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Kapitel 3

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Ein seltsames Geräusch weckte mich. Wo war ich? Vorsichtig blinzelte ich mit einem Auge. Mein Blick fiel durchs Fenster und aus der Ferne hörte ich das leise Rauschen der Wellen. Die Sonne flutete ins Zimmer. Abrupt setzte ich mich auf und stellte erleichtert fest, dass ich mich in meinem Apartment in San Francisco befand. Da ich zum Dienst musste, sprang ich froh gelaunt aus dem Bett und hüpfte unter die Dusche. Susan rief aus der Küche, sie hätte Kaffee gekocht.

»So fängt der Morgen gut an.« Ein herrlicher Duft durchzog die kleine Wohnung.

Fix und fertig angezogen und dezent geschminkt, betrat ich in den kleinen Raum.

»Guten Morgen Susan.«

»Hey Ems. Ich muss gleich zum Kurs und am Mittag auf die Station. Koche uns etwas Gutes«, sagte sie mit einem Schmunzeln. »Bis später.« Augenblicklich war sie durch die Wohnungstür verschwunden.

Ich musste lachen, sie hatte es nicht vergessen. Nachdem ich genüsslich eine Tasse Kaffee getrunken und eine Banane gegessen hatte, zu mehr war keine Zeit, schnappte ich mir meine Handtasche und verließ ebenfalls die Wohnung. Heute Morgen sollte ich in das Büro der Verwaltungschefin der Klinik kommen, was ich durch eine schriftliche Mitteilung von ihr erfahren hatte. Um einen ersten guten Eindruck zu vermitteln, hatte ich mich formell gekleidet eine hellblau gestreifte Bluse gewählt. Mein Parfum umgab mich mit einer feinen herben Citrusfrische. Ich holte den Brief aus meiner Handtasche und überflog nochmals schnell die Zeilen.



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Nach einem kurzen Fußweg von etwa zehn Minuten betrat ich das Krankenhaus und fragte am Empfang, der gleich rechts platziert war, nach dem Büro von Mrs. Adam. Typischer Klinikgeruch, geprägt von Desinfektionsmitteln, abgestandener Luft und nach menschlichem Schweiß, empfing mich in der großen Halle. Ich rümpfte die Nase, gleichwohl ich daran gewöhnt war. Die Eingangshalle war lichtdurchflutet und die Wände in einem dezenten Gelbton gestrichen. Moderne Bilder zierten die Wände, und zwei lebensgroße Messingfiguren standen mitten in der Halle. Im hinteren Bereich waren vier Aufzüge. Mit einem davon, der mit rot gemustertem Teppichboden und Holzvertäfelungen samt Spiegeln ausgestattet war, fuhr ich in den zweiten Stock. Mrs. Adam war eine ältere Dame. Hochgewachsen und mit dunkelblauem Kostüm vermittelte sie einen Eindruck von Strenge und Disziplin, was ihr als Personalchefin gut zu Gesicht stand. Ich sollte sie in den kommenden Monaten als warmherzige, kompetente Person kennen und schätzen lernen. Sie wies mich schnell in die wichtigsten Abläufe des Hauses eins. Nun zeigte sie mir meine Station, nachdem wir vorher die Cafeteria, Intensivstation und die diagnostischen Abteilungen, wie Labor, die Radiologie und andere Bereiche besichtigt hatten. Es ging alles so schnell, ich konnte kaum folgen und mir schwirrte jetzt schon der Kopf. Erste Zweifel stiegen in mir auf, ob ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte, doch ich schob diese sogleich beiseite. Ein Zurück gab es jetzt nicht mehr. Überall stellte sie mich als die neue Assistenzärztin aus Europa vor.

»So, hier wären wir, Miss Ritter.« Freundlich lächelte sie mich an und stieß die Glastür zur Inneren Station auf. Ich folgte Mrs. Adam, die auf ihren High Heels schneller war, als ich mit meinen flachen Ballerinas. Vor dem Chefarzt-Zimmer der Inneren Abteilung, dem Schild zufolge ein gewisser Prof. Dr. James Cameron, stoppten wir und traten ein. Jetzt bekam ich doch Herzklopfen, denn die Abteilung dieses Professors war mein erster Arbeitsplatz, den ich während meines praktischen Jahres durchlaufen musste. Meine Hände wurden feucht und mein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an. Eine junge Frau saß hinter dem Schreibtisch. Höflich teilte sie uns mit, dass der Herr Professor schon auf uns wartete. Mrs. Adam klopfte an. Nachdem eine tiefe Stimme ΄Herein΄ gerufen hatte, betraten wir das Büro.

»Hier bringe ich Ihnen die neue Assistenzärztin aus Deutschland, James«, sprach Mrs. Adam.

»Prima. Herzlich Willkommen, Miss Ritter, ich bin Professor Cameron.«

Er trat um seinen Schreibtisch herum und kam mit freundlicher Miene auf mich zu. »Ich nehme Sie gleich mit auf meine Station, dann kann ich Sie gleich überall vorstellen und Ihnen das Wichtigste zeigen.«

Freundlich streckte er mir seine Hand entgegen. Gütige Augen blickten mich an. Mein neuer Chef war ein älterer Herr mit Halbglatze. Er trug ein Hemd mit Fliege unter seinem weißen altmodischen Kittel und eine goldumrandete Nickelbrille zierte seine Nase.

