Читать книгу Athen und Sparta - Raimund Schulz - Страница 31
b) Die Verlegung der Bundeskasse und die Finanzverwaltung
Оглавлениеaparché
Im Jahr 454/3 wurde die Bundeskasse von Delos nach Athen verlegt. Was offiziell als Schutzmaßnahme vor einem Gegenangriff der Perser deklariert war (s.S. 17), erwies sich bald als praktisches Kontrollinstrument gegenüber den Bündnern. Mit der Verlegung der Kasse wurde nämlich auch die Bundesversammlung aufgelöst. Fortan entschied allein die Athener Ekklesie über alle Seebundsangelegenheiten. Die Athener gewannen damit auch eine direktere Zugriffsmöglichkeit auf die Phoroi. Deren sechzigster Teil wurde an die Kasse der Athena als so genannte Erstlingsgabe (aparché) abgeführt und damit dem Schutz der Athena Polias unterstellt. Dies war ein Akt von nicht geringer ideologischer Bedeutung: An die Stelle des Apolls von Delos trat die Stadtgöttin der Hegemonialmacht, die allmählich in die Funktion einer Bundesgöttin hineinwuchs.
Die Bundesgenossen sandten ihre Beiträge in der Regel jährlich im Frühling zur Zeit der Städtischen Dionysien nach Athen. Hier wurden die eingehenden Beiträge auf der Bühne des Dionysostheater dem Volk von Athen gezeigt (Isokrates 8, 82). Zuständig für den Empfang der Phoroi, deren Registrierung und die Abführung der aparché an die Tempelkasse waren die hellenotamiai (s.S. 9). Sie leiteten auch die alle vier Jahre im Rahmen der Großen Panathenäen stattfindende Neuveranlagung der Phoroi.
Tributlisten
Während man zur Dokumentation der aparché in Delos Holztafeln verwendet hatte, ging man im Zuge der seit Ephialtes verstärkten Kontrollen dazu über, die Liste mit den Namen der Bündner und der Höhe ihrer aparché auf Marmorstelen zu veröffentlichen und auf der Akropolis auszustellen. Die erste Stele (Lapis primus) ist fragmentarisch erhalten und enthält |21|15 Jahreslisten (von 454/3–440/39 v. Chr.), die nächsten neun Listen finden sich auf einer kleineren Stele (Lapis secundus). Seit 430/29 wurde für jede Liste eine einzelne Stele erstellt. Die Reihenfolge der Namen in der ersten Liste orientierte sich an den zeitlichen Eingängen, wesentlich später einlaufende aparchaí wurden an das Ende der Liste oder – wenn die Jahresliste bereits veröffentlicht war – an den Anfang der folgenden Jahresliste platziert.
Ziele der Athener
Von besonderem Interesse sind die alle vier Jahre erfolgenden Neueinschätzungen des gesamten Seebundstributes: Die erste Neuveranlagung des Jahres 450 fiel erstaunlich „milde“ aus. Der Herabsetzung von 21 Tributen steht die Erhöhung von lediglich 5 gegenüber, wobei die Tribute der Inselpoleis verringert wurden. Offenbar wollten die Athener ihren ägäischen Bündnern einen Ausgleich für die Verlegung der Kasse nach Athen verschaffen und die Verstimmung der wieder eingegliederten Bündner Andros, Naxos und Karystos nicht zusätzlich schüren. Die Liste des Folgejahres (449) lässt erstmals das Bemühen der Athener erkennen, die Bündner und ihre Tribute nach geographischen Distrikten zu ordnen, ferner entrichteten viele Poleis nur Teilzahlungen oder suchten ihre Zahlungen zu stückeln. Dies reflektiert den wachsenden Unmut der Bündner und den Versuch Athens, durch eine straffere Organisation die Kontrollen zu verschärfen. 447 zeigten sich erste Erfolge: Von nun an zahlten alle Bündner wieder ihren vollen Beitrag, und im Jahre 442 ist auch die geographische Gliederung des Bundesgebietes abgeschlossen, indem jeder Distrikt einen eigenen Namen erhielt.
Kleiniasdekret
Wir erkennen also aus den Veränderungen der Zahlen und Eingangsmodalitäten, wie die Athener auf die nachlassende Kampfbereitschaft und Loyalität der Bündner reagierten. Ein klarer Trend zu einer härteren Gangart ist jedoch nicht festzustellen. Die Neueinschätzungen zeigen keine inflationäre Steigerungen, sie betrugen bis 433 nie mehr als 400 Talente und fallen damit sogar geringer aus als die von Aristeides festgelegte erste Schätzung von 460 Talenten. Offensichtlich ging es den Athenern also nicht um die finanzielle Ausbeutung der Bündner, sondern vielmehr darum, die Finanzorganisation des Bundes effektiver zu gestalten und die Kontrolle der einlaufenden Tribute zu verbessern. Dieses Bemühen steht auch hinter dem berühmten Kleiniasdekret (HGIÜ Nr. 74), das viele Forscher in die Zeit der Neuveranlagung der Phoroi von 443 und die Systematisierung der Seebundsdistrikte datieren. Fortan überwachten athenische Beamte die Einziehung der Phoroi in den Bundesstädten selbst. Sie notierten die Höhe des abgeführten Tributes auf einer Tafel und sandten diese versiegelt mit den Geldlieferungen nach Athen. Dort kontrollierte der Rat die Eingänge, stellte Quittungen aus und veranlagte ausstehende Rückstände. Nach der Feier der Dionysien verkündeten die Hellenotamiai der Volksversammlung, welche Poleis die Beträge korrekt abgeliefert und welche sich Zahlungsverzüge geleistet hatten. Danach reisten athenische Beamte in die Bundesstädte, quittierten den Phoros und nahmen Rückstände in Empfang. Verstöße wurden mit gerichtlicher Verfolgung in Athen bestraft. Deutlich ist das Bemühen der Athener zu erkennen, die finanzielle Leistung der Bündner lückenlos zu erfassen, aber auch den Tributeinzug gerechter und effektiver zu gestalten.