Читать книгу Sword Art Online Novel - Band 13 - Reki Kawahara - Страница 15

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Ich war geschockt. Grundsätzlich fühlten sich Underworldler unwohl in Situationen, die außerhalb ihrer persönlichen Erfahrungen oder Erwartungen lagen. Sie waren also nicht wirklich dafür gerüstet, auf unmögliche Umstände zu reagieren. Das ging sogar so weit, dass Raios’ Fluctlight zusammengebrochen war, bevor seine Lebensspanne erloschen war – oder zumindest vermutete ich das.

Selbst ein Integrationsritter musste mit der Erfahrung zu kämpfen haben, ein Loch in eine angeblich unzerstörbare Wand geschlagen zu haben, nach draußen in die Leere gesaugt zu werden und dann in einer Höhe zu baumeln, die nicht einmal Drachen erreichen konnten. Andererseits war die hervorragende Schwertkämpferin Alice Synthesis Thirty tief in ihrem Inneren eben doch auch nur ein kleines Mädchen.

Jedenfalls musste ich, wenn ich mir den übermäßigen Stolz des Integrationsritters vor Augen hielt, davon ausgehen, dass sie, wenn sie eine Schwäche eingestand, wirklich mit ihrem Latein am Ende sein musste.

»Okay!«, rief ich ihr zu. »Dann ziehe ich dich an der Kette zur Stange hoch!«

Alice biss sich auf die Lippe und wägte offenbar ihre Angst gegen ihren Stolz ab, kam aber schließlich zu dem Schluss, dass sie keine Wahl hatte und jetzt keinen Rückzieher mehr machen konnte. Sie zupfte an der Kette. »D… Danke für deine Hilfe«, gickste sie.

Ich packte die Kette und widerstand dem Drang, mich über sie lustig zu machen. »Okay, ich zieh dich ganz langsam hoch. Los geht’s!«

Vorsichtig zog ich. Der Haken unter meinen Füßen protestierte, schien aber für kurze Zeit zwei Personen tragen zu können. Ich zog die goldene Ritterin ein paar Meter hoch und achtete dabei darauf, dass mein Standhaken nicht zu sehr in Bewegung geriet, dann ließ ich die Kette hängen. »So. Jetzt kannst du dein Schwert rausziehen.«

Alice nickte und zog langsam die Spitze des Osmanthus-Schwerts aus dem weißen Stein. Ein ordentliches Zusatzgewicht zerrte an der Kette und ich musste die Zähne zusammenbeißen, um sie still zu halten. Sobald sie ihr Schwert sicher verstaut hatte, zog ich sie weiter hoch.

Als Alice mit ihren Stiefeln auf dem ersten Haken stand, wies ich sie an: »Jetzt leg beide Hände an die Wand, um dich abzustützen … Gut so. Ich lasse jetzt die Kette los.«

Aus diesem Winkel konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, aber sie nickte ganz leicht mit dem Kopf, während sie sich an die Wand klammerte. Ich stellte mir ihren verzweifelten Gesichtsausdruck unter dem windzerzausten blonden Haar vor und senkte meinen rechten Arm. Sie schwankte kurz, fand aber ihr Gleichgewicht wieder.

»Puh …«

Ich stieß den Atem aus, von dem mir gar nicht bewusst gewesen war, dass ich ihn angehalten hatte.

Wie viele Meter mochten es noch sein, bis wir diese sogenannte Morgensternwarte in der fünfundneunzigsten Etage erreicht hatten? Solange ich diesen Prozess weiterhin erfolgreich wiederholen konnte, würden wir es irgendwann geschafft haben. Das Problem lag in der Zeit, die es dauerte, die Strecke zu überwinden. Irgendwann würde die Nacht hereinbrechen und dann würden wir vielleicht an der Wand baumelnd schlafen müssen.

»Okay, ich klettere jetzt weiter«, warnte ich sie.

Sie wandte mir ihr panikerfülltes Gesicht zu und ihre Antwort war über den Wind kaum zu verstehen. »Sei bitte vorsichtig.«

»Aber klar.« Ich zeigte ihr ein Daumen-hoch – eine Geste, die in Underworld wahrscheinlich niemand verstand – und sprach einen weiteren Systembefehl für den dritten Kletterhaken.

Obwohl Centoria unter uns sich für das Sommersonnenwendfest bereitmachte, neigte sich die Sonne erbarmungslos schnell dem Horizont zu. Auf dem weißen Stein wechselte das orange Licht der untergehenden Sonne schnell von einem flammenden Rot über Violett zu Dunkelblau, bis nur noch die Gipfel des Grenzgebirges weit, weit im Westen im letzten roten Licht des Tages zu sehen waren.

