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Blutrausch

Berlin, Hauptstadt der DDR.

Freitag, 14. Februar 1969

Im Osten Berlins gab es in der Wilhelm-Pieck-­

Straße 89 mit der Postleitzahl 1054 – heute Torstraße 89, 10119 Berlin – eine HO-Gaststätte, das Casino-Eck. Eigentlich eine Berliner Eckkneipe, in der der Zigarettenqualm wie ein Schleier hing, es nach Alkohol roch und das Ausmaß des Bier- und Schnapskonsums am Gesprächslärm ablesbar war. Wer heute dort einkehren will, findet ein gänzlich anderes Ambiente vor als damals. Die Wende hat der Kneipe den Garaus gemacht, nunmehr befindet sich dort die Neue Odessa Bar.


Die Neue Odessa Bar

Nichts an jenem Ort erinnert mehr an einen denkwürdigen Tag vor über fünfzig Jahren. Es war der 13. Februar 1969, kein Unglücksfreitag, sondern ein Donnerstag. Hilmar Switalla, dreißig Jahre alt und Sektionsgehilfe, hatte mit seinem Kneipenkumpel Johannes Kasbohrer, »Henne« genannt, in der Gaststätte Krainberg Bier getrunken; mit anderen würfelten sie um eine Runde Berliner Pilsner. Danach spielten sie um Geld, aber die Einsatzsumme betrug nur 50 Pfennig. Als sie beide gegen 21 Uhr die Kneipe, deren Ausschank schloss – Hilmar Switalla hatte dort drei Bier und zwei Erdbeerliköre getrunken –, verließen, waren sie noch in Spiel- und Alkohollaune, so dass sie zum nicht weit entfernten Casino-Eck weiterzogen.

Dort spielten sie Klammern, ein kombiniertes Karten- und Würfelspiel. Ob alles mit rechten Dingen zuging, kann heute nicht mehr überprüft werden. Aber Hilmar Switalla verlor fast jede Runde und 60 Mark an »Henne«. Zudem bezahlte er fortwährend »Hennes« Bier, da vereinbart war, dass der Verlierer das Getränk spendiert. Nur zwei Spiele gewann er.

Dann kam der vorerst letzte Einsatz, und Switalla verlor noch einmal 40 Mark. Sie diskutierten darüber eine halbe Stunde heftig, was dazu führte, dass Hilmar Switalla herausfordernd zwei 50-Mark-Scheine auf den Tisch legte. Abermals verlor er, und »Henne« steckte die 100 Mark ein. Switalla wurde wütend, da er ja noch 10 Mark zurückbekäme: »Ich gebe dir fünf Minuten Zeit, zu überdenken, ob du nicht einen Fehler gemacht hast.«

»Was für einen Fehler?«, erwiderte der Spielpartner. »Ich habe keinen Fehler gemacht. Du hast schlecht gespielt, und ich habe gewonnen. So einfach ist das nun einmal.«

Nun herrschte tatsächlich für fünf Minuten Schweigen zwischen den beiden, bis Switalla endlich sagte: »Ich bekomme noch zehn Mark!«

»Ach so, sag das doch gleich«, lenkte »Henne« ein und reichte Switalla zwei 5-Mark-Scheine.

Doch dieser wies sie energisch zurück. »Du hast mich betrogen, ich will mein ganzes Geld wiederhaben. Jetzt und sofort. Du bist ein elender Betrüger!«

»Beruhige dich doch«, versuchte »Henne«, ihn zu beschwichtigen. »Du hast eben schlecht gespielt, kein Glück gehabt. Ich habe heute gewonnen, und das nächste Mal gewinnst du. So einfach ist das immer im Leben …«

In Hilmar Switalla brodelte es, Hass- und Rachegedanken stiegen in ihm hoch. »Mit dir wird es ein schlimmes Ende nehmen. Ich schwöre es!«

Nun war es Kasbohrer wohl zu viel, und er versuchte, die Situation zu entspannen, indem er erst einmal auf die Toilette flüchtete. Doch Unheil drohte, denn sein Widersacher folgte ihm sogleich mit aufgeklapptem ­Taschenmesser in der Manteltasche. Auf der Toilette verlangte Switalla wiederholt sein Geld zurück, was Kasbohrer jedoch strikt ablehnte. »Ich habe gewonnen«, betonte er abermals, »und du hast verloren. So ist das nun einmal.«

Unvermittelt stach Switalla seinem Kneipenkumpel »Henne« mit dem Messer in die Nackengegend und in die linke Halsseite. Blut strömte aus den Wunden, und »Henne« rückte in Todesangst umgehend die geforderten 100 Mark heraus. Aber Switalla streckte das Messer weiter drohend seinem Opfer entgegen und verlangte nun noch 20 Mark, die »Henne« ihm ohnehin noch schulden würde. Kasbohrer weigerte sich, aber nur für einen kurzen Moment, denn nun schlug ihn Switalla so lange mit der Faust ins Gesicht, bis er auch diese 20 Mark erhielt.

»Na bitte, es geht doch.« Er säuberte das Messer unter dem Wasserhahn und steckte es wieder in seine Manteltasche. »Henne« blutete sehr stark, Switalla gab ihm sein Taschentuch und verließ eilig das Casino-Eck.

Als Kasbohrer die Kneipe verließ, wurde er von Switalla abgepasst. Eingeschüchtert schlug »Henne« den Weg zu seiner Wohnung ein, Switalla folgte ihm.

»Natürlich kannst du eine Anzeige erstatten. Das steht dir frei. Aber ich sage dir, wenn ich inhaftiert und verurteilt werde, dann gnade dir Gott! Irgendwann komme ich wieder raus, dann schlage ich dich tot.«

Diese Drohung wiederholte Hilmar Switalla mehrfach sowohl auf dem Weg zur als auch in der Wohnung von »Henne«. Nach einer guten Viertelstunde verabschiedete sich der Übeltäter höflich. Zuvor hatte er noch das blutverschmierte Taschentuch an sich genommen, das ihm ja gehörte. Er wusste natürlich, dass das im Ernstfall ein wichtiges Beweismittel wäre, das ihn sehr belasten könnte.

»Mach’s gut, mein Lieber!«, rief er beim Hinausgehen. »Halt dich zurück! Aber vielleicht siehst du mich in diesem Leben auch nicht wieder. Mal sehen.«

Switalla schlenderte in Richtung seiner Wohnung in der Linienstraße, wo er zusammen mit seiner Mutter lebte. In seinem Kopf kreisten in verworrenen Bahnen die Gedanken. Noch ließen sie sich nicht zusammenfügen und zu einem Sinn verbinden. Noch nicht. Na klar, er musste jetzt handeln, denn der Streit mit »Henne« hatte seinen Plan erheblich durcheinandergebracht. Was ist, wenn der Schlappschwanz doch zur Polizei geht und Anzeige erstattet?

Um Mitternacht traf Switalla bei sich zu Hause ein, seine Mutter schlief schon. Er reinigte seine Hände gründlich und befreite sich vom Blut seines Wider­sachers. Während er so am Waschbecken stand, verfestigte sich der Gedanke, dass er jetzt und heute handeln müsse. Aber er war unsicher, ob er für das, was er vorhatte, überhaupt den Mut aufbringen und relativ emotionslos handeln könnte. Rein technisch hatte er keinerlei Bedenken. So entschloss er sich, erst einmal einen Selbstversuch zu wagen.

Im Haus schräg gegenüber wohnte Inge Schubert – fünfzehn Jahre älter als er. Kurz nach seiner Haftentlassung 1965 hatte er sie durch seine Mutter kennengelernt, und alsbald waren sie ein Paar. Ein Dreivierteljahr lebte er sogar bei ihr, aber er war eigentlich nur an den intensiven intimen Momenten interessiert, eine Ehe war für ihn ausgeschlossen. Die Streitigkeiten zwischen beiden wurden immer heftiger – sie gerieten schon aus nichtigen Anlässen aneinander. Immer öfter kam Switalla alkoholisiert nach Hause. Wenn sie nur die kleins­te kritische Bemerkung machte, schlug er sie und demolierte die Wohnungseinrichtung.

Eines Tages hatte Inge Schubert ihn ausgeschlossen. Daraufhin schlug er mit der Axt die Wohnungstür ein, attackierte seine Freundin mit einem Messer und verprügelte sie. Sie erlitt drei klaffende Wunden am Arm und eine Platzwunde im Gesicht. Er verschwand zu seiner Mutter, die er beauftragte, am nächsten Tag mit Inge Schubert zu sprechen. Die Botschaft, die die Mutter übermittelte, war eindeutig: Falls Inge Schubert ihn bei der Polizei anzeigen würde, würde er sie so zurichten, dass sie einem Menschen nicht mehr ähnlich sähe.

Aus Angst vor Rache unterließ es Inge Schubert tatsächlich, eine Anzeige wegen Körperverletzung zu erstatten. Später bat Hilmar Switalla sie sogar um Verzeihung, und beide verkehrten wieder ganz partnerschaftlich miteinander – bis zum 3. Dezember 1965. An diesem Tag wurde Switalla wegen verbrecherischer Trunkenheit inhaftiert, und Inge Schubert trennte sich abermals von ihm. Aber nicht endgültig, denn nach seiner erneuten Haftentlassung wohnte er einige Tage bei ihr. Es ist zu vermuten, dass es wieder Streit gab. Zudem hatte er eine andere Frau kennengelernt, so dass sie sich als Paar endgültig trennten. Während seiner Ehe mit Rosemarie, wobei es sich bei dieser Beziehung am Anfang vielleicht wirklich um Liebe gehandelt hatte, besuchte er aber Inge Schubert noch einige Male. Sie tranken Alkohol (selbstredend!) und plauderten über die Probleme, die Switalla nun mit seiner neuen Frau hatte.

