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3. Chronik eines Adelsgeschlechts

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Dr. Frank Matiss verfügte zeitweise über einen kleinen Kreis von bezahlten Helfern, die allerdings über seine Tätigkeiten nicht im Detail informiert waren. Lediglich sein engster Freund und Weggefährte wusste über die grauenhaften Geschehnisse Bescheid, die von Matiss ausgingen der von ihm verlangt wurden.

Dieser war im Gegensatz zu Matiss nicht besonders schlau, verfügte aber über ein enormes Potenzial an Gewalttätigkeit. Außerdem war er in höchstem Maße seinem Herrn hörig und erledigte alles, was dieser ihm auftrug.

Josef Bergmann wurde einst von Matiss aus einer, für ihn ausweglosen Situation befreit und dankte es ihm uneingeschränkt. Dazu trug allerdings auch der Umstand bei, dass er nicht schlecht für seine Dienste entlohnt wurde. Was aber für ihn wichtiger war als Geld, war die Tatsache, eine Bleibe auf Lebenszeit gefunden zu haben. Eine Art Heimat- oder Familiengefühl zu haben, was ihm seit frühester Kindheit fehlte, führte zu bedingungslosem Gehorsam seinem Herrn gegenüber.

Ursprünglich war er als Tierpfleger tätig und erledigte vorrangig alle Arbeiten, die im Umgang mit Tigern anfielen. Allerdings wurde sein Betätigungsfeld bald ausgeweitet. Er kümmerte sich auch um die Menschen, die im Steinbruch auf ihre unfreiwillige Organspende warteten. Bergmann war ein, eher hässlicher, großklotziger, unangenehmer Bursche, in dessen Arme wohl so leicht keine Frau gesunken wäre. Dies brauchte auch keine, denn Bergmann verging sich ab und zu an den jungen Frauen, die Matiss oftmals wochen-, in Einzelfällen schon mal monatelang, gefangen hielt.

Dr. Matiss wusste von diesen Vergewaltigungen, ließ es geschehen und sah ab und zu auf dem Monitor, die zur Überwachung der Gefangenen dienten, dem Geschehen zu. Es berührte ihn nicht. Es machte ihn auch nicht an. Er sah eher teilnahmslos zu. Matiss hatte kein Sexualleben.

Zwar hatte er mal für kurze Zeit eine Jugendfreundin, als sie von ihm jedoch mehr als ein paar Küsse wollte und sich vor ihm auszog, ihm die Hose öffnete und mit ihrer Hand begann, ihn zu stimmulieren, stieß er sie abrupt weg. Er drehte sich um, ließ sie einfach stehen und ging aus ihrem Mädchenzimmer raus. Es war ihm unangenehm und er sah sie nie wieder. Matiss war nicht impotent, er hatte lediglich keinen Spaß am Sex. Er konnte sich nur selbst in höchste Glücksgefühle versetzen, wenn er einem Vogel oder einer Katze den Bauch aufschnitt und das Herz herausholte. In solchen Momenten schlug sein Herz schneller und sein Blut kochte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es eine größere Befriedigung geben könne.

Dr. Matiss war zwar Tierarzt, hatte aber nicht promoviert und eignete sich den Titel zu Unrecht an. Allerdings trug er ihn auch nur bei seinen engsten Mitarbeitern, von welchen er sich gerne mit Doc anreden ließ.

Frank Matiss stammte zwar aus einem alten Adelsgeschlecht, von Matiss aber hatten sich seit dem 20. Jahrhundert keiner seiner Ahnen genannt. Matiss fand späterzwar in der Familienchronik nichts geschrieben, dass das Adelsprädikat von aberkannt wurde, jedoch wurden alte Kaufverträge um 1900 von der Witwe eines Barons in seiner Ahnengalerie nicht mehr mit dem Zusatz von unterschrieben. Matiss war über alle Maßen eitel und hätte sich gerne mit diesem Titel geschmückt. Er fand aber nichts über die Hintergründe in der Vergangenheit heraus.

