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Meine Frau und meine Schwiegermutter trafen in der Klinik ein, wort- und tränenreich, wie an jedem Nachmittag. Besonders meine Frau litt unter dem Zustand ihres Vaters, den sie stets als entschlossenen und mit beiden einen fest im Leben stehenden Vater erlebt hatte. Als einen Mann, der eine Aura der Unbesiegbarkeit und heiteren und warmherzigen Stärke um sich herum verbreitet hatte.

Nun aber saß er, praktisch hilflos und stimmlos, im Garten der Klinik, dazu verdammt, dutzende von Medikamenten an jedem Tag einzunehmen und auf die Vorschläge der Ärzte für eine Behandlung des Tumorleidens zu warten, welches sich definitiv bereits in seinem Endzustand befand.

War meine Frau vor der Erkrankung ihres Vaters mir gegenüber bereits kritisch und rechthaberisch gewesen, die mir ihre Meinung und ihre Vorstellung davon, wie die Dinge zu sein hatten, aufzwang, so schien sich dieser Zustand nun noch einmal beträchtlich zu verschärfen.

Zu der Angst, meinen Job in der Klinik zu verlieren, gesellte sich eine beinahe kindlich-naive Sorge, möglicherweise auch noch meine Frau zu verlieren, obwohl ein Teil von mir sagte, dass mit dem Verlust der Frau zumindest auch der Verlust von Gängelei und häuslichem Streit verbunden wäre.

Die Obsession, mit der sich mich zu Hause verfolgte, alles, was auch immer ich tat, aggressiv und lautstark kritisierte, nahm allmählich groteske Züge an. Alles was ich tat oder unterließ, wurde durch sie kritisiert. Vor allem machte ich, ihrer Meinung nach, die Wohnung grundsätzlich böswillig schmutzig und tat überhaupt alles nur Denkbare, um ihre Wünsche und Anordnungen ab absurdum zu führen und zu umgehen.

Selbst in Räumen unserer gemeinsamen Wohnung, die ich stunden- oder sogar tagelang nicht mehr betreten hatte, nachdem sie zuvor exzessiv von mir gesäubert worden waren, fand sie angeblich Berge von Schmutz und Dreck, die ich dort in unzweifelhaft böswilliger Absicht hinterlassen hatte.

Für die banalsten Dinge in der Wohnung, etwa für die Einstellungen der Thermostate an den Heizkörpern, entwickelte sie Vorschriften und Abläufe, die sie tagtäglich mehrmals auf ihre korrekte Einhaltung kontrollierte.

Dinge, die nicht ihren Vorstellungen entsprachen, führten unverzüglich zu Anfällen einer geradezu erschreckenden Art von Tobsucht.

Ich litt unter der Missachtung und Ungewissheit in der Klinik und unter der Herrschsucht meiner dominanten Frau.

Mein Schwiegervater hatte sich angewöhnt, angesichts meiner täglichen Besuche, nach meinem Befinden zu erkundigen, so wie ich mich nach seinem.

Selbst die Patienten bekamen einiges von den Spannungen mit, die hier zwischen dem Personal und der Klinikleitung herrschten. Es schien, als ob sich die verzweifelt-angespannte Stimmung, in der wir als mittleres medizinisches Personal täglich bis zur Erschöpfung arbeiteten, auch auf die Patienten übertragen würde.

„Du musst Dich dagegen wehren, Junge!“, krächzte mein Schwiegervater be dieser Gelegenheit immer wieder, nachdem er sich zuvor versichert hatte, dass niemand sonst in der Nähe war: „Du kannst Dich doch nicht Dein ganzes Arbeitsleben lang nur herum schubsen lassen! Ich habe mich doch schließlich auch gewehrt bei der BauBiGe gegen einen Herrn Kramer Senior!“

„Ich muss mich wehren!“, wiederholte ich leise und es klang irgendwie, als sei ich geistig abwesend.

„Jawohl1“, flüsterte mein Schwiegervater, nahm das schmale Glas mit dem Mineralwasser zwischen Daumen und Finger seiner rechten Hand, führte es langsam und mit leisem Zittern zum Mund, so dass mich bereits die Fragilität dieser kleinen Geste erschütterte und trank in winzigen Schlucken daraus.