Am 31. Dezember 1968, er erinnerte sich noch sehr gut an dieses Silvester, suchte er Inge Schubert in ihrer Wohnung auf, die aber gerade mit ihrem neuen Freund den Jahreswechsel feiern wollte. Switalla war eifersüchtig, sehr verärgert über ihre neue Beziehung; es kam zu einer Prügelei zwischen ihm und dem Freund, und da Switalla gewann, warf er ihn kurzerhand aus der Wohnung. Und er erklärte: »Ich sage dir eins, ich bestimme hier, wer sich bei dir aufhalten darf, und wenn ihr – du oder dieser Blödmann – Anzeige erstattet, schlage ich dich tot.«

Er erinnerte sich auch daran, dass er Anfang Februar 1969 nochmals bei Inge Schubert geklingelt hatte. Sie gewährte ihm Einlass, erklärte ihm aber in der Wohnung, dass er sie doch nun in Ruhe lassen möge, sie wolle nichts mehr mit ihm zu tun haben.

Mit all diesen Gedanken und Erinnerungen verließ er am 14. Februar 1969 gegen 0.30 Uhr seine Wohnung. Bekleidet war er mit einer braunkarierten Hose und einem weißen Kunstfaserhemd mit dunklen Knöpfen, darüber trug er ein weiß-grün gesprenkeltes Sakko sowie einen hellen Mantel mit kariertem Futter. In die innere Manteltasche hatte er ein Brotmesser aus der Küche gesteckt. Die Scheidungsklage, ein Notizbuch, ein persönlicher Brief von seiner Frau und ein Kranken­hauseinlieferungsschein aufgrund suizidaler Tendenzen vom 15. Januar 1969 befanden sich ebenfalls in seinen Taschen. Er wollte auf alles vorbereitet sein.

Hilmar Switalla ging schräg über die Straße, klingelte an der Wohnungstür von Inge Schubert, die etwas verschlafen im Morgenmantel (sie war schon zu Bett gegangen) die Tür öffnete. Er fragte: »Kann ich bei dir übernachten? Ich hab zurzeit keine Bleibe.«

Nach kurzem Überlegen willigte sie ein. »Komm rein, du kennst dich ja hier aus.«

Im Wohnzimmer rauchten beide noch eine Zigarette, dann gingen sie zu Bett, wie sie das ja schon so oft getan hatten. Inge Schubert zog ihren Morgenmantel aus, Switalla legte seine Kleidung bis auf die Unter­wäsche ab. Seine Brille behielt er auf. Er verbrannte noch das von »Hennes« Blut verschmierte Taschentuch im Kachel­ofen, der behaglich knisterte.

Dann löschte er das Licht. Sie lagen nebeneinander im Bett – wie alte Eheleute. »Gemütlich bei dir, wie immer«, sagte Switalla. Inge Schubert erwartete jetzt ein paar Zärtlichkeiten, aber er schwieg. Nach einer Pause fragte er, ob sie beten könne.

»Nein, warum sollte ich? Ich habe doch noch nie gebetet, das weißt du doch.«

Nach einer weiteren Pause legte er sich plötzlich auf sie, packte sie am Hals und drückte mit beiden Händen kräftig zu. Inge Schubert strampelte in Todesangst mit den Beinen und versuchte, ihn wegzustoßen. Aber es gelang ihr nicht. Nach einer kurzen heftigen Gegenwehr wurden ihre Bewegungen zunehmend kraftloser, bis sie ohne sichtbare Lebenszeichen liegen blieb.

Switalla stand nun auf, schaltete das Licht wieder ein und ging in das Wohnzimmer, wo er seine Kleidungsstücke abgelegt hatte. Er nahm das Brotmesser aus seinem Mantel. An das Bett zurückgekehrt, schlitzte er ihr die linke Halsschlagader auf, durchschnitt anschließend die vordere Halspartie völlig und setzte mehrere Stiche in die Herzregion. Er war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er sie durch das Würgen wirklich getötet hatte.

Als das grausame Werk getan war, begann er, den Leichnam zu sezieren, denn er verfügte ja über einige berufliche Erfahrungen auf diesem Gebiet. Sektionsgehilfe, das war schon immer sein Traumberuf gewesen. Er fügte dem Opfer mehrere Schnittverletzungen im Gesicht zu und öffnete den Bauchraum, wobei er bemerkte, dass das Messer mehr riss als schnitt. Darüber war Switalla sehr verärgert und stellte das Massaker umgehend ein. Er ging in das ans Schlafzimmer angrenzende Wohnzimmer und wollte sich wieder anziehen, da entschloss er sich zu einem weiteren Selbstversuch.

Da ihn die Tat nicht sonderlich erregt hatte und er ruhig geblieben war, kehrte er in das Schlafzimmer zurück, um zu testen, ob ihn der Anblick mit dem vielen Blut erschüttern würde. Das war nicht der Fall. Die Ermordung von Inge Schubert hatte ihn nicht berührt, er fühlte sich befreit, irgendwie so, als ob gar nichts geschehen wäre. In aller Ruhe zog er sich nun an und steckte eine Packung Schlaftabletten der Marke »Kalypnon« ein, die sich in einer Glasschale auf dem Wohnzimmertisch befand. Mit diesen wollte er sein Leben beenden, nachdem er seinen Plan nun endlich vollendet haben würde.

Aus der Manteltasche von Inge Schubert nahm er noch den Haus- und Wohnungsschlüssel. Er wollte schon gehen, da stiegen wieder Zweifel in ihm auf: Diese Prüfung hast du bestanden, dachte er, du bist ruhig und gelassen geblieben. Aber gelingt das auch, wenn es dann wirklich darauf ankommt? Und willst du das auch? Er entschied sich für eine weitere Prüfung. Er löschte das Licht und verschloss die Tür; sein mörderischer Besuch hatte etwa dreißig Minuten gedauert.

Gegen 1.30 Uhr klingelte er nach einem Fußweg von ungefähr einer halben Stunde (wir befinden uns also immer noch im Stadtbezirk Berlin-Mitte) an der Wohnungstür von Ursula Kaschube, mit der er eine konfliktbehaftete, oft in Alkohol ertränkte lose Beziehung unterhielt. Er wusste, dass sie allein lebte. Trotz aller Konflikte in der Vergangenheit (die Volkspolizei in Mitte musste Ursula Kaschube mehrmals schützen!) wurde er eingelassen, so wie er es vorausgedacht hatte. Es gab kein Licht in der Wohnung, denn in den elek­trischen Leitungen hatte es geknistert, so dass sie vorsichthalber alle Sicherungen herausgedreht hatte. Auf dem Betttisch stand nur ein kleiner Kerzenrest, den Switalla bei seiner Ankunft anzündete, da in der Wohnung auch keine Streichhölzer vorhanden waren.

Sie rauchten gemeinsam eine Zigarette und legten sich auf das Sofa im Zimmer. Switalla zog sich bis auf die Unterhose aus; da an seinem Unterhemd bereits viel Blut war, wollte er es nicht noch mehr beschmutzen.

Beide sprachen noch drei Minuten miteinander, dann legte er unvermittelt seine Hände um ihren Hals und würgte sie, bis keine Bewegungen mehr zu verzeichnen waren. Als er losließ, machte Ursula Kaschube noch einige röchelnde Atemzüge. Switalla nahm ein Kissen vom Sofa und drückte es ihr aufs Gesicht, bis er glaubte, dass sie tot sei. Er legte sein Ohr an ihre Brust, hörte keine Herzschläge mehr und nahm auch keinerlei Bewegung in ihrem Körper wahr.

Nun wollte er wie bei Inge Schubert mit dem mitgebrachten Messer seinem zweiten Opfer die Halsschlagadern aufschneiden, um den Tod mit Sicherheit herbeizuführen. Er nahm zunächst davon Abstand, weil er plante, dort in der Wohnung zu übernachten, sich auszuschlafen und Kraft zu sammeln für die eigentliche Prüfung – und auf einem blutüberströmten Sofa war das wohl kaum möglich. Um sein Vorhaben trotzdem realisieren zu können, legte er einige Matratzen, die an der Schrankecke standen, und einige Bekleidungsstücke auf den Fußboden des Wohnzimmers. Anschließend bettete er das Opfer darauf und schlitzte ihm mit dem mitgebrachten und schon verwendeten Brotmesser die linke Halsschlagader auf. Zur Sicherheit wollte er ihr das Messer noch in das Herz stoßen. Dabei waren ihm allerdings die Kleidungsstücke, die Ursula Kaschube trug, im Wege. So riss er ihr den BH und den Hüfthalter vom Körper, bis sie völlig nackt dalag.

Nun stieß er ihr mehrere Male mit dem Messer in die Herzregion und schnitt ihr den Hals durch. Er vollzog an ihr einen Kragenschnitt von Schulter zu Schulter, wobei er wieder die »Vision des Sezierens« hatte. Anschließend schnitt Switalla die Haut vom Kragenschnitt aus über dem Brustbein auf, verlängerte den Schnitt über die Bauchdecke bis zu den Genitalien und setzte dann das Messer am rechten Oberschenkel an. Er hatte die Absicht, den Oberschenkelknochen herauszulösen, was er aber nicht realisieren konnte, da das Messer zu stumpf war. Er wollte nun ihren rechten Unterschenkel abtrennen, was ihm aber wegen des unscharfen Messers auch nicht gelang. Er ärgerte sich sehr über sein mangelhaftes Sektionswerkzeug und gab sein Vorhaben auf, auch seinen Plan, in der Wohnung zu übernachten. Man konnte ja auch kaum etwas sehen; nur der kleine brennende Kerzenstummel spendete etwas Licht …

Er nahm das blutige Messer, tastete sich durch die dunkle Wohnung zur Küche, säuberte es dort unter dem Wasserhahn und trocknete es an einem Handtuch ab.

