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II. Die „Absolutheit“ des Lebensschutzes
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Das Strafrecht betrachtet das menschliche Leben als eine biologisch-soziologisch untrennbar verbundene Erscheinung; es sieht in ihm einen Vorgang, dessen einzelne Phasen vom Beginn der Menschwerdung bis zum Ende des Lebensprozesses gleichwertig sind. Hieraus folgt der Grundsatz des absoluten Lebensschutzes: das Leben wird in jeder Phase als Rechtsgut anerkannt; es ist schutzwürdig ohne Rücksicht auf das Lebensgefühl, das Lebensinteresse des Einzelnen; es wird ebenso absolut geschützt ohne Rücksicht auf die Wertschätzung, welche die Gesamtheit dem Leben des Einzelnen als sozialer Funktion entgegenbringt.
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Gegenüber dieser Absolutheit des Lebensschutzes tritt die bei anderen Rechtsgütern wichtige Frage nach dem Rechtsgutsträger in ihrer praktischen Bedeutung zurück: Wird die Gemeinschaft als Träger des Rechtsguts betrachtet, so folgt dessen Unverzichtbarkeit gerade aus diesem Verhältnis. Betrachtet man dagegen wie hier den einzelnen als Rechtsgutsträger, so liegt ein zwar personengebundenes, aber der Disposition des Inhabers entzogenes Rechtsgut vor.
Aus dieser komplexen Natur eines der Verfügungsgewalt schlechthin entzogenen Gutes folgt die Beurteilung der zahlreichen streitigen Grenzfälle (u. III–VII).
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Der absolute Lebensschutz zeigt sich auch in der Abschaffung der Todesstrafe durch Art. 102 GG (zust. BGH 41, 325). Eine indirekte Auswirkung des Grundsatzes des absoluten Lebensschutzes liegt darin, dass das jugendliche Alter eines Tötungsopfers nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf[4].
Der von Maurach entwickelte Grundsatz der Absolutheit des Lebensschutzes[5] hat dazu provoziert, die Ausnahmen von diesem Grundsatz aufzulisten (Selbsttötung, Notwehrrecht, Tötung und Kriegsrecht)[6]. Diese Ausnahmen, die im Übrigen geringer sind als bei anderen Rechtsgütern, sollten aber nicht dazu führen, die Absolutheit des Lebensschutzes durch dessen Relativität zu ersetzen[7] oder die rechtspädagogisch eindrucksvolle Formulierung Maurachs zu einer „nur noch verbalen Schablone“ zu erklären[8].