Читать книгу Inkompetenzkompensationskompetenz - Ralf Lisch - Страница 8
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Executive Summary
Erich Sixt, erfolgreicher Studienabbrecher der Betriebswirtschaftslehre und Vorstandsvorsitzender der Sixt SE, hat es einst auf den Punkt gebracht:
Die ganze Betriebswirtschaft basiert doch auf einem einzigen Axiom: dass der Mensch rational handelt. Aber er tut es nicht. Und deshalb können Sie das alles vergessen. 1
Wenn demnach der Kunde kein homo oeconomicus ist, so sollten es doch zumindest die sein, die für den Umgang mit den Kunden ausgebildet und gut bezahlt werden: die Führungspersönlichkeiten der Unternehmen. Doch dort sieht es keineswegs besser aus. Manager predigen zwar Vernunft, doch wenn es nicht so läuft wie erwartet, dann bezichtigen sie gerne andere der Unvernunft. Sie berufen sich auf sachliche Entscheidungen und verweisen auf Betriebswirtschaftslehre oder gar Logik, doch in Wahrheit folgt das Geschehen meist den Regeln von Psychologie und Soziologie. Tatsächlich sind es eher Status, Macht, Karriere, Eitelkeit und andere durchaus menschliche Motive und Eigenschaften, mit denen sich Managementprozesse treffend beschreiben und vorhersagen lassen.
Manager agieren also durchaus rational, nur ist die zugrunde liegende Ratio zumeist eine andere als die, die Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensinteresse vorgeben. Es geht um die elementare Kompetenz, die eigene Inkompetenz zu kompensieren.
Inkompetenzkompensationskompetenz – dieses Wortungetüm hat Odo Marquard einst anlässlich einer kritischen Würdigung des gegenwärtigen Standes der Philosophie geprägt.2 Da befinden sich Manager in guter Gesellschaft, denn mit diesem Begriff kann mindestens ebenso treffend die Situation im Management beschrieben werden.
Inkompetenzkompensationskompetenz ist die konsequente Fortsetzung des Peter-Prinzips, das besagt, dass in einer Hierarchie jeder Beschäftigte dazu tendiert, bis zur Stufe der eigenen Unfähigkeit aufzusteigen.3 Und dorthin gelangt nur und dort überlebt auch nur, wer die diskreten Regeln des Managements beherrscht und die Kompetenz besitzt, die eigene Inkompetenz und die der Kollegen systemkonform zu kompensieren.
Wenn man aber erst einmal realisiert hat, dass vieles, was Manager als Kompetenz verkaufen, ein Mythos ist (Stromberg lässt grüßen), dann können Geschichten aus dieser Welt äußerst unterhaltsam sein.
Wer selbst Managementerfahrung hat, dem wird in den folgenden zehn Erzählungen so manches bekannt vorkommen – auch wenn man es nur hinter vorgehaltener Hand zugeben mag. Und wer sich darin nicht selbst erkennt, der wird zumindest Kollegen oder Vorgesetzte wiedererkennen. Nur wer (noch) nicht zum Kreis der vermeintlich Auserwählten gehört, mag Zweifel hegen, ob die Erzählungen in diesem Buch eigentlich etwas mit der Realität zu tun haben. Zu sehr unterscheiden sie sich von dem Eindruck, den man bislang hatte.
Ein Manager, der sich ein Denkmal errichten möchte; ein Qualitätsmanagement mit messbaren, aber fragwürdigen Ergebnissen; eine Strategiediskussion, die sich im Kreis dreht; ein Budgetprozess mit zweifelhaften Erkenntnissen; pensionierte Manager, die noch einmal an den Ort ihrer Heldentaten zurückkehren – worüber die folgenden Geschichten berichten, klingt alles sehr vertraut und merkwürdig zugleich.
Das macht es erforderlich festzustellen, dass alle Erzählungen der Realität entsprechen – und doch frei erfunden sind. Ähnlichkeiten mit wahren Begebenheiten oder Unternehmen, lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht beabsichtigt und sollte es sie dennoch geben, so sind sie zufällig. Allerdings beweisen Ähnlichkeiten mit der Managementrealität die Relevanz der Erzählungen.
Nun sollte allerdings niemand versuchen, die Merkwürdigkeiten, die sich da auftun, ändern zu wollen. Es wäre vergebens und würde nur zu Enttäuschungen führen. Denn die Mechanismen, die hier beschrieben werden, sind systemimmanent. Man sollte sie jedoch kennen und verstehen, denn das eröffnet eine Perspektive, die es erlaubt darüber zu lachen. Genau dieses Lachen erleichtert ein Leben und Überleben im Management ganz ungemein.
1 Erich Sixt: „Maximale Aufmerksamkeit ist das Ziel“. In: Handelsblatt, 12.8.2008
2 Odo Marquard: „Inkompetenzkompensationskompetenz? Über Kompetenz und Inkompetenz der Philosophie“. Vortrag im Kolloquium „Philosophie – Gesellschaft – Planung“, Hermann Krings zum 60. Geburtstag, am 28.9.1973 in München. http://geb.unigiessen.de/ geb/volltexte/2013/9769
3 Laurence J. Peter, Raymond Hull: The Peter Principle: Why things always go wrong. New York 1969