Wie schon bei Inge Schubert hielt er auch hier einen Moment lang inne, um seine Erregungszustände zu begutachten. Wieder fiel ihm dabei auf, dass er während der gesamten grausamen Tat ruhig und gelassen geblieben war. Er ging zum Wohnzimmer zurück, steckte das Messer in die linke Innentasche seines Mantels und zog sich an. Er steckte Wohnungs- und Haustürschlüssel, die auf dem Tisch lagen, ein, löschte ordnungsgemäß die Kerze und verließ die Wohnung. Mit einem Taxi begab er sich auf den Nachhauseweg in die Linienstraße, wo er gegen 2.30 Uhr eintraf.

Die Mutter hatte ihren Sohn bei seiner Rückkehr offensichtlich nicht kommen hören. Switalla ging in die Küche, wo sein Bett stand, entkleidete sich und legte sich schlafen. Zuvor hatte er sich den Wecker gestellt, da er bereits um 6 Uhr in Berlin-Karlshorst sein wollte.

Seit einer tätlichen Auseinandersetzung im Dezember 1968 und der darauf von seiner Ehefrau Rosemarie erstatteten Anzeige gegen ihn reifte in ihm der feste Entschluss, seine Angetraute zu ermorden. Er glaubte, sie für immer verloren zu haben, und wollte nicht, dass sie ein anderer Mann bekommt.

Zur Tötung seiner Frau hatte er mehrere Pläne in Erwägung gezogen. Einer sah vor, einen Polizisten zu überfallen, um so an eine Pistole zu gelangen. Diesen Plan hatte er jedoch wieder verworfen. Terminlich hatte sich Switalla eigentlich auf den 25. Februar 1969 festgelegt, den Tag der Ehescheidung vor Gericht. Er stellte sich vor, im Gerichtssaal seine Rosemarie mit einem Messer zu töten und anschließend seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.

Aber nun, nach der Auseinandersetzung mit »Henne« und der drohenden Anzeige, schien es ihm angebracht, sein Vorhaben umgehend auszuführen.

Um 5.30 Uhr klingelte der Wecker, und Switalla, beseelt von seinem Projekt, das er nun verwirklichen wollte, stand sofort auf. Er dachte schnell und unkon­trolliert, aber war ganz ruhig. Heute schaffe ich es, sagte er zu sich selbst, heute kommt die Vollendung, ich koste den Gedanken aus, bis ich da bin und weiß, dass nichts mehr angefangen werden kann. Alles geht seinem Ende entgegen.

Er fuhr mit der S-Bahn nach Karlshorst, wo er ungefähr nach einer Stunde ankam. Dann lief er in die Brehmstraße. Hier wohnte seine Frau in einem Mehrfamilienhaus zusammen mit ihrem geschiedenen Ehemann Wolfgang Kirchhoff, deren drei Töchtern und dem gemeinsam mit Switalla gezeugten Sohn. Es war noch früh am Tag, doch Switalla mutmaßte, dass Wolfgang Kirchhoff bereits auf seiner Arbeitsstelle verweilte.

Er war sich aber nicht ganz sicher. Die Haustür war verschlossen. Es war noch dunkel, und seine Beobachtungen der unbeleuchteten Fenster brachten ihm keine neuen Erkenntnisse.

So entschloss er sich, noch einige Zeit verstreichen zu lassen, und spazierte im Wohngebiet umher, auch zum nahe gelegenen Friedhof. Hinter den Bahnschienen lag der Tierpark, und er nahm Raubtiergerüche vom Alfred-Brehm-Haus wahr. Oder bildete es sich ein.

Als er zurückkehrte, stand die Haustür offen, und Switalla begab sich zur Wohnung ins Hochparterre. Auf mehrfaches Klopfen reagierte niemand. Er ging nochmals im Wohngebiet spazieren. Nach seiner nunmehrigen Wiederkehr klopfte er energisch an die Wohnungstür. Nichts. Er nahm Anlauf und rannte gegen die Tür, die daraufhin aufsprang. Er ging in den Flur hinein.

Rosemarie Switalla, die noch im Bett gelegen hatte, kam auf den Flur gestürzt und fragte scharf, warum er auf diese Weise in die Wohnung eingedrungen sei. Er antwortete, dass er seinen Sohn sehen wolle und das Stammbuch holen müsse. Er sah sich in der Wohnung um. Neben seinem fünfmonatigen Sohn hielten sich auch seine drei Stieftöchter zu Hause auf.

Seine Frau war ihm gegenüber zuerst kühl und abweisend, wurde aber nach und nach zutraulicher, so dass es zum Austausch von Zärtlichkeiten kam. In dieser Phase befielen ihn Zorn und Verzweiflung, und er weinte fast ununterbrochen. Daraufhin erklärte sie sich bereit, die Anzeige, die diesen ganzen Streit ja ausgelöst hatte, gegen ihn zurückzuziehen. Er meinte, dass es dafür zu spät wäre, denn er hätte bereits entsetzliche Dinge getan. Als sie nachfragte, was passiert sei, gestand er, zwei Menschen getötet zu haben. Nach dieser Offen­barung wirkte sie sehr verzweifelt und wollte wissen, wie sie ihm helfen könne. Er antwortete, dass er mit dem Vorsatz erschienen sei, auch sie zu töten. Dabei zeigte er ihr das Brotmesser mit dem Hinweis, dass es für sie bestimmt wäre. Er holte auch die Packung mit den vierzig »Kalypnon«-Tabletten aus der Tasche und wies darauf hin, dass er nach ihrer Ermordung seinem Leben ein Ende setzen wolle. Gegenüber seiner Frau äußerte Switalla den Wunsch, dass sie vorher noch einmal mit ihm schlafen solle, da er sie sehr liebe.

Rosemarie Switalla versuchte, ihren Mann vom Tötungsvorhaben abzubringen. Nach zwei Stunden, gegen 13.30 Uhr, war sie unter der Voraussetzung, dass er sein Messer und die Tabletten auf den Wohnzimmertisch lege, bereit, sich mit ihm zum Geschlechtsverkehr auf die Couch zu begeben. Switalla hatte von seiner Frau erfahren, dass sie am Nachmittag Besuch erwarte. Die Zeit drängte, und er ließ sich auf ihre Forderung ein und legte das Messer und die Tabletten auf den Wohnzimmertisch. Sie nahm beides an sich und ging in die Küche. Dort legte sie die Sachen in den Küchenschrank, den sie verschloss. Danach bat sie ihre Tochter, zu einer Nachbarin zu gehen. Das Mädchen sollte der Nachbarin sagen, dass Hilmar ihre Mutti schlagen würde, die Nachbarin solle dringendst die Volkspolizei rufen. Rosemarie Switalla sprach sehr leise, so dass ihr Mann das Gespräch nicht hörte. Um keinen Verdacht zu erregen, rief sie der Tochter hinterher, dass sie draußen spielen gehen solle.

Switalla hatte eine Waschmaschine, die sich im Korri­dor befand, hinter die Wohnungstür gestellt, damit niemand mehr diesen Ort betreten konnte. Und seine Frau ihm nicht davonliefe. Denn die Wohnungstür ließ sich nicht mehr verschließen; das Schließblech war durch sein gewaltsames Eindringen beschädigt. Mehr Absicherung schien in diesem Moment nicht möglich.

Dann begab er sich ins Wohnzimmer und zog sich bis auf die Unterhose aus, und auch seine Frau kam wieder in das Zimmer, ohne zu fragen, warum er die Wohnungseingangstür so versperrt hatte. Er verschloss die Stubentür, und beide legten sich auf die Klappcouch. Sie war noch voll bekleidet; Switalla begann, sie langsam zu enthüllen. Doch plötzlich klopfte es an der Wohnungstür. Beide sprangen auf. Der Besuch kommt wohl zu früh, dachte sie und zog sich schnell ihre Hose über. Und er wusste: Es war nicht der Besuch, sondern die Polizei!

Er geriet jetzt in Panik, eilte, nur mit seiner Unterhose bekleidet, auf seine Frau zu, legte ihr beide Hände um den Hals und begann, sie zu würgen. Sie wehrte sich verzweifelt und mit ganzer Kraft. An der Wohnungstür wurde wiederholt geklopft, und Hilmar Switalla glaubte, zu hören, dass die Tür aufgedrückt und die Waschmaschine verschoben wurde. Er zweifelte daran, dass es ihm gelingen würde, seine Frau zu töten, bevor die in die Wohnung eindringenden Personen einträfen. Deshalb drückte er beim Würgen immer stärker zu. Die Gegenwehr seiner Frau war sehr stark, und beide durchquerten im Todeskampf das gesamte Zimmer, bis es ihm gelang, sie auf die Couch zu werfen. Er würgte sie weiter – bis beide auf den Teppich fielen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Personen bereits an der Stubentür, klopften und riefen: »Machen Sie sofort die Tür auf!« Hilmar Switalla war polizeierfahren genug, um an der Art des Klopfens und Rufens zu erkennen, dass die Ordnungsmacht vor der Tür stand.

Seine Frau lag inzwischen bewegungslos auf dem Boden. Jetzt musste alles schnell gehen. Switalla konnte sich aufgrund der Situation nicht davon überzeugen, dass sie auch wirklich tot war. Er sprang auf und nahm aus seiner Manteltasche das Taschenmesser, das er gewöhnlich bei sich trug. Er klappte das Messer auf, stürzte wie besessen zu seiner Frau zurück und öffnete damit ihre linke Halsschlagader. Das Blut strömte in wenigen Sekunden aus ihrem Hals heraus und bildete eine Blutlache.

