Читать книгу Perry Rhodan Neo 223: Die Planetenmaschine - Rainer Schorm - Страница 7
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Schwund
Katharina Gaborova wurde kalt. »Leer? Das ist unmöglich. Wir waren alle dabei, als die Absenkung begann. Mittlerweile müsste der Block Sie erreicht haben.«
»Hat er nicht!«, beharrte Laura Bull-Legacy. »Und Abberly ist ebenfalls verschwunden. Ich habe mehrfach versucht, ihn zu kontaktieren.«
Doktor Eduard Brömmers sprang auf. »Was sagen die Aufzeichnungen?«
»Nichts«, antwortete die NATHAN-Interpreterin. Sie war eine der wenigen Personen, die den Flug der FANTASY mitgemacht hatte und nach der Rückkehr nicht unter Sicherungsverwahrung gestellt worden war. NATHAN hatte seinen Einfluss geltend gemacht. Rechtlich waren die Zwillinge ihm unterstellt. Jeremiah Goslin, ihr Anwalt, hatte alle Register gezogen. »Der Schacht ist leer. Ganz simpel. Das ist ein Fakt, und mehr wissen wir momentan nicht.«
Leibnitz hatte bereits reagiert. Ein stummer Alarm durcheilte die gesamte Anlage. Es dauerte keine fünf Minuten, bis das unglaubliche Ergebnis feststand: Der Kreellblock und Frascino Abberly waren und blieben spurlos verschwunden.
Man fand die ausgeschalteten Leiteinheiten der beiden Roboterschwärme. Der Rest fehlte. Der Dieb musste die Kontrolle an sich gerissen haben.
Oder jemand hat das exakt vorbereitet, dachte Gaborova. Sie sah, dass Leibnitz wohl zum selben Ergebnis gekommen war. Über Monades Oberfläche flackerte ein dunkelgrüner Lichtschein. Die Posbi teilte Leibnitz' Gefühlsleben auf eine Weise, die sich wahrscheinlich kein Mensch vorstellen konnte.
Für den fraglichen Zeitraum waren fünf Starts von Raumfahrzeugen registriert, aber weitere Hinweise gab es nicht. Abberly – oder derjenige, der ihn entführt hatte – hatte seine Spuren erfolgreich verwischt. In einer Umgebung wie der von NATHAN war das ein verblüffendes Kunststück. Es existierten einige Abzweigungen vom und Zuführungen zum Liftschacht, in dem der Kreellblock in die Tiefe geschickt worden war. Aber welchen dieser Wege man für den Diebstahl verwendet hatte, ließ sich nicht bestimmen. An allen hierüber zugänglichen Ausgängen aus dem NATHAN-Areal konnten kleine Schiffe geparkt werden – lediglich zwei Routen vermochte Leibnitz auszuschließen: Deren Querschnitt war für den Kreellblock zu klein.
»Ich lasse die Spuren der fünf Schiffe verfolgen, so gut das geht«, sagte Leibnitz wütend. Auf Gaborova wirkte es, als empfinde er den Diebstahl als persönlichen Angriff.
Und wir wissen, wie gefährlich diese Substanz ist, dachte sie. Von der Gefahr für die Eingeschlossenen gar nicht zu reden. Wie war es möglich, direkt unter den Augen von NATHAN das Kreell nicht nur zu stehlen, sondern sogar wegzuschaffen?
Die Informationen flossen, allerdings halfen sie nicht weiter. Die Sache blieb ein Rätsel.
Monade reagierte kaum. Leibnitz machte ebenfalls einen ratlosen Eindruck. Die Posbi war nie geschwätzig gewesen, aber gerade in dieser Situation hätte Gaborova den einen oder anderen Kommentar durchaus zu schätzen gewusst. Leibnitz knirschte mit den Zähnen. Gaborova registrierte, dass Brömmers zusammenzuckte.
»Glauben Sie ...«, begann Brömmers.
Leibnitz winkte ab. »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich hatte den Gedanken ebenfalls. Aber ich glaube nicht, dass das politische Establishment der Terranischen Union ein solches Doppelspiel initiiert hat. Man schätzt NATHAN vielleicht nicht, aber kein Mensch mit einem Funken Verstand würde die Hyperinpotronik derart unterschätzen. An seinen Fähigkeiten hat niemand Zweifel. NATHAN konnte bereits mehrere Sabotageunternehmen erfolgreich abwehren. Wer also diesmal seine Finger im Spiel hat, verfügt über zusätzliche Möglichkeiten – woher auch immer die stammen mögen. Außerdem weiß ich beim besten Willen nicht, wie Abberly in das andere Konstrukt passen könnte. Er hat mit den normalen politischen Spielplätzen von Terranischer oder Solarer Union nichts zu tun.«
»Beruhigend, sollte man denken«, murmelte Brömmers.
Als sich Laura Bull-Legacy erneut meldete, stand ihre Zwillingsschwester dicht hinter ihr.
»Laura, Sophie, was ist los?« Leibnitz spürte offenbar, dass dieses Gespräch unerfreulich werden würde.
»Am letzten bestätigten Aufenthaltsort des Kreellblocks wurden Spuren von Dunkelleben gefunden«, teilte Laura mit.
»Stammen sie von den invasiven Einsprengseln im Block?«, fragte Leibnitz. Monade schob sich neben ihn, als sei sie ebenso gespannt.