Seine Vorfahren waren bis zum 2. Weltkrieg wohlhabend. Auf eigenem Grund und Boden wurde Eisenerz abgebaut, welches zeitweise für die Rüstung der Nazis gebraucht wurde. So mangelte es in dieser Zeit, vor und während des Krieges nicht an Arbeitskräften, die von der Gauleitung zugewiesen wurden. Für Matiss Großvater Adolf, der über 60 Prozent der Bergwerksanteile besaß, war der Bergbau alles. Er war ein Nazi und Sadist gleichermaßen. Er war täglich vor Ort und ließ es sich nicht nehmen, auch ab und zu mit unter Tage zu fahren. Zwar legte er am Arbeitsgeschehen nicht wirklich Hand an, trieb aber die gefangenen Zwangsarbeiter und später die Kriegsgefangenen zur Höchstleistung an. Dabei bediente er sich oft einer kleinen Lederpeitsche, die er immer in seinem Stiefel stecken hatte. Besonders schmerzhaft waren die Schläge durch die Knoten an den Enden der fünf Lederstreifen.

Als es zu einem Ausbruch kam, an dem dreizehn Gefangene beteiligt waren, ließ er die zwei Seiten des Steinbruchs, die nicht durch hohe Steinwände gesichert waren, mit tonnenschweren Gesteinsblöcken absichern. Die ohnehin schon ausgemergelten Gefangenen mussten die schweren Felsblöcke mit Seilwinden aufeinander stapeln. Nun konnte das riesige Gelände vor dem eigentlichen Stolleneingang nur noch durch ein kleines Tor, durch das gerade mal ein LKW passte, befahren werden. Das Gelände war ausbruchsicher. Ein neues Bürogebäude mit Ausblick auf das Areal, wurde ebenfalls errichtet. Untergebracht hatte man in diesem Gebäude auch gleich eine Krankenstation und Arrestzellen für aufsässige und arbeitsunwillige Gefangene.

Als es im März 1943 zu einem Stolleneinbruch kam, wurde Adolf Wilhelm Matiss, der wieder einmal unter Tage weilte, um seine Arbeiter anzutreiben, von Steinen erschlagen. Unter den Gefangenen herrschte eine tiefe Zufriedenheit. Es konnte nicht geklärt werden, ob er nicht doch von ihnen umgebracht wurde, zumal dies einige Aufseher vermuteten. Auf seiner Leiche bildeten sich unzählige Hämatome, von Steinen verursacht, ab. Der Hausarzt der Familie stellte fest, dass es mehr Hämatome gab, als Steine um die Leiche lagen.

Sein Sohn Helmut Matiss übernahm die Firma und führte den Steinbruch zunächst weiter. Kurz vor Kriegsende wurde die Erzausbeute immer geringer. Nur den guten Kontakten zu einigen Nazigrößen, an der Spitze Reichsmarschall Hermann Göring, sowie Heß und Ribbentrop war es zu verdanken, dass man ihn nicht fallen ließ. Als dann der Krieg zu Ende war, wollte man ihn, aufgrund seiner Beziehungen zu diesen Nazigrößen und den Verbrechen an Kriegsgefangenen, verhaften. Helmut Matiss entzog sich dieser Verhaftung, indem er sich mit seinem doppelläufigen Jagdgewehr gleich zwei Ladungen gleichzeitig in den Kopf schoss, von dem nicht viel übrig blieb, da er den Lauf am Kehlkopf angesetzt hatte. Somit rissen beide Schrotpatronen, die er mit dem Zwillingsabzug durch die Gewehrläufe jagte, ihm die obere, hintere Hälfte des Kopfes weg. Sein restlicher Kopf wurde vom Gewehr in der Kehle aufgespießt und stützte seinen Körper, sodass er nicht umfiel. Als man ihn fand, saß er auf sein Gewehr gestützt, als ob er gerade eingeschlafen wäre. Lediglich die hintere Hälfte seines Kopfes klebte mit Haut und Haar und der Hirnmasse an der Wand.

Im Rahmen der Nürnberger Prozesse (von Nov. 1945 bis April 1949) kam auch die Sprache auf die Familie Matiss, da jedoch erstens kein Barvermögen vorhanden war und zweitens nur noch die junge Ehefrau des letzten Steinbruchbesitzers lebte, legte man keinen Wert auf eine weitere Verfolgung der Sache und überließ ihr den wertlosen Grund und Boden. Allerdings wurden die Villa und zwei weitere Häuser konfisziert und gingen in Staatseigentum über.

