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Kapitel 2

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Privates Kapital in der Weltraumfahrt

„Die einzige Möglichkeit, so viele finanzielle Ressourcen einzusetzen, besteht darin, meine Amazon-Gewinne in die Raumfahrt zu stecken.“

(Jeff Bezos28)

Sechsundvierzig Milliarden Dollar – das ist die aktuelle (September 2020) Bewertung von Elon Musks Weltraumfirma SpaceX29. Um das Unternehmen aufzubauen, hat SpaceX bis jetzt ungefähr fünfeinhalb Milliarden Dollar an Investorengeldern eingesammelt, in über zwanzig Finanzierungsrunden30. In Blue Origin, das andere große neue Weltraumunternehmen, investiert sein Besitzer Jeff Bezos ungefähr eine Milliarde Dollar pro Jahr – da trifft es sich gut, dass Bezos Hauptaktionär von Amazon und derzeit der reichste Mann der Welt ist. Die Weltraum-Tourismus-Firma Virgin Galactic hat erhebliche Investitionen von Fonds aus den Arabischen Emiraten erhalten. Auch abseits der größten neuen Weltraumunternehmen ist der Fluss von privaten Geldern in die Weltraumwirtschaft beindruckend: 2019 gab es fast 150 Finanzierungsrunden für Weltraumunternehmen und den ersten Börsengang einer größeren reinen Weltraumfirma, Virgin Galactic.

Natürlich ist staatliches Geld, ob durch Investitionen oder Aufträge, für die Weltraumfahrt weiterhin extrem wichtig. Das war schon zu Beginn der Weltraumfahrt so, und auch die obigen Unternehmen profitieren von solchen staatlichen Förderungen, wie wir später sehen werden. Vor allem im letzten Jahrzehnt ist aber immer mehr privates Kapital, zum Beispiel von Wagniskapitalfonds, in die Weltraumfahrt geflossen. Dieser Trend ist relativ neu, und darum soll es in diesem Kapitel gehen.

Als Blue Origin, SpaceX und Virgin Galactic zu Beginn des neuen Jahrtausends gegründet wurden, gab es nicht viel privates Kapital für die Weltraumfahrt. Das hatte womöglich damit zu tun, dass gerade die große Internet-Blase geplatzt war und außerdem eine ganze Reihe von neu gegründeten, ambitionierten Satellitenkommunikationsunternehmen pleitegegangen war. Beim Start aller drei Unternehmen – Blue Origin, SpaceX und Virgin Galactic – waren die Gründer schon reich, wenn auch bei Weitem nicht so reich, wie Musk und Bezos es heute sind. Blue Origin wird bis heute ausschließlich von Bezos finanziert. SpaceX erhielt 2008 das erste „fremde“ Geld – zwanzig Millionen Dollar vom Wagniskapitalfonds Founders Fund, den frühere PayPal-Kollegen von Musk gegründet hatten31. Bei Virgin Galactic investierte 2010 Aabar, einer der Staatsfonds der Arabischen Emirate zu dieser Zeit.

Im zweiten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends entstanden viele weitere neue Weltraumfirmen, von denen immer mehr durch privates Kapital finanziert wurden. Während es 2009 nur ein paar Dutzend Finanzierungsrunden für eine Gesamtsumme von unter einer Milliarde Dollar gab, waren es 2019 knapp 150 Runden, die insgesamt fast sechs Milliarden Dollar für die verschiedenen Weltraumfirmen einbrachten. Hier sollte man fairerweise feststellen, dass ein sehr großer Teil dieser sechs Milliarden an Blue Origin, SpaceX und die Satellitenkommunikationsfirma OneWeb ging, aber auch etliche kleinere Unternehmen schafften es, einige Hunderttausende oder sogar Millionen an Investitionen für die Verwirklichung ihrer Weltraumgeschäftspläne zu bekommen, und das ist sehr wichtig.