Nachdem er mich begrüßt hatte, wandte er sich an die Verwaltungschefin. Während er sich kurz mit ihr besprach, es ging um eine Genehmigung eines medizinischen Gerätes für die Innere, blickte ich mich verstohlen im Zimmer um. Sein Büro war in dunklem Holz gehalten. Überall hingen Auszeichnungen, goldfarben eingerahmt, und als einziges Schmuckstück stand eine moderne graue Couchgarnitur an der rechten Wandseite des rechteckigen Zimmers. Sein schwerer Schreibtisch aus Nussbaumholz war zum Fenster ausgerichtet, mit Blick auf den Ozean. Es roch nach abgestandenem Pfeifenrauch. Mrs. Adam verabschiedete sich von mir, wünschte mir einen guten Start und schon folgte ich Prof. Cameron den Stationsgang entlang. Welche Hektik oder kam es mir nur so vor? Auch dass mich in diesem Moment das Heimweh überfiel und sich dabei noch Kopfschmerzen ankündigten?

Nachdem ich der Oberschwester vorgestellt worden war, zeigte er mir das Ärztezimmer, den Notfallraum, und wies mit der Hand in Richtung Aufwachraum. Dann betraten wir das Besprechungszimmer, in dem das morgendliche Kolloquium stattfand. Genau in dem Moment, als wir den Raum betraten, setzten sich alle anwesenden Ärzte. Mir stockte der Atem. Na Bravo, ich wurde gleich ins kalte Wasser geworfen. Unzählige Augenpaare blickten zu uns und musterten mich. Meine Knie fühlten sich wie Pudding an, und das Schlimmste war, ich errötete.

»Ich habe Ihnen eine neue Kollegin mitgebracht, meine Damen und Herren. Miss Ritter aus Deutschland. Wie schon angekündigt, wird sie ihr praktisches Jahr hier in unserem Haus absolvieren und vier Monate unsere Innere durchlaufen und zu mir gewandt: Bitte setzen Sie sich zu Frau Dr. Hobbs, gleich hier vorne.« Er wies auf einen freien Sitzplatz zu seiner Rechten.

Er selbst nahm am Kopfende Platz. Die Anwesenden begrüßten mich mit Klopfen auf dem Tisch. Verhalten lächelte ich in die Runde und nickte kaum merklich. Aller Mut verließ mich.

Prof. Cameron ließ sich von jedem Kollegen aktuelle Berichte und Krankheitsverläufe einiger Patienten erläutern, er fragte nach letzter Nacht und gab jedem entsprechende Anweisungen. Danach stand er auf und trat an einen männlichen älteren Arzt heran.

»Dr. Wayne, Sie werden Miss Ritter mit zur Visite nehmen und dann anschließend kann sie ihren Schriftkram erledigen, sich ihre Kittel besorgen und was weiß ich. Dann bis morgen früh um acht Uhr.«

Letzteres sagte er zu mir, nickte uns zu, und verschwunden war er. Die Stimmung im Raum löste sich merklich, und es wurde herumgealbert. Jeder begrüßte mich mit Handschlag und wünschte mir ΄Hals und Beinbruch΄. Augenblicklich entspannte ich mich, atmete tief durch und folgte Dr. Wayne, einen freundlich dreinblickenden Mann mit grauem Schnurrbart, der schätzungsweise kurz vor der Pensionierung stand.

»Ich bin der leitende Oberarzt der Inneren und beginne die Visite mit zwei Assistenzärzten. Jeden Tag zwei andere, aber Sie, Miss Ritter, werden mich jeden Morgen begleiten, damit Sie auch etwas lernen. Im Laufe des Tages setzen wir uns dann kurz zusammen, danach können Sie mir Fragen stellen oder wir diskutieren einen bestimmten Fall. So habe ich es immer gehalten und davon profitieren unsere neuen Anwärter am meisten. Glauben Sie mir, aller Anfang war auch für uns vor Jahren schwer, als wir noch Assistenzärzte waren.«

Er zwinkerte mir väterlich zu, denn er hatte vermutlich mein ängstliches Gesicht gesehen. Ich folgte ihm ins Schwesternzimmer. Dort reichte mir die Oberschwester einen Stapel Kittel und schüttelte mir umständlich die Hand.

»Schwester Tina zeigt Ihnen Ihren Spind. Anschließend kommen Sie bitte wieder hierher zurück, damit wir mit der Visite beginnen können.«

Ihre Anweisung äußerte die leitende Schwester in strengem Ton mit unbeweglicher Miene. Ohne, dass jemand auf mich achtete, besprach Dr. Wayne mit ihr die Stationsvorkommnisse.

Nachdem Lernschwester Tina mir die Umkleidekabinen, Waschräume und das Bereitschaftszimmer gezeigt und ich mich umgezogen hatte, kehrten wir zum Team zurück, das bereits mit der Visite begonnen hatte. In meinen Ohren klang alles so fremd, besonders mit den englischen medizinischen Fachworten kam ich gar nicht zurecht. Da würde ich wohl oder übel ein paar Nachtschichten einschieben und büffeln müssen. Überall roch es nach abgestandener Luft in den Zimmern. Manche Patienten waren noch recht jung, viele aber eher über 60 Jahre, wie so oft in den Inneren Abteilungen. Ich verfolgte den Ablauf und hielt mich im Hintergrund. Zwei Stunden später wurde ich in den verfrühten Feierabend entlassen, nachdem mir Dr. Wayne noch ein medizinisches Wörterbuch deutsch-englisch in die Hand gedrückt hatte, mit dem Hinweis, dass ich nicht die einzige Deutsche hier im Memorial war oder sein werde. Das Geld für den Buchkauf hatte ich mir gespart und eilte mit großen Schritten pfeifend zum Wohnheim, in der Hand unzählige Formulare zum Ausfüllen. Na, das werde ich in aller Ruhe später bei einer frischen Tasse Kaffee studieren.



Im Meer des Glücks

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