Ich hätte ihm sein Leiden nicht nur gern erleichtert, ich hätte es ihm sogar vollständig abgenommen und mit ihm die Rolle getauscht, wäre dies möglich gewesen. Es war keineswegs Schwatzerei, sondern eine Art von tiefer Verzweiflung, in der ich über diese Unmöglichkeit nachdachte, so wie vielleicht jemand, der Südfrankreich unendlich liebte und der doch für sich selbst erkennen musste, dass er nie ein Häuschen in der Provence besitzen konnte.

Ich konnte mit ihm nicht die Rolle tauschen, des war das Schicksal, dies war das Leben! Und so musste er unheilbar krank und leidend, aber geliebt bleiben; während ich gesund, aber gehasst bleiben musste.

Meine Frau störte zu Hause inzwischen bereits meine schiere Anwesenheit und Existenz und ich konnte mich nur bemühen, mich stimmlos und widerspruchslos und möglichst auch körperlos zu machen, um die Wucht ihrer bösartigen Ausbrüche dadurch nicht weiter zu steigern.

Ich musste zu einem Schatten meiner selbst werden, der möglichst unauffällig, ohne Stimme, ohne Willen und ohne Bewegung, existierte; wie ein Tier im Dschungel, direkt unter den Augen des Jägers, das nur überleben konnte, wenn es bewegungslos wurde und wenn es bewegungslos zwischen den Blättern und Lianen verharrte.

Bewegungs- und Stimmlosigkeit waren die ersten und unerlässlichen Voraussetzungen für den Erhalt meiner Ehe und die Notwendigkeit, nirgends in den Räumen auch nur die aller kleinsten Zeichen meiner körperlichen oder geistigen Existenz zu hinterlassen.

Ich musste vom handelnden Subjekt zu einem bloßen Objekt werden, das nichts sagte, nichts tat und nichts dachte, das nicht einmal stoffwechselte und atmete, sondern lediglich und möglichst unauffällig da war, wie ein einfaches Möbelstück, nur weniger präsent und raumfordernd. Weil Raumforderung schon wieder eine veritable Unverschämtheit gewesen wäre, die sie erregt hätte.

Ich dachte in diesem Moment oft an den Wunsch meines Schwiegervaters, eine Pistole besitzen zu wollen. Eine richtige Pistole, eine scharfe Pistole. Gott sei Dank hatte er diesen Wunsch nur ein einziges Mal, wenn auch dabei mit großem Nachdruck, geäußert und dann nie wieder. Und zu welchem Zweck er diese Pistole letztendlich gebrauchen wollte, lag dabei völlig klar auf der Hand.

Nun aber, angesichts meines eigenen Leidens, kam es mir in den Sinn, dass ich es doch eigentlich war, der einer solchen Pistole viel dringender bedurft hätte, um dem Grauen dieser Welt damit auf schnelle, schmerzlose und dadurch gnädige Weise zu entfliehen.

Zu Hause war ich mit einer bösartigen Person konfrontiert, die, sobald sie nur am Morgen ihre Augen aufgeschlagen hatte, den Sinn ihres Daseins darin zu finden schien, auf sämtlichen erreichbaren Personen, ihre Mutter einmal ausgenommen, unausgesetzt herum zu hacken, bis sie endlich zu einer widerspruchs- und willenlosen Masse von Menschenbrei geworden waren, die sich mit einfachen Haushaltsgeräten ganz bequem lenken ließ.

Der menschliche Geist neigt stets dazu, sich aus einer Welt des höchsten Drangsales zu befreien. Sei es nun durch Selbstmord oder dadurch, dass er sich anderen Beschäftigungen, vorzugweise dem Lesen, welches selbst Strafgefangenen gestattet ist, zuwendet.

Selbst der verzweifelte Geist eines Individuums bedarf dieser Nahrung, die ihn von den unerträglich gewordenen Umständen seines äußeren Lebens heim und hinweg führt, in die innere Landschaft des menschlichen Geistes, von der zumindest die Buddhisten sagen, sie sei so unendlich reicher und vielfältiger, aber auch bizarrer, als die äußere, die materielle Welt.