Geographisch fanden, und finden, die meisten (um die fünfzig Prozent) dieser Finanzierungsrunden in den USA statt. Das ist einfach darauf zurückzuführen, dass die USA die meisten Weltraum-Firmen, die meisten Investoren und auch die größte staatliche Förderung der Weltraumfahrt besitzt.

Hinsichtlich der Teilsektoren der Weltraumfahrt, die Investitionen von privatem Kapital erhalten, können wir feststellen, dass sowohl im gesamten Zeitraum von 2009 bis 2019 wie auch im letzten Jahr 2019 ungefähr fünfzig bis sechzig Prozent der Gelder an drei Arten von Weltraumunternehmen gegangen sind: nämlich solche, die in der Satellitenkommunikation, in der Erdbeobachtung oder im Raketenbau tätig sind. Auf all diese Teilsektoren werde ich später noch im Detail zurückkommen. Die privaten Investoren mögen diese Teilsektoren unter anderem, da sie hier reelle Potenziale für Umsätze und Profite sehen, welche nicht zu weit in der Zukunft liegen – Rohstoffabbau auf Asteroiden hört sich zwar nach einem spannenden Projekt an, ist aber jenseits des Investment-Zeithorizonts der meisten privaten Investoren.

Viele neue Investoren wagten sich im letzten Jahrzehnt in den Weltraumsektor – zwischen 2009 und 2019 fast 800 verschiedene Investoren und im Jahr 2019 allein fast 200. Die größte Gruppe der Investoren sind die Wagniskapitalfonds (Venture Capital Funds oder schlicht VCs auf Englisch) mit ungefähr fünfzig Prozent aller Finanzierungsrunden. VCs gibt es in allen möglichen Varianten, zum Beispiel hinsichtlich ihrer Spezialisierung auf ein gewisses Unternehmensstadium, einen Sektor oder die geographische Lage. Die typische VC, welche schon Investitionen im Weltraumbereich getätigt hat, ist aus Amerika und auf Technologiefirmen im Allgemeinen spezialisiert, zum Beispiel Lux Capital oder Data Collective. Aber auch in Europa haben schon einige solche Technologie-VCs angefangen, in Weltraumunternehmen zu investieren, zum Beispiel der deutsche High-Tech Gründerfonds. VC-Firmen, welche ausschließlich auf den Weltraum spezialisiert sind, gibt es allerdings sehr wenige und die meisten sind recht neu, zum Beispiel meine eigene Firma E2MC, New Space Capital und Orbital Capital in Luxemburg, Seraphim in London und Starbridge in New York. Aufgrund der hohen technologischen Kenntnisse, die oft nötig sind, um Unternehmen im Weltraumbereich zu analysieren, würde es nicht überraschen, wenn wir über die nächsten Jahre immer mehr weltraum-fokussierte VCs sehen würden. Zum Vergleich: Im ähnlich komplizierten Biotechnologie-Sektor gibt es Hunderte von spezialisierten VCs. Was alle VCs gemeinsam haben, ist, dass sie Erträge für ihre eigenen Anleger erwirtschaften müssen. Ein typischer VC-Fonds hat eine Laufzeit von sieben bis zehn Jahren, bis das investierte Geld (inklusive, hoffentlich, der Gewinne) wieder an die Anleger zurückgezahlt werden soll. Dies bedeutet, dass eine typische VC weitaus eher in Unternehmen investiert, die eine realistische Chance haben, in diesen zeitlichen Dimensionen ihr Geschäft zu entwickeln und Umsatz und Gewinne zu erzielen. Andersrum gesagt: Geschäftsideen, die wahrscheinlich eine viel längere Anlaufzeit brauchen, zum Beispiel der oben schon genannte Rohstoffabbau auf Asteroiden, sind eher für andere Arten von Investoren geeignet.

