Читать книгу Der helle Wahnsinn geht weiter - Regina Dotzki - Страница 5

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Kapitel 1: Die Rückkehr

Eine ziemlich veränderte Regina blickte mich aus dem Spiegel der Flugzeugtoilette an. Ein Jahr Südostasien war an mir nicht spurlos vorübergegangen. Erstaunt betrachtete ich mein Gesicht. Meine Augen strahlten nicht mehr übermütig, sondern blickten sanfter und ernster. Meine Wangen waren schmaler geworden. Aber nicht nur äußerlich hatte Südostasien mir seinen Stempel aufgedrückt. Auch innerlich war ich sanfter und weicher geworden. Von meinem früheren Temperament war kaum noch etwas übriggeblieben. Ich hatte schnell gelernt, dass der Mensch auch ohne Eile und Hektik leben konnte. Ich hatte begriffen, dass in Südostasien ein lebhaftes Temperament, hitzige Diskussionen, ein chaotischer Lebensstil und unkontrolliertes Gelächter nicht tolerierbare Dinge waren. Und mir war vor allem allmählich gedämmert, dass ich mein Leben bis vor einem Jahr ziemlich oberflächlich und privilegiert verbracht hatte, dass ich nicht in der Lage gewesen war, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, und dass ich meine gesamten Energien in vollkommen unwichtigen Aktionen verpulvert hatte. Ich hatte in Südostasien so viel Elend und so viel Armut gesehen und so viele traurige, hoffnungslose Lebensgeschichten gehört, dass ich mich manchmal schon bei dem Gedanken ertappt hatte: Ich will das alles hier vergessen, ich will wieder nach Hause und mich amüsieren! Ich hatte nachts vor Hilflosigkeit und Ohnmacht angesichts dieses ganzen Elends bittere Tränen vergossen, und ich hatte in blinder Wut auf mein Kopfkissen eingeschlagen. Aber eine südostasiatische Eigenart hatte sich auch in mir festgesetzt, die mir half, dieses ganze Elend besser zu ertragen: Der starke Willen, der hinter der sanften Fassade der Südostasiaten steckte und der oft für andere Kulturen gar nicht wahrnehmbar war. Ich war fest entschlossen, ein Buch über meine dortigen Erlebnisse zu schreiben, um Deutschland über die traurigen Hintergründe des Sextourismus aufzuklären. Dieses Buch war keine nette und schmeichelhafte Idee mehr, sondern eine Notwendigkeit für mich geworden. Ich hatte endlich eine sinnvolle Aufgabe gefunden, die mich ausfüllte und befriedigte. Kurzum: Ich war erwachsener geworden. Ein wenig zumindest!

Alexandra und ich hatten erstaunlich gut zusammenarbeiten können, was mit Sicherheit daran lag, dass wir beide keinerlei Alternativen hatten. Die Tatsache, in einem fremden Land und in einer fremden Kultur einen Menschen an der Seite zu haben, der zumindest den gleichen kulturellen Hintergrund hatte und die gleiche Sprache sprach, ließ uns bald einsehen, dass es für uns beide Vorteile hatte zusammenzubleiben. Freundinnen wurden wir allerdings nicht, dafür waren wir zu unterschiedlich. Alexandra war äußerst diszipliniert und weckte mich stets um 8: 00 Uhr morgens mit einer Liste von Terminen, die an diesem Tage auf uns warteten, und während sie vorlas, gähnte ich und sagte: „Okay, ich komme um 10: 00 Uhr hierhin und um 14: 00 Uhr dorthin, und den Rest schenke ich mir. Dafür werde ich heute Abend wieder Interviews in den Bars machen.“

Ich trieb mich lieber in den Bars herum und redete mit den Touristen und den Prostituierten, statt auf feministischen Sitzungen über sie zu reden, und bei Alexandra war es genau umgekehrt. Ich konnte Alexandra auch nur mit Mühe davon überzeugen, dass es nach sechs Wochen in dem Dreckloch Manila unbedingt notwendig sei, weitere Recherchen an den tropischen Badestränden zu machen, von denen ich bis dahin noch nicht das kleinste Zipfelchen gesehen hatte. Alexandra hielt dies für Zeitverschwendung, da es an den tropischen Badestränden keine einheimischen feministischen Frauengruppen gab, und sie saß dank meiner Überredungskünste eine Woche lang umringt von Fachliteratur missmutig im Schatten einer Palme und sah mir verständnislos zu, wie ich mich vergnügt im warmen türkisblauen Wasser aalte.

Wir waren in der Tat sehr unterschiedlich. Alexandra vertrat vehement die These, dass wir nur den kapitalistischen Imperialismus unterstützen würden, wenn wir etwas anderes als einheimische Nahrungsmittel zu uns nähmen. Und da in Südostasien kein Getreide wuchs und Mehl importiert werden musste, wurden Brot, Nudeln und Kartoffeln aus dem Speiseplan verbannt. Wir aßen morgens, mittags und abends Reis in verschiedenen Variationen. Gelegentlich schlich ich mich ins Nachtviertel und verdrückte heimlich mit schlechtem Gewissen eine Pizza oder ein Wiener Schnitzel mit Pommes. Insgesamt nahm ich fünf Kilo ab, und da ich vorher schon schlank gewesen war, war ich nun geradezu dünn geworden.

Alexandra war ein politisch denkender Mensch, und ich war ein psychologisch denkender Mensch, sie argumentierte feministisch und ich interaktionistisch, insofern kamen wir bei unseren Diskussionen oft auf keinen gemeinsamen Nenner. Aber uns verbanden so lebenswichtige Kleinigkeiten wie die allabendliche Jagd auf Kakerlaken im Schlafzimmer mithilfe von Badelatschen und der Ekel vor Ratten in der Küche, über die die Einheimischen nur lachten.

Von jedem Menschen konnte man etwas lernen, und ich profitierte von Alexandras ungeheurer Selbstdisziplin, von der ich ein wenig übernahm. Es war erstaunlich, wie viel Zeit man hatte und wie viel man arbeiten konnte, wenn man nicht mit irgendwelchen Männergeschichten beschäftigt war. Jeden Tag schrieb ich eifrig Berichte, Szenen und Beobachtungen in mein Tagebuch, wie Inge vom Rotherz-Verlag es mir empfohlen hatte. Und vielleicht profitierte Alexandra auch ein wenig von meiner Heiterkeit und Lebensfreude, die ihr wiederum fehlten. Gelegentlich ertappen wir uns auch dabei, wie wir herzlich zusammen lachten.

Mit zunehmender Projektdauer wurden wir regelrecht prominent, wir gaben diverse Pressekonferenzen und erschienen mit Foto in etlichen Tageszeitungen. Im Laufe dieser Pressekonferenzen gewann ich zunehmend an Sicherheit. Während ich anfangs noch eingeschüchtert herumsaß und Alexandra reden ließ, hielt ich am Schluss sogar eigene Vorträge über die Psychodynamik und die Motive der Sextouristen. Ich verlor meine Angst und machte dabei die erfreuliche Erfahrung, dass ich so spannend vortragen konnte, dass ein Saal mit 40 Journalisten atemlos und fasziniert an meinen Lippen hing und hinterher an die Schreibmaschinen eilte. Ja, ich hatte viel gelernt in Südostasien.

