Читать книгу Perry Rhodan Neo 223: Die Planetenmaschine - Rainer Schorm - Страница 6
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Luna: Entladung
Die Stimme aus den Akustikfeldern war laut und durchdringend. »Vorsicht. Schleusenvorgang der Priorität A. Evakuierung aller sicherheitsrelevanten Areale im Bereich des Schleusenkanals abgeschlossen. Schleusenvorgang läuft an.«
Ein penetranter Warnton signalisierte jedem Anwesenden, dass Sicherheitsstufe I galt. Grellgelbe Blinkleuchten tauchten die Umgebung in ein Lichtgewitter.
Katharina Gaborova fühlte sich unbehaglich. Sie hielt sich erst seit drei Wochen auf dem Mond auf. Dass sie bei einer Aktion wie dieser beteiligt wurde, war ungewöhnlich, aber ihre Qualifikation war außergewöhnlich gut. Ihren Abschluss in Hyperphysik hatte sie in Terrania gemacht – mit Auszeichnung. Davon hätte sie zu Beginn ihres Studiums in Jekaterinburg an der Uralischen Föderalen Universität noch nicht einmal träumen können. Dabei war die vor dreißig Jahren wiedereröffnete Universität eine gute Adresse. Obwohl sich dieser Tage das »Föderale« auf die Einbindung in ein internationales Wissenschafts- und Forschungsnetzwerk bezog und nicht auf staatliche Träger. Trotzdem: Die Akademia Terrania war und blieb das Ziel aller Wünsche – am Ende hatte sie es geschafft.
Und jetzt stehe ich hier!, dachte sie. Unwillkürlich wollte sie sich durch das kurze, weißblonde Haar fahren. Sie hatte sich längst nicht daran gewöhnt, dass einige Dinge auf dem Mond – und ganz besonders in NATHANS Umgebung – anders waren als auf der Erde. Sie trug einen leichten Raumanzug und fühlte sich ein wenig beengt; dabei war die Montur eine Maßanfertigung.
Gaborova war vor Ort, um einen gefährlichen Transport zu überwachen und abzusichern.
Nicht weit von ihr standen Leibnitz und Monade. Dass Leibnitz persönlich die Entladung der FANTASY leitete, bewies, wie wichtig die Angelegenheit für NATHAN war.
Welche Folgen die rechtswidrige Nutzung des Experimentalraumschiffs für Rhodan und die anderen haben würde, war längst nicht geklärt. Hinter den Kulissen brodelte es gewaltig, so wenigstens besagten es die Gerüchte.
Leibnitz sah aus wie immer: unausgeschlafen und ein wenig mitgenommen, als habe er eine mehrtägige Sauftour hinter sich. Der Eindruck täuschte jedoch. Leibnitz war intelligent wie wenige andere, und seine Beziehung zu einer Posbi sorgte sogar nach all den Jahren für Gesprächsstoff.
Leibnitz legte den Kopf in den Nacken, soweit der leichte Raumanzug das zuließ. Die Hallenanlage ringsum war gewaltig. Ignorierte man das eigenartige, metallische Material, aus dem vieles in NATHAN bestand, hätte es sich um eine beliebige Lager- oder Fertigungshalle handeln können.
So stellen sich die wenigsten NATHAN vor, dachte Gaborova amüsiert. Für die meisten Menschen war NATHAN etwas sehr Abstraktes. Wenn etwas über die Hyperinpotronik berichtet wurde und es in die unterschiedlichen Kanäle des Mesh schaffte, des unionsweiten öffentlichen Daten- und Kommunikationsnetzes, waren es meist Innenansichten aus kleinen Schaltzentralen. Nichts davon deutete auch nur an, wie riesig die lunaren Anlagen tatsächlich waren.
Sie erinnerte sich an ihren ersten Besuch und wie unzulänglich sie sich gefühlt hatte. Zwar war der Asmodeuskrater auf der erdabgewandten Seite des Monds unverändert das Zentrum NATHANS – besonders der Zentralberg. Aber die anorganische Intelligenz wuchs unablässig weiter. NATHAN war kein Roboter; er war sehr viel mehr. Das war weithin ebenso unbekannt wie seine wirkliche Größe. Beim ersten Anflug hatte Gaborova sich gefühlt, als steuere sie auf eine Großstadt zu. Die Anlagen breiteten sich über den Mond aus, und die unterlunaren Anlagen waren wahrscheinlich weitaus größer.
Vielleicht wollen die Menschen es gar nicht wissen, dachte sie.
Aus den Augenwinkeln sah sie Monade näher kommen. Die eiförmige Posbi begleitete Leibnitz immer. Dessen Gedächtnis war unzuverlässig, wie er selbst zugab. Damals, als Perry Rhodan und seine Gefährten Andromeda besucht hatten und mit den Meistern der Insel in Konflikt geraten waren, waren sie auf Leibnitz gestoßen. Die Menschen hatten ursprünglich nur nach Atlan gesucht, dem unsterblichen Arkoniden, aber sehr viel mehr gefunden. Nun verband die beiden größten Galaxien der Lokalen Gruppe sogar ein freundschaftliches Band, so groß die Entfernung auch war.
