Читать книгу Tata's Entdeckungen - Renke Liebig - Страница 7

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1. WANDERUNG

Darf ich mich kurz vorstellen? Ich bin Tata, der Chef der Universität des Universums. Mein Spezialgebiet ist das Erleben des Bewusstseins. In diesem Bereich erscheinen in meiner Wahrnehmung viele Menschen. Daher habe ich einen Raum geschaffen, indem ich mit ihnen in Kontakt trete. Wenn notwendig, gebe ich Ratschläge. Sie suchen Hilfe, doch gebe ich ihnen oft nicht das, was sie sich zunächst wünschen. Ich gebe ihnen, was sie aus meiner Sicht brauchen. Mit jedem Menschen und Besucher entstehen so Artikel, die für sie und mit ihnen verfasst werden.

Es tritt eine große Frau in den Raum mit einem großen Rucksack auf ihrem Rücken. Sie stellt sich als Pilgerin vor. Sie hat viele Fragen über die Wege dieser Welt. Sie möchte mehr erfahren über die Erkenntnisse, die ich auf meinen Reisen gesammelt habe.

Ich schweige für lange Zeit. Anschließend überreiche ich ihr einen Artikel mit dem Namen JAKOBSWEG. Es ist eine Zusammenfassung über die Abenteuer und Schlüsselmomente, die ich auf den Wegen erlebt habe.

Hier ist der Artikel JAKOBSWEG.

1.1 JAKOBSWEG

TATA

Mich interessiert heute, wie die aktuelle Entwicklung der Pilgerzahlen auf dem spanischen Jakobsweg ist. Pilger sind Menschen, die die letzten 100 Km zu Fuß oder die letzten 200 Km mit dem Fahrrad nach Santiago de Compostela reisen.

Der Jakobsweg ist beliebt. Aber warum ist das so? Ich bin selbst den Camino Francés und die Via de la Plata auf dem sogenannten Camino de Santiago gepilgert. Ich habe zunächst die sportliche Herausforderung als Grund angesehen. Religiöse Motive spielen ebenso eine Rolle für Pilger, um sich stärker mit Gott zu verbinden. Die Landschaften in Spanien sind faszinierend. Vor allem die Spanier selbst geben dem Wort Temperament eine neue Bedeutung. Die Mitpilger sind gesprächsbereit und haben immer ein offenes Ohr. Man darf nicht die spirituelle Dimension dieser Wege unterschätzen. Menschen wollen langsamer durch das Leben schreiten. Unzählige sind gehetzt und stehen unter Dauerstress im Alltag. Die Gründe sind vielschichtig, zumindest für den Verstand. Gesundheit, Familie, Arbeit oder Geld. Sie wollen aus dem Hamsterrad des ewigen Konsums ausbrechen und ihr Leben leben. Schlicht leben, nicht so kompliziert.

Mir ist aufgefallen, dass ich jeden Tag mit erhöhter Aufmerksamkeit auf dem Weg gepilgert bin. Das hat mich in einen Zustand der tiefen Meditation geführt. So habe ich mich mit meiner Umwelt verbunden. Die Trennung von innen und außen verschwindet. Man wird eins mit der Umgebung. Es werden viele vergangene Erinnerungen aufgearbeitet; dabei wird das psychische Leiden mit jedem Schritt geringer. Der Weg gibt dir die Stärke, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen. Man wird immer präsenter. Der Weg gibt jedem Ideen für neue Projekte. Nichtsdestotrotz ist man an das Jetzt gebunden. Man plant seinen Tag, seine Route, seine Ausrüstung, seine Zielherberge. Probleme werden angepackt und so aufgelöst. Man erkennt sich selber in den Menschen wieder, die auf dem Weg sind. Durch die unendlichen Gespräche mit den Mitpilgern lernt man sich selber wieder kennen.

Das Ego, die Vergangenheit und die Zukunft haben keine Macht. Das Jetzt wird immer präsenter. Nur dieser eine Schritt zählt. Diesen einen Schritt zu machen, erfordert höchste Konzentration. Der Rest ist Wiederholung.

Der Jakobsweg gibt uns vielfältige, kreative Impulse. Eingebungen, die im heutigen Alltag fehlen.