Catarine Maria Matiss war somit rechtliche Besitzerin des einstigen Steinbruchs. Sie musste nun in das Büro- und Gefängnisgebäude im Areal des Steinbruchs ziehen. Hier wohnte sie mit dem ehemaligen Vorarbeiter Josef Kopples, der schon nicht mehr die Berufsbezeichnung Steiger führte, da ja nicht mehr eingefahren wurde.

Es fuhr auch schon lange kein Güterzug mehr auf das Gelände und so wurden die Gleise abgebaut. Man brauchte Eisen für die aufstrebende Autoindustrie, und da sich die Gleise auf Landeseigentum befanden, verkaufte sie das Land als Eignerin. Als die Abbauarbeiten fertig waren, wurde es sehr einsam am Steinbruch. Es ließ sich kaum ein Mensch hier sehen.

So blieb es nicht aus, dass Catarine eine engere Beziehung mit dem Vorarbeiter einging.

Catarine Matiss war erst 24. Sie hatten kein Geld, viel Zeit und ein abgeriegeltes, nicht einsehbares Grundstück. So liefen sie fast nur nackt herum und verbrachten die meiste Zeit mit Liebesspielen im Freien.

Doch obwohl sie sich über Verhütung keine Gedanken machten, stellte sich kein Nachwuchs ein. Der Vorarbeiter war zwar ein starker und potenter Liebhaber, der Catarine Matiss nymphomanische Neigung immer befriedigte, der aber zeugungsunfähig war, da seine Spermien nicht auf Touren kamen und noch vor dem Ziel schlappmachten. Das wussten sie zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht.

Schwanger wurde Catarine erst 17 Jahre später, als ein Wanderzirkus auf der Suche nach einem Winterquartier, bei Catarine Matiss vorsprach und der Direktor sich des Problems annahm.

Ihren Vorarbeiter, der ihr jahrelang die Treue gehalten hatte, ihr Sexualleben allerdings nicht weiter bereicherte, wollte sie nun zum Teufel jagen, als der Zirkus sich auf dem Gelände ausbreitete und sie im Direktor einen neuen Liebhaber entdeckte. Dabei kam es zum Krach zwischen den beiden, den sie im Freien austrugen. So lief sie ihm immer wieder davon, wenn er sie an den Schultern festhalten wollte. Als sie sich auf einem der Felsen befanden, stieß sie ihn von sich weg. Dabei schlug er mit dem Kopf auf einen Stein am Boden auf und verlor das Bewusstsein. Es floss Blut zwischen Schädeldecke und Großhirn. Dort sammelte sich eine große Menge und erzeugte einen hohen Druck im Kopf. Dann wurde die Blutzufuhr unterbunden. Die Sauerstoffversorgung des Gehirns war somit abgeschnitten.

Man trug ihn ins Haus und Catarine legte ihm ein nasses Tuch auf die Stirn. Er schlug noch einmal die Augen auf und ahnte wohl sein baldiges Ende nahen. Ihre Haltung hatte sich durch den tragischen Unglücksfall ihm gegenüber nicht geändert und so sagte er ihr verbittert ins Gesicht: »Ich wollte dir ein schönes Leben bereiten. Das kannst du nun vergessen. Ich kenne seit kurzem ein Geheimnis, aber du wirst nun nie erfahren, welche Schätze du eigentlich besitzt. Ich aber weiß es, denn ichhabe sie gefunden. Du aber wirst es nie erfahren! Dies ist mein Geheimnis, was ich mit ins Grab nehme!«

Catarine sah das als Spinnerei an und dachte nicht weiter darüber nach. Sie war der Annahme, dass es lediglich eine trotzige Reaktion eines abgewiesenen Liebhabers war, der in seiner Eitelkeit tief getroffen wurde.

Trotzdem tat er ihr plötzlich leid.

»Ach, Josef. Nun lass uns doch als Freunde scheiden. Du redest doch eh nur Unsinn. Josef. Josef! Nun spiel nicht den Beleidigten und mach die Augen auf!«

Josef Kopples konnte die Augen nicht mehr öffnen, da er in diesem Moment gerade selbige zumachte. Er wurde vier Tage später auf dem kleinen Friedhof am Ortsrand beerdigt.