In jener Zeit begann ich, mich noch viel stärker als vorher, für den Terrorismus zu interessieren und mit dem Terrorismus zu beschäftigen.

Vielleicht anfänglich deshalb, weil ich das Auftreten meiner Frau mir gegenüber als Terrorismus empfand und wahrnahm. Doch je tiefer ich schließlich in diese Materie eindrang, umso mehr stellte ich schließlich fest, dass jenes Verhalten pure Tyrannei darstellte und dass Terrorismus letztendlich nur ein Aufbegehren der Schwachen gegen die Tyrannei darstellte. Ein Aufbegehren der stimmlos und ohnmächtig Gewordenen, denen ein arroganter Leviathan von Staat jeden Dialog und häufig genug jedes Existenzrecht verwehrte, sondern ihnen stattdessen in zynischer Konsequenz die geballte Macht der Militär- und Polizeimaschinerie entgegen schickte, über die er gebot, die Skrupellosigkeit ihrer vermummten und gepanzerten Sondereinheiten, die auf schnelles Töten getrimmt worden waren und die gelenkten Medien, in deren Berichterstattung das Phänomen regelmäßig dämonisiert und verteufelt wurde.

Ich las die zweifellos tendenziös gefärbten Publikationen eines Stefan Aust über den sogenannten Baader-Meinhof-Komplex, deren Intention man nur verstehen konnte, wenn man den Privatmann Stefan Aust näher beleuchtete.

Zweifellos ein Mann, getrieben von handfesten wirtschaftlichen Interessen, Gesellschafter einiger TV-Produktionsfirmen, dem von verschiedener Seite bereits vorgeworfen worden war, private mit geschäftlichen Belangen zu verquicken und damit gegen den Anspruch der journalistischen Unvoreingenommenheit zu verstoßen. Ein Pferdeliebhaber und Pferdezüchter, dem der SPIEGEL den Abschied mit angeblich vier Millionen Euro versüßt habe; Gesellschafter, Geschäftsführer und Miteigentümer eines etablierten Fernsehsenders und zugleich Herausgeber einer bedeutenden Tageszeitung. Ein Mächtiger also, ein Reicher, einer der sich aufgrund der zuletzt genannten beiden Eigenschaften zu den Eliten dieses Landes rechnen lässt, wobei nun nicht mehr verwunderlich erscheint, was so einer eifernd über Leute schreibt, die die ungerechten sozialen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland mit der Waffe in der Hand und der Rohrbombe in der Tasche revolutionieren wollten.

Terroristen erschienen mir immer mehr wie ausgegrenzte Kinder, die sich gegenüber einem arroganten Staat, der sich selbst genügte und niemandem mehr, als nur noch den Reichen zuhören wollte, nicht anders verständlich konnten, als durch die universelle Sprache der Gewalt, die im Grunde ein Schrei der Ohnmacht war.

Gewalt, das war die Sprache der Stimmlos gewordenen Menschen; die Stimme jener Individuen, die der Staat als „randständig“ bezeichnete und über die er es gewohnt war, einfach hinweg zu gehen, wie eine Straßenwalze über den frischen Kies.

Gewalt wurde überall und zu jeder Zeit und in jedem gesellschaftlichen Kontext sofort verstanden, wenn auch nicht gebilligt und meist sofort medial gebrandmarkt und polizeilich und militärisch verfolgt und ausgemerzt.

Gewalt war die allererste, die nonverbale und quasi tierische Form der Kommunikation, in die ein von der medialen Allmacht eines Staatswesens mundtot gemachter Mensch zurück fiel und die er sich zu eigen machte, als sei er instinktiv in die Zeit des Neolithikums zurück gefallen.

Das in seiner Existenz bedrängte Individuum kennt nur zwei Reaktionsmuster, weil sie in ihm genetisch angelegt sind: den Fluchtreflex und den Griff zur Gewalt. Beide erscheinen ihm instinktiv geeignet, um eine unerträglich gewordene äußere Situation aufzulösen.