Zweieinhalb Millionen Lichtjahre, erinnerte sich Gaborova. Die Zahl war unglaublich, die Entfernung unfassbar. Dort haben sie Leibnitz aufgegabelt. Im System der Sonne Oomoph, auf dem vierten Planeten, dem »Andromeda-Basar«, war er Rhodan und seinen Leuten begegnet. Er hatte sich ihnen angeschlossen und war nach Hause zurückgekehrt, obwohl er diese Hoffnung eigentlich längst begraben hatte. Gaborova hatte sich über Leibnitz informiert, so gut es eben ging. Irgendwann hatte sie ihn dann gefragt und zu ihrem Erstaunen war er sehr offen gewesen. Sie mochte Leibnitz, nur Monade war ihr unheimlich.
Mittlerweile lebte und arbeitete er schon seit geraumer Zeit auf dem irdischen Mond, mitten in einer wachsenden, anorganischen Intelligenz, welche die Menschheit sozusagen als Eltern ansah. Monade begleitete ihn nach wie vor. Die Posbi sorgte dafür, dass es ihn als Individuum überhaupt gab.
Laura Bull-Legacy, die Tochter des amtierenden Protektors, die als NATHAN-Interpreterin einen wahrscheinlich ebenso exotischen Job ausübte wie Leibnitz selbst, hatte Monade einmal als »Persönlichkeitsschrittmacher« bezeichnet. Das war ziemlich treffend, denn die Posbi stimulierte bei Leibnitz all jene neuronalen Routinen, die im Gehirn seine Persönlichkeit ausformten. Das war kein Download, wie einige dachten, Monade half ihm vielmehr, überhaupt er selbst zu sein. Jeder Mensch, jeder Charakter war ein laufender Prozess. Monade hielt den von Leibnitz am Laufen.
Gaborova war im Laufe ihrer kurzen Zeit auf dem Mond immer wieder erstaunt gewesen, wie offen alle zu ihr waren. Ganz im Gegensatz zu den Geschichten über NATHAN, die man sich auf der Erde erzählte, war dies kein Gruselkabinett und kein Labyrinth, in dem Ungeheuer ihr Unwesen trieben.
Na gut, korrigierte sie sich. Es ist ein Labyrinth ... aber eben kein mystisches. Ganz und gar nicht.
»Frachtposition stabilisiert«, meldete die Überwachung. »Durchgang einleiten.«
Sie registrierte das Bereitstellungssignal und aktivierte die Entlüftung. Das weiche Blubbern der Atmosphärenpumpen klang merkwürdig. In der ganzen, riesigen Halle ein Vakuum herzustellen, dauerte. Allmählich wurde das Geräusch leiser und leiser.
Eine untersetzte Gestalt verließ eine der Personenschleusen und tappte auf Leibnitz zu.
»Doktor Brömmers«, sagte Leibnitz. »Ich hatte früher mit Ihnen gerechnet. Wo ist Ihr bizarres Scheinamphibium?«
Gaborova grinste verhalten. Doktor Eduard Brömmers war eine wissenschaftliche Kapazität, und wie viele hochintelligente Menschen hatte er jede Menge Macken. Er war mittelgroß, sein Bauchumfang war beachtlich. In der Montur war von seinem fransigen Bart nicht viel zusehen, ebenso wenig von seiner Vorliebe für knallbunte Hemden. Immer häufiger ersetzte er seine typische, dicke Brille durch modernste Kontaktlinsen mit positronischer Anbindung.
Brömmers schüttelte sich. Er fühlte sich im Raumanzug sichtlich unwohl. »Der Frosch wollte nicht mitkommen. Er hat ernsthaft behauptet, im Vakuum Blähungen zu bekommen. Glaubt man das? Aber ich kann ihn holen, wenn Sie wollen. Er mag Sie.«
Leibnitz lachte. Auf gewisse Weise war Gaborova enttäuscht. Brömmers Partner-Surrogat, ein Frosch mit der Farbe eines Erdbeerfröschchens und den Abmessungen eines anabolikasüchtigen Ochsenfroschs, war längst eine Legende. Das nanogestützte Hologramm mit implementierter Künstlicher Intelligenz war ein von Brömmers selbst erschaffenes Unikat, das ihm half, sich zu fokussieren. Zugleich hatte das Kunstwesen ein extrem loses Mundwerk.
Bizarr ist untertrieben, dachte Gaborova. Aber es gab schon früher eiförmige, technische Spielzeuge, die ein Haustier simulierten. »Tamagotchi« hießen die ersten dieser Dinger, wenn ich mich richtig erinnere. Seitdem wurde dieser Trend drei oder vier Mal neu aufgelegt. Alles unter dem Stichwort »Vintage«. Dieser Holofrosch ist eigentlich nichts anderes ... nur sehr viel anspruchsvoller.
Es war still. Die Halle lag nun im Vakuum, und dem Transport stand nichts mehr im Weg.
Leibnitz schien den Frosch nicht zu vermissen. Er schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Es sei denn, er wäre für die Einschleusung dieser besonderen Fracht hilfreich.«
»Ich bin immer hilfreich«, quakte es prompt.
