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1. Beginn der Schwangerschaft
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Die moderne Antikonzeptionsforschung hat ermittelt, dass das weibliche Ei nach Vereinigung mit der männlichen Samenzelle noch den Prozess der Einnistung in die Gebärmutter (Nidation) durchläuft, der etwa mit dem 13. Tage nach der Empfängnis abgeschlossen wird. Demgemäß wurden neue Antikonzeptionsmittel entwickelt, mit denen die Nidation verhindert wird („Pille danach“, Intrauterinpessar = „Spirale“[10]). Da die Nidation von Natur aus nur in etwa 50 % aller Fälle erfolgt, hatte sich schon zum bisherigen Recht die Auffassung gebildet, dass unter der von §§ 218 ff. geschützten „Leibesfrucht“ nur das eingenistete befruchtete Ei zu verstehen war[11].
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Die häufige Begründung mit der Möglichkeit der Mehrlingsbildung und damit der fehlenden Individuation vor der Nidation ist dagegen verfehlt, da die Potenz zur Lebensvermehrung nicht zu einer Einschränkung des Schutzes führen darf (Lüttger JR 69, 451).
Für den „Schwangerschaftsabbruch“ gilt dies schon vom Begriff her. Gleichwohl stellt § 218 Abs. 1 S. 2 es noch einmal ausdrücklich fest[12]. Diese Festlegung gilt für alle im StGB enthaltenen Vorschriften, also insbesondere auch die §§ 218b, 219a, 219b.
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Während § 218 i.d.F. des 5. StrRG eine formale Bestimmung vorgesehen hatte („später als am dreizehnten Tage nach der Empfängnis“), stellt § 218 Abs. 1 S. 2 auf das materielle Ereignis der Einnistung ab. Aus dieser scheinbar bedeutungslosen (SA-Berat. 7/2433) Änderung ergeben sich wichtige Folgen: 1. Die Verwendung ausschließlich nidationshemmender Mittel ist straflos, auch wenn die Wirkung ausnahmsweise nach dem 13. Tag der Empfängnis eintritt[13]. 2. Die Anwendung von Mitteln zur Abtötung der eingenisteten Leibesfrucht ist strafbar, auch wenn sie ausnahmsweise vor dem 13. Tag nach der Empfängnis wirksam wird; andernfalls liegt immerhin ein strafbarer Versuch vor. Wichtig ist dies für die Anwendung von „allround“-Mitteln, insbesondere die Ausschabung. Wird allerdings ein solches Mittel nur mangels anderer Mittel und in der Hoffnung auf eine noch nicht erfolgte Einnistung angewendet, so fehlt es am erforderlichen Vorsatz. 3. Extrauterine Schwangerschaften fallen gar nicht erst unter die Tatbestände, sodass ihre Beseitigung keiner Rechtfertigung bedarf[14].
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Daneben wird unglücklicherweise nach wie vor auf den Begriff der Empfängnis abgestellt (§§ 218a Abs. 1, 3, 4). Dies ist sehr misslich, weil vielfach versucht worden ist, den Begriff der Empfängnis mit dem der Einnistung zur Deckung zu bringen, so dass auch die Nidationshemmung unter den Begriff der „Empfängnisverhütung“ fällt (s. bes. Harmsen aaO). Wegen der Übernahme aus dem 5. StrRG wird man hier den Begriff Empfängnis im klassischen Sinn, d.h. als Vereinigung von Ei und Samenzelle (Konjugation, Befruchtung), zu verstehen haben[15].
Da beide Termine im Wesentlichen auf Durchschnittsberechnungen beruhen und konkret kaum feststellbar sind (vgl. SA-Berat. VI/2177), wird überwiegend in dubio pro reo zu entscheiden sein und allenfalls ein Versuch angenommen werden können.