Читать книгу Athen und Sparta - Raimund Schulz - Страница 39
|28|Q
ОглавлениеDie Gründung der Kolonie Brea (ca. 445 v. Chr.)
(HGIÜ Nr.82)
(…) derjenige, der Anzeige erstattet hat oder der Kläger (…) sollen ihnen zur Verfügung stellen die Si(edl)ungsleiter, um für die Apoikie (so viele) Opfer darzubringen, wie sie es für gut befinden. Als Geonomen (Landverteiler) soll man wählen zehn Männer, einen aus jeder Phyle; diese sollen verteilen das Land. Demokleides soll einrichten die Apoikie als Bevollmächtigter nach bestem Vermögen. (Die heiligen Bezirke, die reserviert sind, soll man lassen, wi(e sie sin)d, und weitere nicht (mehr) abstecken. Ein Rind und eine P(anoplie soll man entse)nden zu den Großen Panathenäen und zu den Dionysien und einen Phallos. Wenn jemand einen Feldzug unternimmt gegen das Gebiet der attischen Siedler, sollen Hilfe leisten di(e Städte so energisch) wie möglich gemäß der Vereinbarungen, die (…) getroffen wurden bezüglich der Städte in Thrakien. Aufzeichnen soll man diese Bestimmungen auf einer Stele und sie aufstellen auf der Polis; zur Verfügung stellen sollen die Stele die Siedler (apoikoi) auf ihre eigenen Kosten. Wenn jemand eine Abstimmung veranlasst, (die) gegen (die Bestimmungen) dieser Stele verstößt, oder wenn ein Redner einen Antrag stellt oder zu veranlassen sucht, etwas am Beschlossenen abzuändern oder zu annullieren, sollen der Atimie verfallen er und sei(ne) Söhne, und sein Vermögen soll eingezogen werden und der (Göttin der z)ehnte Teil zufallen, sofern nicht die Siedler selbst (…) ersuchen. Diejenigen, die sich einschreiben lassen als zusätzliche Siedler und zwar von den Soldaten, sollen sich nach ihrer Rückkehr nach Athen binnen dreißig Tagen in Brea einfinden als zusätzliche Siedler. Entsenden soll man die Apoikie binnen dreißig Tagen. Aischines soll (den Zug) begleiten und auszahlen die Gelder (…). (Ph)antokles stellte den Antrag: Bezüglich der Apoikie nach Brea Übereinstimmung mit dem, was Demokleides beantragt hat, doch den Phantokles soll auftreten lassen die Erechtheis-Prytanie vor dem Rat bei dessen nächster Sitzung. Nach Brea sollen aus (der Schicht der) Theten und Zeugiten (stammende) Siedler ziehen (…).
Die politische und militärische Absicherung nach außen verband sich meist mit der Kontrolle und Inanspruchnahme der bereits etablierten (oder wieder eingegliederten) Bündner. So werden im Volksbeschluss für die Kolonie Brea (s. Quelle) die benachbarten Poleis Thrakiens „gemäß der Vereinbarungen“ verpflichtet, der Kolonie im Konfliktfalle militärisch beizustehen (bei diesen „Vereinbarungen“ handelt es sich wohl um ein Dekret über die Städte des thrakischen Bezirkes).
Landversorgung der Theten? – Verlagerung des Wehrpotentials
Jenseits dieser außen- bzw. machtpolitischen Zielsetzung kamen die Athener durch die Einrichtung von Kolonien auch in den Genuss von billigem Land. Die ältere Forschung hat gemeint, dass hiervon nur die unteren Schichten profitierten; Perikles habe – vergleichbar seinem Bauprogramm auf der Akropolis (s.S. 54) – die Hauptstadt von den Theten befreien und ihnen in den Kolonien Arbeit und Land verschaffen wollen. Diese Ansicht basiert auf einer Passage der Periklesvita des Plutarch (11,5–6), in der Plutarch anachronistisch Vorstellungen über die angebliche Lage des „Mobs“ in den römischen Großstädten der Kaiserzeit auf die Zeit des klassischen Griechenland überträgt. Sicherlich dienten Kolonien wie Brea auch dazu, die wachsende Zahl der Theten mit Land zu versorgen; doch kann dies kaum das primäre Ziel gewesen sein. Denn die Flotte wurde schon bald nach der Niederlage im Nildelta auf den alten Stand gebracht und benötigte |29|die Theten als Ruderer. Gegen die Auffassung Plutarchs spricht zudem die Tatsache, dass die Teilnahme an einer Kolonisation im Prinzip allen Zensusklassen offen stand. Die Inschrift über Brea bestimmte, dass die Siedler aus der dritten Vermögensklasse der Zeugiten (mittelgroße Landbesitzer) und Theten kommen sollten. Eine solche Vorschrift macht aber nur Sinn, wenn es normalerweise keine Einschränkung gab. Die Sonderbestimmung für Brea zielte zudem nicht auf die Verbesserung der sozialen Lage der unteren Schichten, sondern sollte kampfwillige Siedler anziehen. Während nämlich die reicheren Kolonisten nach der Zuweisung ihres Landbesitzes (kleros) meist wieder nach Athen zurückkehrten und ihren Kolonialbesitz durch Pächter oder Sklaven bebauen ließen, erhielten die Theten als Kleruchen eine Hoplitenrüstung und waren auch in der Fremde zum Heeresdienst (im Notfall auch auf der Flotte) verpflichtet. Die Brea-Inschrift erwähnt Soldaten, die offenbar von einem Kampfeinsatz nach Athen zurükkkehrten und mit einer Ansiedlung in Brea belohnt werden sollten. Es ging den Athenern also nicht in erster Linie um die Landvergabe an ärmere Bevölkerungskreise, sondern um die Kontrolle unzuverlässiger Bündner, die militärische Absicherung strategisch bedeutender Territorien und um eine gezielte Verlagerung des heimischen Wehrpotentials vom Zentrum an die Peripherie des Imperiums.