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Don Ebro stand in würdevoller Unbeweglichkeit an der Türe, den Fuß leicht vorgeschoben, als wolle er tanzen. »Sennor Werndt bittet, in einer Viertelstunde ins Laboratorium hinüberzukommen. Es ist alles bereit.«

»Es ist gut«, nickte Nagel.

Seine junge Frau sah dem Diener gedankenvoll nach. Ihre Blicke glitten unruhig über das Zimmer und blieben immer wieder am Gesicht des Gatten haften.

Die Augen des Doktors strahlten. Er reckte die Arme. »Nun sind wir endlich soweit! Das erste Experiment soll beginnen. Der Augenblick ist also wirklich da. Seit Monaten warten wir auf diesen Moment -«

»- und fürchten ihn!« Er drehte sich überrascht um und bemerkte erst jetzt die Unruhe Mabels.

»Fürchten? Du? Ja, warum?«

Sie lächelte verlegen. »Du fragst noch warum? Ihr werdet ein neues Element erforschen, einen Stoff, der ungeahnte Gefahren in sich bergen kann. Unerwartete Explosionen, Kontaktgifte, Ausdampfen tödlicher Gase, unsichtbare, zerstörerische Strahlungen. Gefahr lauert in diesem unseligen Meteor auf euch in tausend möglichen Formen!«

Er strich ihr über das wellige Haar. »Närrchen! Welche Phantasien bei der Tochter eines Wissenschaftlers! Hunderte Male warst du bei solchen Versuchen dabei, hast selbst in Laboratorien mitgeholfen.«

»Aber da hatte ich dich noch nicht!«

»Und als du furchtlos mit uns zusammen den Absturz des Meteors im ,Falken’ beobachtet hast?«

»Da war ich an deiner Seite. Da hatte ich keine Angst!« verteidigte sie sich.

»Du brauchst dich auch jetzt nicht zu sorgen. Weshalb? Ich bin überzeugt, dass dieser Block so ungefährlich und still bleiben wird, wie nur irgendein Stein. Das Gefasel der Zeitungen hat dich nervös gemacht. Man redet soviel von Gefahren und Tücken, dass wir uns am Schluss noch blamieren, wenn gar nichts passiert!«

Mit gespielter Entrüstung entgegnete sie: »Du bist ein recht tüchtiger Schauspieler, Werner!«

Er machte ein ernstes Gesicht. »Aber wieso denn? Wenn wirklich was dran wäre, müsste sich doch längst irgend etwas davon gezeigt haben. Der Meteor ist glühend heiß vom Himmel gefallen und mit gewaltigem Stoß auf die Erde geschlagen und ist nicht explodiert. Menschen haben Bruchstücke des Meteors aufgehoben und auf Wagen gewälzt und keiner hat Hand oder Finger verloren. Tausende von Menschen haben den Block in Tokyo bestaunt und betastet, und niemand berichtet über gesundheitliche Schäden. Der Steinbrocken verhält sich doch soweit ganz zahm.«

Sie sah ihn voll Liebe, doch vorwurfsvoll an. »Erzählst du das einem ganz kleinen Mädchen oder der Tochter Mark Earthcliffes?«

Er wurde ein wenig verlegen.

Sie legte den Arm zärtlich um seinen Hals. »Du sprichst von der äußeren Hülle, ich spreche vom Kern. Ihr werdet das Material mit Reagenzien zersetzen, sein Verhalten bei Behandlung mit Säuren und Laugen, mit Druck und mit Hitze untersuchen. Einem Stoff, dessen seltsames Spektrum ihr kennt. Von dem ihr nur wisst, dass er unbekannt war bis zum heutigen Tag. Ihr tut einen Sprung in das Dunkel hinein und ich habe zum ersten mal Angst. Angst vor etwas Unbekanntem. Mein Instinkt warnt mich deutlich. Er schreckt mich auf, nachts in meinen Träumen. Könnte ich wenigstens dabei sein, wenn ihr...«

»Um Gottes willen!« entfuhr es ihm. Er bemerkte sofort seinen Fehler und lachte verlegen. »Was sollten wir denn auch zu viert dabei? Werndt, Dumascu und ich sind doch mehr als genug.« Er sprach immer schneller, als wolle er sie nicht zu Wort kommen lassen. »Übrigens du beleidigst Walter Werndt mit deiner Sorge. Glaubst du, er hätte nicht alles bedacht?«

»Soweit er es voraussehen kann.«

»Wir werden vorsichtig sein und alle nur erdenklichen Schutzmaßnahmen treffen. Kein Chemiker hatte bisher solche Laboratoriumskleider im Schrank. Du hast die Anzüge doch bei der Probe gesehen. Wie in einem Taucheranzug steckt man in diesen Asbestkautschukhüllen. In den Panzern kann uns ja gar nichts geschehen. Wir haben sie mit Schwefelsäure, mit Chlorwasser und Fluorwasserstoff übergossen. Wir haben sie in flüssiges Blei getaucht, sie mit Giftgas und mit Flammenwerfern attackiert. Die Dinger haben uns einfach ausgelacht, liebes Kind. Der Stoff wirkt durch seine Präparierung als Isolator für Elektrizität. Er ist imprägniert gegen Röntgenstrahlung und auch gegen alle anderen gefährlichen Strahlen. Ich wüsste wirklich nicht, was uns der olle Meteor da noch anhaben könnte.«

In der Türe stand die dunkle Gestalt seines Dieners, wie eine Mahnung zur Wahrheit.

»Ich komme«, winkte Nagel zurück. Er zwang sich zu einem lockeren Ton. »Also bis heute mittag, mein Mädel. Und keine Angst haben, hörst du?«

Sie drängte ihn mit einem Kuss zurück. »Ich gehe mit und helfe euch wenigstens in die Mäntel hinein«, sagte sie mit leicht zitternder Stimme.

Ohne seine Antwort abzuwarten, schlug sie den Weg zum Laboratorium ein.

Die Fahrt ins Nichts

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