Das Klopfen an der Wohnzimmertür wurde immer heftiger, und Switalla versetzte seiner Frau noch einige Stiche in die Herzregion. Unter der »Vision des Sezierens« wollte er seiner Frau den Kopf vom Rumpf trennen. Er begann, die Weichteile des Halses durchzuschneiden, was ihm bis auf einen kleinen Rest im Nacken gelang. Anschließend wollte Hilmar Switalla wie im Blutrausch die Zwischenwirbel der Halswirbelsäule durchtrennen, die jedoch mit einigen Bändern verbunden blieben. Um noch etwas mitzunehmen, trank er Blut von seiner Frau. Er hatte einmal gelesen, dass die Bluteiweiße im Körper angelagert werden. Somit würde er immer etwas von Rosemarie in sich haben.

Während der gesamten Zeit hatte Hilmar Switalla ein beseelendes Glücksgefühl erfasst. Er wurde ganz ruhig, so wie er es nach dem Mord an seiner Frau sein wollte, zog sich seine Sachen an, rauchte am Fuße seiner ­toten Frau eine Zigarette, zündete sich anschließend eine zweite an. Man begehrte immer noch Einlass, und nun endlich schloss er, da alles getan war, die Wohnzimmertür auf.

Beim Eintreten der Polizisten stand Switalla rauchend in der Stube und war gerade dabei, sein blutverschmiertes Hemd in die Hose zu stecken. Er drückte seine Zigarette vor dem Ofen aus und sagte mit ruhiger Stimme: »Da liegt sie, mausetot. Ich habe sie seziert. Schlechte Arbeit geleistet, kein richtiges Werkzeug gehabt. Ich bin Sektionsgehilfe.«

Während er diese Worte sprach, grinste er die Leiche an. Hilmar Switalla gab gegenüber den Schutzpolizisten an, noch zwei weitere Frauen »seziert« zu haben. Dies hier sei Pfuscharbeit gewesen. Es sei kein richtiger Tisch mit Blutablauf vorhanden gewesen, und die nötigen Instrumente habe er auch nicht zur Verfügung gehabt. Auf Befragen durch die Polizeibeamten gab er sofort die Adressen der beiden anderen Opfer an. ­Einer der Polizisten wiederholte seine Angaben und vertauschte dabei bewusst die Adressen, woraufhin Switalla ihn unverzüglich korrigierte. Nach dem Verbleib des Tatwerkzeugs gefragt, wies er auf den Wohnzimmerschrank. Er gab weiterhin wahrheitsgemäß an, noch ein großes Messer und vierzig Schlaftabletten mitgebracht zu haben. Seine Ehefrau habe jedoch diese Dinge versteckt, nachdem er ihr erzählt hatte, schon zwei Frauen »seziert« zu haben.

Zum Ort des Geschehens wurde ein Notarzt gerufen, der jedoch nur noch den Tod der Rosemarie Switalla feststellen konnte. Ein weiterer Funkstreifenwagen traf zur Sicherung des Tatorts ein.

Der dreifache Mörder wurde der Volkspolizei­inspektion (VPI) Lichtenberg zugeführt. Die Kriminalisten verständigten die Morduntersuchungskommission (MUK) des Präsidiums der Volkspolizei (PdVP) Berlin. Die MUK bestand aus zehn erfahrenen Kriminalisten und fand sich nach kurzer Zeit zur Einsatzbesprechung in der VPI Lichtenberg ein.


Dreiteiliges Täterlichtbild Hilmar Switalla

Die zwischenzeitlich durchgeführten Wohnungsüberprüfungen bestätigten die Angaben von Switalla, so dass die MUK-Spezialisten auf die Tatorte aufgeteilt werden mussten. In der VPI Lichtenberg wurde ein Führungspunkt zur Informationssammlung und zur Koordinierung der Maßnahmen eingerichtet. Im Abstand von drei bis fünf Stunden suchte der Leiter der MUK die einzelnen Tatortgruppen auf, um Informationen auszutauschen und die Ermittlungen abzustimmen.

Am 14. Februar 1969 gegen 15.15 Uhr traf die durch den Operativen Diensthabenden (ODH) verständigte diensthabende Gruppe der Kriminalpolizei des PdVP Berlin ein, die die Mieter*innen des Wohnhauses in der Brehmstraße zu relevanten Wahrnehmungen und Kenntnissen über das Opfer befragte, mit den folgenden Ergebnissen:

Hilmar Switalla war am Morgen des 14. Februar 1969 gegen 7.30 Uhr von einer Nachbarin vor der Wohnungstür gesehen worden. Gegen 8 Uhr hatte die Nachbarin einen Knall gehört und später von der Tochter des Opfers erfahren, dass Hilmar Switalla die Tür aufgebrochen hätte.


Grundrissskizze des Tatorts in der Brehmstraße in Berlin-Karlshorst

Frau Hagemeister, die die Polizei über den Notruf verständigt hatte, gab zu Protokoll, dass sie die Tochter von Rosemarie Switalla gegen 13.30 Uhr auf der Straße getroffen hätte, die sie bat, die Polizei anzurufen, da der »Onkel« wieder da sei, die Tür eingeschlagen und die Mutter Angst habe. Von Frau Hagemeister erfuhren die Kriminalisten zudem, dass sich Hilmar Switalla im Februar 1968 mit einem Seziermesser die Pulsadern aufgeschnitten hatte und in die Wohnung der Familie Kirchhoff/Switalla eingedrungen war. Rosemarie Switalla hatte Frau Hagemeister auch erzählt, dass ihr Mann sie im Dezember 1968 aus Eifersucht mit einem Seziermesser bedroht und ins Gesicht geschlagen hatte, so dass sie sich in ärztliche Behandlung begeben musste.

Die Tatortuntersuchung begann um 17.30 Uhr und dauerte bis circa 23 Uhr. Alle tatrelevanten Spuren wurden kriminaltechnisch gesichert und dem Kriminalis­tischen Institut der Deutschen Volkspolizei zur Auswertung zugesandt.


Das Opfer Rosemarie Switalla

In der Zwischenzeit wurde der Mörder zur Blutalkoholbestimmung in das Krankenhaus der Volkspolizei in die Scharnhorststraße gebracht, dort wurde auch eine Speichelprobe genommen. Die Bestimmung des Blutalkoholgehalts ergab null Promille. Danach wurde er wieder zur VPI Lichtenberg verbracht, wo er durchsucht wurde. Seine Bekleidung beschlagnahmte man als Beweismittel, da sie Tatspuren in Form von Blutverschmierungen aufwies. Die von Switalla mitgeführten Gegenstände, unter anderem ein Sperrhaken, ein an ihn gerichteter Brief seiner Frau, eine gerichtliche Ladung in der Ehesache für den 25. Februar 1969, eine Krankenhauseinweisung vom 15. Januar 1969 für ihn mit der Diagnose »schwere Psychopathie, existentielle Suizidtendenzen«, die Ehescheidungsklage und ein Notiz­heft mit persönlichen Eintragungen, wurden ebenfalls als Beweismittel eingezogen und beschlagnahmt.

Von den Verletzungen an seinem Körper sowie den Fremdblutverschmierungen fertigten die Kriminaltechniker Farbfotos an. Der sich teilweise unter den Fingernägeln befindliche Schmutz wurde entfernt und gesichert. Die am Körper befindlichen Fremdblut­anhaftungen konnten mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln nicht in entsprechender Qualität gesichert werden. Da Hilmar Switalla nun ständig schlug, randalierte und zu keiner vernünftigen Zusammen­arbeit bereit war, wurde er gefesselt.

Am 14. Februar 1969 erfolgte gegen 21.30 Uhr im PdVP durch zwei Ärzte des Instituts für Gerichtliche Medizin der Charité die körperliche Untersuchung des Beschuldigten. Switalla machte nun einen schläfrigen Eindruck, war aber zeitlich und örtlich voll orientiert. Auf Fragen, die seine Opfer betrafen, reagierte er zunächst mit einem fast albern wirkenden Lachen. Er wurde kurz zu seinem persönlichen Werdegang und zu den Taten befragt. Er gab an, seine Frau ein bisschen gewürgt und dann »seziert« zu haben, da er sie liebe. Auf die Frage, ob er noch jemanden »seziert« habe, antwortete er: »Nur so zum Spaß, nur zur Probe. Das Material war Ausschuss (…) wollte mich auf die Prüfung vorbereiten (…) ich wollte sogar dekapitieren, ist aber nicht gelungen (…) hatte nur unzulängliches Werkzeug.« Wobei angemerkt werden muss, dass er den Vorgang der Dekapitation meinte, was einfach Köpfung bedeutet.

Weiterhin gab Switalla an, dass er vor der Tat noch Geschlechtsverkehr mit seiner Frau haben wollte, und bevor er die drei Frauen gewürgt habe, hätte er allen die Frage gestellt, wie alt sie seien und wie alt sie noch werden wollten und ob sie beten könnten. Bei der körperlichen Untersuchung fanden sich bei Switalla an Kopf, Hals, Brust, Oberarmen, Oberschenkeln und Unterschenkeln zahlreiche blutverkrustete Riss- und Kratzverletzungen. Beide Hände waren blutverschmiert.

Er wurde am 15. Februar 1969 gegen 0.45 Uhr ausführlich zum Sachverhalt vernommen. Dabei war er sehr um eine wahrheitsgemäße Darstellung seiner ­Taten bemüht und diktierte seine Vernehmung in die Maschine.

Fast zeitgleich erging die Anordnung zur Durch­suchung und Beschlagnahme der Wohnräume des Beschuldigten und seiner Mutter in der Linienstraße. Da die Mutter zu allen Räumlichkeiten gleichermaßen Zutritt hatte, bestand Gefahr im Verzuge. Mit der Durchsuchung wurde am 15. Februar 1969 um 0.10 Uhr im Beisein der Mutter und eines Staatsanwalts begonnen.