Über uns funkelten die Sterne, doch sie waren kein Segen für unser Fortkommen. Eine Stunde zuvor waren wir über eine unerwartete Systembeschränkung gestolpert, die sich als echtes Problem erwies.

Der Prozess des Kletterns war denkbar einfach: Ich erschuf mit den sakralen Künsten einen Haken, schlug ihn in die Fuge zwischen den Marmorblöcken und kletterte darauf. Dann zog ich Alice an der Kette hoch, bis sie auf dem Haken unter mir stand. Nachdem wir das etwa zehnmal gemacht hatten, brauchten wir für eine einzelne Wiederholung noch etwa drei Minuten.

Das Problem lag in der Erschaffung der Haken selbst. In dieser Welt gab es keine Werte, die dem entsprechen würden, was wir in ALO »Mana-Punkte« genannt hatten. Die Magie, die man hier »sakrale Künste« nannte, konnte so oft wiederholt werden, wie man wollte, solange der Spruch dem eigenen Systemzugangslevel entsprach.

Das bedeutete allerdings nicht, dass sie immer und überall angewandt werden konnte. Die Regeln dieser Welt gaben vor, dass jede Produktion magischer Ressourcen bedurfte. Das bezog sich sowohl auf die sakralen Künste als auch auf alles andere. Um eine Kunst auszuführen, musste man räumliche Ressourcen verbrauchen, entweder aus der Umgebung des Nutzers oder indem man die Lebensspanne von kostbaren Katalysatoren oder Lebewesen konsumierte – was auch Menschen einschloss.

Räumliche Ressourcen waren ein Problem, weil sie nicht in Zahlen gemessen werden konnten. Hauptsächlich speiste sich dieser Wert aus dem Sonnenlicht oder der Erde. Wo der Boden fruchtbar und sonnenbeschienen war, waren reichlich Ressourcen vorhanden und ausreichend, um den permanenten Einsatz hochrangiger Künste zu unterstützen. Auf der anderen Seite wären in einem fensterlosen Raum in einem Steingebäude die Ressourcen schnell aufgebraucht und es würde lange dauern, um sie wiederherzustellen.

Unter diesen Bedingungen hätte unsere gegenwärtige Situation – in einer Höhe von fünfhundert Metern festzusitzen, während die Sonne hinter dem Horizont verschwand – gar nicht schlimmer sein können. Es dauerte nicht lange, bis meine Haken erzeugenden Sakralkünste alle Ressourcen der Dämmerung erschöpft hatten, sodass wir nicht mehr weiterkamen.

»System call! Generate metallic element!«

Über meiner Handfläche, die ich in dem verzweifelten Versuch ausgestreckt hatte, das letzte Licht einzufangen, schwebten ein paar kleine silberne Lichtpartikel, bevor sie sich in winzige Rauchwölkchen auflösten.

Ich seufzte und unter mir hörte ich Alice flüstern: »Solche Gebilde zu generieren verbraucht viel spirituelle Energie. Jetzt, wo Solus untergegangen ist, kannst du mit Glück vielleicht noch einen pro Stunde erzeugen. Wie weit haben wir es geschafft?«

»Ähm … Ich denke, dass wir an der fünfundachtzigsten Etage vorbei sind.«

»Bis zur fünfundneunzigsten ist es also noch ein weiter Weg.«

Sehnsüchtig blickte ich zu den letzten Spuren von Violett am Himmel. »Ja … und wenn es erst mal richtig dunkel ist, ist es ohnehin zu gefährlich, weiterzuklettern. Und wenn wir hier ausharren wollen, wird es schwierig, Ruhe zu finden …«

Schlimmstenfalls würde einer von uns an der Kette baumeln müssen, aber nicht nur konnten wir keine Haken mehr erzeugen, sie verschwanden auch nach einigen wenigen Minuten. Wir hätten also keine andere Wahl, als wieder unsere Schwerter einzusetzen, und ich war nicht sicher, ob sie dieser Belastung die ganze Nacht hindurch standhalten konnten.

In der unsinnigen Hoffnung, eine Art Vorsprung zu finden, an dem wir die Kette mit ihren Ösen befestigen könnten, blickte ich die Wand hinauf, als …

»Oh …«

Nicht mehr als acht Meter über uns zeichnete sich in regelmäßigen Abständen eine Reihe von Schatten mit komplizierten Formen an der Wand ab. Als die Sonne untergegangen war, hatte sich auch der Dunst aufgelöst, der den Turm umgeben hatte, und enthüllte nun diese verborgenen Verzierungen.

»Hey … Sieh mal. Wofür hältst du das?«, fragte ich und deutete darauf.