Tina und Marianne holten mich vom Flughafen ab. Etwas befremdet standen wir uns in der Ankunftshalle gegenüber. Beide hatten mich erst auf den zweiten Blick erkannt. Marianne hatte sich nicht verändert. Ihr sanftes, schönes Engelsgesicht lächelte immer noch hinter dem unendlich langen Goldhaar, aber Tina sah anders aus als vorher. Sie hatte ihre langen dunkelbraunen Locken auf Kinnlänge abgeschnitten, und sie schien ihre Haare nicht mehr mit Henna zu färben, sie hatten keinen rötlichen Schimmer mehr, sondern waren mausbraun. Sie trug einen braven dunkelblauen Mantel und eine brave dunkelblaue Hose, obwohl Dunkelblau niemals ihre Farbe gewesen war, und in ihren Augen fiel mir sofort etwas sehr Unglückliches auf. Sie war nicht mehr die Frau, die früher jeder Mann fasziniert angestarrt hatte, sondern wirkte wie eine unauffällige, biedere Hausfrau.

Ich wusste aus unseren Briefen, dass Tina wieder eine neue Beziehung mit einem amerikanischen Lehrer namens Jack hatte, und ich hatte mich sehr darüber gefreut. Endlich hatte sie den Mut gefunden, wieder einen Mann zu lieben. Vielleicht schien sie es nun nicht mehr für nötig zu halten, sich abenteuerlich und auffällig zurechtzumachen. Tina hatte mir jeden Monat einen Brief geschrieben und in jeden Brief ein Foto von unserer denkwürdigen Abschiedsfeier gelegt. Und bei jedem Brief hatte ich unendliches Heimweh nach Tübingen bekommen.

„Du hast dich sehr verändert“, sagte Tina leise.

„Ja. Du aber auch“, lächelte ich sanft. Das sanfte Lächeln war mir eine feste Gewohnheit geworden. „Du hast deine Haare abgeschnitten.“

„Jack gefiel es besser so.“

„Und dir?“

„Ach, ich weiß nicht. Jack meint, ich sehe jetzt seriöser aus. Und so etwas ist ihm wichtig.“

Ich begann zu staunen. Tina schien sich nicht nur äußerlich verändert zu haben.

„Ich habe dir einen Mantel mitgebracht“, sagte sie. „Ich dachte mir, du bist sicher nicht mehr ganz an unsere Temperaturen gewöhnt.“

„Danke, es ist sehr lieb, dass du daran gedacht hast“, sagte ich etwas hölzern.

„Letzten Winter hatten wir zwei Wochen lang minus 20 Grad“, lächelte Marianne. „Da haben wir oft an dich gedacht.“

„Ach, ich habe auch so oft an euch gedacht!“ Und dann fielen wir uns endlich in die Arme.

Aber ein Jahr war eine lange Zeit, und die Fremdheit zwischen uns wollte nicht so schnell weichen.

„Ich habe dein Bett frisch bezogen“, grinste Tina, als wir zu ihrem Auto liefen. „Es war in einem unsäglichen Zustand. Ich hatte dir ja geschrieben, dass Sebastian es dort regelmäßig mit seiner neuen Flamme getrieben hat.“

Ja, das hatte sie mir geschrieben. Und ich war darüber so empört gewesen, dass ich Sebastian in einem wütenden Brief die weitere Benutzung meines Bettes strengstens untersagt hatte. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört.

„Und offensichtlich war es ihnen auch egal gewesen, ob sie ihre Tage hatte oder nicht“, regte sich Tina auf, und sie sah nun wieder ein wenig wie die Tina aus, die ich kannte. „Das hättest du wirklich sehen sollen! Die beiden kamen hier an, diese dralle Bäuerin deponierte ihre drei rotznasigen Gören bei uns in der Küche, und dann verschwanden sie in deinem Zimmer und haben es dort stundenlang und lautstark getrieben. Und Marianne und ich durften Babysitter spielen“.

Sebastian hatte eine Affäre mit der Ehefrau des Nachbarhofes angefangen, auf dem auch biodynamisches Gemüse angebaut wurde, und aus Angst, der biodynamische Gatte könne sie erwischen, hatten sie sich ein sicheres Liebesterrain gesucht. Und etwas anderes als mein Bett war Sebastian dabei offensichtlich nicht eingefallen. Wie mich das alles anödete! Ich hatte nicht die geringste Lust mehr, mich über solche Banalitäten aufzuregen. Früher hätte ich es getan, aber nun wusste ich, dass es wichtigere Dinge im Leben gab.

Unser Haus und unsere Wohnung sahen vollkommen unverändert aus. Wenn man ein Jahr in der Fremde gelebt hatte, sehnte man sich nach vertrauten Dingen. Ich lief in die Küche, ich lief in mein Zimmer, und ich begann zu strahlen. Alles war genauso, wie ich es verlassen hatte.

„Ich dachte, wir frühstücken jetzt erst einmal, und dann wirst du sicher eine Runde schlafen wollen. Du hast schließlich einen langen Flug hinter dir“, schlug Tina vor. „Und heute Abend wollen Winfried und Edgar zum Essen kommen. Wir brennen alle darauf, deine Erlebnisse zu hören!“

„Gute Idee!“

Ich warf den Inhalt meines Koffers in den Wäschekorb und räumte ihn dann schnell auf den Speicher. Weg mit dem Ding! So schnell wollte ich diesen Koffer nicht wieder anrühren! Ach, war das schön, wieder zuhause zu sein!

Dann guckten zwei fremde, verschlafene Männergesichter aus Tinas und Mariannes Zimmertüren.

„Das ist Matthias“, kicherte Marianne. Matthias war der Nachfolger von Cäsar, von dem sich Marianne vor einem halben Jahr aus Schuldgefühlen wegen Bernhard getrennt hatte. Nun hatte sie offensichtlich wieder eine neue Liebschaft gefunden. „Wie findest du ihn?“

„Na, das, was ich bis jetzt von ihm gesehen habe, sah doch ganz flott aus!“, lächelte ich. „Vor allem diese knackigen Boxershorts!“

„Und das ist Jack!“, strahlte Tina.

„Offensichtlich hat sich hier nichts verändert. Nur zwei neue Männer, die morgens verschlafen aus euren Zimmern torkeln“, grinste ich.

Und dann sah ich Jack am Frühstückstisch in die Augen, und mein Blut erstarrte zu Eis.

Jack hatte an einer amerikanischen Schule die Kinder stationierter US-Soldaten in Mathematik und Englisch unterrichtet. Vor einem Monat war er fristlos entlassen worden, warum wusste keiner, und seitdem hing er in Tinas Zimmer herum und überlegte sich, was er nun mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte. Obwohl er sieben Jahre lang in Deutschland gelebt hatte, beschränkten sich seine Deutschkenntnisse auf den Satz: Ein Bier bitte!

Jack bestand darauf, dass in seiner Gegenwart nur Englisch gesprochen wurde, damit er mitreden konnte. Und er hatte die unangenehme Eigenschaft, jeden nach spätestens drei Worten zu unterbrechen und auf grammatikalische Fehler oder falsche Aussprache hinzuweisen. Er war ein typischer Pauker der grässlichsten Sorte: blass, farblos, mit beginnender Glatzenbildung und einer großen, geschmacklosen Brille. Das Einzige, was ihm im Leben Freude zu bereiten schien, war, andere zu kritisieren und zu korrigieren. Die Unzufriedenheit mit allem und jedem und vor allem mit sich selbst war ihm in die Züge gemeißelt.