Brömmers stöhnte. »Das hätten Sie nicht sagen sollen. Sie wissen doch, dass er sich sofort angesprochen fühlt.«
Der große, rote Frosch krabbelte auf Brömmers Schulter. »Zu wenig Luft hier!«, beschwerte das holografische Tier sich sofort. »Wie soll man denn da nicht platzen?«
Leibnitz grinste. »Tag auch«, sagte er. Monade glänzte wie mit Wasser übergossen. Sie amüsierte sich anscheinend ebenfalls.
»Tag«, antwortete der Frosch artig. »Und bei besonderen Vorhaben bin ich ganz besonders hilfreich. Obwohl Herr Brömmers das gern abstreitet ... wahrscheinlich Futterneid oder eine handfeste Profilneurose. Kann man übrigens behandeln lassen, Herr Brömmers. Das verstehen alle.« Er drehte sich. »Frau Doktor Gaborova: Guten Tag! Endlich mal eine ansehnliche Erscheinung. Nichts für ungut, Herr Leibnitz.«
Gaborova winkte. Dann gab sie das Startsignal. Leibnitz ignorierte den Frosch.
Zu hören war nichts, aber es waren Bodenvibrationen zu spüren. Weit über ihnen schob sich die mächtige Deckenschleuse auseinander. Schnell war der Spalt so groß, dass man die Sterne sehen konnte. Dann blendete etwas sehr Großes einige davon aus.
»Der Kreellblock«, sagte Leibnitz.
Gaborova war gespannt. Leibnitz wusste wahrscheinlich mehr über Kreell, Molkex und sonstige Fremdmaterie als die meisten, die auf dem Mond Dienst taten. Er war dabei gewesen, als man in Andromeda auf das gefährliche Material gestoßen war. Es stammte aus dem Creaversum, einem Kontinuum, das dem Einsteinuniversum anhaftete wie eine Krebsgeschwulst. Das bernsteinähnliche, bläulich schimmernde Kreell war nicht nur ein Energiefresser, es veränderte den Ablauf der Zeit. Wurde es älter, verwandelte es sich in einem Jahrtausende währenden Prozess in Molkex. Mit dem schwarzen, ultraharten Material hatten die exotischen Blues ihre Raumschiffe gepanzert. Von den Blues stammte zudem das einzige Mittel, mit der sich dieser Fremdmaterie beikommen ließ: Katlyk, ein von den Kindern der Blues produziertes Enzym.
»Und wir haben keinen einzigen Tropfen davon«, murmelte Leibnitz bedrückt.
»Sie reden vom Katlyk?«, fragte Dr. Brömmers, der zwar eigenartig aussehen mochte, aber einer der hellsten Köpfe war, über die die Menschheit verfügte. »Sie haben recht. Ich fürchte, wir werden den vieren nicht helfen können. Ich denke seit der Rückkehr der FANTASY an nichts anderes mehr.«
Gaborova hatte Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass Menschen in diesem unheimlichen Material eingeschlossen waren. Es war ein furchtbarer Gedanke.
Vier schwere Antigravaggregate stabilisierten den großen Kreellblock. Er war grob würfelförmig, mit einer Kantenlänge von mehr als vier Metern. Aus der aktuellen Entfernung waren die Eingeschlossenen in der teiltransparenten Substanz noch nicht zu erkennen: drei Menschen und ein Kater. Langsam senkte sich das Gebilde auf den Hallenboden herunter.
Ich kann tatsächlich nicht bestimmen, welche Masse der Brocken hat, dachte sie unruhig. Die Fremdmaterie aus dem Creaversum war ein Widerspruch in sich. Jeder, der damit zu tun hatte, wusste, wie gefährlich dieser Stoff war. Sie erinnerte sich an einen Vortrag von Eric Leyden, dessen Holoaufzeichnung sie studiert hatte. Der Hyperphysiker hatte Kreell einmal als das »Negativ einer Fusionsbombe« bezeichnet. Der Vergleich war originell und bizarr, aber typisch für Leyden.
Und jetzt steckt er selbst darin fest, dachte sie. Das ist keine Ironie mehr ... das ist Bösartigkeit. Sofern das Schicksal so etwas kennt.
»Fluglage stabil«, sagte Gaborova. Sie behielt die Messwerte genau im Auge. Wie sehr man sich auf diese Daten verlassen konnte, war eine andere Geschichte. Kreell hatte auf vielen Ebenen der Physik Auswirkungen, die häufig erratisch waren. Prognosen und Hochrechnungen lagen oft falsch. Für eine Physikerin wie Gaborova war das Albtraum und Faszinosum zugleich. »Wie können Lebewesen in so etwas hineingeraten?«, fragte sie leise.
»Immerhin leben sie noch«, sagte Leibnitz. »Haben Sie die Berichte und Analysen gelesen?«
»Hat er«, knarzte der Frosch. Da er ein nanogestütztes Hologramm mit der Fähigkeit zur Funkkommunikation war, drang seine Stimme aus den internen Akustikfeldern der Raumanzüge, als habe er normal gesprochen. »Und zwar ausgiebig. Herr Brömmers steht auf solche Rätsel. Kein Wunder, dass er keine Beziehung hat.«
»Ich hab ja dich«, spöttelte Brömmers.