Nach Beendigung der ersten Vernehmung brachte man ihn in die Untersuchungshaftanstalt in die Keibelstraße in Berlin-Mitte in der Nähe des Alexander­platzes. Die Inhaftierung erfolgte unter besonderer Bewachung, da eine große Suizidgefahr bestand.

Die jeweils zu den einzelnen Taten von Amts wegen gefertigten Anzeigen wegen des Verdachts des Mordes wurden in einem Ermittlungsverfahren zusammengefasst. Hilmar Switalla war geständig und überführt, am 14. Februar 1969 drei Frauen jeweils in ihren Wohnungen durch Messerstiche, Halsschnitte und Würgen vorsätzlich getötet zu haben.

Natürlich wurde weiter intensiv ermittelt. Zur Verstärkung der Einsatzkräfte bei der Durchführung des »Ersten Angriffs« bildete die Berliner Kriminalpolizei eine Erweiterte MUK in Stärke von dreißig Kriminalisten, denn Switalla hatte in seinen Vernehmungen sehr detaillierte Angaben gemacht, die alle überprüft werden mussten.

Vom St. Joseph Krankenhaus und vom Städtischen Krankenhaus Wuhlgarten ließ sich die Kriminalpolizei die Krankengeschichte des Hilmar Switalla aushändigen. Er war dort mehrfach wegen Suizidversuchen behandelt worden. Am 25. Februar 1969 beauftragte die Staatsanwaltschaft das Haftkrankenhaus Waldheim mit seiner psychiatrischen Begutachtung. Switalla wurde am 27. Februar 1969 nach Waldheim verlegt.

Auch die Kriminaltechnik arbeitete intensiv an der Beweisführung. Die an den drei Tatorten gesicherten daktyloskopischen Spuren wurden mit den Vergleichsfingerabdrücken von Hilmar Switalla und den mittels Daktyloskopiefarbstein und Prenaband angefertigten Vergleichsabdrücken der Opfer einzeln verglichen. Dabei stellten die Sachverständigen für Daktyloskopie an zwei Spuren Übereinstimmung mit individuellen Merkmalen von Hilmar Switalla fest. Die am Tatort des Mordes an Ursula Kaschube in Berlin-Mitte gesicherte Spur an der äußeren Seite der Wohnzimmertür wurde durch den linken Mittelfinger und die Papillarleistenspur auf der blutbehafteten Zigarettenschachtel vom Tatort des Mordes an Rosemarie Switalla in Karlshorst durch den rechten Zeigefinger des Täters verursacht.

Die am Tatort in der Linienstraße, Opfer Inge Schubert, aufgefundenen verbrannten Reste eines Textil­produkts untersuchten die Experten auflicht- und durchlichtmikroskopisch. Dabei stellte man fest, dass es sich um Baumwollgewebe handelte, das in Leinenwandbildung verarbeitet war. Mindestens drei Kanten besaßen einen Saum, der maschinell gefertigt worden war. Eine Größenbestimmung war aufgrund des starken Zerstörungszustands nur annähernd möglich. Es konnte sich um das Format eines handelsüblichen Taschentuchs gehandelt haben. Die am Textilprodukt festgestellten Merkmale (Material, Gewebe, Saum) wurden mit den in der Sammlung des Kriminalistischen Instituts befindlichen Taschentüchern verglichen. Es ergaben sich keine Unterschiede. Ob es sich tatsächlich um ein Taschentuch gehandelt hatte, konnte aber aufgrund der starken Zerstörung nicht mehr festgestellt werden.

Die im Institut für Gerichtliche Medizin der Charité nach der Sektion vorgenommene Blutgruppenbestimmung der Geschädigten brachte folgende Ergebnisse:

– Inge Schubert: 0 Gm (a+) (x-) (f+),

– Ursula Kaschube: 0 Gm (a-) (x-) (f+),

– Rosemarie Switalla: 0 Gm (a-) (x-) (f+).

Da zwei Blutgruppen vollständig übereinstimmten und auch die dritte nur in einem Merkmal Unterschiede aufwies, waren die Differenzierungsmöglichkeiten der Spuren sehr begrenzt. Die Untersuchung der Vergleichsblutprobe des Beschuldigten Hilmar Switalla ergab 0 Gm (a-). Was heißt, dass alle vier Personen, ein Täter und drei Opfer, dieselbe Blutgruppe besaßen. Das ist in der Kriminalgeschichte wahrscheinlich einmalig.

Das am Tatort der Tötung von Inge Schubert an der Türklinke der Küchentür gesicherte Handtuch sowie der Staublappen aus der Wohnung der Ursula Kaschube wiesen kein Blut in nachweisbarer Form auf. Am gesicherten Handtuch aus dem Küchenschrank der Wohnung von Ursula Kaschube befanden sich außer erheblichen Verschmutzungen mehrere stark verwässerte blutverdächtige Spuren. Zur Darstellung wurden die Handtuchflächen mit einer Benzidinlösung eingesprüht, wodurch sternförmige Spuren hervortraten, die durch das Abwischen eines Messers entstanden sein konnten. Das ebenfalls in der Küche von Ursula Kaschube gesicherte Handtuch vom Handtuchhalter wies auch stark verwässerte blutverdächtige Flecken auf, die ebenso mit einer Benzidinlösung behandelt wurden. Diese Spuren konnten durch eine Handfläche auf das Handtuch übertragen worden sein. An einem Buch, das im Wohnzimmer von Ursula Kaschube gesichert werden konnte, befanden sich ab etwa Seite 400 an den Blattaußenrändern zwei bluttypische Spuren. Der Menschenblutnachweis fiel positiv aus und ergab die Eigenschaft Gm (a-). Diese Spuren waren wahrscheinlich durch das Greifen mit zwei blutigen Fingern entstanden.


Das Handtuch aus der Küche von Ursula Kaschube

An den Bekleidungsstücken des Beschuldigten ließ sich ebenso Menschenblut nachweisen. Im Finger­nagelschmutz gelang nur der Blutnachweis. An der Außenseite des Mantels befanden sich an der Manschette des rechten Ärmels und auf der linken Taschenklappe Blutwischspuren. An der linken Brustpartie und am Kragen waren mehrere Blutspritzer mit einem Durchmesser von weniger als einem Millimeter erkennbar. Bluttypische Durchtränkungen befanden sich im rechten Taschenfutter und im Futter der Brusttasche. Mit Ausnahme der Blutspritzer wurde bei den Spuren der Blutnachweis nach Masao Takayama und der Menschenblutnachweis nach Örjan Ouchterlony durchgeführt. Sie fielen positiv aus. Mit den Spuren aus dem Taschenfutter konnten Agglutininbestimmungen nach Lattes (Verklumpung, Verklebung von Zellen durch Antikörper) vorgenommen werden. Bei den Spuren aus dem Brusttaschenfutter handelte es sich um Aggluti­nine der Gruppe 0, während an dem Futter der rechten Außentasche keine Reaktionen festgestellt wurden. Das unterschiedliche Spurenverhalten erklärten die Gutachter damit, dass die Spuren von zwei verschiedenen Individuen stammten. Die Gutachter stützten ihre These darauf, dass die Spur aus der rechten Tasche Gm (a+) reagierte und sich die Spur aus der Brusttasche Gm (a-) verhielt.

Die Jacke von Hilmar Switalla trug minimale Blut­spuren. An der braun-schwarz-karierten Herren­hose konnten bluttypisch aussehende Spuren festgestellt werden. Sie befanden sich innen und außen am linken Taschenfutter sowie am eingesetzten Futterstoffzwickel und besaßen die Eigenschaft Gm (a-). Das weiße Nylon­oberhemd und das Unterhemd trugen insbesondere auf der Rückenpartie umfangreiche, teils groß­flächige, bluttypisch aussehende Spuren. An insgesamt sieben Stellen wurden Tests durchgeführt, die alle Gm (a-) reagierten. Auf der Unterhose und an den Socken des Hilmar Switalla konnte ebenfalls Menschenblut mit der Eigenschaft Gm (a-) nachgewiesen werden.

Das als Tatwerkzeug verwendete Küchenmesser trug auf der gesamten Oberfläche minimale Blutspuren. Zwischen Griff und Messerangel konnten Menschenblutspuren der Gruppe 0 nachgewiesen werden, die Gm (a+) reagierten. Dieser Befund schloss nach Ansicht der Gutachter nicht aus, dass sich an dieser Stelle außerdem Gm-(a-)-Blutspuren befanden. Das Opfer Inge Schubert hatte, wie wir wissen, die Serumeigenschaft Gm (a+).


Die zwei Tatmesser, die in der Wohnung des Opfers

Rosemarie Switalla aufgefunden wurden

Das als zweites Tatwerkzeug verwendete Taschenmesser war einschließlich der größeren Klinge fast vollständig mit Menschenblut bedeckt, das die Eigenschaft 0 Gm (a-) besaß. Diese Eigenschaft wiesen auch die Opfer Ursula Kaschube und Rosemarie Switalla auf.

Auf der in der Wohnung des Opfers Rosemarie Switalla aufgefundenen Streichholzschachtel und auf der angebrochenen Zigarettenschachtel der Marke »Lux« konnten Blutspuren der Serumeigenschaft Gm (a-) nachgewiesen werden. Der aus dem Flur des Opfers stammende Stoffvorhang wies mehrere bluttypisch aussehende Spritzspuren auf, die Gm (a-) reagierten. Auf einer Wolldecke, die auf dem Sofa in der Tatwohnung von Inge Schubert gelegen hatte, wurden Spermaspuren nachgewiesen, die aber offenbar vor längerer Zeit entstanden waren.