Tina schmierte ihm ein Brötchen, und er legte es angewidert wieder zur Seite mit der Feststellung, die Butter habe genau einen Millimeter die Brötchenhälfte zu bedecken, und Tina sei wieder einmal zu ungeschickt gewesen. Tina sagte nicht etwa: ‚Dann schmiere es doch selbst, du Idiot!‘, sondern sie schmierte mit leicht zitternden Fingern und unglücklichen Augen die Unterseite des misslungenen Brötchens, und Jack meinte dazu nachsichtig lächelnd, sie wisse doch genau, dass er lieber die Oberseite esse. Und beim dritten Versuch wurde ihm endlich eine gelungene mit einem Millimeter Butter beschmierte Oberseite eines Brötchens serviert, in das er nach gründlicher Inspektion freudlos hineinbiss. Mit den Eiern verhielt es sich nicht anders. Jack liebte seine Eier exakt fünf Minuten lang gekocht, mit zwei Eiern war er unzufrieden, und erst beim dritten Ei kommentierte er selbstgefällig, Tina werde allmählich doch noch eine gute Hausfrau, er habe schon beinahe die Hoffnung aufgegeben, und ein leichtes, gequältes Lächeln zuckte über seine Züge. Und Tina strahlte nach diesem erschütternden Kompliment.

In dieser Frühstücksatmosphäre war es mir vollkommen unmöglich, etwas über Südostasien zu erzählen. Und ich hatte so viel zu erzählen! Nach einigen Anläufen gab ich es auf, und wir beendeten das Frühstück schweigend. Keiner hatte mehr Lust, von Jack auf seine falsche Aussprache oder auf seine falsche Grammatik hingewiesen zu werden. Und wie herrlich waren unsere früheren Frühstücke gewesen, vor allem an den Wochenenden! Wir hatten stundenlang am Küchentisch gesessen und geredet, gelacht, diskutiert, getratscht, geraucht, bis wir Hunger bekamen und erneut etwas auf den Tisch stellten. Die Zeiten hatten sich offensichtlich dank Jack geändert. Sehr erstaunt und nachdenklich ging ich nach diesem Frühstück in mein Zimmer. Tina folgte mir.

„Na, wie findest du ihn?“, fragte sie mich strahlend.

Mir fiel beim besten Willen nichts Positives sein, was ich über Jack von mir geben konnte, ohne zu lügen. Aber ich wollte sie auch nicht kränken. Allem Anschein nach hatte Tina noch die rosarote Brille der ersten Verliebtheit auf. Ich konnte einfach nicht begreifen, was Tina nur an diesem unerfreulichen Menschen fand. Kein Wunder, dass sie so unglückliche Augen bekommen hatte und keinen Spaß mehr daran hatte, sich attraktiv zurechtzumachen.

„Etwas nörgelig, dein Süßer“, meinte ich vorsichtig.

Tina blitzte mich wütend an. „Das hätte ich mir denken können, dass du mir diese Beziehung nicht gönnst! Aber ich sage dir eines: Ich lasse mich nicht mehr von dir manipulieren! Nie mehr!“

„Tina, ich kenne den Mann doch noch gar nicht!“, lenkte ich ein, überrascht von diesem Ausbruch. „Ich gönne dir wirklich alles Glück der Welt. Und ich bin mir sicher, dass dein Jack irgendwelche Vorzüge hat, die ich noch nicht erkannt habe, denn sonst hättest du dich ja wohl nicht in ihn verliebt.“

„Er ist die Liebe meines Lebens!“, behauptete Tina, und ihre unglücklichen Augen straften ihre Worte Lügen.

„Bist du wirklich glücklich mit ihm?“ Ich sah sie aufmerksam an.

„Ja!“, sagte sie trotzig.

„Du siehst aber nicht so aus.“

„Ich bin glücklich mit ihm, verdammt noch mal!“, schrie sie. An solche Wutausbrüche war ich seit Südostasien in keiner Weise mehr gewohnt. „Und ich sage dir jetzt zum letzten Mal: Ich lasse mich mit dir auf keine Diskussionen mehr über Jack ein. Wenn ich noch ein einziges missgünstiges Wort von dir höre, dann kannst du unsere Freundschaft vergessen!“

Die Löwenmama verteidigte ihr Löwenbaby. Ob Jack tatsächlich so viel Loyalität und Engagement verdient hatte?

Zutiefst erschüttert sagte ich nichts mehr. Ich hielt Tina für klug genug, dass sie mit der Zeit selbst erkennen würde, welch eine merkwürdige Gestalt sie sich da an Land gezogen hatte. Und am Ende würden wir über die Irrungen, Wirrungen und Geschmacksverirrungen, die die Liebe gelegentlich mit sich brachte, herzlich lachen können. Das hoffte ich zumindest.

Edgar und Winfried saßen beim Abendessen in froher Erwartung vor mir, wie zwei Kinder vor dem Weihnachtsmann, der gleich seinen Sack aufmachen und wunderschöne Geschenke hervorholen wird. Natürlich erwarteten sie von mir das, was sie von mir gewohnt waren: spannende und unterhaltsame Geschichten aus Südostasien, eine angeregte halbstündige Diskussion über dieses Thema, und dann würden wir zu anderen spannenden Themen übergehen. Ich konnte ihren Erwartungen nicht mehr entsprechen. Meine Erlebnisse in Südostasien hatten mich zu tief berührt, um sie einfach nur auf ein paar amüsante Anekdoten zu reduzieren. Ich versuchte das Elend, das ich gesehen hatte, und meine Fassungslosigkeit darüber in Worten auszudrücken, ich sprach nicht lebhaft und heiter wie sonst, sondern langsam und ernst. Und das alles in Englisch, stets unterbrochen von einem korrigierenden Englischlehrer. Allerdings erfüllte es mich mit Genugtuung, dass Jack auch Winfried und Edgar sichtlich an den Nerven zerrte.

Tina holte einen lecker duftenden Kartoffelauflauf aus dem Backofen, den sie mit zitternden Händen auf den Tisch stellte. Ich war ihr unendlich dankbar, dass sie keinen Reis gekocht hatte. Als erstes legte sie Jack ein Mittelstück davon auf.

„Der Käse ist verbrannt!“, stellte Jack nach gründlicher Inspektion angewidert fest und schob den Teller von sich. Tina kämpfte mit den Tränen.

„Du darfst uns morgen gerne davon überzeugen, dass du es besser kannst, Junge!“, eröffnete ich mit einem freundlichen Lächeln den Kampf. Allmählich reichte es mir mit Jack.

Jack sprang auf und wurde vor Erregung puterrot. „Wie sprichst du denn mit mir? Ich bin doch kein kleiner Junge!“

„So benimmst du dich aber! Wie ein kleiner, verzogener Junge! Und solange du dich so benimmst, so lange werde ich dich auch ‚boy‘ nennen.“ Ich lächelte sanft. Südostasiatisches Kampfmittel! Bei verzogenen Kindern half nur konsequentes Verhalten.

