Читать книгу Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1 - Reinhart Maurach - Страница 112
2. Die Auflockerung des Verbots
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Im Jahr 1927 erklärte das RG einen Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung der Schwangeren für rechtmäßig[6] und anerkannte dabei erstmals den sog. „übergesetzlichen Notstand“ (jetzt § 34 StGB). Dieser Rechtfertigungsgrund wurde auch als medizinische Indikation des Schwangerschaftsabbruchs bezeichnet. Durch das G zur Änderung des Ges. zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 26.6.35 wurde ferner die damals sog. eugenische, inzwischen zutreffender Kindesschädigungs- oder embryopathisch genannte Indikation anerkannt, d.h. die Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs bei Gefahr schwerer geistiger oder körperlicher Schäden des Kindes. Nach dem Kriege wurde in der sowjetischen Besatzungszone angesichts der Massenvergewaltigungen durch die Rote Armee die kriminogene (auch: „ethisch“, „juristisch“, „kriminologisch“ genannte) Indikation (bei Entstehung der Schwangerschaft aus einer strafbaren Handlung) und schließlich auch die soziale Indikation (bei wirtschaftlichen Gründen, insbesondere sozialer Notlage, mehreren bereits vorhandenen Kindern u.ä.) eingeführt[7]. Neben der Diskussion um die mehr oder weniger weitgehende Anerkennung der genannten Indikationen wurde auch versucht, durch eine Ausweitung des Krankheitsbegriffs in den sozialen Bereich hinein Teile der sozialen Indikation in die – weniger umstrittene – medizinische hineinzuziehen.
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Infolge der gewandelten Auffassung hatte sich schon auf dem Boden des überkommenen Rechts die Praxis radikal verändert. So stieg die Zahl der legalen Eingriffe von 2858 im Jahr 1968 auf 13201 1973 und 17814 1974. In der gleichen Zeit ging die Zahl der Verurteilten von 596 auf 94 zurück, wobei überwiegend Geldstrafen und zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafen verhängt wurden (Laufhütte-Wilkitzki JZ 76, 335).