Читать книгу Wildnis Nordkanada - Paradies und Hölle - Ralf Dobrovolny - Страница 10
Vorwort zum Tagebuch
Оглавление1987 - Ein total verregneter Herbsttag.
Wir hocken im Boot beim Angeln auf dem Altrhein bei Speyer. Zwei blutjunge Burschen, erfüllt von Tatendrang und Träumen. Und so reden wir wieder mal, wie so oft, über unser lange gehegtes Vorhaben. Schwärmerisch beflügelt man gegenseitig die Phantasie. Nach wohlüberlegtem Ausloten der Möglichkeiten, stand fest:
„Übernächsten Sommer muss es endlich möglich sein. Dann packen wir die Sache an.“ – In den hohen Norden Amerikas. In die Wildnis. Für längere Zeit!
Schon 3 Jahre zuvor planten wir den großen Trip, der damals durch Thomas’ Einberufung zum Militär vereitelt wurde. Ja, bereits seit frühester Jugend (etwa mit zwölf) träumten beide von kühnsten Unternehmungen. Vom Wandern, Campen, Angeln und Jagen in großen Wäldern, an fischreichen Wassern, fern jeglicher Zivilisation. Nun, seit unserem „Bootsbeschluss“ wurden die Pläne zunehmend konkreter. Die Chancen wuchsen. Allerdings war noch nicht ganz klar, wohin genau die Reise gehen sollte. Thomas sprach mehr von Kanada, ich tendierte zu Alaska.
Wir holten Informationen ein: Bücher, Filme, Vorträge, studierte Landkarten. …Und unterhielten uns immer öfter über Vorstellungen vom Leben in der Wildnis, über reichen Fischfang, auch über manche Risiken.
Risiko? Was hatten wir denn schon zu verlieren?
Da war doch auch noch eine andere, ganz maßgebliche Motivation für unser Unternehmen. Gesellschaftsheuchelei, Alltagstrott, Kommerzgier, Zivilisationsfrust schlechthin, all dies widerte uns an. Ja, ja „die Jugend heutzutage ist unzufrieden“, sagt man, „dabei weiß sie nicht, wie gut sie´s hat.“ Gerade dieses Klischee-Gequatsche stieß uns ab.
„Verdammt“, meinten Thomas und ich, „das Leben muss doch noch mehr zu bieten haben“! ...und so verdichtete sich der Plan für die Reise über den großen Teich immer mehr, wobei nicht ausgeschlossen war, für immer die Zelte in der Heimat abzubrechen.
Im Sommer 1988 setzten wir uns erneut, intensiv vorbereitet, in Thomas´ Bude bei einem Bierchen zusammen, um weiter „Nägel mit Köpfen“ zu machen. Über am Boden ausgebreiteter Landkarten gebeugt, entschieden wir für den Norden Kanadas. Genauer gesagt, das nähere Mackenzie-Gebiet stand zur Debatte. Und … „nächstes Frühjahr muss es losgehn!“
Befassten uns beinahe täglich mit dem Plan. Leider musste festgestellt werden, dass der Mackenzie River und seine direkt angrenzenden Gebiete bereits ein beliebtes Ziel für Outdoor-Leute ist. Damit war dieser Bereich passé.
Durch die umfangreichen Nachforschungen haben wir jedoch viel über den Norden Kanadas erfahren und bemerkt, dass das Gebiet zwischen dem Großen Sklaven See und Großen Bären See noch echtes Niemandsland sei, abgesehen von wenigen kleinen Indianersiedlungen. Eine Region von etwa einer Größe der Bundesrepublik. Der neue Entschluss stand fest. Wir wählten Yellowknife, am Nordufer des Sklaven See, größte Ansiedlung der Northwestterritories, als Ausgangspunkt für das Unternehmen Busch. Ja, als wildes, raues, nur schwer zugängliches Buschland wird es beschrieben und die Landkarte macht den Eindruck, als gäbe es nahezu so viel „Blau“ wie „Grün.“
Also, von Yellowknife aus Richtung Norden, zunächst den Yellowknife River aufwärts, wollen wir uns orientieren.
Es würde sicherlich kein Spaziergang werden, das war klar. Doch was haben wir, Thomas und ich, nicht schon gemeinsam gemacht, bewältigt? Wir, ein festgeschmiedetes, hartgesottenes Team, mit vielerlei Erfahrung! Noch minderjährig trampten wir ins Ausland. Den Sommer darauf war eine Boot-Tour durchs Jagst- und Neckartal angesagt. Die nächsten Ferien kam ein Paddeltrip auf der Altmühl an die Reihe. Ein Jahr später durchstreiften wir wenig bekannte griechische Inseln, stets weit abseits von jeglichem Tourismus. Im Frühjahr danach wurde man bei einer äußerst strapaziösen Wildwasser-Kanutour in den französischen Alpen, in vielen waghalsigen Aufgaben geprüft.
Aufenthalte in Norwegen und Irland nährten darüber hinaus mein ständiges Fernweh. Was man auch jemals zusammen unternahm, möglichst einfaches, einsames Leben wurde angestrebt. Rucksack, Zelt und Lagerfeuer als stetige Begleiter. Und so schmolzen wir über Jahre zu festen Freunden zusammen. Verstanden uns nahezu blindlings. Viele schwierige Situationen wurden durch jahrelanges Zusammenspiel wortlos gemeistert. Kurz, konnten uns stets aufeinander verlassen. Wahrscheinlich ist der Quell des ungebändigten Abenteuerblutes noch viel früher zu suchen. Schon Kindesbeine trugen uns über manch ausgedehnte Wanderung. Zelten, Holzsammeln, Feuermachen, Angeln lernte man sozusagen vor dem 1 x 1. Das ständige Atmen der Schönheit freier Natur prägte Denken und Sinne.
Nun, jeder weitere Vorbereitungsschritt spornte zusätzlich an, den Plan in die Tat umzusetzen. Allerdings, da gab es nicht ausschließlich von Begeisterung getragene Abwicklungen zu tätigen; nämlich Auflösung von Wohnung, Arbeit, diversen Verträgen und ähnlichem.
So verstrichen Monat um Monat. Der Winter nahte dem Ende. Das Wichtigste war über die Bühne. Ein Flugtermin musste gewählt werden. Dann hieß es langsam, - Abschied nehmen, der bei weitem schwierigste Schritt. Abschied nehmen von Angehörigen und Freunden. „Wen wird man wiedersehen?“ … und niemand wusste von dem geheimen Plan, vielleicht für mehrere Jahre fortzubleiben!
Gleich wie, man muss hinaus, die Fremde ruft, das Abenteuer lockt wie ein Magnet.
Wir wollten freie Menschen sein, gleich dem Vogel in den Lüften; „Eins sein mit der Natur ..… und Eins werden mit sich selbst.“
Wenn Kinderträume nicht erlöschen, wird mancher Traum zur Wirklichkeit!