Wer nicht mehr sprechen, nicht mehr diskutieren, nicht mehr argumentieren will, weil er nicht gehört wird und weil sein Wort untergeht in der Flut des Geschwafels rund um irgendwelche Produkte, die noch verkauft werden müssen, obschon sie im Grunde niemand mehr braucht, der greift nicht selten zur Gewalt, weil deren Stimme lauter und greller ist und die Detonation einer Kofferbombe das schrille Gedudel der Werbespots noch immer übertönt.

Wem man nicht zuhört, obschon er vor lauter subjektiv empfundenem Schmerz lautstark schreit, der wird, um nicht stimmlos unterzugehen, um nicht klammheimlich zu ertrinken, im Meer aus Gleichgültigkeit und Egoismus, am Ende zur Gewalt greifen, weil diese sich mit unüberhörbarer Stimme jederzeit und an jedem Ort, ja selbst im tosenden Lärm der Brandung eines produzierenden Betriebes, Gehör zu verschaffen weiß.

Gewalt, das ist die urtümliche, die fast vergessene Sprache, wie sie Kinder gern und oft anwenden, um ihren Willen durchzusetzen, die die ausgegrenzten und jene, die sich ausgegrenzt fühlen, gegenüber einer Gesellschaft zur Anwendung bringen, die sich selbst allein genügt und die in einem Aquarium ihre Spielchen der Macht und der Gefälligkeiten miteinander treibt, während jene Anderen, die Ausgegrenzten, macht- und mittellos draußen stehen und sich die Nasen an der Außenseite der Glaswände des Aquariums platt drücken, aber niemals je hinein kommen!

Die Gewalt zerstört die Glaswände des Aquariums, jener Menagerie der Reichen und der Mächtigen, an die die Ausgegrenzten und die Ausgestoßenen der Gesellschaft, zumindest jedoch jener Teil von ihnen, der sich nicht zum Sterben, zum Erfrieren und Verhungern, in die Obdachlosenheime abschieben lässt, zuvor umsonst und um Barmherzigkeit bittend, geklopft haben.

Die Gewalt ist das letzte sprachliche, propagandistische und zugleich militärische Mittel vor dem eigenen Tod, mit dem sie häufig eng genug verquickt ist und in den sie oft genug unmittelbar mündet.

Was jedoch letztendlich Terrorismus in seiner konkreten Form ist und was Heldentum und Selbstaufopferung für verfolgte Minderheiten, darüber gehen die Meinungen auseinander und darüber richtet selbst die Geschichte in ihren einzelnen Epochen unterschiedlich. So ist der Kampf der IRA für viele katholische Iren nur ein legitimes Mittel, um sich nicht endgültig von den Futtertrögen des Landes durch die protestantischen britischen Kolonisten verdrängen zu lassen, ein heldenhafter Kampf, den die katholischen Söhne und Töchter des geschundenen Landes führten. Für die feinen Herren jedoch, die im Londoner Ober- und Unterhaus sitzen, ist es Terror, der mit Gewalt und mit äußerster Brutalität bekämpft und vollständig ausgerottet werden muss!

Der Dschihad ist für viele Muslime die, wenngleich missverstandene, Ehrenpflicht, die ungläubigen und meist amerikanischen Besatzer, denen es nur ums Öl geht, von ihren heiligen Stätten zu vertreiben. Für die amerikanischen Industriellen und Banker hingegen ist es der militärische Ungehorsam einer dummen, schwitzenden und meist vollbärtigen Minderheit, die der Vision eines Kaufmanns aus Mekka anhängt, der noch zudem Analphabet gewesen war.

Der verzweifelte Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto um Mordechaj Anielewicz war das heldenhafte Aufbäumen Davids gegen Himmlers Goliath. Für die SS unter dem Detmolder Gruppenführer Jürgen Stroop waren die Ereignisse hingegen nichts weiter als reiner Terrorismus.