Das Blut von Hilmar Switalla wurde auf Spuren des Schlafmittels »Kalypnon« untersucht, wozu man eine Extraktion mit Chloroform ausführte. Das Extrakt wurde mit Natriumhydroxid (NaOH) und Essigsäure umgefällt und nochmals mit Chloroform extrahiert. Das auf 50 Mikroliter eingeengte Extrakt wurde vergleichend mit Chlorformlösung von »Kalypnon« untersucht. Die Reaktionswerte beider Peaks stimmten überein. Die Gutachter schlussfolgerten, dass es sich bei der im Blut nachgewiesenen Substanz mit hoher Wahrscheinlichkeit um »Kalypnon« gehandelt hat. Die Konzentration war allerdings sehr gering und besaß somit keine pharmakologische Wirkung. Für eine eindeutige Aussage war das Untersuchungsmaterial jedoch nicht ausreichend.

Die Untersuchung der Speichelprobe von Hilmar Switalla ergab, dass es sich bei ihm um einen starken Sekretor von 0 (H)-Substanzen handelte. Da bei den Sektionen der drei Opfer keine Bestimmung der Sekretor­eigenschaften erfolgte, sie jedoch alle der Blutgruppe 0 angehörten, war eine Zuordnung der gesicherten Zigarettenreste nicht möglich. Von Absorptionsbestimmungen wurde im Einvernehmen mit dem Untersuchungsführer Abstand genommen und das Material asserviert.

Die Tatmesser wurden dem Institut für Gerichtliche Medizin der Charité zur Begutachtung vorgelegt. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass die beiden Messer als Tatwerkzeuge geeignet waren. Vom Sektions­ergebnis her gab es keinen Widerspruch zum Tathergang, wie ihn der Beschuldigte ausführlich geschildert hatte.

Der zuständige Staatsanwalt vernahm Hilmar Switalla am 20. Mai 1969 abschließend im Haftkrankenhaus Waldheim. Ihm wurden dabei die Beweismittel vorgelegt. In Absprache mit dem Gutachter wurde ihm das Ergebnis der psychiatrischen Begutachtung nicht bekanntgegeben, weil man befürchtete, dass er sich dann aggressiv verhalten würde.

Am 23. Mai 1969 übergab die MUK die Akten mit einem Schlussbericht an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung. In der Voruntersuchung war Hilmar Switalla, das soll angemerkt werden, stets bemüht gewesen, zur Wahrheitsfindung beizutragen. Er hatte in keinem Fall versucht, zu lügen beziehungsweise Tat­sachen zu bestreiten. Seine Angaben deckten sich völlig mit den objektiven Feststellungen. Während des Ermittlungsverfahrens äußerte er mehrfach Suizidabsichten.

Wer war Hilmar Switalla? Wie konnte aus ihm ein grausamer, gefühlsloser Dreifachmörder werden? Seine Biografie gibt auf diese Fragen einige Antworten.

Hilmar Switalla wurde 1938 im damaligen Ostpreußen als einziges Kind seiner Eltern geboren. Dort besuchte er im Alter von sechs Jahren die Grundschule. Ein Jahr später siedelte die Familie kriegsbedingt nach Berlin um.

Switalla zeigte wenig Interesse am Lernen und an allen schulischen Belangen und beendete die achte Klasse mit befriedigenden Ergebnissen. Von 1952 bis 1953 absolvierte er im Pflichtschuljahr die neunte Klasse. Anschließend begann er eine Lehre als Maschinenbauschlosser, die er aber alsbald aufgrund von Streitigkeiten mit seinem Lehrmeister abbrach. Eine weitere Berufsausbildung zu beginnen, lehnte er strikt ab. Sein Wunsch war es, zur See zu fahren, was jedoch aufgrund einer Sehschwäche abgelehnt wurde.

Sein Vater, der immer kategorisch und wenig väterlich aufgetreten war, war wenig zu Hause, und so lag die Erziehung von Hilmar Switalla in den Händen der Mutter. Die durchaus pflichtbewusste und ruhig wirkende Frau behandelte den Sohn stets mit Nachsicht. Die Beziehung zur Mutter war zwiespältig. Zuerst hing er sehr an ihr, später störte ihn ihre dauernde Bevormundung, und er widersprach ihr immer heftiger.

Die Ehe der Eltern wurde 1949 aufgrund außerehe­licher Beziehungen des Vaters geschieden. Bis 1954 lebte der Vater aber noch in der häuslichen Gemeinschaft, wobei es zwischen den Eltern immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen kam, die von beiden Seiten aggressiv geführt wurden.

In der Schule bezog Hilmar Switalla von älteren Schülern gelegentlich Prügel und wurde oft gehänselt. Bis zum Eintritt in die Lehre hatte er stets Angst vor solchen Auseinandersetzungen, weinte oft und war verstimmt. Im Alter von fünfzehn Jahren verprügelte Switalla erstmals einen älteren Jugendlichen, der ihn in der Vergangenheit traktiert hatte. Er merkte damals plötzlich, dass er kräftiger als seine Altersgenossen war und seine Fäuste zu gebrauchen verstand. Seitdem hörten die Hänseleien auf, und er hatte weniger Furcht vor anderen Jugendlichen. Er hatte sich offenbar durchgesetzt.

Als Kind galt Hilmar Switalla als sehr tierlieb. Er besaß weiße Mäuse sowie Meerschweinchen, die er selbst versorgte. Bei einem Schulausflug fand er eine Katze, die er mit nach Hause nehmen wollte. Doch als der Lehrer ihm dies verbot, erschlug er die Katze.

Als Jugendlicher hatte er viel gelesen, vor allem technische Literatur und Abenteuerromane. Weiterhin bastelte er, spielte Schach und zeichnete. Von seinem sechzehnten Lebensjahr an betätigte er sich im Boxsport.

In frühester Jugend entdeckte Switalla seine Vorliebe für Messer. Schon als Kind spielte er gern mit dem Tranchiermesser, später legte er sich eine Messersammlung zu.

Im Jahr 1954 gab es einen dramatischen Einschnitt im Leben der Familie Switalla. Die Eltern wurden wegen Spionageverdachts in Haft genommen, alsbald aber wieder entlassen. Der Vater verließ im selben Jahr die DDR.

Nachdem Hilmar Switalla seine Lehre abgebrochen hatte, genoss er das ungebundene und freie Leben. Meistens blieb er nur kurz in seinen Anstellungen. Bis 1959 hatte er bereits über zwanzig Arbeitsstellen durchlaufen. Richtige Freunde besaß er nicht. Er traf sich mit Jugendlichen gleichen Alters auf der Straße und in Kneipen. Ab dem achtzehnten Lebensjahr trank Hilmar Switalla regelmäßig und viel Alkohol.

Im Jahr 1956 verließ er im Zusammenhang mit einem Paketdiebstahl illegal die DDR und lebte bei seinem Vater in der Bundesrepublik. Er kehrte jedoch nach einem Jahr zurück, da er zu seinem Vater keinen richtigen Kontakt fand.

Seit 1959 arbeitete Switalla bei der Akademie für Arbeitshygiene als Laborgehilfe. Zu seinen Aufgaben gehörten Tiersektionen, Beatmungsversuche an lebenden Objekten und Farbstoffversuche. Er war mit dieser Tätigkeit sehr zufrieden, da er sich bereits als Schüler für Biologie interessierte und Mäuse, Meerschweinchen und Fische seziert hatte. Im Jahr 1960 wechselte sein Chef an das Pathologische Institut der Charité. Nach dessen Weggang verlor Hilmar Switalla das Interesse an seiner Arbeit.

Zwischenzeitlich hatte er ein Mädchen kennengelernt und sich verlobt. Sein Vorhaben, das Abitur in der Abendschule nachzuholen und ein Studium aufzunehmen, verwarf er nach einer Auseinandersetzung mit seiner Verlobten. Im Zuge dieser Kontroverse verließ er das zweite Mal die DDR. Auf Initiative seiner Verlobten kehrte er aber kurze Zeit später wieder zurück.

Bald darauf nahm er zu seinem ehemaligen Chef Verbindung auf und bekam eine Anstellung im Physiologischen Institut der Charité. Hier arbeitete er bis zu seiner fünfmonatigen Inhaftierung wegen gemeinschaftlich begangenen schweren Diebstahls im Jahr 1961. Sein ehemaliger Chef kümmerte sich auch während der Haftzeit um ihn, und so nahm Switalla nach seiner Haftentlassung eine Tätigkeit am Pathologischen Institut der Charité auf. Dort arbeitete er am Vormittag als Sektionsgehilfe in der Pathologie und am Nachmittag in seiner eigentlichen Stellung als Mechaniker.

Während einer tätlichen Auseinandersetzung mit seiner ersten Ehefrau im Frühjahr 1962 bedrohte er diese mit einem Messer und warf es nach ihr. Hilmar Switalla war stark alkoholisiert und schlug auf herbeigerufene VP-Angehörige massiv ein. Er wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Im Dezember des gleichen Jahres schlug er nach einem Gaststättenbesuch mit seinem damaligen Schwager einen Studenten zusammen und fügte diesem eine Gehirnerschütterung sowie eine Unterkieferfraktur zu. Des Weiteren schlug er auf ein Ehepaar ein und widersetzte sich auch hier der einschreitenden Volkspolizei. Er wurde daraufhin zu sechzehn Monaten Freiheitsentzug und vier Monaten Bewährung aus seiner Vorstrafe vom Frühjahr verurteilt, die er voll verbüßte.

Schon in diesem Verfahren wurde ein gerichtspsy­chiatrisches Gutachten eingeholt, das ihm eine Psychopathie ohne Krankheitswert bescheinigte, ihm jedoch verminderte Einsichtsfähigkeit aufgrund einer akuten Alkoholvergiftung zugestand.