Der Frosch warf ihm einen schrägen Blick zu. »Das ist erstens deprimierend, und zweitens würde ich das in normaler Gesellschaft besser nicht so formulieren. Das könnte zu falschen Assoziationen führen. Aber vielleicht sucht Doktor Gaborova ja einen Lebensabschnittsteilzeitgefährten?«
Brömmers wirkte übergangslos nervös. Gaborova grinste.
Grellrote Signallampen begannen zu blinken. Kleine LED-Leuchtturmlampen markierten das Areal, auf dem die Last fixiert werden sollte. Die Antigravaggregate senkten den Block langsam ab. Gaborova registrierte, dass der Energieverbrauch der massigen Geräte extrem hoch war. Das Kreell schluckte einen großen Anteil davon.
»Ich hasse dieses Zeug!«, äußerte Leibnitz mit Inbrunst. »Es kann zu jedem Zeitpunkt Schwierigkeiten machen ... und tut das auch.«
»Trotzdem wäre ich gern in der Eastside mit dabei gewesen«, murmelte Brömmers.
Leibnitz wackelte zweifelnd mit dem Kopf. »Ich weiß nicht. Es war keine Forschungsreise, wie Sie wissen. Und Feldeinsätze sind nicht unbedingt Ihre Sache, soweit ich informiert bin.«
»Das stimmt«, gab Brömmers zu. »Aber theoretisch ...«
»Die vier stecken nicht theoretisch in diesem Block, sondern ganz real«, stellte Leibnitz fest. »Dass man das verdammte Ding in der Southside der Galaxis gefunden hat, macht die Sache nicht besser. Die Daten, die uns die FANTASY von Gorrawaan mitgebracht hat, sind verwirrend. Außerdem ist der Block sehr viel älter als die dreißig Jahre, die das Leyden-Team verschwunden war. Doktor Gaborovas Frage ist in vielerlei Hinsicht berechtigt: Wie sind sie da hineingeraten?«
Er macht sich Sorgen um die vier, dachte Gaborova. Viele würden ihm das gar nicht zutrauen, aber ich habe ihn als sehr empathischen Menschen erlebt. Wie viel davon geht wohl auf Monade zurück? Wahrscheinlich weiß er das selbst nicht.
Direkt vor ihr arretierten automatische Greifer den Block sicher auf einer absenkbaren Plattform. Darauf würde der Kreellblock die Reise tief ins Innere des Monds antreten.
Gaborova war Wissenschaftlerin, aber als sie die fremdartige Materiemasse direkt vor sich hatte, spürte sie etwas. Ein Kribbeln in der Magengegend, eine diffuse Angst, die sie an die Prüfungspanik erinnerte, an der sie früher gelitten hatte. Alles in ihr schrie sie an, sich von diesem Ding fernzuhalten.
Wahrscheinlich war das alles nur Einbildung, aber die Fremdmaterie war tatsächlich gefährlich. Zumindest daran hatte sie keinen Zweifel.
Wenn schon ich mich so fühle – wie geht es wohl den Kollegen, die darin eingefroren sind?
»Ich aktiviere die Schwärme A und C«, kündigte Gaborova an.
144 kleine Schweberoboter erhoben sich, scannten den Block und sammelten sich dann in einem dicken Torus rings um ihn herum. Die Ergebnisse waren exakt so, wie Gaborova das erwartet hatte. Die Roboter würden nicht nur den Weitertransport des bläulichen Bernsteinbrockens überwachen, sie würden bei Problemen auch korrigierend eingreifen. Gaborova kannte die vorgesehenen Abläufe und die Spezifika von Kreell. Im Notfall würden die Roboter den Block isolieren und verhindern, dass die Fremdmaterie NATHAN schädigte.
Die spezielle Entwicklungsgeschichte der Hyperinpotronik machte NATHAN anfällig für Einflüsse, die aus dem Creaversum stammten. Die irdische Sonne hatte eines jener zwei Chasmen enthalten, die jeweils am Ende der Großen Ruptur lokalisiert gewesen waren. Durch den Dimensionsriss waren ungeheure Mengen Kreell und Halatium ins Einsteinuniversum gelangt. Nachdem im Jahr 2044 ein Posbi-Würfelschiff auf dem Mond havariert war, hatte sich Creaversum-Fremdmaterie exakt an diesem Absturzort gesammelt und war sozusagen zum Geburtshelfer von NATHAN geworden. NATHANS Vorsicht war demzufolge verständlich. So reizvoll, so vielversprechend die Forschung an diesem Block sein mochte: Die Gefahren lagen auf der Hand. Auf welche Weise das Kreell NATHANS Systeme und Strukturen beeinflussen konnte, war kaum vorherzusehen.
