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ОглавлениеKapitel 2
Die Polizeidirektion mit Kriminalpolizei und Polizeirevier befand sich in der Nähe der Innenstadt. So zeigte es das Navi an. Auch konnte man einen größeren Kirchturm in relativer Nähe bemerken. Dieser deutete auf den Mittelpunkt der Kleinstadt hin.
Am Eingang der Wache stellten sie sich einem stämmigen Uniformierten als Kollegen aus dem Harz vor und fragten nach Walter Allgaier. Der Stämmige telefonierte kurz und führte beide schließlich in ein Büro im zweiten Stockwerk des mehrstöckigen Gebäudes.
Allgaier war schlank, etwa um die 40 Jahre alt, ca. 1,90 m groß, trug Anzug ohne Krawatte. Die braunen Haare hatte er nach hinten gekämmt, die Geheimratsecken konnte man deutlich erkennen.
Die kurze Begrüßung mit Handschlag erfolgte nach Benders Eindruck recht frostig. Man nahm Platz und Allgaier hielt sich nicht lange mit Höflichkeiten auf.
„So, so…Sie sollen also ein Tötungsdelikt aufklären.“
Der skeptische Blick richtete sich dabei recht unverblümt auf Frank Lonzig. In seiner gelben Stoffhose mit rotem Hemd konnte der Kontrast zu Allgaiers Äußerem kaum größer sein.
„Bernhard Schwendinger….vermisst seit 2015 und jetzt als Leiche im Harz gefunden…. Aus den Akten geht hervor, dass eine Flucht aus der Ehe höchst wahrscheinlich schien. Wie man sich täuschen kann…“ Allgaier sprach fast akzentfrei, nur mit einem ein leichten schwäbischen Zungenschlag.
Bender fasste die bisherigen Erkenntnisse noch einmal kurz zusammen, ohne von Allgaier unterbrochen zu werden.
„Ja, dann werden wir wohl zusammen an die Arbeit gehen müssen. Es ist ja auch so von ganz oben abgesprochen worden.“ Das Wort „zusammen“ betonte er dabei recht deutlich.
„Der Kollege Veigel hat heute dienstfrei, ihn werden sie morgen kennenlernen. Er ist ja der hiesige Sachbearbeiter. Dazu werden Ihnen die Kollegen Sperling und Köhler zur Seite stehen. Mehr Personal kann ich ich im Moment nicht abstellen. Der Kollege Sperling wird ihnen später ihre Unterkunft, eine kleine Pension am Rande der Innenstadt, zeigen.
Aber vorher haben sie noch einen Termin bei unserem Polizeidirektor Ronald Winkler. Er erwartet sie, wenn wir hier vorerst fertig sind.“
Allgaier beorderte offenbar Sperling telefonisch zu sich, wartete schweigend und fixierte Bender und Lonzig nochmals eingehend. Beide fühlten sich nicht gerade willkommen. Irgendwie hatten sich sich den Empfang freundlicher und herzlicher vorgestellt.
Nach 2 Minuten betrat Sperling nach höflichem Anklopfen und einem lauten „Herein“ von Allgaier den Raum.
„Sperling, führen sie die beiden Herren doch bitte zu unserem Direktor und machen sich anschließend untereinander ein bisschen bekannt. Und nehmen sie Köhler dann mit ins Boot…wenn sie ihn denn finden… “
Sperling verließ zusammen mit Bender und Lonzig das Büro des Kripochefs. Auf dem Flur war es Lonzig, der überraschenderweise das Wort ergriff.
„Mensch, was war das denn…geht's eigentlich noch steifer…Mein lieber Mann!“
Sperling grinste.
„Na dann will ich euch mal herzlich willkommen heißen. Ich denke Allgaier hat nichts dergleichen ausgesprochen. Er ist sehr….sagen wir mal gewöhnungsbedürftig. Außerdem sind ihm Leute, die nördlich der Mainlinie zu Hause sind mehr als suspekt. Ich bin übrigens der Jörg… “
Bender und Lonzig stellten sich ebenfalls mit ihren Rufnamen vor. Sperling musste bei „Hinnerk“ wohl wieder leicht grinsen, versuchte es aber zu unterdrücken. Die drei nahmen den Fahrstuhl bis in den vierten Stock, gingen bis zum Ende eines langen Ganges wo Sperling vor einem Pult stoppte. Dahinter saß eine ca. 30-jährige Blondine mit einer üppigen Oberweite.
„Hallo Martina….darf ich dir die Kollegen Bender und Lonzig vorstellen. Verstärkung aus Norddeutschland.“ Sperling grinste erneut.
„Guten Tag die Herren, mein Name ist Martina Spänle. Herr Winkler erwartet sie schon!“ Frau Spänle erhob sich und verschwand grazil hinter einer großen Bürotür.
Kurz darauf kam sie zurück.