Alice kniff die Augen zusammen, als sie aufblickte. »Ja … Sind das Statuen? Aber warum würde man die so weit hier oben anbringen, wo sie niemand sehen kann?«

»Mir ist egal, warum, solange wir uns draufsetzen und uns ausruhen können. Aber sie sind gute … acht Mer über uns. Wir bräuchten noch drei Stangen, um da raufzuklettern.«

»Drei Stangen …«, wiederholte sie in Gedanken versunken. »Also schön. Ich wollte mir das für den Notfall aufsparen … aber ich schätze, jetzt ist die Zeit reif.«

Sie presste den Rücken gegen die Wand und zog den linken Handschuh aus. Sie starrte das schwach leuchtende Rüstungsteil an und sprach einen Befehl der Sakralkunst. Nachdem sie sie ausgeführt hatte (übrigens sehr viel eleganter als ich), zuckte ein Blitz auf und der Handschuh hatte sich in drei weitere Kletterhaken verwandelt. Da es mir nicht gelungen war, selbst welche zu erzeugen, musste Alice’ Formwandelkunst sehr viel energieeffizienter sein, als sie aus dem Nichts zu erschaffen.

»Hier, nimm die«, sagte sie und streckte sich mit den Haken in der Hand.

Ich hockte mich hin und nahm sie vorsichtig entgegen. »Danke. Das ist eine große Hilfe.«

»Wenn es hart auf hart kommt, habe ich noch mehr Rüstungsteile …«

Ich blickte auf den elegant gearbeiteten Brustpanzer, der ihren Oberkörper schützte, und schüttelte den Kopf. »Nein … das heben wir uns bis ganz zum Schluss auf. Man kann nie wissen, was wir noch brauchen können …«

Vorsichtig kam ich auf die Füße, steckte mir zwei der Haken in den Gürtel und hob den dritten.

»Uwaah!«

Wie zu erwarten, war der goldene Haken sehr viel stabiler als die Metalle, die ich erschaffen hatte. Er sank tief in die Steinfuge. Ich vollführte die inzwischen vertraute Kletterroutine und nutzte die Kette, um Alice hochzuziehen. Nach einer weiteren Wiederholung waren die mysteriösen Objekte nur noch halb so weit entfernt und in der Dunkelheit deutlich besser zu erkennen.

Wie sich herausstellte, handelte es sich um große, fein ausgearbeitete Steinstatuen. Auf kleinen Plattformen umringte eine große Zahl von ihnen die Kathedrale. Doch dies waren nicht die heiligen Statuen von Göttinnen und Engeln, die ich im Inneren des Turms gesehen hatte. Ja, sie hatten menschliche Konturen, saßen aber in der Hocke und hatten die Arme bedrohlich vor den Beinen verschränkt. Die Muskeln traten hervor und aus dem Rücken ragten messerscharfe Flügel auf.

Am schlimmsten aber war, dass die Köpfe der Statuen absolut fremdartig aussahen. Sie waren geschwungen und vorne lang gezogen und endeten in einem konischen Mund. Sie wirkten wie die Köpfe von irgendwelchen grotesken, riesigen Rüsselkäfern.

»Uhh … Dieses Design ist echt gruselig«, stöhnte ich.

»Hm? W… Warte mal … Die sind aus dem Dark Territory!«, entfuhr es Alice.

Genau in diesem Moment bewegte die Statue direkt über mir ihren Kopf vor und zurück und ihr Mund öffnete und schloss sich. Das war keine aus Stein gemeißelte dekorative Statue. Sie war … lebendig!

Wenn das hier eine Quest in einem normalen VRMMO in der realen Welt gewesen wäre, wäre nach einer solchen Demonstration ein Angriff der Statuen unausweichlich gewesen. Aber in diesem Fall war derjenige, der das Szenario schrieb, entweder ein totaler Sadist oder ein blutiger Anfänger. Wir hingen an diesen vierzig Zentimeter langen Haken an einer glatten Wand und konnten nirgendwohin.

Der Begriff »unausweichliche Niederlage« schoss mir durch den Kopf, aber ich verdrängte ihn sofort wieder. Das hier war keiner dieser Nervenkitzelmomente, in denen jemand einfach plötzlich auftauchen und uns retten würde, sollten wir fallen. Wir mussten selbst unseren Verstand einsetzen, um uns der Gefahr zu entziehen, oder wir würden sterben.

Während ich mich auf die Gefahr vorbereitete, schüttelte sich die geflügelte Kreatur und änderte ihre Farbe. Ihre weiße Haut, der gleiche Ton wie die Turmmauer, nahm ein Pechschwarz an und bildete Extremitäten aus.