»Nein«, antwortete Sophie. »Wie wir wissen, sind zumindest die äußeren Keime des Dunkellebens abgestorben – über die weiter innen steckenden Spuren wissen wir nicht genug. Es gibt eine Theorie, dass Dunkelleben im Kreell generell abstirbt, aber mehr als Spekulation ist das nicht. Nein, diese Spuren fanden wir in DNS-Rückständen, die wir Abberly zuordnen konnten.«
»Er war infiziert?« Brömmers war entsetzt. »Könnte er andere ebenfalls ...«
Laura winkte bereits ab. »Nein, die Profile deuten darauf hin, dass er ein Link ist. Einer derjenigen, die Iratio Hondros Einfluss weiterleiten. Wir wissen, dass Hondro seine Beauftragten mit diesen Mikrokeimen kontrolliert. Das war auf Rumal so und in allen darauffolgenden Fällen. Es ist keine Infektion im eigentlichen Sinn. Und Hondro ist kein Mutant, kein Suggestor oder Hypno, wie viele glauben.«
Ein Link, dachte Gaborova. Ich hab's befürchtet.
Dass Hondros Einfluss bis ins Herz von NATHAN reichte, alarmierte Leibnitz sichtlich. »Das war gut vorbereitet«, sagte er. »Er muss die Nachricht von der Rückkehr der FANTASY ohne Zeitverzögerung bekommen haben. Vielleicht sogar von Abberly selbst, das würde einiges erklären. Dass auf dem Mond weitere Hondro-Links herumschleichen könnten, ist beunruhigend, aber nach diesen Informationen naheliegend. Abberly hat die Programmroutinen der Roboter nach seinen Wünschen manipuliert. Und wir Idioten haben die Schwärme von NATHAN isoliert und sie Abberly damit auf dem Tablett serviert. Was wissen wir noch?«
Laura rief eine Übersicht auf. Gaborova erkannte eine Aufstellung von Transmitterdurchgängen.
Kann er das derart schnell durchgezogen haben?, fragte sie sich, nur um sich selbst sofort zu antworten: Wenn dort andere Hondro-Links platziert waren, dann ja!
Laura schien zu ahnen, was in Leibnitz vorging. »Das war ein gut vorbereiteter Coup«, sagte sie. »Vom Saturntransmitter ging über PORTORIUM I eine Passage nach Olymp ab. Alles ganz legal und ohne Auffälligkeiten.«
»Olymp ist nur ein Zwischenstopp«, vermutete Leibnitz. »Im Castorsystem hat Abberly alle Möglichkeiten, sein tatsächliches Ziel zu verschleiern. Drei Sonnen- und ein riesiger Situationstransmitter – das sollte reichen.«
»Ging es womöglich ins Capellasystem?«, fragte Brömmers. »Glauben Sie, er will nach Plophos?«
»Quatsch!«, quakte der Holofrosch und hüpfte mit einem riesigen Satz von Brömmers Schulter. »Wer lesen kann, ist im Vorteil ... sofern er's auch tut! Alles klar?«
Brömmers runzelte die Stirn. »Äh ... nein?«
Der Frosch seufzte wie ein enttäuschter Liebhaber. »Mensch, Herr Brömmers! Es gab keine Transmitterpassage Richtung Capella. Nicht im fraglichen Zeitfenster. Was würdest du eigentlich ohne mich tun?«
»Besser schlafen vermutlich«, antwortete Doktor Eduard Brömmers trocken. »Aber du hast recht.«
Gaborova hatte eine düstere Vorahnung. Dass Iratio Hondro seine Machtbasis ausbaute, war nicht neu. Er hatte auf Rumal und Epsal nicht das erreicht, was ihm vorschwebte, die Tendenz indes war eindeutig. Der ehemalige Obmann von Plophos strebte nach Macht und Einfluss. Auf Plophos hatte er längst alles unter Kontrolle. Der Diebstahl des Kreells war in diesem Kontext unverständlich. Die Fremdmaterie war für die Wissenschaft Gold wert – für normale Menschen jedoch war sie nur eine Gefahr. Zumal Hondro nicht über das zur Bearbeitung nötige Katlyk verfügte.
»Was kann er damit nur wollen?«, überlegte Leibnitz halblaut.
Eine Nachricht von NATHAN wurde angezeigt. Die Hyperinpotronik hatte Olymp kontaktiert. Laura und Sophie machten aus ihrer Verblüffung keinen Hehl. Für Leibnitz hingegen waren die Kontakte zwischen NATHAN und Kaiser Anson Argyris anscheinend nichts Neues. Für Katharina Gaborova schon. In diesem Fall war der Kontakt offenbar über Jerome Fascal erfolgt, den persönlichen Referenten des Kaisers.
»Wir können uns nicht an die terranischen Behörden wenden«, sagte Leibnitz bitter. »Es war schwer genug, die Genehmigung zum Transport des Kreellblocks nach Luna zu erhalten. Was glauben Sie, was los sein wird, wenn wir zugeben müssen, dass man ihn hier gestohlen hat. Direkt vor unserer Nase?«
»Die Hölle«, sagte Laura trocken.
»Das ist wahrscheinlich sogar eine Untertreibung. Also wendet sich NATHAN an einen Verbündeten: Kaiser Argyris.«
»Sie wussten das?«, fragte Sophie Bull-Legacy ein wenig pikiert.
Leibnitz nickte. »NATHAN hängt das bewusst nicht an die große Glocke. In diesem Fall ist das gut für uns, denn Hondro kann darüber nicht informiert sein. Bis auf Jerome Fascal und den Kaiser selbst ist keiner eingeweiht.«
»Und wenn Kaiser Argyris selbst einer von Hondros Links ist?«, fragte Laura Bull-Legacy bedrückt.
Leibnitz lachte kurz, obwohl die Lage ernst war. Die Gefahr war gerade erst im Entstehen begriffen, aber sie würde wachsen.
»Kaiser Argyris ist sicher vieles«, sagte er leise. »Das meiste würde Sie wahrscheinlich überraschen. Aber ein Link ist er ganz gewiss nicht.«