Als Catarine Wochen später in einer lauen, sommerlichen Vollmondnacht mit dem Zirkusdirektor auf dem flachen Vordach des Hauses lag, an einem Joint zog und dem Wein schon gut zugesprochen hatte, fiel es ihr wieder ein und sie musste lachen.

Der Direktor war verunsichert, entschloss sich dann aber schnell die Sache lustig anzugehen.

»Was ist so lustig an mir? Lachst du mich vielleicht aus? Wage es nicht! Ich verfüttere dich sonst an die Tiger!«

»Hilfe! Nein, ich musste nur an meinen Vorarbeiter den-ken. Der war so sauer, als ich ihn rauswerfen wollte. Er war im Grunde ein Spießer. Und nachtragend. Noch auf dem Sterbebett. Der wollte mir doch allen Ernstes erzählen hier wäre ein Schatz verborgen. So ein Idiot!«

Der Direktor wurde plötzlich hellhörig und wollte mehr darüber wissen.

»Was hat er genau über den Schatz gesagt?«

»Ich weiß nicht mehr! Der hat nur gesagt, ich würde nie erfahren, welche Schätze ich besitzen würde. Übrigens,

Schatz. Ich bin schwanger. Soll ich’s behalten?«

»Was ist das für eine Frage? Natürlich sollst du’s behalten.«

»Aber du ziehst irgendwann weiter und ich stehe dann mit einem Bankert da.

Ohne Geld.«

»So schnell ziehen wir nicht weiter. Außerdem bekommst du doch auch Kindergeld. Und das soll demnächst erhöht werden.«

Das Thema wurde nie mehr angesprochen.

So wurde 1961 Frank geboren. Ein Jahr später kam Vanessa auf die Welt. Der Zirkus blieb. Der Direktor suchte in den folgenden Jahren jeden Zentimeter des Geländes ab. Er war sich nicht im Klaren, was er eigentlich suchte. Jedoch sagte ihm sein Verstand, dass ein Schatz doch sicher aus Gold oder Geld bestehen würde. So drehte er jeden Stein um, fand jedoch nichts.

Als sie eines Tages kein Geld mehr hatten, um die Tiere zu füttern und auch die Bettelaktionen in der Stadt nichts mehr hergaben, beschloss man weiterzuziehen. Irgendjemand hatte gehört, dass die Bedingungen für einen Wanderzirkus im Raum Kassel besser sein sollten. An den Schatz dachte der Direktor nicht mehr. Es war wohl doch nur eine Spinnerei des Vorarbeiters gewesen.

Er ließ schweren Herzens ein altersschwaches Lama, ein Hängebauchschwein, das durch einen Feuerreif laufen konnte, nun aber nicht mehr wollte und ein zahmes, junges Tigerweibchen zurück. Dieses hatte sich eine Verletzung an der Hüfte zugezogen und kam nur schlecht auf die Beine. Es war für den Zirkus eine Belastung und musste durchgefüttert werden.

Catarine pflegte den zahmen Tiger, der sich frei auf dem Gelände bewegen konnte und sogar als Spielgefährte für die Kinder herhalten musste. Diese tobten manchmal mit ihm so sehr, dass Catarine sich wunderte, dass ein beinahe ausgewachsener Tiger dies alles mit sich machen ließ. Nur wenn er Hunger hatte, wurde ihm in einem Raum, getrennt von den Kindern, Fleisch gereicht, was er genüsslich verschlang. Nachdem der Fleischvorrat von dem verstorbenen Lama aufgebraucht war, wurde das Hängebauchschwein geschlachtet. Doch die Reserven der Schlachtung schwanden schnell dahin. Bei den wenigen Metzgereien in der Gegend fiel auch nicht die benötigte Menge an Knochen und Fleischabfällen an.

Catarine musste den Tiger verkaufen. Vom Zirkusdirektor hatte sie erfahren, dass es eine Menge privater Halter von Raubkatzen gab. Sie hatte sich auch verschiedene Adressen aufgeschrieben. Gewarnt hatte sie allerdings der Direktor vor allzugroßer Offenheit, denn das Halten von Raubkatzen sei oft nicht artgerecht und war meistens nicht erlaubt. Es stellte eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Halter und Besucher da.

Doch man würde sich untereinander schon kennen, da man sich zur Zucht ja gegenseitig brauchen würde.