Edgar und Winfried grinsten. Tina sah mich entgeistert an. Sie zitterte am ganzen Körper.

„Ich bin kein kleiner Junge!“ Jack war außer sich. Seine geschmacklose Brille hüpfte auf und ab vor Erregung.

„Und ich bin keine Schülerin im Englischunterricht. Merkst du nicht, dass du jede Unterhaltung kaputt machst? Wir wollen uns hier einfach nur unterhalten, und zwar auf Deutsch und ohne Englischlehrer!“

Jack verschwand türenknallend in Tinas Zimmer. Tina folgte ihm besorgt. „Das verzeihe ich dir nie!“, zischte sie mir vorher noch zu.

„Du hast dich sehr verändert, Regina,“ sagte Winfried am Ende dieses denkwürdigen Abends, nachdem wir uns endlich ungestört auf Deutsch hatten unterhalten dürfen.

„Ja, sie hat sich verändert, unsere Regina,“ stimmte Edgar zu. „Ich schiebe es auf den Kulturschock. Hoffentlich bist du bald wieder die Alte.“

„Du wirst dich daran gewöhnen müssen, Edgar,“ entgegnete ich trotzig. Stabile Freundschaften hatten es auszuhalten, dass Menschen sich weiterentwickelten.

„Also ich finde ihre Veränderung gar nicht so schlecht,“ widersprach Winfried. „Regina ist eben reifer geworden. Und das wurde auch wirklich langsam Zeit.“

„Ja, reifer vielleicht schon, aber leider hatte ihre Unreife den einen entscheidenden Vorteil: Sie war wirklich unterhaltsam,“ seufzte Edgar wehmütig in Erinnerung an die früheren chaotischen Zeiten.

„Dann wirst du wohl in Zukunft öfter mal ins Kino gehen müssen,“ lächelte ich.

„Warten wir‘s ab!“, meinte Edgar, der angehende Psychoanalytiker, der der unumstößlichen Meinung war, dass der endgültige Charakter eines Menschen schon nach den ersten drei Lebensjahren feststand.

Jeder Mensch, der lange Zeit in einer anderen Kultur gelebt hat, erleidet bei seiner Rückkehr ein mehr oder weniger starkes Gefühl der Heimatlosigkeit. In den folgenden Wochen musste ich feststellen, dass sich sehr Vieles in Tübingen verändert hatte. Ich hatte exakte Bilder der Erinnerungen nach Südostasien mitgenommen, und das Heimweh, das ich dort sehr oft empfunden hatte, klammerte sich an diese Erinnerungen, die ich nun tagtäglich zu korrigieren gezwungen war. Nichts, so schien es mir zumindest, war so, wie es vorher gewesen war. Es fing an mit so lapidaren Dingen, dass das Postamt an der Ecke geschlossen war. Stattdessen befand sich in den alten Posträumen ein neuer Fahrradladen. Ich wusste nicht einmal, wo ich Briefmarken kaufen konnte. Und es fiel mir auf, wie hektisch und eilig die Menschen durch die Straßen hasteten und wie unfreundlich sie dabei aussahen. Die Zeiten hatten sich verändert: In diesem einen Jahr hatten die Yuppies die Hippies verdrängt. Die Männer trugen nicht mehr lange Haare und Bärte, sie hingen nicht mehr in verräucherten Kneipen auf Plüschsofas herum und diskutierten nicht mehr über sozialpolitische Themen, sondern man sah nur noch kurze Haare, mit Gel in Form gebracht, und glattrasierte Gesichter, und man hörte nur noch Gespräche, die sich um Erfolg, Geld und Karriere drehten. Die Frauen zeigten nicht mehr in lila Latzhosen oder Indienkleidern ihr kritisches Bewusstsein, sondern teure Designerkleidung war modern geworden. Sie schminkten sich und stylten ihre Körper in diversen Fitnessstudios, die wie Pilze aus dem Boden geschossen waren. Die Gesichter der Menschen waren emotionsloser, blasser und leerer geworden. Die Kneipen waren im neuen, nüchternen Stil mit Edelstahl, Granitböden und schwarzen Lederstühlen umgestaltet worden. Und die Tübinger Innenstadt war von der neuen Schickeria entdeckt worden, es wurde hemmungslos modernisiert und restauriert. Den alten, morbiden Schmuddelcharme fand man nur noch in seltenen Ecken. Tagelang wankte ich wie im Traum durch dieses hübsche Städtchen, das ich geliebt hatte, und ich begriff allmählich, dass ich Heimweh nach Menschen und Dingen gehabt hatte, die es gar nicht mehr gab.

Auch unser Haus war von der allgemeinen Modernisierungswelle ergriffen worden. Roswitha, Susanne, Franz, Markus und das frisch geborene Baby waren ausgezogen, und unter uns wohnte stattdessen ein Architekt mit seiner halb so jungen, hübschen zweiten Gattin, und sie hatten die alte Schmuddelwohnung von Roswitha und Co. dermaßen umgestaltet, dass sie nun aussah wie ein Schöner-Wohnen-Prospekt. Es entwickelte sich zwischen uns ein durchaus üblicher nachbarschaftlicher Kontakt, man grüßte sich im Treppenhaus und ging wieder seiner Wege, bloß war eine solche Art von Kontakt niemals in diesem Hause Usus gewesen. Einsam und fremd fühlte ich mich in dieser neuen Welt.

Aber der Mensch besitzt glücklicherweise nicht nur die Fähigkeit, nostalgischen Erinnerungen nachzutrauern, sondern auch die der Anpassung. Nach einem Monat stellte ich fest, dass ich schon wieder genauso schnell wie vorher durch die Straßen eilte, und nach einem weiteren Monat hatte ich mit leiser Wehmut sämtliche Indienkleider und Rüschenblusen in den Altkleidersack gepackt und trug nur noch nüchterne weiße Sweatshirts und sachliche schwarze Hosen dazu.

Ich fing wieder an, bei Hauberg zu arbeiten, der sich sichtlich darüber freute, mich wiederzusehen, sich gleich hocherfreut einen Metaxa einschenkte und das neueste Sortiment an Witzen zum Besten gab, das sich in einem Jahr in seiner Seele angesammelt hatte. Wenigstens Hauberg war der Alte geblieben.

„Die Zeiten haben sich geändert, Herr Hauberg, was?“, sagte ich zu ihm wie ein verspäteter Rückkehrer nach dem Krieg, der sich nun gar nicht mehr auskannte.

„Ja, Frau Dotzki, die Zeiten haben sich wirklich geändert. Aber Schmuck kaufen die Leute immer noch wie doll! Allerdings nicht mehr so einen Firlefanz wie früher, sondern richtig edle Sachen, Platin und Diamanten. Na, Sie werden es selbst erleben!“

Allmählich richtete ich mich in meinem neuen alten Leben wieder ein.

Zwei Freitage stand ich durch, ohne Armin anzurufen, aber am dritten Freitag wagte ich es. Ob er überhaupt noch hier lebte? Ob er überhaupt noch hier arbeitete? Ob er überhaupt noch mit Maria zusammen war? Ich wusste es nicht. Aber ich hatte vor, es herauszufinden.