Eine zweite Gruppe von Investoren, die von 2009 bis 2019 einen Anteil von etwa zehn Prozent aller Weltraumfinanzierungsrunden ausmachten, sind Unternehmen, einschließlich unternehmenseigener Wagniskapital-Abteilungen (auf Englisch: Corporate VCs oder einfach CVCs). Unternehmen und ihre CVCs investieren im Normalfall nicht, oder zumindest nicht nur, aus finanziellen Gründen (also weil sie Erträge erwarten würden), sondern weil sie eine strategische Verwandtschaft zwischen ihrem Kerngeschäft und dem Investment sehen. Zum Beispiel hat Airbus, über seine CVC Airbus Ventures, im Januar 2020 in die innovative Raketenfirma SpinLaunch investiert. Dies hat eine klare strategische Relevanz, da Airbus über ihre Beteiligung an der ArianeGroup selbst im Raketengeschäft tätig ist und außerdem auch Satelliten produziert (welche auf Raketen angewiesen sind). Ein weiteres Beispiel aus der jüngsten Zeit (März 2020) ist die Investition des britischen Mobilfunkunternehmens Vodafone in die amerikanische Satellitenkommunikations-Firma AST&Science, welche das Äquivalent von Mobilfunkmasten im Weltraum aufbauen will. Strategische Gründe sind derart relevant, dass sie es Unternehmen und CVCs oft auch erlauben, über einen längeren Zeitraum zu investieren als „normale“ VCs.

Die dritte Gruppe von Investoren, mit einem Anteil von ungefähr zwanzig Prozent, sind die sogenannten Angels. Hierbei handelt es sich traditionell um Privatleute, die direkt in Unternehmen investieren, meist in den frühesten Stadien, noch bevor Fonds oder Unternehmen als Investoren einsteigen. Die typische Investitionssumme eines Angels ist deswegen auch kleiner und kann sogar bei nur wenigen Tausend Dollar liegen. Dies hängt aber natürlich auch vom Vermögen und der Risikobereitschaft des einzelnen Angels ab – Jeff Bezos könnte man als Angel bezeichnen, obwohl er bei Blue Origin jährlich eine Milliarde Dollar investiert. Ähnlich wie Unternehmen und CVCs sind Angels nicht unbedingt immer rein aus finanziellen Gründen angetrieben. Die Motivation eines Angels kann auch eine ganz persönliche Faszination für ein bestimmtes Thema sein – das ist besonders in einem Sektor wie der Weltraumfahrt keine Seltenheit. Als Beispiel können wir hier bei Jeff Bezos und Blue Origin bleiben. Die Grundmotivation von Bezos scheint zu sein, dass er so viele Menschen und so viel Industrie wie möglich in den Erdorbit verlagern möchte, damit die Erde an sich als Planet geschützt wird. Auch eine Form von Angel-Finanzierung ist das sogenannte „Equity Crowdfunding“, wo sich viele ganz kleine (normalerweise nicht-professionelle) Investoren zusammenfinden, meist organisiert über spezialisierte Internet-Portalseiten. Bislang gibt es nur sehr wenige Beispiele von solchem Crowdfunding für Weltraumunternehmen. Das könnte sich aber in naher Zukunft ändern: In den USA gibt es Gesetzesvorschläge, die zulässige Höchstsumme für solche Finanzierungen pro Firma und Jahr von etwas über einer Million Dollar auf fünf Millionen zu erhöhen. Auf diese Gesetzesänderung spekulierend organisiert sich zurzeit das Start-Up Spaced Ventures, welches ein Internetportal für das Crowdfunding von Weltraumunternehmen sein möchte.

