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2. Kleiner Lockvogel Terry .

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Er wollte nun endlich zur Tat schreiten. Er wollte das kleine Mädchen entführen. Er wollte sich an ihr vergehen und seine sexuellen Ausschweifungen, die bis jetzt nur in seinem Kopfe vorhanden waren, ausleben. Er hatte erhöhte Temperatur, einen roten Kopf und er schwitzte an den Händen und unter den Achseln zeichneten sich große, feuchte Stellen auf dem Hemd ab. Er zitterte am ganzen Körper bei dem Gedanken, dass es heute so weit kommen würde.

Er war von sich überzeugt, dass er kein schlechter Mensch war. Aber mit Frauen konnte er nicht viel anfangen. Sie hatten alle ihren eigenen Kopf und konnten ihm jederzeit widersprechen. Ein kleines Mädchen aber, dem konnte er seine Überlegenheit zeigen. Und überhaupt, es hatte ihm noch keiner widerlegen können, dass kleine Mädchen nicht auch Spaß an Sexspielchen haben könnten. „Die wollen es doch bestimmt auch!“, sagte ihm etwas im Kopf.

Seit Wochen hatte er den Tagesablauf der kleinen Familie studiert und die Eltern von Svenja Martin beobachtet.

Svenja ging in die zweite Klasse. Sie wurde spät eingeschult und war mit ihren acht Jahren eine der ältesten Schülerinnen in ihrer Klasse. Sie passte genau in sein Beuteschema. Ein kleines, aufgeschlossenes und neugieriges Mädchen mit langen Zöpfen und einem kurzen Kleidchen.

Svenja wohnte mit ihren Eltern nicht weit von seinem Arbeitsplatz entfernt, der Klinik für psychisch kranke Menschen. So fiel es nicht auf, wenn er mal für kurze Zeit weg war. Er verfolgte den Tagesablauf von Christian Martin und seiner Frau Marga genau. Christian fuhr jeden Morgen um 7:00 Uhr in der Früh aus dem Haus und traf wenig später in seiner Dienststelle bei der örtlichen Berufsfeuerwehr ein. Marga räumte dann die Küche und das Wohnzimmer auf, schmierte zwei Brote mit Wurst und Käse und füllte in die Trinkflasche ihrer Tochter ungesüßten Tee ein. Dann verließen beide die Dreizimmerwohnung und Marga brachte ihre Tochter zur Schule. Das kurze Stück legten sie zu Fuß zurück. Sie brauchten nicht länger als 15 Minuten bis zur Schule. Es gab nach Margas Meinung bessere Schulen, da hier der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund sehr hoch war und alles ständig wiederholt werden musste. Demzufolge hinkten die Schüler dem Lehrstoff hinterher. Aber die Nähe zur Wohnung war ein nicht zu schlagendes Argument, sich für diese Schule zu entscheiden. So brauchten sie nur ein Auto zu unterhalten. Ein zweites hätten sie sich ohnehin nicht leisten können, da Marga nun schon zu lange aus ihrem Beruf heraus war und trotz vieler Bewerbungsschreiben keine Stelle fand.

Nachdem sie sich am Schulhof verabschiedet hatten, wollte Marga ein paar Einkäufe erledigen und war anschließend bei einer Freundin zum Brunch eingeladen.

Sie waren an diesem Morgen recht früh und Svenja wartete, bis ihre Mutter um die Ecke gebogen war. Sie winkte ihr noch hinterher, drehte sich um und hielt Ausschau nach ihren Freundinnen. Doch es war noch keine der Mitschülerinnen zu sehen.

So wollte sie die Stufen empor zum Eingang des Gebäudes gehen, als sie an der Ecke zum anschließenden kleinen Park, der die Verbindung zum Schulsportplatz bildete, ein Geräusch vernahm.

Neugierig geworden ging sie um die Ecke. Als sie an dem Turnhallengebäude vorbeiging, sah sie ihn.

Der Mann hielt eine Hundeleine in der Hand und rief nach seinem Hund.

Dass der Ruf „Terry“ nur leise aus seinem Mund kam, bemerkte das Mädchen nicht. Es war arglos. Es fühlte sich hier auf dem Schulgelände sicher und die Warnung, die sie von Mama und Papa bekommen hatte, auf keinen Fall mit fremden Personen zu reden, war wie weggeblasen.

Der Mann sprach sie auch gar nicht an. Er blickte in eine andere Richtung und suchte nur in gebückter Haltung nach seinem Hund.

„Terry, Terry! Wo bist du?“

In Svenja erwachte sofort der Wille, helfen zu wollen. Sie sprach ihn an.

„Ist es ein großer Hund?“

Der Mann drehte sich nun zu ihr um.

„Ah, hallo. Hab dich gar nicht kommen hören. Nein. Ein kleiner Terrier. Weiß und sehr süß. Willst du mir suchen helfen?“

Svenja überlegte kurz. Sie musste bald in ihre Klasse, aber dies war wohl ein Notfall, zumal der Mann ein sehr trauriges Gesicht machte. Ihre Hilfsbereitschaft siegte und sie ging mit ihm in Richtung Sportplatz.