Nach der Verbüßung seiner Haftstrafe 1964 zog er erneut in die Wohnung seiner Mutter und nahm seine Tätigkeit als Sektionsgehilfe wieder auf. Er war zu dieser Zeit sehr wissbegierig, bildete sich autodidaktisch weiter und wollte seinen staatlichen Abschluss als Sektionsgehilfe ablegen. Für einige Monate übernahm er sogar die Position des stellvertretenden Obersektionsgehilfen. Dabei war es ihm egal, ob er im Labor arbeitete oder direkt am Leichnam. Es war ihm lediglich wichtig, in der Medizin tätig zu sein.

Doch die kriminelle Karriere ging unvermittelt weiter. Im Dezember 1965 wurde er wegen verbrecherischer Trunkenheit erneut für achtzehn Monate inhaftiert. Er hatte auf dem Hallenser Hauptbahnhof eine Verkäuferin ohne ersichtlichen Grund geschlagen und sich der Festnahme durch die Transportpolizei widersetzt. Nach seiner Haftentlassung 1967 wollte er wieder als Sektionsgehilfe arbeiten, was aber aufgrund einer Netzhautablösung nicht mehr möglich war.

Hilmar Switalla weigerte sich strikt, eine andere Tätigkeit aufzunehmen, arbeitete dann aber schließlich im Rahmen eines Wiedereingliederungsprogramms für Haftentlassene beim Volkseigenen Betrieb (VEB) Steremat »Hermann Schlimme« – einem Produktionsbetrieb für Elektroanlagen –, wo er bis zu seiner Festnahme am 14. Februar 1969 tätig war.

Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung und der gerichtspsychiatrischen Begutachtung musste Hilmar Switalla auch zu seiner sexuellen Entwicklung befragt werden, die nach seinen Angaben eine wichtige Rolle in seinem Leben spielte.

Schon im Vorschulalter hatte Switalla oft onaniert. Wenn ihn sein Vater dabei erwischte, machte er ihm Vorwürfe, was Switalla sehr unangenehm war und ihn auch noch in der Pubertät psychisch stark belastete. Im Alter von sechs Jahren bekam er von seinem Vater ein Buch über Geschlechtsunterschiede in die Hände, in dem ihn die Abbildungen beeindruckten. Der Vater klärte ihn später anhand von Pflanzen auf. Das meiste lernte er jedoch von Gleichaltrigen. Er war sehr an Zärtlichkeiten interessiert, die er von seiner Mutter auch stets bekam.

Mit vierzehn Jahren unterhielt Hilmar Switalla eine Freundschaft zu einem gleichaltrigen Mädchen, mit dem er auch den ersten Geschlechtsverkehr hatte. Weil das Mädchen kurze Zeit später verzog, blieb es bei diesem einmaligen intimen Kontakt. Ansonsten war er gegenüber dem weiblichen Geschlecht gehemmt und unfähig, eine Frau auf der Straße anzusprechen. Als Achtzehnjähriger unterhielt er mit einem sechzehnjährigen Mädchen eine intime Beziehung, die er nach drei Monaten beendete, da ihm das Mädchen zu »flatterhaft« war. In der Folgezeit häuften sich seine Beziehungen zu Frauen, die er alle über gemeinsame Bekannte kennengelernt hatte. Meist war er nur einmal oder ganz wenige Male mit ihnen intim.

Im Jahr 1958 lernte Switalla auf der Arbeit seine erste Ehefrau, Karin Hermann, kennen. Sie verlobten sich schnell, heirateten aber erst 1962. Bereits in der Phase der Verlobung kam es wiederholt aus geringfügigen Anlässen zu tätlichen Auseinandersetzungen, bei denen er meist alkoholisiert war. Nach den Streitigkeiten bat er seine Verlobte stets, ihm zu vergeben und wieder mit ihm zusammenzuleben. Als Karin Hermann ernsthafte Trennungsabsichten äußerte, beging er bereits 1958 und ein weiteres Mal 1960 demonstrative Suizidversuche, um sie von der Trennung abzuhalten.

In der Zwischenzeit war Hilmar Switalla bereits zweimal Vater geworden. Nach Aussage seiner ersten Ehefrau liebte er seine Kinder sehr. Während eines Streits schlug er seine Frau, würgte sie und warf mit einem Messer nach ihr. Da er sich der herbeigerufenen VP gewalttätig widersetzte, wurde er verurteilt und später inhaftiert. Die erste Ehe wurde 1963 auf Wunsch seiner Frau geschieden.

In der Folgezeit unterhielt Hilmar Switalla mehrere kurzzeitige Frauenbekanntschaften, wobei für ihn der sexuelle Kontakt im Vordergrund stand. Während dieser Zeit hatte er auch Inge Schubert, sein späteres Opfer, kennengelernt. Er legte sich ein Notizbuch zu, in dem er über alle sexuellen Aktivitäten akribische Eintragungen vornahm. Dieses Notizbuch wurde bei seiner Verhaftung im Februar 1969 beschlagnahmt. Im Buch arbeitete Switalla mit Zeichen. So stand ein Strich für die Anzahl der Kohabitationen, ein offener Kreis für Coitus interruptus, ein Punkt für Ejakulation in die Vagina und ein N für Geschlechtsverkehr ohne Kondom. Die nächstfolgende Zahl bedeutete die Anzahl der Tage vom Kennenlernen bis zum intimen Kontakt, und die darauffolgende Zahl bezifferte die Summe der Kohabi­tationen. Es wurde alles ganz genau notiert.

Wir berichteten schon, dass Hilmar Switalla auf Antrag der Staatsanwaltschaft im Haftkrankenhaus Waldheim gerichtspsychiatrisch untersucht wurde. Zu seiner Person und seinen Taten ausführlich befragt, legte er sehr großen Wert auf eine genaue Protokollierung seiner Angaben.

Bei Switalla zeigten sich körperlich und neurologisch keine wesentlichen Abweichungen von der Norm. Laborbefunde, wie Blutbild, Blutsenkung, Serum-Labilitätsproben, Blutzucker, Urinstatus und Luesseroreak­tionen, waren unauffällig beziehungsweise negativ. Eine durchgeführte Schädelröntgenaufnahme ergab keine pathologischen Befunde, und im Elektroenzephalogramm zeigte sich ein normales Hirnstrombild ohne Hinweise auf akutes krankhaftes Geschehen. Bei Switalla konnte also keine cerebrale Schädigung nachgewiesen werden. Es war aus der Vorgeschichte lediglich bekannt, dass sein Vater auffallend nervös war, sofort bei allen Missstimmungen losbrüllte und seine Ehefrau schlug.

In seinem Gesamtverhalten zeigte Switalla keine Auffälligkeiten, jedoch war er in seinem Affektverhalten inadäquat. Das Ableben von Inge Schubert und Ursula Kaschube ließ ihn völlig kalt, während er zum Tod seiner Frau angab, dass es ihn noch immer mit Genug­tuung erfülle, sie ermordet zu haben.

Switalla betrachtete seine Situation als sinn- und hoffnungslos. Er habe ohnehin die Absicht gehabt, sich zu töten, und dieses Vorhaben noch nicht aufgegeben. Ihn interessiere lediglich das Ergebnis des Gutachtens und der Hauptverhandlung.

Bei ihm wurden auch keine Störungen der Bewusstseinslage festgestellt. Seine Aufmerksamkeit war intakt, die zeitliche, örtliche und personelle Orientierung stets uneingeschränkt gegeben, so die Gutachter. Für Wahn- und Denkstörungen fanden sich ebenso wie für Halluzinationen oder Illusionen keine Hinweise. Weiterhin konnten keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen festgestellt werden. Außerdem besaß Switalla eine gut ausgebildete Selbstkritik. Das Gedächtnis von ihm war vorzüglich, insbesondere was die Ereignisse vom 13. und 14. Februar 1969 betraf. Es fanden sich bei ihm keine Anzeichen für eine zeitweilig oder dauernd krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder eine Bewusstseinsstörung. Er wurde noch einmal ausführlich zu seiner Motivation hinsichtlich seiner Taten befragt und äußerte kurz und knapp: »Und da ich ohnehin aus dem Leben scheiden wollte, war mir sowieso alles egal, alles gleichgültig, und ich bin deshalb zu den beiden Frauen gegangen, und es klingt zwar makaber, aber es sollte gewissermaßen eine Probe sein.«

Zu Inge Schubert und Ursula Kaschube hatte Hilmar Switalla innerlich kein Verhältnis, sie waren für ihn bedeutungslos. Im Unterschied dazu habe er seine Frau Rosemarie geliebt. Er teilte den psychiatrischen Gutachtern mit:

»… und wenn ich sie nicht so geliebt hätte, wäre es mir egal gewesen, und ich hätte sie nicht getötet, aber sie sollte keinem anderen gehören, und außerdem wollte ich ja gemeinsam mit ihr sterben (…) Die K. und die Sch. betrachtete ich eben mehr als eine Art Versuchsobjekte, denn ich hatte ja nur das eine Ziel, meine Frau zu töten und dann mich (…) Ich glaube nicht, dass ich dabei zielstrebig vorgegangen bin, d. h., töten wollte ich sie, die K. und die Sch., dessen war ich mir absolut bewusst und auch warum ich sie töten wollte (…) Endziel war die Tötung meiner Frau (…) Während der beiden Tatvorgänge bei den beiden anderen Frauen, wie soll man sagen, handelte ich rein mechanisch, ohne etwas zu empfinden, währenddessen ich bei der Tötung meiner Frau Glücksgefühle verspürte. Die Glücksgefühle verspürte ich deshalb, weil ich jetzt mit Sicherheit wusste, dass sie nunmehr keinem anderen Mann mehr gehören kann, das hat mich befriedigt.«

Die Gutachter erläuterten in der Diskussion und rechtlichen Beurteilung, dass man bei oberflächlicher Betrachtung meinen könnte, dass es sich im Fall von Hilmar Switalla um Schizophrenie oder Psychopathie mit den Erscheinungsformen des Sadismus oder sexu­eller Perversionen handeln könnte. Der Fall zeige jedoch, dass die Tötung eines Menschen, auch unter solch grausamen Begleitumständen, nicht grundsätzlich einen geisteskranken Täter voraussetzt.