In Südostasien war kein Tag vergangen, an dem ich nicht an Armin gedacht hatte. Die Wahrsagerin hatte Recht behalten: Ich hatte ihn in meinem Herzen mitgenommen. Tagsüber konnte ich mich noch gut ablenken und auf meine Arbeit konzentrieren, die mich faszinierte und gefangen nahm. Aber nachts, wenn ich schlaflos und glühend in der Tropenhitze unter südostasiatischen Leintüchern lag und das Moskitonetz über mir anstarrte, dann drangen die Erinnerungen an Armin wie Feuerblitze in mich ein, und ich sehnte mich so sehr nach ihm, dass es schon fast körperlich weh tat. Ich hatte meinen brennenden und glühenden Körper gestreichelt, ohne ihn jemals beruhigen zu können. Er verlangte nach Armin, er dürstete nach Armin, er schrie nach Armin. Bei nüchternem Tageslicht hatte ich mich manches Mal gefragt, wie ein solches Phänomen der Fixierung auf eine einzige Person unter Millionen von Männern nur möglich sein konnte. Aber es war so, und ich musste damit leben. Ein Jahr lang hatte ich mit keinem Mann mehr geschlafen, was mir nicht leichtgefallen war, da ich während meiner Arbeit tagtäglich mit Sex in allen Variationen konfrontiert worden war. Die sexuelle Abstinenz hatte mir jedoch gutgetan. Ich hatte gelernt, meine Energien und meine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu konzentrieren. Aber nun wollte ich diese Abstinenz beenden. Und ich wollte sie mit Armin beenden.

„Regina, du?“, fragte Armin überrascht am Telefon. „Ist denn tatsächlich schon ein Jahr vorbei? Oder von wo rufst du an?“

„Ja, es ist tatsächlich schon ein Jahr vorbei. Ich bin wieder hier, und ich lebe noch.“

Armin sagte eine Weile nichts mehr. Diese Neuigkeit musste er erst einmal verdauen.

„Und du?“, fragte ich. „Du lebst offensichtlich auch noch. Und auch noch in der gleichen Wohnung, wie man hört.“

„Ja, wir leben immer noch hier auf dem Lande. Aber wir sehen uns derzeit nach einer anderen Wohnung um. Wir wollen in die Innenstadt Tübingens ziehen.“

Daraus schloss ich, dass Armin immer noch mit Maria zusammenlebte. Und wahrscheinlich hatte er auch immer noch die gleiche Arbeit. Nun ja. Ich hatte vergessen, dass Armin ein Zwangscharakter war. Von einem Zwangscharakter konnte man nicht erwarten, dass sich sein Leben innerhalb von einem Jahr großartig veränderte. In gewisser Weise war das sogar beruhigend.

„Warum wollt ihr denn umziehen?“

„Ach, weißt du, hier auf dem Lande ist es doch ein bisschen öde. Keiner besucht einen, man sitzt abends immer nur zu zweit herum, langweilt sich und streitet sich. Wir hoffen, dass es in der Stadt wieder besser wird.“ Er seufzte.

So war die Sache also. Armin und Maria langweilten sich zu zweit, sie stritten sich zu zweit, und sie waren noch in einer Phase der Beziehung, in der sie hofften, ihre Differenzen durch einen Ortswechsel wieder in den Griff zu bekommen. Und ich war ein Jahr lang nicht vor Ort gewesen, um Armin immer wieder aufzubauen und fit für seinen frustrierenden Beziehungsalltag zu machen. Affären hatten einen stabilisierenden Einfluss auf bestehende Beziehungen, so viel wusste ich inzwischen. Und dieser stabilisierende Einfluss war weggefallen. Streit und Langeweile hatten sich breitgemacht. Vielleicht hätte ich noch ein weiteres Jahr wegbleiben sollen? Dann hätten Armin und Maria die Gelegenheit gehabt herauszufinden, dass auch ein Umzug nach Tübingen ihre Beziehung nicht mehr kitten konnte.

„Möchtest du mich denn wiedersehen?“, fragte Armin etwas unsicher.

„Selbstverständlich möchte ich dich wiedersehen.“

„Und wann?“

„Wenn du willst, sofort.“

Und Armin kam. Er kam sofort. Bis er in mein Zimmer trat, raste mein Herz wie verrückt. Und als er eintrat, sank es schlagartig auf den Gefrierpunkt. Entsetzt sank ich auf mein Sofa und japste nach Luft. Nein, das war nicht mehr der alte Armin, den ich gekannt und geliebt hatte, es war nur noch der Schatten des Mannes, den ich gekannt und geliebt hatte. Vor mir stand ein frustrierter, unglücklicher und stark übergewichtiger Mensch, der mich mit hängenden Schultern und einer tiefen Verzweiflung in den Augen ansah.

Nahmen diese Albträume in der alten Heimat denn niemals mehr ein Ende? Alles, was ich geliebt hatte, alles, an dem mein Herz gehangen hatte, hatte sich gründlich verändert. Aus Tübingen mit dem morbiden Charme war eine steril sanierte Kleinstadt geworden, aus Menschen waren Yuppies worden, aus Tina war ein biederes, ängstliches Häschen geworden, das sein Herz an einen Kotzbrocken verloren hatte, und aus meinem strahlenden und erotischen Armin, dem schönsten Mann unter der Sonne, war ein unglücklicher Fettkloß geworden. Und wie hatte ich mich nach diesem Mann gesehnt! Wie hatte ich mich auf diesen Mann gefreut! Ich hatte mich nach einem Mann gesehnt und auf einen Mann gefreut, den es gar nicht mehr gab.

Trotz aller Unhöflichkeit, der ich mir durchaus bewusst war, war ich zunächst weder in der Lage, ihm etwas zu trinken anzubieten, noch mit ihm freundliche Konversation zu betreiben. Der Schock saß zu tief. Ich starrte ihn nur fassungslos aus meinem Sofa heraus an, und die Tränen traten mir in die Augen.

„Mein Gott, Armin, was ist nur in diesem einen Jahr mit dir passiert?“, fragte ich mit tonloser Stimme.

Armin sank nach diesen unhöflichen Begrüßungsworten noch mehr in sich zusammen. Auch er hatte seine schönen dunklen Locken dem Friseur geopfert und trug nun einen nichtssagenden gegelten Kurzhaarschnitt, der sich etwas zu lichten begann.

„Dünn bist du geworden“, stellte er fest.

„Was man von dir nicht gerade behaupten kann.“ Ich lächelte leicht, und das Mitleid mit dieser unglücklichen Gestalt krampfte mein Herz zusammen. Allmählich besann ich mich wieder auf meine gute Kinderstube. „Komm, setz dich aufs Sofa! Kann ich dir einen Tee anbieten?“

„Danke, gerne“, sagte Armin mit unsicherer Stimme und setzte sich brav auf mein Sofa. Auch wir waren uns fremd geworden.

Während der Teevorbereitung in der Küche konnte ich mich in Ruhe von meinem Schrecken erholen. So also sah Armin nach einem Jahr ohne mich aus! Er hatte keine neue Affäre begonnen, das sah ich sofort. Er hatte seine ungestillte Sehnsucht nach Liebe und Zuwendung mit Fressanfällen bekämpft.

