Читать книгу Arbeiten in der Tagesschule (E-Book) - Regula Windlinger - Страница 14
2.1 Rahmenbedingungen und Infrastruktur
ОглавлениеZu den typischen Belastungen des Erziehungsberufs zählen Zeitdruck, fehlende Vor- und Nachbereitungszeiten, die Gruppengrössen (Personalschlüssel), die zunehmende Anzahl von Kindern mit erhöhtem Betreuungsbedarf, die körperlichen Anforderungen der Arbeit und die fehlenden Erholungsmöglichkeiten im Alltag.
Bei den körperlichen Belastungen gehören der hohe Lärmpegel in den Einrichtungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen (Rücken- und Knieschäden) durch schädliche Körperhaltungen zu den wichtigsten Faktoren, für die vergleichsweise einfach präventive Massnahmen ergriffen werden können (Lärmdämpfungsmassnahmen, angepasste Möbel, spezifische Bewegungsförderung).
Ein essenzielles Thema für das Personal sind zudem die fehlenden Erholungsmöglichkeiten im Alltag, die mit dazu beitragen, dass das Erziehungspersonal zu den Berufsgruppen mit einer hohen Burn-out-Gefährdung zählt.6 Hier geht es zunächst darum, mit Schulungen und Kontrollen die Umsetzung und Einhaltung des Arbeitsgesetzes zu verbessern, das klare Regelungen zu den Pausen und Erholungszeiten festhält. Allerdings zeigt die Untersuchung von Windlinger, dass es an vielen Orten an angemessenen Pausenräumen fürs Personal fehlt. Echte Erholung im Arbeitsalltag ist nur gewährleistet, wenn es Rückzugsmöglichkeiten gibt; Räume, in denen sich das Personal ungestört ausruhen kann und wo nicht gleichzeitig gearbeitet wird. So ist etwa das Büro der Leitung entgegen einer weitverbreiteten Praxis kein angemessener Raum für die Pause der Mitarbeitenden.
Hier zeigt sich die fehlende Tradition der Mitsprache des Personals bei Fragen, die den Arbeitsalltag und die Gestaltung der Arbeitsumgebung betreffen. Das führt dazu, dass wertvolles Know-how zu Fragen der Arbeitsgestaltung ungenutzt bleibt.
Pädagogisch sinnvolle Personalschlüssel und Gruppengrössen lassen sich im Gegensatz zu gesundheitlichen Verbesserungsmassnahmen nicht einfach vor Ort einführen, sie müssen in den Zulassungsvoraussetzungen festgelegt werden und setzen die Finanzierung entsprechender Stellenpläne durch die öffentliche Hand voraus. Bisher sind die Stellenschlüssel in der Schweiz nirgends sachlich-pädagogisch begründet, sondern sie beruhen auf einer Mischung aus bisheriger Praxis und finanziellen Grenzsetzungen durch die Politik. Die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen sind in der Regel allgemein gehalten und unterscheiden nur zwischen «ausgebildetem Personal» und «weiteren Personen», ohne Überlegungen zu Art und Niveau der Ausbildung. Eine Ausbildung als Erzieherin auf Tertiärstufe bietet die notwendige Voraussetzung, auch grössere Kindergruppen angemessen anzuleiten und altersgerecht zu fördern. Eine Ausbildung auf Niveau Sekundarstufe II (Fachangestellte Betreuung) ohne entsprechende Weiterbildung reicht dafür nach Ansicht von Fachleuten nicht aus. Hier braucht es Differenzierungen bei den Vorgaben, die ebenfalls im Gespräch mit dem Personal bzw. dessen Vertretungen erarbeitet werden müssen. Eine schwere Hypothek ist in diesem Zusammenhang auch der hohe Anteil an unausgebildetem Personal in der Betreuung, der seit vielen Jahren bei über 40 Prozent verharrt.7
Weitere Faktoren werden bei der Kalkulation des Personalbedarfs bisher nicht ausreichend berücksichtigt, u.a. die im Gesundheits- und Sozialbereich überdurchschnittlich vielen Abwesenheitstage aufgrund von Krankheit,8 Zeit für Weiterbildungen sowie ein angemessener Anteil an Vor- und Nachbereitungszeit von 10 bis 20 Prozent der Arbeitszeit. Nach wie vor gibt es Einrichtungen, die keine kinderfreie Arbeitszeit («mittelbare pädagogische Arbeitszeit») vorsehen oder sie auf einen Teil der Mitarbeitenden konzentrieren. Es überrascht nicht, dass in der Befragung von Windlinger ein Drittel der Befragten angaben, zu Hause unbezahlte Arbeit zu erledigen (Windlinger & Züger, 2020, S. 91).
Hier wird deutlich, dass das Potenzial der Zulassungsbedingungen als Instrument für die Qualitätsentwicklung der Einrichtungen bei Weitem nicht ausgeschöpft wird. Als Geldgeberin könnte und müsste die öffentliche Hand die Rahmenbedingungen sehr viel klarer mit einer Perspektive der qualitativen Entwicklung der schulergänzenden Betreuung definieren.