Die beiden Roboterschwärme würden den Block daher bereits beim kleinsten Anzeichen einer schädlichen Wirkung in ein inverses Hyper-D-Feld hüllen. Um nicht selbst von begleitenden Störimpulsen der Hyperinpotronik betroffen zu sein, agierten die Schweberoboter unabhängig und waren bewusst nicht mit NATHANS anorganischem Neuronat vernetzt.
»Schwärme in Position«, verkündete Gaborova.
»Anruf der Priorität A«, hörte sie eine Stimme aus den Akustikfeldern. »Stella Michelsen möchte Sie sprechen, Mister Leibnitz.«
Leibnitz gab sein Okay. Michelsen stand dem Unionsrat als Administratorin vor. Sie war ohne Frage eine der wichtigsten Personen im politischen Betrieb der Terranischen Union. Sie stand Rhodans geplanter Arkonreise zwar kritisch, aber grundsätzlich wohlwollend gegenüber. Dennoch würde der ehemalige Protektor einen schweren Stand haben, die anderen Koordinatoren zu überzeugen.
Gaborovas Sympathien lagen auf der Seite von Perry Rhodan, daraus hatte sie nie einen Hehl gemacht. Sie bewegte sich ein wenig zur Seite, aus dem Erfassungsbereich des Komholos hinaus. Sie wollte auf keinen Fall die politische Bühne betreten. Leibnitz musste das tun, sie selbst wollte mit dem Politzirkus nichts zu tun haben.
Leibnitz hatte ihre Reaktion bemerkt. Mit einem leichten Lächeln zog er sich ebenfalls etwas zurück. Während er die Verbindung aktivierte, übermittelte Gaborova die aktuellen Daten an Frascino Abberly, der die Absenkung des Blocks durch NATHANS Tiefetagen leiten würde. Sie erhielt lediglich eine knappe automatische Bestätigung. Sie war ein wenig irritiert. Aber wahrscheinlich hatte Abberly zu viel zu tun.
Vor Leibnitz baute sich ein großes Hologramm auf und präsentierte die in einem Sessel sitzende Michelsen. Die Bildqualität war sogar akzeptabel, wenn man die Nähe der riesigen Kreellmasse bedachte.
»Administratorin«, grüßte Leibnitz. Er war Ansprechpartner für alle Kontakte zu NATHAN auf hoch diplomatischer Ebene, und Michelsen kannte ihn seit Langem.
»Mister Leibnitz«, sagte sie ruhig. »Wie ich höre, sind Sie bereits dabei, dieses exotische Teufelszeug zu entladen. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass mir ein Aufbewahrungsort sehr viel weiter weg lieber gewesen wäre. Neptun oder sein Mond Triton wären eine gute Wahl gewesen ...«
Leibnitz lächelte unverbindlich. »Weil der arkonidische Sondergesandte dort aufgetaucht ist? Ich nehme an, diese Assoziation hätte Tamanur da Gonozal nicht gefallen.«
Das war der arkonidische Botschafter, der den Hilferuf der Imperatrice Emthon V. überbrachte, erinnerte sich Gaborova. Der Grund für den Flug der CREST II nach M 13.
»Wahrscheinlich nicht«, gab Michelsen zu. »Aber Sie verstehen, warum mir mit diesem Kreellbrocken in der Nähe der Erde nicht ganz wohl ist?«
»Ausgerechnet auf dem Mond und in NATHANS Einflussbereich!«, fügte Leibnitz hinzu. »Ich verstehe Sie sehr gut, Administratorin.«
»Nehmen Sie das nicht persönlich, Mister Leibnitz«, sagte Michelsen und schien mit ihrem nicht komplett sichtbaren Bein etwas wegzuschieben – wahrscheinlich ihren aufdringlichen Roboterhund Diamond.
Leibnitz schüttelte den Kopf. »Ihr Problem – besser: das Problem der irdischen Politik – ist mir geläufig. Ich kann es sogar nachvollziehen, bis zu einem gewissen Grad.«
Michelsen blieb ruhig. »Kein Politiker auf der Erde ist glücklich darüber, dass sich auf Luna eine weitere Intelligenz manifestiert hat. Die seitdem vergangene Zeit ändert daran nichts. Von einer nicht einzuschätzenden Bedrohungslage einmal abgesehen: Es engt unseren Spielraum enorm ein, dass ein Spieler mit am Tisch sitzt, der uns haufenweise Rätsel aufgibt, undurchschaubar ist und dabei wahrscheinlich deutlich intelligenter als alle anderen. Glauben Sie mir, in der Vergangenheit wurde schon aus weitaus harmloseren Gründen Krieg geführt.«
Leibnitz schürzte kurz die Lippen. »Sie wissen natürlich, dass NATHAN jedes Wort mitbekommt?«, fragte er. »Wir kommunizieren über einen offenen Kanal.«
»Die Hyperinpotronik – von wem stammt eigentlich dieses Wortungetüm? – weiß genau, dass eine solche Entscheidung nicht ansteht und ich alles tun würde, um so etwas zu verhindern«, beteuerte Michelsen. »Ich spreche rein theoretisch. Sie müssen verstehen, wie die Stimmungslage ist. Das Kreell ist außerordentlich gefährlich. Sie waren in Andromeda und der Eastside dabei – damals, vor dreißig Jahren. Ihnen muss ich das nicht erklären. Sie wissen außerdem, dass NATHAN damit fertigwerden kann – wir auf der Erde eher nicht. Wir könnten das Ding samt Inhalt lediglich irgendwo wegsperren und hoffen, dass nichts schiefgeht. Der Mond ist da zumindest ein bisschen sicherer, die Entfernung zu uns ist größer, und dann ist da noch das eingeschlossene Dunkelleben. Obwohl in der kürzlichen Anhörung der Eindruck entstanden sein mag, wir würden diese Gefahr nicht ernst nehmen. Glauben Sie mir: Das tun wir! Letztlich war es ein politisches Spiel, um Rhodan an die Kandare zu nehmen. Die juristische Ausnahmeposition des Protektorenamts ist vielen ein Dorn im Auge. Dabei haben wir die Bedeutung des Dunkellebens, Hondros Unternehmungen und die Einschätzungen der Oproner von Lashat bewusst beiseitegelassen.« Michelsen hustete und räusperte sich dann kräftig.
