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I. Wesen der Tat

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Eine besondere Strafdrohung gegen die Misshandlung Schutzbefohlener, die Kehrseite des früheren Züchtigungsrechts (s.o. § 8 Rn. 19), wurde erstmals 1912 geschaffen (§ 223a Abs. 2 a.F.) und 1933 zu § 223b verselbstständigt, wobei die Tathandlungen sinnigerweise dem kurz zuvor erlassenen Tierschutzgesetz entnommen wurden. Durch das 6. StrRG 1998 erhielt er die jetzige Paragrafennummer und wurde verschärft (Strafbarkeit des Versuchs, Aufstufung der Regelbeispiele zu Qualifikationen und damit zu Verbrechen). Pro Jahr werden ca. 3000 Fälle polizeilich registriert. Die allgemeine Publizistik hat sich des Themas lebhaft angenommen und sieht in der Kindesmisshandlung die Kompensation von Frustrationen im beruflichen und gesellschaftlichen Leben[1].

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§ 225 bestraft das Quälen oder rohe Misshandeln bestimmter Gruppen wehrloser Personen, die dem Täter anvertraut und von ihm abhängig sind. Ob § 225 überhaupt in den Rahmen der Körperverletzung gehört, mag dahingestellt bleiben (vgl. o. § 8 Rn. 3 ff.) – jedenfalls ist er keine bloße Abwandlung des Grundtatbestandes, sondern reines Sonderdelikt. Dies folgt einmal daraus, dass § 225 rechtsgutsmäßig aus dem Rahmen der Körperverletzung herausragt: Objekt der Handlung kann zwar auch die Körperintegrität sein, ebenso aber auch die seelische Verfassung, sodass sich als Rechtsgut des § 225 die konstitutionelle Ganzheit des Menschen darstellt, die – im Gegensatz zur allgemeinen injuria (s.o. § 8 Rn. 2) – vom Täter nicht nur missachtet, sondern in ihrer Gesamtfunktion verletzt wird. Damit ist auch der konstruktive Unterschied des § 225 gegenüber § 223 klargestellt. Er ist ihm gegenüber nur teilweise ein Plus (insofern als die „Misshandlung“ des § 223 durch die „Rohheit“ der Gesinnung verschärft wird), im Übrigen etwas substantiell anderes: das „Quälen“ ist diejenige Tatform, die sich primär gegen die Seele des Opfers richtet und dessen leibliche Funktionen ganz außer Betracht lassen kann (RG DR 45, 22).

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Die hier vertretene Auffassung wird historisch dadurch gerechtfertigt, dass „Verbrechen am Seelenleben des Menschen“ mindestens seit Feuerbach (Kaspar Hauser 1831) als neuer selbstständiger Deliktstyp verlangt wurden[2]. De lege ferenda wurden sie vor 1933 insbes. von Kahl gefordert. Das Gesetz vom 26.5.33 ordnete den § 223b zwar innerhalb der Körperverletzungen ein, vermied aber peinlich jede sonst naheliegende Bezugnahme auf die Körperverletzung (vgl. dagegen § 224–§ 228)[3]. Das RG sah § 223b dagegen als Qualifikation des § 223 an, wobei es den weiteren Anwendungsbereich mit dem Hinweis auf seine Geringfügigkeit abtun zu können glaubte[4], während die heute h.M. § 225 in eine unselbstständige und eine selbstständige Abwandlung aufspaltet[5].

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Die Folgen der Sonderdeliktsnatur sind weittragend: § 228 scheidet aus, da die Sittenwidrigkeit der Tat hier infolge des Gesinnungsmomentes zwangsweise bestehen bleibt; als Grundlage der §§ 226 und 227 kann § 225 nicht dienen (Ersatzbestimmung: Strafschärfung des Abs. 3); Außenseiter haften ohne Rücksicht auf eigene Qualifikationsverhältnisse nach § 225 (freilich mit der Strafmilderung nach § 28 Abs. 1); bei seelischer Misshandlung ist Idealkonkurrenz mit Körperverletzung möglich.

Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1

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