Wie Fremde plauderten wir auf dem Sofa, während wir unseren Tee tranken. Ich erzählte ein wenig von Südostasien, und ich erzählte ein wenig von meinem Buch, er erzählte ein wenig von seiner Wohnungssuche, und er erzählte ein wenig von seiner Arbeit. Irgendwann wussten wir nicht mehr, was wir uns noch erzählen sollten. Wir schwiegen uns an wie zwei Personen, die sich nichts mehr zu sagen hatten.

„Ach, Regina,“ sagte Armin traurig.

„Ach, Armin,“ sagte ich traurig.

War das etwa das Ende meiner großen Liebe? Und war diese Liebe wirklich so oberflächlich gewesen, dass sie durch etliche Kilo Übergewicht und durch einen Kurzhaarschnitt zerstört werden konnte? Aber es war nicht das allein.

Armin nahm meine Hand und küsste sie sanft. Er küsste sich behutsam bis zum Ellenbogen vor. Es passierte nichts. Gar nichts. Keine elektrischen Wellen, die durch meinen Körper pulsierten, keine Blutströme, die gen Unterleib rasten. Es passierte nichts. Absolut nichts. Armin war sensibel genug, um auch das zu merken. Meine nonverbale Sprache hatte er immer schon verstanden. In einem Anfall von Verzweiflung nahm er mich in die Arme. Und ich spürte nichts. Ich spürte nichts, außer einem Fettkloß, dessen Körper meinen Körper auf dem Sofa plattdrückte. Aber noch wollte ich es einfach nicht wahrhaben.

„Komm, lass uns rübergehen!“, bat ich leise. „Hier auf dem Sofa ist es zu eng.“

Wir gingen zu meinem Bett, er zog mich aus, ich zog ihn aus, und er war dankbar, als er vor meinen prüfenden Blicken endlich unter die Bettdecke fliehen durfte. Es entwickelte sich ein stummer, verzweifelter Kampf mit dem Ziel, die Vergangenheit wiederzubeleben. Aber es gelang uns nicht, uns beiden nicht. Wir konnten nicht mehr an dem Punkt anknüpfen, an dem wir aufgehört hatten. Armin hatte früher stets instinktiv genau das gemacht, was ich wollte, und nun machte er mit wachsender Verbissenheit genau das, was ich nicht wollte. Er berührte mich an den falschen Stellen zur falschen Zeit, seine Berührungen wurden immer intensiver und immer verzweifelter und fühlten sich immer falscher an. Es ging einfach nicht. Wir konnten unsere unvergleichliche Leidenschaft nicht mehr reaktivieren. Ich war darüber genauso enttäuscht wie Armin. Alles hätte ich für möglich gehalten, alles, nur das nicht.

„Armin, bitte lass es! Es hat keinen Sinn,“ bat ich leise, und er ließ es. Er war von meinen Worten so tief getroffen, dass er mich nicht einmal mehr ansehen konnte. Tränen der Scham brannten in seinen Augen, die er verlegen abwandte.

Ein tiefes Mitgefühl überkam mich. Wir lagen schweigend nebeneinander im Bett. So musste es mit Maria ablaufen, genau so, dachte ich. Und dann würde Maria sagen: Armin, du musst das und das und das und das machen! Und dann würde sie sagen: Nein, Armin, das war wieder nicht richtig, ich möchte es so und so und so und so! Und Armin würde sich bemühen, er würde sich genauso verzweifelt anstrengen, wie er es eben bei mir getan hatte, um sie zufriedenzustellen. Und es würde ihm niemals gelingen, weil er sich selbst darüber vergaß. Nein, ich würde nicht in dieses Muster springen, obwohl es verführerisch war und wirklich nahelag.

„Soll ich jetzt gehen, Regina?“, fragte Armin leise.

„Nein,“ antwortete ich sanft. „Nein, bleib noch ein bisschen hier! Leg dich in meine Arme und entspanne dich! Ich glaube, du kannst dich gar nicht mehr richtig entspannen. Sag nichts mehr, und mach sonst gar nichts, ja?“

Armin gehorchte, und in meinen Armen entspannte er sich allmählich. Er begann wieder, mich zu streicheln.

„Nein, bitte mach nichts! Noch nicht! Lass dich einfach nur wärmen und verwöhnen von mir! Wie ein Baby! Ich glaube, du brauchst es ganz dringend, dass du mal richtig verwöhnt wirst.“

Ich streichelte und küsste jeden Quadratzentimeter dieses fremden, schweren Körpers, der auf einmal in mein Bett geraten war. Und allmählich erkannte ich unter den Fettschichten Armins alten, vertrauten Körper wieder. Und ich begann, ganz allmählich, ihn wieder zu lieben.

Armin zog verlegen die Bettdecke über sich. „Ach, Regina, ich schäme mich so vor dir! Ich bin so fett geworden.“

„Du brauchst dich nicht zu schämen! Jedes Speckröllchen von dir zeigt mir, wie sehr du mich vermisst haben musst. Und das ist doch sehr schmeichelhaft für mich. Sozusagen ein sichtbarer Liebesbeweis.“

„Ja, ich habe dich vermisst“, gab er zu. Er lächelte nun ein wenig und konnte mir sogar wieder in die Augen sehen. „Ich habe dich wahnsinnig vermisst. Ich habe dich so sehr vermisst, dass ich mich manchmal gefragt habe, wie ich das nur ein Jahr lang aushalten soll. Und du? Hast du denn auch manchmal an mich gedacht?“

„Nein!“, grinste ich frech.

„Nein? Das ist aber ein starkes Stück!“

„Nicht nur manchmal. Ich habe sehr oft an dich gedacht,“ korrigierte ich mich.

Wir nahmen uns wieder in die Arme und schmiegten uns aneinander. Ich überließ Armin wieder vertrauensvoll die Regie. Und er übernahm sie wortlos und selbstbewusst. Er küsste mich zärtlich und dann immer heftiger, und die altbekannten Wellen pulsierten endlich wieder durch meinen Körper, aus welchem Grunde auch immer. Der Körper war ein seltsames Phänomen. Aber er ließ sich nicht überlisten und zu nichts zwingen. Wir liebten uns so zärtlich, so heftig und so atemlos wie selten zuvor. Wir hatten uns endlich wiedergefunden. Und Armins Augen leuchteten glücklich, als er ging. Auch seine Schultern hatten sich wieder ein wenig gestrafft.

Es sollte noch ein halbes Jahr dauern, bis Armin wieder seine alte Form erreicht hatte, aber er erreichte sie. Er trieb wieder Sport und nahm erstaunlich rapide von Woche zu Woche insgesamt 25 Kilo ab, ohne viel dafür tun zu müssen. Selbst seine Locken ließ er auf mein Bitten hin wieder so weit wachsen, dass sie sich kringelten und ich meine Finger durch diese Kringel stecken konnte. Nach drei Monaten durfte ich endlich wieder in seinen weichen, nach Pfirsichshampoo duftenden Locken wühlen, statt an kurzgeschnittenen Stoppeln voller Wetgel kleben zu bleiben. Armin wurde wieder mein strahlender, wunderschöner, freundlicher, selbstbewusster und unvergleichlich erotischer Freitags-Lover. Natürlich verbesserte sich durch mein Zauberhändchen auch wieder seine kritisch gewordene Beziehung zu Maria, diesen Nebeneffekt musste ich wie immer in Kauf nehmen. Im Grunde hatte sich nicht allzu viel verändert.

