Читать книгу Die Körperleserin - Ray Wilkins - Страница 6
5. Kapitel
ОглавлениеEr schwebt inmitten der Dunkelheit und wartet. Er wartet und wartet geduldig, oh, so geduldig. Im Hintergrund hört er das sanfte Rauschen des Flusses und das heitere Zirpen der Grillen im Dickicht. Als er auf seine Uhr schaut, steht der Zeiger auf drei. Angeblich ist das laut der biologischen Uhr die Zeit, zu der ein Mensch seine Tiefschlafphase hat. Zeit für eine Überraschung, Zeit für Freude, Zeit für einen Mord.
Lautlos geht er über das stille Gras und seine Fußspuren hinterlassen schwarze, leere Abdrücke im leichten Nachtfrost, der das Gras in einen Teppich aus gespenstischem Weiß verwandelt. Schon bald erreicht er das Zelt und schaut durch den offenen Schlitz. Drei Körper liegen dort, völlig unbeweglich. Alle drei Frauen atmen langsam und tief. Zwei von ihnen schnarchen sogar leise. Er schiebt den kurzen, flexiblen Schlauch durch den schmalen Schlitz, zieht langsam den Reißverschluss der Tür zu und dreht mit Bedacht das Gas auf. Er wartet, gespannt, oh so gespannt. Er wartet 5 weitere Minuten, bis er keine Atemgeräusche mehr hören kann, und öffnet vorsichtig den Reißverschluss zum Zelt. Er hatte sich bereits entschieden, wen er sofort segnen und wen er mitnehmen würde.
Er greift in seine Tasche und holt das Lederetui heraus, in dem er seine Werkzeuge aufbewahrt. Seine Bewegungen sind präzise und kontrolliert, wie ein Soldat, der darauf trainiert ist, auf dem Schlachtfeld zu kämpfen – ohne darüber nachzudenken und ohne jegliche Emotion. Seine Wahl fällt auf das große, orthopädische Seziermesser. Schließlich waren das auch große Mädchen. Er beugt sich zu der Dunklen auf seiner linken Seite und legt seine Hand sehr behutsam, beinahe schon zärtlich, auf ihre Stirn. Dann drückt er stetig nach unten, damit ihr lieblicher, langer Hals als sich nach oben streckt, bis er die Knorpel sehen kann, die ihre Luftröhre unter der Haut schützen. Das war der wichtigste Augenblick des Heiligen Rituals. Er wusste, dass sie für einen kurzen, süßen Moment die Augen öffnen und ihm ins Gesicht blicken würde. Exakt in diesem Augenblick musste er ihren Hals mit einer einzigen, flüssigen Bewegung aufschlitzen.
Noch bevor die Fontäne aus leuchtend rotem Blut, das im Mondlicht schwarz schimmert, sich auf den Boden ergießt, schlitzt er der zweiten Frau die Luftröhre auf. Dann widmet er sich der dritten Frau. Rasch spritzt er ihr ein lang anhaltendes Beruhigungsmittel in die Oberarmvene, das er mit Atropin gemischt hat, um dem Effekt des Gases entgegenzuwirken. Und jetzt beginnt die wirklich schöne Arbeit. Es dauert nicht länger als fünf Minuten, dann blickt er erneut auf sein Meisterwerk, um sicherzustellen, dass er keine Fehler gemacht hat. Er hebt seine wertvolle Beute hoch, wirft sie über seine linke Schulter, verlässt das Zelt und geht in Richtung Fluss. In der Ferne glaubt er, das Brüllen eines Bären oder Löwen zu vernehmen, aber er beschließt, dass es sich nur um eine akustische Täuschung handeln kann, verursacht durch das Adrenalin, das nahezu ekstatisch durch seine Adern rauscht. Sanft legt er sie im Kanu ab und bindet ihre Hände und Füße an den Holzstreben fest. Er lacht. Schließlich sollte sie nicht gerade jetzt aus dem Boot fallen, nicht wahr? Er stößt das Kanu ins Wasser und paddelt flussabwärts zu der Stelle, wo er seinen Transporter geparkt hat, als die Sonne noch hoch am Himmel stand.