»Sie wollen sagen, in Wirklichkeit hat Rhodan trotz des Nutzens, den er daraus zog, am Ende nur getan, was ihm sein Amt vorgab«, reagierte Leibnitz höflich. Er versuchte offenbar, seinen Widerwillen gegen politische Ränkespiele nicht durchklingen zu lassen.
»Mister Goslin hatte recht mit seiner Argumentation«, sagte Michelsen. »Der Rat konnte Rhodan nicht zustimmen, so sieht es aus. Aber die Tatsache, dass der geborgene Kreellblock in den äußeren Schichten mit Dunkelleben verseucht ist, hat alle erschreckt. Mich eingeschlossen. Das ist der eigentliche Grund für die Überstellung an NATHAN.«
»Sie meinen, im Zweifelsfall soll NATHAN sich die Finger verbrennen, und der Rat ist aus dem Schneider?«, fragte Leibnitz sarkastisch. »Sehr schön. Einen Sündenbock haben Sie dann ebenfalls sofort zur Hand – und eine Begründung für irgendwelche absurden Gegenmaßnahmen.«
Michelsen lehnte sich entspannt zurück. »Ich sehe, wir verstehen einander.«
»Lassen Sie mich raten«, fuhr Leibnitz fort. »Zu keinem Zeitpunkt bestand eine Gefahr für die Bevölkerung der Erde.«
Michelsen lachte laut. »Sie hätten Politiker werden sollen, Mister Leibnitz.«
»Lieber nicht. Ich nehme an, die Tatsache, dass die FANTASY ohnehin in ihrem regulären Hangar in der Lunar Research Area geparkt wurde, war ebenfalls hilfreich.«
Die Administratorin legte den Kopf ein wenig schräg. »Was für ein Zufall, nicht? Keine großen Aktionen, keine Absicherungsprotokolle, keine gefährlichen Flüge ... Kaum jemand bekommt etwas mit. Wissen Sie, was Journalisten, Meshaktivisten wie diese sogenannten Infizienten oder andere Schnüffler daraus hätten machen können? Mit diesen Schlagzeilen hätten sie für ein Jahr ausgesorgt gehabt. Mit Bildmaterial wahrscheinlich sogar deutlich länger.«
»Dann sind wir wohl alle froh, dass es so läuft, wie es eben läuft«, sagte Leibnitz trocken.
Neben ihm räusperte sich Brömmers. »Es ist so weit!«
Michelsen schien ihn gerade erst zu bemerken. »Guten Tag, Doktor Brömmers!«
Der Frosch drängte sich nach vorn und glotzte die Administratorin an. »Ich hab Sie nicht gewählt!«, quakte er.
Michelsen hatte sich gut im Griff, aber Gaborova registrierte das kaum wahrnehmbare Zucken in den Augenwinkeln der Politikerin.
»Das musste mal gesagt werden!«, fügte der Frosch hinzu und krabbelte wieder zurück.
»Tut mir leid«, murmelte Brömmers betreten. Gaborova musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen.
Ein leises Winseln schien Michelsen zurück in die Realität zu holen. Ihr eigenes Haustier war kein bisschen weniger exotisch als Brömmers Holofrosch. Ihr Roboterhund Diamond sorgte immer wieder für Aufregung.
»Kein Problem«, behauptete sie. »Es wäre schön, wenn Sie mich bei Gelegenheit auf den neuesten Stand brächten.« Dann schaltete sie ab.
»Ich finde Politik verwirrend«, sagte Brömmers. »Der Unionsrat tut also, als ob er dagegen wäre, dass der Kreellblock auf dem Mond verwahrt wird, obwohl die Ratsmitglieder es in Wahrheit gut finden?«
»Nicht nur das«, bestätigte Leibnitz. »Auf diese Weise haben die Koordinatoren die Möglichkeit, sich selbst aus dem Fokus herauszuhalten. Man wird sie bei Schwierigkeiten nicht in Haftung nehmen. Dabei wissen sie nicht mal im Ansatz, wie wichtig gerade dieser Block für NATHAN sein könnte. Ich fürchte, in diesem Fall wären die Konflikte gewaltig.«
Brömmers bewegte sich unruhig. Er fühlte sich unbehaglich, das war ihm anzusehen. Gaborova überlegte, was Leibnitz damit gemeint hatte.