Ich habe auf den Reisen gemerkt, dass ich weder Englisch noch Spanisch spreche. Diese Erfahrung hat den Ehrgeiz geweckt, beide Sprachen intensiv zu studieren. Geschichten prägen diese Erfahrung. Ich habe mich schnell wie ein Blitz im Hamsterrad bewegt. Ich habe mir alle Fragen der Welt gestellt. Ich habe nicht erkannt, dass mein Ego stets neue Wege findet. Ich habe die Lösung innerhalb meiner Gedanken gesucht, nie die Gedanken an sich angeschaut. Ich habe weder das tiefe Bewusstsein entdeckt, noch die Zeit, noch das Ego.

Die Wege dieser Erde haben für jeden eine andere Bedeutung. Ich erhielt Kraft durch den Weg, physisch wie mental. In schwierigen Zeiten erinnere ich mich an den Weg und seine positive Kraft.

Die Pilgerreise dauerte Stunden, Tage und Wochen. Jeder Tag war wie ein neues Leben. Neue Begegnungen, neue Landschaften. Alte Weggefährten habe ich mit besonderer Freude empfangen. So entsteht ein Gefühl der Gemeinschaft, des Zusammenhalts. Es ist wie eine große Familie. Herrlich!

Der Weg gibt jedem das, was man braucht, nicht das, was man will.

Ich habe verschiedene Menschen auf den Wegen getroffen. Einen Brasilianer. Drei Chilenen. Einen Australier. Zwei Spanier.

Ich gebe Ihnen hier den Raum, um Ihre Erfahrungen zu teilen.

BRASILIANER

Ich traf auf dem Camino Francés einen brasilianischen Hospilatero, dieser hatte folgende Botschaft parat:

„Der Camino gibt dass, was er und sie finden will.“

„Es ist nicht wichtig, was morgen ist oder was gestern war. Du lebst jetzt und nicht vor fünf Minuten oder in fünf Minuten.“

„Gestern ist nicht wichtig, morgen ist nicht wichtig. Das, was du im Moment machst, das ist das Wichtigste im Leben.“

In Essenz hat er das auf diese Weise ausgedrückt. Seine Erklärung dauerte, bemerkenswert, fünfzehn Minuten.

CHILENEN

Ich bin drei chilenischen Geschwistern auf der Via de la Plata begegnet. Es hat mich tief beeindruckt, wie sie miteinander umgegangen sind. Was ist ihr Geheimnis? Wie können sie so hilfreich und freundlich miteinander umgehen? Stets mit Rücksicht und Verständnis füreinander. Sie haben ihr Geheimnis mit mir geteilt:

„Freundschaft zwischen Geschwistern.“

„Liebe zwischen Geschwistern.“

„Einigkeit zwischen Geschwistern.“

„Unterstützung zwischen Geschwistern.“

Das ist alles.

AUSTRALIER

Diese Wörter sind von einem Freund, Willow. Er hat mir viele Nachrichten geschrieben, die folgenden Einsichten finde ich besonders bemerkenswert. Er hat sich als Songwriter auf dem Camino Francés vorgestellt. Ich erinnere mich daran, dass er immer Schokolade gegessen hat.

„39 Kilometer war die gereiste Distanz heute, physisch. Jedoch kann die Distanz emotional und spirituell nicht gemessen werden.“

„Tränen quollen in meinen Augen und ein unbekanntes Gefühl überfiel mein gesamtes Sein und trug mich zu einem komplett neuen Ort, und von diesem Ort konnte ich den Himmel spüren, ich wurde berührt von Engeln und Gott sprach zu mir ruhig und liebevoll. Mein Tränenfluss konnte nicht gestoppt werden und ich wollte es auch nicht, selbst wenn ich gekonnt hätte (und einst getan hätte), es waren Tränen der Freude, und der Freiheit, und der bedingungslosen Liebe.“