„Bitte einzutreten…“
Hinter einem mächtigen, offenbar hochwertigen Schreibtisch, Bender vermutete Teakholz, stand ein mittelalter Mann in Uniform mit viel Gold auf den Schulterstücken, der ihnen freundlich zublickte.
„Grüß Gott meine Herren, sie wurden mir bereits avisiert. Bevor sie zusammen mit meinen Mitarbeitern an die Arbeit gehen, möchte ich doch auf ein paar Punkte eingehen, die ich für wichtig halte…“
Bender und Lonzig stellten sich vor. Sperling blieb stumm, hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und blickte seinen Direktor leicht gelangweilt an.
„Absolut vorrangig ist selbstverständlich die Aufklärung dieses traurigen Tötungsdelikts. Sie sollten wissen, dass unsere diesbezügliche Rate bei 100 Prozent liegt…Ich möchte keine Verschlechterung dieser Quote. Ich denke, wir haben uns verstanden.“
Sperlings Blick wandelte sich nun von leicht gelangweilt zu leicht genervt. Ganz offenbar hatte er solche Aussagen schon des öfteren hören müssen.
Bender und Lonzig stimmten dem natürlich zu und versicherten unisono, gemeinsam mit den Kollegen ihrer Dienststelle in Glansrode alles zur Aufklärung beitragen werden.
„Also, zuerst der Fall…aber da gibt es noch weitere Aspekte, die unbedingt berücksichtigt werden sollten. Kriminalrat Allgaier und ich möchten auf dem Laufenden gehalten werden. Schließlich tragen wir die gesamte Verantwortung…“
Es folgte nun ein Monolog über Professionalität, Bürgernähe, Zusammenarbeit mit anderen Behörden, wieder Bürgernähe, Transparenz, äußeres Erscheinungsbild (dabei fixierte er Frank Lonzig, wie es schien, leicht angewidert), die Polizei in ihrer Außendarstellung, Disziplin, sportliche Fitness, Ernsthaftigkeit. Viele Themen überschnitten sich oder wurden von Winkler wiederholt. Benders Gedanken schweiften ab und er hörte irgendwann nicht mehr zu.
Erst als Winkler seine Stimme erhob und mit seiner Erwartungshaltung am Ende schien, erwachte Bender wieder aus der Phase unkonzentrierter Langeweile.
„Ich erwarte, dass dieser Fall schnellstmöglich zu aller Zufriedenheit gelöst wird. Grommingen ist ein liebenswertes Städtle und die Bürger ein anständiges Völkle. Aber das werden ihnen die Kollegen noch eingehender näher bringen. Also an die Arbeit… “
Auf dem Flur atmete Sperling so hörbar aus, dass die üppige Frau Spänle kurz von ihren Papieren aufschaute, die sie vor sich liegen hatte.
„Der Herr Polizeidirektor hört sich gerne philosophieren. Die Polizei nach außen…sein Premiumprodukt… “
Sperling schien erleichtert, diesen Part hinter sich gebracht zu haben und grinste auch schon wieder.
„Zum Organisatorischen: Auf Anweisung von Allgaier habe ich zwei Zimmer in einer Frühstückspension gebucht. Dort werdet ihr die nächsten Tage unterkommen können. Ich kenne die Pension, nichts dolles, aber sauber und ruhig. Offenbar scheint ihr für ein Sterne Hotel doch nicht wichtig genug… “ Diesmal kicherte Sperling.
„Hier in der Direktion sieht's platzmäßig ziemlich mau aus. Ein eigenes Büro ist, wenn auch nur für kurze Zeit… nicht drin. Ihr werdet in einem etwas geräumigeren Büro zusammen mit einem Kollegen von der Schutzpolizei, Wilfried Kayser, vorlieb nehmen müssen. Der ist Sachbearbeiter für mittlere Kriminalität und….“ Sperling stockte kurz und fuhr mit einem vielsagenden Grinsen fort.
„…und etwas…sagen wir mal… eigen…aber ihr werdet ihn noch eingehend kennenlernen. Aber später…jetzt suchen wir erst mal Harry…ich glaube auch zu wissen, wo er gerade ist.“
Sperling führte die beiden per Aufzug wieder in das Erdgeschoss und von dort nach draußen. Die hintere Tür diente als Personaleingang und führte auf einen großen Parkplatz mit anschließenden Garagen für die Dienstfahrzeuge. Überdacht direkt an Tür standen mehrere Personen, jeweils mit Zigarette; einer rauchte Pfeife. Ganz offenbar handelte es sich um die Raucherecke.
Frank Lonzigs Züge entspannten sich merklich, hatte er doch seit einiger Zeit auf das Suchtmittel verzichten müssen. In einer imposanten Geschwindigkeit war die selbstgedrehte fertig und er inhalierte rasch die ersten Züge.
Die Blicke der umstehenden hatten sich neugierig auf die drei gerichtet. Besonders Frank mit seinem ausgefallenen Modegeschmack und der imposanten Erscheinung zog die Aufmerksamkeit auf sich.