Sebastian besuchte ich zum ersten Mal einen Monat nach meiner Rückkehr, mit dem brennenden Bedürfnis, in dieser für mich fremd gewordenen Welt wieder etwas Vertrautes zu entdecken. Sebastian lebte auf einem Bauernhof, und ich sah ihn schon von Weitem die letzten Kohlköpfe sorgfältig vom Acker schneiden. Ich hatte meinen Besuch nicht bei ihm angemeldet, wollte ihn überraschen. Eine Weile sah ich ihm unbemerkt zu, und eine tiefe Freude überkam mich. Sebastian hatte sich offensichtlich nicht dem neuen Yuppie-Zeitgeist verschrieben. Seine dichten blonden Locken fielen ihm immer noch auf die Schultern, und seinen Bart hatte er auch noch. Er trug auch immer noch seine Holzfällerhemden und Schaffellwesten.

„Regina?“, fragte er ungläubig, sah mich an wie einen Geist und wischte sich den Schweiß aus der Stirn.

„Ja, ich bin‘s tatsächlich“, lächelte ich, und wir fielen uns in die Arme. Er schmeckte und roch auch noch so wie früher.

„Ach, Regina“, seufzte Sebastian später bei einem Tee in seinem Kiefernholzzimmer, „es ist gut, dass du wieder da bist. Ich stecke so in der Scheiße! So sehr wie noch nie in meinem Leben!“

Nach und nach erfuhr ich, dass die Bäuerin des Nachbarhofes ein Faible für Sebastian entwickelt hatte. Sie hatte ihn eines Vormittags, als ihr Gatte auf dem Markt biodynamisches Gemüse verkaufte und ihre Kinder in Schulen und Kindergärten weilten, in den Kuhstall gelockt, mit dem überzeugenden Argument, dass die Melkmaschine kaputt war. Und Sebastian war dafür bekannt, dass er alles reparieren konnte.

„Und, hat sie die reparierte Melkmaschine dann gleich an dir ausprobiert, oder was?“, fragte ich finster.

„Nein, das nicht.“ Sebastian lachte ein wenig. „Aber sie hat dort gesagt, dass sie mich schon immer besonders nett gefunden hat, und dann…“

„Im Kuhstall, wie romantisch!“, spottete ich.

„So romantisch war das gar nicht,“ protestierte Sebastian. „Aber es war wenigstens warm. Und die Viecher wedelten mir ständig ihre Schwänze ins Gesicht.“

„Hast du ein Foto von ihr?“, fragte ich neugierig.

Sebastian zeigte mir verlegen das Foto einer äußerst alternativ und biodynamisch aussehenden Matrone mit Rubensfigur in einem selbstgestrickten Pulli, umringt von drei blondschöpfigen, rotwangigen und dreckigen Kindern.

„Oh, Sebastian!“, stöhnte ich. „Mit dieser Aktion hast du weder Geschmack noch Weitsicht bewiesen. Du kannst doch hier im Dorf einpacken, wenn das herauskommt!“

„Ich weiß,“ sagte er verzweifelt. „Das wurde mir aber auch erst klar, als es schon zu spät war.“

„Nicht umsonst sagt man, dass bei Männern der Verstand in der Hose sitzt! Und? Wie weit ist die Sache schon gediehen? Will sie sich jetzt von ihrem Mann trennen?“

„Ja, das will sie. Und sie hat auch einen Grund dafür. Sie ist nämlich schwanger.“ Sebastian raufte sich die Haare.

Das konnte man in der Tat als In-der-Scheiße-stecken bezeichnen.

„Mein Gott, Sebastian! Du bist so ein Idiot! Du hattest mir versprochen, dass du aufpasst!“

„Ja, ich weiß. Und ich habe auch daran gedacht. Am Anfang wenigstens.“

„Womöglich hast du dieses Kind auch noch in meinem Bett gezeugt! Das ist wirklich der Gipfel!“

„Ich weiß.“

„Weiß der Mann es schon?“

„Nein, der weiß zum Glück noch nichts. Sie hat sich bisher noch nicht getraut, es ihm zu sagen. Er würde nämlich ausrasten.“

„Es würde dir recht geschehen, wenn er Hackfleisch aus dir macht!“

„Nein, so ein Typ ist er nicht. Er ist eher ein Typ, der sich aus Verzweiflung umbringt. Er hängt sehr an ihr und den Kindern. Er ist wirklich ein lieber Kerl. Ach, Regina, ich schäme mich so!“

„Das fällt dir reichlich spät ein!“, kommentierte ich spitz. „In der wievielten Woche ist sie denn?“

„In der neunten inzwischen.“

Ich holte tief Luft. „Gut. Sebastian, du musst sie dazu überreden abzutreiben. Und wenn sie das partout nicht will, dann muss sie eben die Konsequenzen tragen. Aber du musst ihr klipp und klar sagen, dass das jetzt mit euch zu Ende sein muss und dass es für sie an der Zeit ist, wieder zu ihrem Mann zurückzukehren. Wenn er noch gar nichts weiß, dann kann das doch nicht so schwierig sein.“

Sebastian nickte erleichtert. Endlich war seine Mama wieder da, die die Dinge regelte und in Ordnung brachte. Er sah aus wie ein Kind, das einsah, dass es jetzt genug Unfug getrieben hatte, und wieder artig sein wollte.

„Anders ist das gar nicht machbar“, fuhr ich ernst fort. „Was willst du mit einer Frau mit drei Kindern beziehungsweise mit vier Kindern? Und das ohne Job und ohne Heimat? Denn eines ist klar: In diesem Dorf könntet ihr euer Leben lang nicht in Frieden leben. Und jetzt habt ihr noch die Chance auf ein friedliches Leben, ohne auswandern zu müssen. Oder bedeutet sie dir so viel, dass du alles für sie aufgeben würdest?“

„Nein!“, war die klare Antwort. „Das wäre alles nicht passiert, wenn du nicht weggewesen wärst. Ich habe einen absoluten Horror davor gehabt, mit ihr und diesen vielen Kindern den Rest meiner Tage zu verbringen. Aber ich habe mir eben gedacht, ich kann sie jetzt auch nicht hängen lassen, als anständiger Mann macht man so etwas schließlich nicht, oder?“

„Du Ärmster!“, spottete ich. „Du musst auch einmal an dich denken und dich nicht immer nur für andere aufopfern.“

„Genau!“, stimmte Sebastian mir erleichtert zu.

Ich musste lächeln. „Und wann sprichst du mit ihr?“

„Gleich morgen Vormittag. Da ist Markt.“

Markt, wie praktisch! Der Mann auf dem Markt, die Kinder in Kindergärten und Schulen, und die Kühe würden schweigen.

„Gleich morgen. Versprochen?“

„Versprochen.“

„Dieses Mal ganz ehrlich?“

„Dieses Mal ganz ehrlich.“

„Und du wirst es nicht länger hinausschieben?“

„Nein, ich werde es nicht länger hinausschieben. Ich bin froh, wenn diese Sache überstanden ist und ich da einigermaßen glimpflich wieder rauskomme.“

„Eigentlich hättest du es verdient, dass du nicht immer aus allem glimpflich herauskommst. Auf diese Weise wirst du niemals schlau werden,“ schimpfte ich.

