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Dialog der Füße

«Ach», stöhnte der linke Fuß und wandte sich seinem Partner zu, «mir tut alles weh. In meinen Knochen herrscht Auf­-

ruhr.»

Da antwortete der rechte Fuß. «Du bist zu empfindlich. Aber ich habe es auch gehört, wie sie von oben herab über uns gesprochen hat. Klumpfuß und deformiert, das waren ihre Worte. Ich kann mit euch nicht gehen!»

«Hast du eine Ahnung, warum sie uns so behandelt?», fragte der Linke. «Wir sind doch schön, wir beide. Ich mit meinem Halux, und du mit deinem hohen Rist.»

«Wir wölben uns wie Brücken von einem Ufer zum anderen, und wir halten stand. Aber sie will lieber fliegen.»

«Weißt du noch damals, als sie nicht landen konnte? Da war sie wirklich am Ar…»

«Sch, sprich nicht so», sagte der Rechte zum Linken, «aber ich erinnere mich, sie hatte uns völlig vergessen.»

«Später hat sie sich ein Fahrrad zugelegt. Was für ein königliches Blau! Kurz darauf hat sie aber doch festgestellt, dass sie ohne uns nicht konnte. Abwärts ging’s immer, aber aufwärts? Wie sollte sie ohne uns in die Pedale treten?»

«Und wie auf eigenen Beinen stehen, wenn sie Grund­legendes einfach ignorierte?»

«Wir haben sie durch die Stadt getragen, ihr ganzes Gewicht auf uns geladen.»

«Um ehrlich zu sein», meinte der rechte Fuß leicht zerknirscht, «ich habe dabei etwas mehr auf mich genommen.»

«Ja, ja», murrte der linke zurück, «du warst schon immer der Stärkere.»

«… und die treibende Kraft. Was erwartete sie eigentlich von uns? Dass wir Flügel wären? Füße sind doch für die Erde da, nicht für den Himmel. Meinst du, sie wird das je verstehen?»

«Wer weiß …?», antwortete der andere, während sein kleiner Zeh ein Zwinkern mit dem Hühnerauge nicht unterdrücken konnte.


Tägliches Befremden

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