„Darf ich vorstellen…das ist der Kollege Harry Köhler…und hier die beiden Kollegen von der Küste… “ Sperling grinste wieder einmal.
Köhler hatte ungefähr Benders Alter, lächelte freundlich und begrüßte sie mit kräftigem Handschlag.
„Freut mich euch kennenzulernen und auf gute Zusammenarbeit. Ich habe von Allgaier schon den ersten Überblick erhalten. Hört sich einigermaßen mysteriös an, das Ganze. Schwendinger habe ich übrigens vom Sehen her gekannt…Aber alles weitere können wir ja gleich besprechen. Hat euch Jörg schon den Ablauf mitgeteilt?“
Hatte er noch nicht und so gingen die vier nach einer zweiten schnellen selbstgedrehten zurück ins Gebäude. Bender meinte dabei den Begriff „Fischköppe“ von einem der Raucher zu hören. Er kam aus Richtung des Pfeifenmannes, aber sicher konnte es Hinnerk nicht behaupten.
In Sperlings Büro sprachen sie die weitere Vorgehensweise ab. Man kam überein in Zweierteams die verschiedenen Umfelder Schwendingers aufzusuchen. Lonzig mit Köhler, da beide Raucher, sowie Bender zusammen mit Sperling. Veigel sollte im Innendienst verbleiben und von dort alles notwendige koordinieren. Dieser wurde am morgigen Tag zurückerwartet.
Der Tag und somit die Dienstzeit ging langsam zur Neige, deshalb wollte man heute nicht mehr in die Ermittlungen einsteigen. Schwendinger, jetzt schon vier Jahre tot…kam es da auf ein paar weitere Stunden an? Alle vier verneinten die von Köhler gestellte Frage.
Sperling bot sich an, die beiden Gastkommissare in ihre Pension am Rande der Innenstadt zu bringen, was gerne angenommen wurde.
Beim Verlassen des Gebäudes trafen sie wieder auf den Pfeifenraucher, der die Gruppe abschätzig mit den Augen fixierte, aber nichts sagte. Allgaier fuhr in einem Porsche Cayenne offenbar in den Feierabend und nickte ihnen beim Vorbeifahren leicht mit dem Kopf zu.
Sperling bemerkte die etwas verwunderten Blicke der Harzer und sagte wieder mit einem Grinsen:
„Reich geheiratet, Unternehmertochter. Der Schwiegervater ist eine richtige Größe in Grommingen. Der Allgaier weiß, wie man es anstellt…Hat er schon immer gewusst“.
Vor der Pension verabredete man sich auf den nächsten Morgen um 08.00 Uhr. Lonzig und Bender bezogen ihre jeweiligen Einzelzimmer und Hinnerk telefonierte kurz mit Martin Holzer, um ihm die die ersten Eindrücke mitzuteilen. In Glansrode gab es wenig Neuigkeiten. Vom Pkw Schwendingers weiter keine Spur. Auch die weitergehende Veröffentlichung des Falles mit Bild des Opfers in allen Medien hatte noch keine Hinweise erbracht.
Das anschließende Telefonat mit Karla gestaltete sich ebenso kurz wie unverbindlich. Luisa plapperte munter über ihren Schultag und wollte wissen, wann er denn endlich wieder zu Hause wäre. Sie wurde auf die „nächsten Tage“ vertröstet.
Da es sich um eine Frühstückspension ohne weiteres gastronomisches Angebot handelte, unternahmen Lonzig und Bender gegen Abend einen Spaziergang mit dem Ziel eine Gaststätte zu finden und sich vorher in der Innenstadt umzuschauen. Grommingen war auf den ersten Blick eine schöne Stadt mit alten, herausgeputzten Häusern, viele mit kleinen Erkern und teilweise bunt bemalt. Es reihten sich viele Geschäfte in der kleinen Fußgängerzone. Meist handelte es sich um Filialen der bekannten Ketten. Aber es waren auch einige kleine Geschäfte dabei, offenbar schon lange in Familienbesitz. Per Studium der Klingelschilder fand man viele Übereinstimmungen mit dem Geschäftsnamen und darüber im Haus wohnender Bürger. Ähnlich wie in Glansrode. Sonst wären die Mieten in begehrter Innenstadtlage auch kaum bezahlbar.
Man fand schließlich eine kleine, relativ gut besuchte Pizzeria in einer der Seitenstraßen und ging nach dem Verspeisen von je einem Pastagericht wieder zurück in die Pension.
An der Rezeption saß noch immer die gleiche freundliche Dame gesetzteren Alters, wie bei ihrer Ankunft. An ihrer Bluse trug sie ein Namensschild mit dem Aufdruck „Ketterer“. Frau Ketterer machte beide nochmals mit den notwendigen Informationen - Frühstück ab 07.00 Uhr, Schlüssel passend für Eingangs-/und Zimmertür, Rezeption ab 20.00 Uhr nicht mehr besetzt – vertraut und wünschte eine gute Nacht.