»Nun, ich hoffe, dass die Priorität auf der Rettung der Kollegen liegt«, sagte Brömmers.
Der Frosch schmatzte. »Genau. Kollege Hermes hat jede Unterstützung verdient. Oder sieht das jemand anders?«
Leibnitz grinste. »Nein. Natürlich nicht. Aber über die Chancen sollten wir uns nicht selbst täuschen: Ohne das Enzym Katlyk kommen wir dieser Substanz nicht bei. Daran lässt sich wohl leider nichts ändern.«
Brömmers schaute auf den bläulichen Bernsteinblock. »Das muss furchtbar sein, so eingeschlossen zu sein. Ich frage mich, wie das die Wahrnehmung beeinflusst oder die Neurologie als Ganzes. Kann man länger darin festsitzen, ohne wahnsinnig zu werden? Tuire Sitareh hatte damals einen Zellaktivator – diese vier erhielten lediglich eine Zelldusche. Und deren Wirkung müsste mittlerweile abgelaufen sein.«
Leibnitz schwieg. Womöglich grübelte er über die Pläne nach, die NATHAN mit den im Kreell gefangenen Wissenschaftlern Eric Leyden, Luan Perparim und Abha Prajapati hatte.
Ein grelles, grünes Leuchtsignal holte alle aus ihren Gedanken. Der Abstieg des Kreellblocks durch den Schacht stand bevor. Tief unterhalb der Mondoberfläche würde er in einem maßgeschneiderten Silo untergebracht und überwacht werden.
Ein Holo flackerte auf und stabilisierte sich. Der Einfluss des Kreells war ein Störfaktor, der technische Funktionen immer wieder beeinträchtigte; leider konnte man keine tauglichen Prognosen erstellen. Vieles am Kreell war hochgradig erratisch. Die beiden Roboterschwärme würden diese Einflüsse abpuffern.
»Mister Abberly«, grüßte Leibnitz. »Wie ich höre, ist alles bereit?«
Frascino Abberly war der Sohn einer Italienerin und eines Schotten. Ein magerer, beinahe verhärmt aussehender Mann mit seitlich scharf ausrasierten, rötlichen Haaren und fast schwarzen Augen. Da er einen leichten Raumanzug trug, war wenig davon zu sehen: nur die spitze Nase und die scharfen Falten um die Mundwinkel. Er galt als unangenehm, woran seine scharfe Stimme sicher großen Anteil hatte. Sie erinnerte Gaborova immer an das Geräusch, das entstand, wenn man zwei Stücke sehr groben Sandpapiers gegeneinanderrieb. Davon abgesehen, war er als Ingenieur und experimenteller Hyperphysiker eine Kapazität.
»Ich bin so weit, Mister Leibnitz«, sagte Abberly. »Doktor Gaborova hat die Kontrolle an mich übertragen. Die Roboterschwärme sind stabil. Der Block ebenfalls.«
»Starten Sie das Abstiegsprotokoll«, ordnete Leibnitz an. »Holen Sie das Artefakt nach unten, und lassen Sie keine der Quarantänestufen aus.«
Abberly nickte nur.
Das Holo erlosch. Dafür setzte sich die Schachtabdeckung, auf der die Antigravaggregate und Greifer den Block verankert hatten, in Bewegung. Wie ein gewaltiger Lift glitt sie nach unten. Der Abstieg würde geraume Zeit dauern.
»Ich kann den Typ nicht leiden!«, quakte der Holofrosch laut.
»Ist das deine Meinung oder die von Doktor Brömmers?«, fragte Leibnitz, während er mit den Augen dem Block folgte.
»Er mag ihn nicht«, sagte der Frosch giftig. »Aber ich kann ihn so richtig nicht ausstehen! Ich hab ein Gefühl für solche Kerle. Vertraut mir.«
Der Kreellblock war nun tief genug. Aus den Seiten des Schachts schob sich eine neue Abdeckung und versiegelte die Öffnung.
Prallfelder bauten sich auf und strukturierten die riesige Halle. Die Luftversorgungssysteme sprangen an und füllten die Umgebung rasch wieder mit Atmosphäre. Kurz darauf faltete Leibnitz seinen Helm zusammen, und Brömmers tat dasselbe. Gaborova öffnete ihren Raumanzug als Letzte.