Im Gutachten wurde noch einmal auf die Diagnosen des Städtischen Krankenhauses Wuhlgarten und des St. Joseph Krankenhauses eingegangen. Beide Male wurden bei Hilmar Switalla keine krankhaften Störungen der Geistestätigkeit oder Bewusstseinsstörungen festgestellt. Er wurde stets als Psychopath eingeschätzt. Dieser Diagnose schlossen sich die Gutachter an. Sie kamen zu dem Schluss, dass Psychopathie kein Krankheitsvorgang, sondern eine von der sogenannten Norm abweichende psychische Veranlagung sei. Dabei verwiesen die Gutachter ausdrücklich auf die psychiatrische Fachliteratur.

Bei Hilmar Switalla lag eine abnorme Entwicklung der Persönlichkeit vor, jedoch fanden sich keinerlei Gründe zur Anwendung des Paragraphen 15 StGB der DDR, der die Zurechnungsunfähigkeit regelte.

Die Gutachter kamen insgesamt zu der Einschätzung, dass er ein erregbarer, unbeherrschter, explosi­bler und zu demonstrativen Verhaltensweisen neigender Mensch war. Seine vorhandenen Minderwertigkeitskomplexe oder Selbstunsicherheiten überspielte er, indem er kraftmeierisch und renommiersüchtig auftrat. Er war aggressiv, jähzornig, herrschsüchtig und verfolgte zutiefst egoistische Ziele. Er wiese antisoziale, zum Teil auch dissoziale Tendenzen auf. Der ihm zur Last gelegte Dreifachmord war deutlich mit Elementen des Sadismus, der sexuellen Perversion und absoluter Gefühlskälte behaftet. Eine Psychopathie stelle keine zeitweilig oder dauernd krankhafte Störung der Geistes­tätigkeit und auch keine Bewusstseinsstörung dar. Die Anwendung des Paragraphen 15 Absatz 1 StGB der DDR war deshalb ausgeschlossen, ebenso entfiel die Anwendung von Paragraph 16 StGB der DDR. Die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war bei seinen strafbaren Handlungen vorhanden. Man kam zum Ergebnis: »Die Art und Weise der Durchführung seines Vorhabens entspricht so recht seinem abnormen Charakter, ist von sadistischen, brutalen, kaltblütigen, unglaublich egoistischen, antisozialen, demonstrativ-hysterischen Elementen getragen.«

Bei den von Switalla in seinen Vernehmungen erwähnten eigenartigen oder sonderbaren Zuständen bei der Tatausführung handelte es sich nach Meinung der Gutachter um automatische Handlungen, die in klarer Ausbildung bei demonstrativ-hysterischen Psycho­pathen in nicht allzu häufiger Form auftreten. Eine psychologische Erklärung für die sektionsartige Schnittführung könne im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Sektionsgehilfe stehen – einem sogenannten Blutrausch, der jedoch keinen Einfluss auf die Frage seiner Zurechnungsfähigkeit habe.

Zusammenfassend kamen die Gutachter zu folgendem Schluss: »Wir konnten aber trotz des Charakters der Delikte, aber sehr wohl aufgrund ihrer Planung und Motivierung, den besonderen Tatumständen, aufgrund der Durchführung und Absicherung, noch dazu bei der Berücksichtigung des Zeitfaktors, und des Rechtsverständnisses, wie bei der vorhandenen allseitigen Orien­tierung und Erinnerungsfähigkeit des Täters, keinen Krankheitswert zur Zeit der Tat feststellen, wie ein solcher auch früher nicht vorlag.«

Eine verminderte Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat nach Paragraph 16 Absatz 1 StGB der DDR wurde ausgeschlossen. Hilmar Switalla war somit für seine Taten voll verantwortlich und stellte nach Auffassung der Gutachter eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

Am 8. August 1969 wurde durch den Generalstaats­anwalt von Groß-Berlin die Anklageschrift an das Stadtgericht übersandt. Die Staatsanwaltschaft klagte Hilmar Switalla an, in Berlin am 14. Februar 1969

– um circa 0.30 Uhr die 46 Jahre alte Frau Inge Schubert in ihrer Wohnung,

– um circa 1.30 Uhr die 38 Jahre alte Frau Ursula Kaschube in ihrer Wohnung,

– um circa 14 Uhr seine 28 Jahre alte Ehefrau Rosemarie Switalla, die vom Beschuldigten getrennt lebte, in ihrer Wohnung

durch Würgen in Bewusstlosigkeit versetzt und mittels Messerstiche in das Herz und schwersten Schnittverletzungen am Körper vorsätzlich getötet zu haben.

Der Rechtsanwalt von Hilmar Switalla beantragte am 21. November 1969 zur Beurteilung der Frage, ob bei seinem Mandanten die Voraussetzungen der Paragraphen 15 und 16 des StGB der DDR vorlagen, ein psychiatrisches Zweitgutachten einzuholen. Switalla war gemäß Anklagevorwurf voll geständig, und somit hing seine Verurteilung ganz wesentlich vom psychiatrischen Gutachten ab.

Der Rechtsanwalt machte auf Mängel im vorliegenden Gutachten aufmerksam. Dies betraf die Auswahl der Sachverständigen, Einwände gegen die Arbeitsweise des Gutachters, Einwände gegen Tatsachen, die im Gutachten nicht bewertet wurden, und Einwände gegen tatsächliche Feststellungen oder Wertungen des Gutachtens.

Die Staatsanwaltschaft stimmte dem Antrag der Verteidigung zu, worauf das Gericht die Einholung eines Zweitgutachtens anordnete. Dieses sollte unter kritischer Würdigung des Erstgutachtens und des vorliegenden Aktenmaterials die Frage beantworten, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung und der Ausführung jeder Einzelhandlung Switalla die Fähigkeit besaß, sich nach den elementaren Regeln des menschlichen Zusammenlebens zu richten und damit anderes Menschenleben nicht zu vernichten. Weiterhin sollte die Frage geklärt werden, ob eventuell diese Fähigkeit gemäß Paragraphen 15 Absatz 1 und 16 Absatz 1 StGB der DDR oder infolge eines Affekts nicht oder nur vermindert vorlag. Der Zweitgutachter sollte unter anderem darauf eingehen, ob die bei Switalla auftretenden Charakter-, Trieb- oder Verhaltensbesonderheiten, die bei ihm festgestellte Psychopathie im Zusammentreffen mit einer offensichtlich ausgeprägten sexuellen Hörigkeit zur getöteten Ehefrau und das Zerbrechen ihrer Ehe die Zurechnungsfähigkeit verminderte oder ausschloss und wie unter diesem Gesichtspunkt die vom Angeklagten behaupteten »eigenartigen Zustände«, Wahnvorstellungen, das Sezieren der Leichen und seine Reaktion nach seiner letzten Tat bewertet werden mussten.

Beim Zweitgutachter handelte es sich um einen Psychiater, der im Verlaufe der mehrwöchigen stationären Aufenthalte von Hilmar Switalla in psychiatrischen Kliniken die Möglichkeit hatte, ihn ausführlich zu beobachten und zu explorieren. Kurz vor seiner letzten Krankenhausentlassung war Switalla dem Ärztekollektiv als »typischer Psychopath mit hervorstechenden Zügen explosiver Erregbarkeit« vorgestellt worden.

In der Beurteilung von Hilmar Switalla setzte sich der Gutachter auch mit den Vorwürfen der Verteidigung auseinander und widerlegte sie. Das Erstgutachten stand in völliger Übereinstimmung mit den beiden stationären Untersuchungen, die auf der Grundlage gezielter Methoden forensisch-psychiatrischer Begut­achtung zum Schluss gelangt waren, dass bei Switalla eine Psychopathie ohne Krankheitswert vorlag. Es hatten sich weder während der stationären Krankenhausaufenthalte noch sonst in seiner Vorgeschichte fachlich begründete Hinweise auf das Vorliegen einer endo­genen Psychose oder einer Epilepsie gefunden.

Der Zweitgutachter fasste den psychischen Zustand des Angeklagten wie folgt zusammen: »Die psychische Desintegration des Switalla als Dauerzustand betrifft somit die Sexualität wie die gesamte Affektivität mit hervorstechender Tendenz zu explosiven, gewalttätigen Äußerungen, sie betrifft auch die Emotionalität mit ernsten Mängeln, die eine zeitweilige Zuneigung zu Tieren nicht ausschließen, sie betrifft die Stellung zur menschlichen Gesellschaft, so dass er aus seiner Außenseiterrolle nie herausgelangte und niemals ­echte Freundschaften schloss, sie betrifft auch die Willens­züge, so dass er trotz außergewöhnlicher Vitalität und gutem Intellekt niemals zum Abschluss einer Lehre oder sonstigen Qualifizierung gelangte. Sie betrifft schließlich auch die Stimmungslage, so dass er häufig zwischen aggressiven und weinerlichen Affektausbrüchen schwankte. Von einer Depression im klinischen Sinn kann angesichts einer solchen Labilität nicht gesprochen werden. Die wiederholten Suizidversuche boten einen demonstrativen Charakter. Es wäre auch zu erwähnen, dass durch die mehr als zwanzig Jahre währende Schlägereileidenschaft eine zunehmende Brutalität in Erscheinung trat.«

Frauenmorde

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