Als sie wenige Schritte gegangen waren, schaute sich der Mann nach allen Seiten um. Kurz vor dem Zaun, der den Sportplatz, auf dem sich zu solch früher Stunde keine Menschenseele befand, erreicht hatten , schaute er zu seinem Wagen, den er am Straßenrand abgestellt hatte.

„Ich glaube, er sitzt unter dem Auto.“

So gingen sie auf das Fahrzeug zu. Als Svenja unter das Fahrzeug schaute, aber keinen Hund sehen konnte, wollte sie sich wieder erheben und mit den Schultern zucken. Doch dann ging alles sehr schnell.

Der Mann packte Svenja mit dem rechten Arm um den Bauch, hob sie hoch und hielt ihr mit der linken Hand den Mund zu. Sie erkannte gerade die Gefahr und wollte schreien, was ihr aber nicht mehr gelang.

Die Schiebetür des schwarzen Van öffnete sich wie von Geisterhand durch die elektrische Fernbedienung und der Mann stieg mit seinem Opfer ein.

Er hatte einen Streifen Klebeband an die verdunkelten Scheiben geklebt, riss diesen nun ab und klebte dem Mädchen den Mund damit zu.

Mit einer Hand hielt er ihre Hände auf dem Rücken fest, mit der anderen Hand schlang er um ihre Handgelenke einen langen Streifen Klebeband. Dann entnahm er einer schwarzen Ledertasche eine Einmalspritze, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt war.

Sein Puls raste, obwohl er nach außen ruhig wirkte und seine Hände nicht zitterten.

Er sah in die weit aufgerissenen Augen des Mädchens und erkannte die Panik in ihnen. Sie war steif vor Angst und rührte sich nicht.

Nun tat sie ihm doch leid. Er musste sie beruhigen.

„Hab keine Angst. Es ist gleich vorbei.“

Dann klemmte er ihren Oberkörper zwischen seine Beine und drehte die Arme nach oben. Svenja konnte sich nicht einen Zentimeter bewegen. Er klopfte mehrere Male in ihre Armbeuge, bis sich die Vene deutlich abzeichnete. Nun stach er ihr die Spritze in die Armvene und drückte den Inhalt heraus.

Es dauerte keine zehn Sekunden und Svenja war ins Reich der Träume versunken.

*

In der großen Pause nach der zweiten Stunde ging die Lehrerin ins Besprechungszimmer, wo alle Lehrer sich in den Pausen zu einem kurzen Plausch oder Erfahrungsaustausch, zum Kopieren von Unterlagen oder einfach nur auf eine Tasse Kaffee trafen.

„Hat jemand was von meiner Schülerin Svenja Martin gehört? Sie ist ohne Nachricht heute dem Unterricht ferngeblieben!“

Es kam sehr oft vor, dass Schüler und Schülerinnen dem Unterricht fernblieben. Nicht immer waren es Kinder mit Migrationshintergrund. Doch die Lehrer waren machtlos gegen das Schulschwänzen. Es ärgerte sie, dass sie nichts Wirkungsvolles dagegen unternehmen konnten. Es war im Kollegium abgesprochen, alle schwänzenden Sünder zu notieren.

Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort auf die Frage der Lehrerin.

Ärgerlich brummte sie vor sich hin: „Na gut. Muss ich doch mal anrufen.“

Sie suchte die Handynummer des Vaters aus den Unterlagen heraus. Sehr gut konnte sie sich noch an das Gespräch bei der Einschulung erinnern, wo er darum gebeten hatte, falls etwas Unvorhersehbares oder ein Fernbleiben ohne schriftliche Erklärung von Seiten der Eltern geschehen würde, ihn sofort anzurufen.

Als er sich am Handy meldete, hatte sie schon ein ungutes Gefühl.

„Hallo Herr Martin. Ist Svenja krank? Oder fühlt sie sich heute nicht wohl? Sie ist nicht zum Unterricht erschienen.“

„Was? Nein! Nein, sie ist nicht krank. Meine Frau wollte sie wie immer zur Schule bringen. Ich bin in 10 Minuten bei Ihnen!“

Er rief seine Frau an und auch sie fiel aus allen Wolken.

„Ich hole dich bei deiner Freundin ab.“

Als sie beide 35 Minuten später an der Schule ankamen, waren schon alle anwesenden Lehrer, die keine Unterrichtsstunden hatten, im Büro des Rektors versammelt.

Die Martins stürmten in die Schule und wurden sofort ins Rektorat gebeten.

„Sie ist wirklich nicht aufgetaucht?“

„Nein. Ich habe schon alle Lehrer befragt. Wir haben schon draußen nachgeschaut. Keiner hat sie gesehen. Wir werden noch die Schüler befragen müssen, dies sollte jedoch mit äußerster Feinfühligkeit geschehen. Wir wollen keine Panik.“

In diesem Moment schwanden Marga Martin die Sinne. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie sackte zusammen.

Christian konnte sie gerade noch auffangen, sonst wäre sie mit dem Kopf auf eine Tischkante gefallen.

„Rufen Sie sofort die Polizei! Und bitte suchen Sie alle das Gebäude und das Gelände außen noch mal ab.“

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