Immer muss ein Staatswesen, ein Leviathan, in seiner scheinbaren Allmacht und Arroganz, damit rechnen, dass jene Menschen, die er aus poltischen, religiösen oder wirtschaftlichen Erwägungen, die letztendlich nur maskierter Egoismus sind, ausgrenzt und von der Teilhabe an den Segnungen der Gesellschaft ausschließt, ob sie sich nun in herausragender und außerordentlicher Weise darum bemühen oder nicht, zum aller letzten und archaischsten Mittel der militärischen Gewalt greift, wenn sie nicht mehr weiter zu verlieren haben, als nur noch ihr Leben.

Wie die Geschichte dann einmal darüber richten wird, zumal, wie sie morgen oder vielleicht in hundert Jahren darüber richten wird, steht jedoch auf einem ganz anderen Blatt!

Die Gewalt ist die Totenklage jener, die ewig ausgegrenzt bleiben, aus einer Welt, deren Ressourcen sich andere Wenige unter die Nägel gerissen haben und die sie nun mit Waffengewalt und mit den von ihnen gekauften und unterwanderten Staatswesen hartnäckig und bis zur Selbstaufgabe verteidigen, um nicht aus ihrem Überfluss teilen zu müssen.

Immer sind Gewalt und Terrorismus, sind Tod und Sterben, mit sogenannten randständigen Gruppierungen der Gesellschaft verbunden gewesen. Mit jenen Verzweifelten, die im Leben zu kurz gekommen waren oder die den zu kurz Gekommenen ihre Stimme und ihren Leib liehen.

Es waren religiöse und nationale Minderheiten, die man nicht leben, nicht überleben ließ. Es waren Sozialdemokraten und Kommunisten, Revolutionäre und Sozialrevolutionäre.

Und doch denkt jeder, der sich mit der Ausgrenzung von Menschen aus der Gesellschaft, mit Chancenlosigkeit und mit Aufbegehren gegen diese beschäftigt, stets und zuallererst an eine Gruppe. Eine Gruppe, die ein ganzes Volk in seiner wechselvollen und leider meist tragischen Geschichte repräsentiert: die Juden!

Die Juden sind das Volk der Ausgegrenzten und Verfolgen dieser Erde, gehasst und geächtet von nahezu allen Völkern, unter die sie sich im Verlaufe ihrer verzweifelten Wanderschaft immer wieder neu mischten, schienen die Nationen sie zu hassen und zu ächten, als ob sie eine Krankheit wären.

Nichts, keine noch so verzweifelten Assimilationsbemühungen, um beispielsweise dadurch deutscher zu sein als der deutscheste Deutsche, russischer als der russischste Russe, spanischer als der spanischste Spanier; kein noch so herausragender Fleiß in ihrem täglichen Tagwerk; keine noch so brillanten und herausragenden Leistungen in der Wissenschaft, in der Kunst oder in der Politik, haben dieses Volk je vor der dumpfen Gier und den brutalen Nachstellungen seiner Mitmenschen, unter die es sich in der Hoffnung auf Überleben und ein wenig Anerkennung gemischt hatte, bewahren können!

Ganz im Gegenteil! Je eifriger sie sich um Assimilation und Bürgerrechte bemühten, je besser sie in ihren Gewerken und Disziplinen wurden, um so verdächtiger machten sie sich und um so stärker entwickelten sich Neid und Missgunst unter jenen Völkern, die sie aufgenommen hatten.

Was also blieb einem Juden, der für die Pest haftbar gemacht wurde, für das Leiden Christi am Kreuz auf dem Golgataberg, für das Verschwinden von Kindern, für die angebliche Schändung von Hostien, für den durch Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg und für den massenhaften Bankrott vieler kleiner Betriebe und Handwerksbetriebe während der Weltwirtschaftskrise? Was blieb ihm, außer sich lynchen zu lassen oder bestenfalls noch mittellos in der Gosse zu verhungern? Es blieb ihm nur der Griff zur Gewalt!

Und so ist die Geschichte dieses von Anbeginn stets immer wieder in seiner blanken Existenz bedrohten Volkes nicht nur eine Geschichte des friedfertigen Leidens und Erduldens staatlicher Tyrannei, sondern auch eine Geschichte, des, zumindest punktuellen, verzweifelten Aufbegehrens dagegen.

Der Zornige: Werdung eines Terroristen

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