.«

Erschrocken sah Jane ihn an. »Wie bitte? Wieso? Was ist passiert?« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, ahnte sie bereits, woher das plötzliche Verschwinden Kassandras rührte.

Theodores Gesicht färbte sich allmählich rot. »Habt ihr etwa geglaubt, dass eure lächerlichen Schmuggeleien unentdeckt bleiben?« Er drehte sich zu Janes Bücherregal um. »Du hast hier doch ausreichend Literatur. Den Schund, den deine verräterische Assistentin dir gebracht hat, hättest du gleich ablehnen sollen. Bücher und Zeitschriften, die nicht vom Alten Kreis genehmigt sind, verschmutzen nur deinen Geist.«

Jane erstarrte. Ihre Gedanken rasten. Wie hatte er das herausgefunden? Sie waren doch so vorsichtig gewesen.

»Theodore, es … Ich kann dir versichern, dass …«

»Du brauchst mir gar nichts zu versichern«, unterbrach ihr Mann sie brüllend. Bedrohlich schritt er auf sie zu. Jane zog den Kopf ein, krümmte den Rücken.

»Ich gebe dir alles. Du hast deinen eigenen Flügel, kannst den ganzen Tag tun, was du willst und musst dafür nicht einmal im Haushalt helfen. Das Einzige, was ich dafür von dir erwarte, ist, dass du dich an die Regeln hältst, die der Alte Kreis aufgestellt hast. Doch nicht einmal das kannst du. Was hat man dir all die Jahre in dem Internat des Kreises überhaupt beigebracht?«

Hilflos blickte Jane zu Boden. Sie hatte gewusst, dass sie ein Risiko einging, als sie die Informationen von draußen angenommen hatte. Erst hatte Kassandra seltsame Andeutungen gemacht, die Jane zum Nachdenken gebracht hatten. Als sie dann das erste Buch von ihr mitgebracht bekam, hatte sie es dankbar entgegengenommen. Romeo und Julia. Ein Werk über grenzenlose Liebe. Jane hatte das Stück verschlungen und wollte es Kassandra wieder zurückgeben, damit Theodore nicht davon erfuhr. Doch als sie mehr und mehr Lesestoff von ihr bekam, wurde es wie ein wertvoller Schatz für Jane. Eine Art Geheimnis, das es zu hüten galt. Es war ein spannendes Gefühl, das sie nicht mehr missen wollte. Dafür war sie bereit gewesen, das Risiko in Kauf zu nehmen, erwischt zu werden.

Theodore war vor ihr stehengeblieben. Abschätzig sah er auf sie herab. »Also? Wo sind die Sachen versteckt? Kassandra hat zugegeben, dass sie noch bei dir sind.«

Jane schwieg. Sie wusste, dass sie so oder so bestraft werden würde. Wieso also nicht versuchen, den Schatz zu behalten?

Als sie nicht antwortete, begann ihr Mann zu schnaufen. Langsam beugte er sich zu ihr herunter, sodass sein Gesicht nur noch Zentimeter von ihrem Ohr entfernt war.

»Du weißt ganz genau, dass ich sie finden werde. Und wenn ich hier alles kurz und klein schlagen muss. Ich rate dir dringend, es mir zu sagen. Andernfalls habe ich kein Problem damit, jedes Buch, jedes Bild an der Wand, jedes von dir genähte Kissen, einfach auf einen Haufen zu werfen und zu verbrennen.«

Verzweifelt begann Jane zu weinen. Sie sank auf die Knie.

»Die Heulerei hilft dir auch nicht weiter«, brüllte Theodore. Erneut stampfte er zur Schrankwand. Mit einer Hand griff er hinter die Reihe mit den Büchern und schleuderte sie aus dem Regal. Dann riss er alle Schranktüren auf, zerrte Janes Kleider heraus und warf sie auf den Boden. Mit dem Fuß fühlte er darin herum, fand aber nicht das, wonach er suchte. Er öffnete sämtliche Schubladen im Raum, zog sie mit Wucht aus den Schienen und leerte sie auf dem Teppich aus.

»Wo hast du Kassandras Sachen?« Theodores Augäpfel quollen vor Wut fast aus den Höhlen, als er seine junge Frau anstierte. Jane weinte lauter, zuckte regelrecht, so sehr wurde sie von den Schluchzern geschüttelt. Sie wusste, was ihr bevorstand.

Als ihr Mann mit ihr fertig war, lag Jane auf dem Boden, nach Luft japsend. Ihre Wange schmerzte, ihr dünner Oberarm war rot verfärbt, so heftig hatte er sie gepackt. Heiße Tränen liefen ihr Gesicht hinab.

Theodore hatte ihr Geheimversteck hinter dem Schrank im Hobbyraum gefunden. Doch es hatte lange gedauert, bis sie ihm gestanden hatte, wo sie die Bücher und Hefte versteckt hatte. Ihre Zimmer sahen aus, als hätten Diebe nach Geld und Schmuck gesucht. Jemand vom Personal würde sich darum kümmern, da war sich Jane sicher. Doch in ihrem Inneren? Wer würde die Zerstörung dort beseitigen?

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