Eine weitere Investorengruppe sind schließlich andere Finanzinstitutionen. Das schließt zum Beispiel sogenannte Family Offices, Hedge Fonds, Private Equity Fonds und Pensionsfonds ein. Family Offices sind die privaten Investmentgesellschaften sehr reicher Familien. Ihre Investment-Kriterien können rein finanzieller Natur sein oder aber auch andere Motivationen beinhalten, wie bei einigen Angels – das kommt ganz auf das einzelne Family Office an. Auch die investierten Summen unterscheiden sich erheblich und hängen natürlich vom Reichtum des Family Offices ab. Das typische Family Office investiert zumeist querbeet durch alle möglichen Anlageklassen, einschließlich Aktien, Fonds, Immobilien und direkte Investments in private Unternehmen. Da Family Offices allerdings meist nur wenige Mitarbeiter haben, bedeutet dies, dass es sehr schwierig für sie ist, einen komplizierten Sektor wie die Weltraumfahrt zu verstehen. Das macht eine direkte Investition von Familiy Offices in ein Weltraumunternehmen allein oder an der Spitze einer Investorengruppe sehr unwahrscheinlich – stattdessen wird sich das Family Office eher auf einen anderen, spezialisierten Co-Investor verlassen. Die anderen oben genannten Finanzinstitutionen dieser Investorengruppe – Hedge Fonds, Private Equity Fonds und Pensionsfonds – agieren normalerweise ausschließlich nach finanziellen Kriterien. Für die meisten Pensionsfonds und Private Equity Fonds sind Unternehmen im Weltraumsektor noch zu klein und zu riskant, um darin zu investieren. Eine Ausnahme, welche aber die Regel bestätigt, ist die Dreihundert-Millionen-Dollar-Investition des kanadischen Pensionsfonds Ontario Teachers in SpaceX32.

Es ist erfreulich, dass zunehmend privates Kapital im Weltraumsektor vorhanden ist, das den vielen neuen Unternehmern im Sektor natürlich hilft. Wir müssen allerdings viele Faktoren im Auge behalten, die die Freude daran deutlich trüben und im schlimmsten Fall sogar zum Abzug von privatem Kapital aus dem Sektor führen können. Diese Sorge gilt vor allem dem Mangel an echten Investment-Erfolgsgeschichten im Weltraumsektor. Wer früh in SpaceX investiert hat, der hat schon jetzt, zumindest auf dem Papier, eine Menge Geld verdient – das ist aber leider fast das einzige Beispiel. Es gibt so gut wie keine Investment-„Exits“ von Weltraumunternehmen durch erfolgreiche Börsengänge oder Unternehmensverkäufe. Dem stehen leider mittlerweile einige Fehlschläge von prominenten neuen Weltraumunternehmen entgegen: Da sind zum Beispiel DSI und Planetary Resources (Asteroiden-Bergbau, beide wurden notverkauft), Vector (Raketen, bankrott), PT Scientists (Mondfahrt, ebenso notverkauft) und in jüngster Zeit OneWeb (Satellitenkommunikation, aus dem Bankrott notverkauft). Solche Fehlschläge von Unternehmen sind nicht untypisch für ein derart frühes Stadium wie das, in dem der Weltraumsektor sich aktuell noch befindet. Und doch ist es nach einigen Jahren der Entwicklungsphasen jetzt an der Zeit, mehr Erfolgs-Storys zu produzieren. Besondere Bedeutung kommt hier der Gründung und Involvierung von mehr auf den Weltraum spezialisierten Investoren zu: Diese haben die Kompetenz, neu gegründete Weltraumfirmen besser zu analysieren und sie auch zu unterstützen.

Ich hoffe, dass Experten und Investoren sich durch die Informationen aus diesem Buch motivieren lassen, der Weltraumfahrt eine Chance zu geben.

28 https://www.marketwatch.com/story/jeff-bezos-thinks-his-fortune-is-best-spent-in-space-2018-05-01

29 https://www.cnbc.com/2020/02/21/spacex-raising-250-million-elon-musks-company-valuation-36-billion.html

30 https://www.crunchbase.com/organization/space-exploration-technologies

31 https://venturebeat.com/2008/08/06/private-rocket-company-spacex-gets-20m-from-the-founders-fund/

32 https://www.cnbc.com/2019/06/27/spacex-raising-300-million-more-in-third-funding-round-this-year.html

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