Der Tiger wurde von einem Halter, der im Besitz von mehreren Raubkatzen war, gekauft und sehr schnell abgeholt. Der Preis von 3000 DM war für Catarine ok.

Für Frank und Vanessa kam eine traurige Zeit, hatten sie nun keinen Spielkameraden mehr.

Vanessa suchte den Kontakt zu ihren Mitschülerinnen, während Frank immer mehr zum Eigenbrötler wurde. Sein Interresse galt den Tieren. Er bastelte Fallen und fing Mäuse, Ratten, Marder und auch schon mal einen Fuchs, die er allesamt tötete und mit einem Skalpell, das er in einer Schublade im Badezimmer gefunden hatte, aufschnitt, um das Innenleben zu studieren.

Zu dieser Zeit machte eine caritative Organisation Catarine das Angebot, ihr Anwesen zu mieten und das

Haus für Jugendgruppen aus dem Raume Frankfurt als Jugendfreizeitlager zu Verfügung zu stellen.

Die Miete kam pünktlich und Catarine zog in die Stadt. Frank und Vanessa gingen nun auf ein Gymnasium.

Dann kam die Studienzeit. Während Vanessa Germanistik und Kunst studierte, blieb Frank seinem Hobby treu und belegte das Fach der Tiermedizin.

Nach Abschluss des Studiums, das Vanessa mit Bestnoten absolvierte, Frank hingegen gerade so durchrutschte, stieg er in eine Arztpraxis für Kleintiere ein. Zwei Ärztinnen, die bisher gut zusammengearbeitet hatten, trennten sich im Streit um einen Mann und eine machte ihren Platz frei.

Catarine Matiss wurde kurz darauf krank. Sie hatte Schmerzen im Bauch- und Darmbereich und der Arzt konnte zunächst keine genaue Diagnose stellen. Ihre Blutwerte zeigten jedoch an, dass es etwas Ernstes sein musste. Ins Krankenhaus ließ sie sich jedoch erst überweisen, als sie die Schmerzen nicht mehr aushielt. Als man im Kernspintomograph einen Schatten am Magen entdeckte, war der Krebs schon zu weit fortgeschritten und hatte Metastasen gebildet. Die Lymphgefäße im ganzen Körper waren schon betroffen.

Der Arzt gab ihr nur noch sechs bis acht Wochen. Catarine rief Vanessa und Frank zu sich und schrieb

ihr Testament. Der einzige Besitz, außer einigen

Möbelstücken in ihrer Wohnung und einige Schmuckstücke, war der Steinbruch. Dieser ging zu gleichen Teilen an die Kinder.

Während Frank darüber sehr erfreut war, ließ Vanessa ihrer Wut freien Lauf, als sie außer Hörweite der Mutter waren.

»Ein Steinbruch mit dem man nichts, aber auch nichts anfangen kann! Das ist alles was wir erben!«

»Sei doch nicht so unzufrieden. Aus dem Gelände kann man doch was machen.«

»Und was bitteschön? Hast du Geld, um dort was zu machen?«

»Na ja. Es ist abgelegen, einsam und es verirrt sich Niemand dorthin. Aber wir haben Wasser und Strom. Ich könnte eine Tierpraxis aufmachen.«

»Und mit welchem Geld willst du die einrichten?«

»Die Bank gibt mir bestimmt eine Hypothek auf das Anwesen.«

»Ach nee. Das haben wir doch schon mal probiert und es hat nicht gereicht. Die Bank kann das Gelände nicht verkaufen, weil es dafür keine Interessenten gibt. Also ist es der Bank nichts wert. Somit geben die uns kein Geld. Wir selbst können es auch nicht verkaufen, weil es keinen Käufer gibt. Was soll auch einer mit einem wertlosen Steinbruch, in dem nichts mehr gefördert werden kann?«

Frank dachte nach.

»Es gäbe noch eine Möglichkeit an etwas Geld zu kommen.«

»Und die wäre?«

»Organspende! Wenn Mama sowieso stirbt, kann sie doch ihr Herz und so weiter spenden.«

»Da wird doch nichts für bezahlt!«

»Bei der richtigen Adresse schon.«

»Das ist makaber! Und außerdem illegal. Du spinnst doch!«

»Nee, im Ernst. Wenn sie tot ist, ist ihr das doch egal.«

»Frag sie doch. Ich tu’s nicht.«

»Sie braucht das doch gar nicht zu wissen.«

»Woher kennst du solche Leute?«

»Ich kenne sie ja nicht. Noch nicht. Im Internet gibt es bestimmt Hinweise.«

»Ich will davon nichts wissen! Das ist deine Sache!«

Matiss war der Meinung, dass es sich seine Schwester zu einfach machte, sagte aber zu dem Thema weiter nichts.