„Doch, aus dieser Geschichte habe ich wirklich gelernt. In Zukunft lasse ich meine Finger von Ehefrauen, das weiß ich genau.“ Sebastian bemühte sich, zumindest etwas zerknirscht auszusehen.

„Das nennt sich im Fachjargon: Learning by doing.“

Und dann alberten und kicherten wir viel herum, es war, als sei ich niemals weggewesen. Wenigstens zwischen Sebastian und mir herrschte nach einem Jahr Trennung keine Fremdheit, sondern immer noch eine tiefe Zuneigung und Vertrautheit. Vor meiner Abreise hatte ich mir gewünscht, dass Sebastian sich in diesem Jahr ohne mich verändern und weiterentwickeln würde, und jetzt war ich froh, dass er immer noch der alte und vertraute Sebastian mit seinen Schaffellwesten, seiner kindlichen Unbekümmertheit und seiner Spontanität geblieben war, mit der er nach wie vor in jedes Fettnäpfchen trampelte, das herumstand. Und ich würde wie immer im Hintergrund darüber wachen, dass aus Fettnäpfchen keine Fettkrüge wurden, so wie dieses Mal.

„Und was wird mit uns, Regina?“, fragte er nach einer Weile, in der ich Gelegenheit gehabt hatte, seinen schönen und kräftigen Körper wieder eingehend und mit wachsender Begeisterung zu studieren. Ich lag gemütlich in seiner Armkuhle und kuschelte mich an ihn. Es gab niemanden auf der ganzen Welt, bei dem ich nach dem Sex lieber in der Armkuhle lag und in dieser wunderbaren, tiefenentspannten Weise plaudern konnte wie mit Sebastian. „Willst du denn überhaupt wieder mit mir zusammen sein?“

„Natürlich,“ lächelte ich. „Du bist doch mein einziger Vertrauter in einer völlig fremden Welt geblieben.“

Ich erzählte Sebastian von allen Veränderungen, die mit Jack in mein Leben getreten waren. „Jack ist der unerfreulichste Gast, den du dir vorstellen kannst. Er trägt nichts zur Haushaltskasse bei. Er kommt niemals auf die Idee einzukaufen, zu kochen, zu spülen oder zu putzen. Stattdessen sitzt er den ganzen Tag griesgrämig in Tinas Zimmer herum und klimpert unmelodisch auf einer Gitarre. Und dabei grübelt er über das spannende Thema nach, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen soll.“

Sebastian schüttete sich während meiner Beschreibungen aus vor Lachen, und zum ersten Mal erkannte ich, dass Jacks Benehmen durchaus eine karikaturistische Note hatte.

„Du nimmst den Mann viel zu ernst,“ meinte Sebastian. „So ein verknöcherter Englischlehrer ist doch überhaupt nicht ernst zu nehmen.“

„Du hast völlig recht. Jack ist in der Tat nicht ernst zu nehmen. Viel schlimmer als Jacks Verhalten ist Tinas Verhalten. Sie steht mit einer Loyalität zu diesem Kotzbrocken, das kannst du dir nicht vorstellen! Neuerdings hat sie sich sogar angewöhnt, mit piepsiger Kleinmädchenstimme absichtlich grammatikalische Fehler zu machen, damit Jack die Freude hat, sie korrigieren zu dürfen. Das ist nämlich die einzige Gelegenheit, bei der ein leichtes Lächeln über Jacks Züge huscht.“

Endlich konnte ich einmal ungehindert meinem Groll auf Jack freien Lauf lassen, und das tat mir äußerst gut.

Sebastian japste vor Lachen, und sein Amüsement munterte mich wieder etwas auf. Vielleicht sollte ich in Zukunft Jack nur noch als unerschöpfliche Quelle der Heiterkeit betrachten.

„Das muss ich mir demnächst unbedingt aus der Nähe angucken, wenn ich darf.“

„Natürlich darfst du. Du musst aber damit rechnen, dass du mit mir allein im Zimmer essen musst. Jack weigert sich nämlich seit unserem ersten gemeinsamen Abendessen, mit mir gemeinsam zu speisen. Weil ich ‚boy‘ zu ihm gesagt habe.“

„Weil du ‚boy‘ zu ihm gesagt hast?“ Sebastian konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. „Och, wie schade! Ich würde das zu gerne miterleben. Meinst du nicht, wenn ich ihm ein Körbchen mit Gemüse einpacke und sage: ‚Ach, Jack, du bist doch so klug, kannst du mir nicht die englischen Bezeichnungen für diese Gemüsesorten sagen?‘, dass er dann nicht schwach wird und uns doch am Küchentisch duldet?“

Wir kicherten. „Das Freche bei der Sache ist ja, dass es mein Küchentisch ist. Wieso hat ein Gast von Tina eigentlich das Recht, mir die Benutzung meines Küchentisches zu verbieten?“

„Das ist wirklich so grotesk, da fällt einem nichts mehr ein! Nächstes Wochenende komme ich und gucke mir das an. Das wird ein Spaß werden!“ Sebastian sah ausgesprochen vergnügt aus.

„Gut, nächstes Wochenende. Aber vorher wirst du hier deine nachbarschaftlichen Verhältnisse klären, ja?“

Sebastian seufzte tief. Gerade war es doch noch so lustig gewesen!

„Ja, vorher werde ich meine nachbarschaftlichen Verhältnisse klären.“

„Es geht doch nichts über ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis“, spottete ich.

„Ach komm, hör auf!“, bat Sebastian verzweifelt.

Aber Sebastian war tatsächlich in der Lage, sein nachbarschaftliches Verhältnis zu klären und sein nachbarschaftliches Verhältnis auch zu beenden. Die biodynamische Bäuerin entschloss sich zu einer Abtreibung und blieb mit ihrem biodynamischen Gatten zusammen, was für alle Beteiligten sicherlich die beste Lösung war.

Und Sebastian und ich wurden wieder ein Paar. Mit Sebastians Gelächter im Bett schaffte ich es sogar, den unerfreulichen Jack im Nebenzimmer zu ertragen.

Sebastian war auch der Einzige, der sich für das Fortkommen meines Buches interessierte. Jedes fertiggestellte Kapitel las ich ihm im Bett vor, und er war dafür der optimale Gefährte: Witzige Stellen kommentierte er mit Gelächter, bei traurigen Passagen schüttelte er fassungslos den Kopf, und bei unklaren Abschnitten bombardierte er mich mit Fragen, die mich zu Korrekturen ermunterten.

Durch die Arbeit im Schmuckladen kam ich allerdings nicht so schnell voran, wie ich es mir wünschte. Für die ersten 80 Seiten benötigte ich fast ein halbes Jahr. Diese Seiten fand ich allerdings so spannend und gelungen, dass ich in einem Anflug von Größenwahn beschloss, diesen ersten Teil und ein Exposé des restlichen Buches nicht nur an den Rotherz-Verlag zu schicken, sondern auch noch an zwei große, renommierte Verlage: den Jäger-Verlag und den Sowieso-Verlag. Schließlich hatte ich zwar durch meine Vorgespräche mit Inge vom Rotherz-Verlag eine gewisse moralische Verpflichtung, aber ich hatte noch keinen Vertrag abgeschlossen.

Der helle Wahnsinn geht weiter

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