»Eigenartig«, sagte Brömmers. »Obwohl es dieselbe Luft aus der Konserve ist, bezeichne ich sie im Kopf als ›frische Luft‹.«
Gaborova lachte auf. »Geht mir genauso.«
Leibnitz schmunzelte. »Frische Luft auf dem Mond. Das wird schwierig.«
»Ich habe eine Strukturanalyse des Blocks angefertigt, um eventuelle Schwachstellen zu identifizieren«, sagte Brömmers. »Wenn Sie Interesse haben ...?«
Leibnitz machte eine einladende Handbewegung. »Wir sind nah bei der Sektion C der Halle. Dort drüben ist ein kleiner Präsentationsraum. Kommen Sie?«
Brömmers nahm den Frosch von der Schulter und folgte Leibnitz. Gaborova schloss sich an. Mit dem Absenken der Liftplattform war ihre Aufgabe erledigt. Nun lag die Verantwortung bei Abberly. Alle drei setzten sich um einen Tisch mit Projektorsockel, Brömmers aktivierte ein Hologramm in der Mitte, um seine Ergebnisse zu zeigen.
Gaborova rief sich alles ins Gedächtnis, was sie über Kreell und Molkex wusste. Das Kreell war chemisch mit den bekannten Elementen des Periodensystems nicht darstellbar, gleichzeitig war damit eine große Anzahl an üblichen Zugriffsmöglichkeiten auf das Material unwirksam. Säuren, Basen, Lösungsmittel ... all das war aussichtslos. Sie glaubte sich daran zu erinnern, dass Fluor-Antimonsäure zumindest eine minimale Wirkung gezeigt hatte. Die Kombination aus Antimonpentafluorid und Fluorwasserstoff steigerte die Säurewirkung um den Faktor zehn hoch drei. Allerdings war die Wirkung nicht annähernd ausreichend, um die vier Lebewesen aus diesem Block zu schälen – und was geschah, wenn die Körper mit einer derart höllischen Säure in Kontakt kamen, wollte sie sich gar nicht erst vorstellen.
»Sie sehen eine Art Verwerfungslinie im oberen rechten Oktanten?«, fragte Brömmers, während der Frosch auf den Tisch sprang.
»Ja«, sagte Leibnitz. »Aber in welcher Weise hilft uns das?«
Brömmers zögerte. »Momentan hilft uns das überhaupt nicht. Aber wenn es uns gelingen sollte, an Katlyk zu kommen, wäre bei einem Ansatz an dieser Stelle gerade mal ein Zehntel der bislang angenommenen Menge notwendig.«
Gaborova stieß die Luft aus. »Zehn Prozent nur? Das ist eine deutlich bessere Ausgangslage, oder nicht?«
Leibnitz lehnte sich zurück. »Gute Arbeit. Aber am Grundproblem ändert das nichts: Wir haben kein Katlyk.«
»Können wir die Blues nicht kontaktieren?«, fragte Brömmers. »Oder einen Boten schicken?«
Leibnitz lachte kurz und hart auf. »Schon bei Rhodans Wunsch, eine Expedition nach Lashat zu starten, war die Antwort ›Nein!‹. Und da ging es um den Protektor persönlich. Niemand wird eine solche Genehmigung erteilen. Zudem: Welches Schiff ist für einen solchen Fernflug geeignet? Die FANTASY ist Schrott, die CREST II ist nach Arkon geflogen. Die MAGELLAN ... Niemand wird diesen Schiffsriesen wegen einer solchen Lappalie in Marsch setzen.«
»Lappalie!«, empörte sich Brömmers. »Es geht um das Leben von drei renommierten Wissenschaftlern.«
»Und eines sehr talentierten Katers«, fügte der Holofrosch wie immer ungefragt hinzu.
»Ich stimme Ihnen zu, Doktor Brömmers«, sagte Leibnitz. »Aber bei den maßgeblichen Leuten wird das nicht reichen. Sie haben gerade erst ein politisches Szenario erleben dürfen.«
»Die Posbis ...«, fuhr Brömmers fort. »Sie könnten ...«
»Technisch ja«, fiel ihm Leibnitz ins Wort. »Aber für sie steht NATHAN im Mittelpunkt. Sie werden sich nicht für uns einspannen lassen. Und NATHAN wird das gute Verhältnis zu den Robotern nicht aufs Spiel setzen. Nicht mal für das Team Leyden. Außerdem vergessen Sie etwas.«
»Hm?«, machte Doktor Eduard Brömmers unwillig.
»Die normalen Sonnentransmitter funktionieren nicht mehr korrekt. Das Risiko ihrer Nutzung ist gewaltig – sogar für die Posbis. Seit ihrer Dezimierung werden sie von einer Art Selbsterhaltungstrieb dominiert. Sie werden also nicht fliegen.«
Katharina Gaborova schielte zu Monade hinüber, die dicht hinter Leibnitz schwebte. Das eigenartige Gefühlsleben der biologisch-positronischen Maschinen war schwer vorherzusagen. Das galt für Monade ebenso wie für alle anderen. Bereits die Frage, ob man die Zustände der Maschinen mit »Gefühlen« richtig beschrieb, war kaum zu beantworten.
Eine Kontaktanfrage beendete die fruchtlose Diskussion. Leibnitz gab den Kanal frei.
Laura Bull-Legacy wurde im Komholo sichtbar. »Leibnitz, was ist los?«, fragte sie.
Leibnitz runzelte die Stirn. »Was soll ...?«, setzte er an.
»Wo bleibt der Kreellblock?«, unterbrach sie ihn. »Das Startsignal haben wir bekommen, aber der Schacht ist leer.«