Er machte sich schon am nächsten Tag schlau. Eile war geboten, da es Catarine von Tag zu Tag schlechter ging.

Er rief bei Eurotransplant an. Vielleicht würde er ja hier eine Adresse bekommen. Sicher wusste man hier über gewisse Kreise Bescheid.

Eine nette Frauenstimme sagte ihm, als er sein Anliegen vorgetragen hatte, dass sie ihn mit einem Sachbearbeiter verbinden werde.

Es knackte mehrmals in der Leitung, dann meldete sich eine Männerstimme.

»Eurotransplant Kluge. Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Matiss?«

»Wissen Sie, meine Mutter liegt im Sterben. Krebs im Bauchbereich. Aber alle anderen Organe sind nicht betroffen. Wie verläuft eine Organspende?«

»Wie alt ist denn Ihre Frau Mutter?«

»69.«

»Es gibt zwar keine offizielle Altersgrenze für eine Spende, ich befürchte aber, dass Ihre Frau Mutter mit dem Krankheitsbild Krebs für eine Spende nicht infrage kommt. Aber wollen Sie selbst nicht Organspender werden?«

»Nee. Ich lebe noch.«

»Ja, das wäre ja nur für den Fall, wenn Ihnen etwas passieren sollte. Unfall mit Todesfolge etwa.«

Matiss stellte sich unwissend.

»Wird so was im Voraus bezahlt?«

»Nein, leider nicht. Bezahlt wird das gar nicht.«

»Dann wird das nichts. Ich brauche jetzt Geld. Ich bin Veterinär und möchte mir eine eigene Praxis einrichten. Kennen Sie eine Stelle, die Organe aufkauft? Es würde mir sehr helfen.«

Es entstand eine kurze Pause und Matiss dachte schon sein Gesprächspartner hätte aufgelegt. Dann knackte es erneut in der Leitung.

»Nein. Wir kaufen keine Organe. Wir vermitteln nur. Wenn uns ein Unfallopfer gemeldet wird, geben wir die Daten an die Klinik des Patienten weiter, der an erster Stelle steht. Geben Sie mir bitte trotzdem Ihre Adresse. Für alle Fälle.«

Irgendetwas machte Matiss an dem Tonfall des Telefonpartners stutzig. Doch er erteilte bereitwillig Auskunft.

Der Herr von Eurotransplant hatte noch einige Fragen und beendete das Gespräch kurz darauf.

Zwei Wochen später verstarb seine Mutter. Vanessa leitete alles Notwendige zur Beisetzung der Urne in die Wege.

Die Trauerfeier war kurz und außer den Kindern war keiner erschienen.

Der Vater von Frank und Vanessa war schon vor drei Jahren verstorben. Da der Zirkus insolvent war und kein privates Vermögen des Direktors vorhanden war, gingen die beiden leer aus.

So fuhren sie auf Wunsch von Frank, nachdem sie in der kleinen Kapelle noch eine Kerze für ihre Mutter angezündet hatten, zum Steinbruch.

Vanessa war genervt.

»Was sollen wir da noch?«

»Schauen wir uns das Ganze mal an.«

»Frank, ich will da nichts mit zu tun haben. Meinetwegen kannst du da eine Praxis einrichten. Warum hat es eigentlich nicht mit der Organspende geklappt?«

»Sie war zu krank. Der Krebs im Endstadium. Bei Krebs und HIV positiv nehmen sie keine Organspenden mehr an.«

Als sie am Steinbruch ankamen, wurde es doch beiden etwas wehmütig ums Herz. Sie erinnerten sich, als Kinder hier mit einem Tiger gespielt zu haben.

Das Gelände war verwaist. Das Freizeitlager war schon vor einem Jahr aufgegeben worden. Vanessa und Frank Matiss besichtigten das Gebäude.

Dies sollte ihr Leben total verändern.

Das Organkartell

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