In der Erwartung, dass die schwarzen Flügel sich vollständig ausbreiten würden, zog ich mein Schwert. Ohne meinen Blick von der vermeintlichen Statue zu nehmen, rief ich zu Alice hinunter: »Sieht aus, als stünde uns ein Kampf bevor! Nicht runterzufallen ist dabei unsere oberste Priorität!«

Ich bekam allerdings nicht gleich eine Antwort von dem Integrationsritter. Ich warf einen Blick nach unten und erblickte in der Dunkelheit ihr blasses Gesicht, in dem nackte Angst stand. Der Wind trug ihre geflüsterten Worte zu mir herauf. »Nein, wie ist das möglich?«

Ein Integrationsritter sollte alles über die Axiom-Kirche wissen. Warum war sie so überrascht? Nach allem, was ich aus Berichten aus zweiter Hand über Administrator wusste, war sie überaus vorsichtig. Da war es sicherlich nicht undenkbar, dass sie nicht nur Maßnahmen traf, um zu verhindern, dass man zu den oberen Bereichen des Turms fliegen konnte, sondern auch Steinwächter entlang der Wände postierten würde, sollten Angreifer entschlossen und wahnsinnig genug sein, den ganzen Weg hier raufzuklettern.

Der Wächter – der abgesehen vom Kopf aussah wie ein typischer Videospiel-Gargoyle – packte den Rand der Plattform mit klauenartigen Händen und stieß einen Schwall Luft aus.

Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich bemerkte, dass auch die Gargoyles rechts und links des zum Leben erwachten ihre Farbe wechselten. Wenn sie gleichmäßig um die vier Wände des Turms herum platziert waren, mochten es gut und gerne hundert sein.

»Ach verdammt«, zischte ich. Ich drehte mich um, sodass ich mich mit dem Rücken an die Wand drücken konnte, und hob mein Schwert. Das allein reichte schon, um mich auf der schmalen Stange, auf der ich stand, aus dem Gleichgewicht zu bringen. Selbst in SAO hatte ich nie versucht, so zu kämpfen.

Doch bevor ich mir auch nur einen Plan zurechtlegen konnte, hörte ich über mir Flügel schlagen. Der Gargoyle schwebte vor dem dunkelblauen Himmel und die Knopfaugen seitlich an seinem lang gezogenen Kopf waren auf mich gerichtet. Das Monster war größer, als ich erwartet hatte, vermutlich über eins achtzig. Selbst sein herunterhängender Schwanz schien länger als ich zu sein.

»Bschaa!« Es stieß ein Zischen aus, wie Dampf, der aus einem Ventil entweicht, dann stürzte es sich mit dem Kopf voran auf mich.

Es schien keine Möglichkeit zu haben, mich aus der Ferne anzugreifen, also erwartete ich, dass als Nächstes Klauen an seinen Extremitäten erscheinen würden. Rechts oder links, oben oder unten …

»Uwah!«

Wie ein Peitschenhieb schnellte sein Schwanz vor. Ich zog den Kopf ein und schrie überrascht auf. Die Schwanzspitze, scharf und spitz wie eine Messerklinge, erwischte meine Wange.

Ich hatte es geschafft auszuweichen, aber das Gleichgewicht war ein Problem. Ich schwankte auf dem Haken und bemühte mich, mich aufrecht zu halten. Gnadenlos schnellte der Schwanz des Gargoyles wieder auf mich zu.

Mit der linken Hand stützte ich mich an der Wand ab, um mit dem Schwert in der rechten den Angriff blocken zu können. Ich konnte es nur wie einen Schild vor mich halten. Es tatsächlich zu schwingen, um die Schwanzspitze abzutrennen, war undenkbar.

»Urgh …« Dies war nicht der Moment, um zögerlich zu sein. Also nahm ich meine linke Hand von der Wand und zog einen der goldenen Haken aus meinem Gürtel. Ich rief mir die Bewegungsabläufe der Wurfwaffen-Skills, die ich in SAO so oft trainiert hatte, in Erinnerung und schleuderte den Speer auf den Oberkörper des Gargoyles.

Ich legte nicht allzu viel Kraft in den Wurf, doch der kurze Speer wurde seinem Ursprung als Alice’ Handschuh gerecht und schoss strahlend durch die Dunkelheit, um sich dann tief in den Unterbauch des Gargoyles zu bohren.

»Bschhi!«, zischte er und aus seinem runden Mund lief schwarzes Blut. Das Monster schlug ungleichmäßig mit den Flügeln, um seine Höhe zu halten. Ich hatte ihm einigen Schaden zugefügt, aber nicht genug, um es zu besiegen.

Sword Art Online Novel - Band 13

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