„Einige Pilger wandern jeden Tag eine bestimmte Anzahl an Kilometern (so wie ich am Anfang) oder wollen sich an einem bestimmten Ort zum Tagesende befinden (so wie ich am Anfang). Das Problem damit ist, wenn du auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung bist, dann musst du offen sein für die Nachrichten, die dir von ‚oben‘ versucht werden zu geben. Da wird eventuell Ruhe benötigt, oder es wird Stille für mehr als einen Tag benötigt, um dich von dem Weg des ständigen Tuns zu entfernen.“

„Um eine lange Geschichte abzukürzen, der Grund warum ich dort war, war nicht um los zu lassen, jedoch tatsächlich um zu erhalten. Etwas, worin ich nicht so gut bin. Ich realisierte, um vollständig los zu lassen musste ich erst erhalten. Um vollständig zu erhalten (bedingungslos) musste ich demütig sein. Um demütig zu sein, musste ich mein Ego loslassen.“

„Freiheit hat kein Gesicht. Es gibt keine Wörter oder Texte, die in Stein gemeißelt sind. Es gibt keinen bestimmten Ort, wo du hinreisen kannst um Freiheit zu erhalten, wenn du nicht erst ‚diese‘ innere Reise beginnst. Freiheit ist in allem was wir tun, alles was wir probieren, alles was wir machen, abbrechen und/oder vortäuschen, denn innerhalb jeden Augenblicks haben wir die Wahl und die Chance ‚diese‘ Reise zu beginnen.“

Anfangs habe ich seine Ansichten überhaupt nicht verstanden. Erst später verstand ich einige Punkte deutlich. Willow hat seine Einsichten mit mir geteilt. Ich teile seine Erkenntnisse mit euch. Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen. Geteilte Liebe ist doppelte Liebe.

SPANIER

Eines Morgens habe ich mit zwei Spaniern der älteren Generation in einer Pilgerherberge, Haus der Weisheit, gefrühstückt. Javier und Mecchulo. Wir haben uns über dieses und jenes unterhalten. Alles schien normal zu sein. Das war meine Einschätzung als Experte, obwohl ich kein Wort Spanisch verstand. Javier aß einen Apfel. Mecchulo und ich waren mit dem Frühstück fertig. Plötzlich hat sich Javier an dem Apfel verschluckt. Ich war geschockt. Was kann ich tun? Javier sagte nichts, er deutete nur auf seinen Hals. Mecchulo sprang vom Stuhl auf und packte Javier von hinten. Er umarmte Javier von hinten und presste oft auf seinen Brustkorb. Javier spuckte zunächst nur Wasser aus. Mecchulo schaute mich an und sagte, dass ich weiter machen soll. Mit all meiner Kraft presste ich auf Javiers Brust. Dann hat Mecchulo wieder übernommen. Nach einigen Minuten hat sich Javiers Zustand gebessert. Was für eine Erleichterung! Er konnte wieder sprechen. Gleich darauf rannten die beiden los, als wäre nichts gewesen. Ich konnte dieses Tempo nicht mithalten, und so habe ich sie schnell aus den Augen verloren.

Das hat mir einige Dinge aufgezeigt. Wie fix es passiert, dass sich alles dreht im Leben. Am Anfang nimmt man die Gesundheit als selbstverständlich an. Ich habe das Leben genossen. Ich fühlte mich unbesiegbar. Sobald sich Krankheiten, Krisen oder Probleme einschleichen, nimmt die Gesundheit eine neue Priorität ein. Von einem Moment zum Nächsten herrschen andere Gesetze. Lange Zeit wollte ich so sein, wie ich vor dem Quantenmoment war. Genau dieses Verhalten hat mich in die Krise gebracht. Es ist nicht möglich, in der Zukunft so zu sein, wie in der Vergangenheit.

Es scheint mir so, dass der Mensch genau diesem Wahnsinn unterliegt. Sie sind nie zufrieden. Etwas ist nie perfekt. An einem Tag will man 5 Kilo abnehmen. An einem anderen Tag will man 5 Kilo zunehmen. Abhängig von der gegenwärtigen Mode. Nie ist man mit dem zufrieden, was jetzt hier vorhanden ist. Was jetzt wirklich ist. Fortwährend wird nach mehr Geld geschrien. Mehr Urlaub. Mehr Häuser. Mehr Zeit. Mehr Autos. Immer mehr. Nie ist etwas genug vorhanden. Wo soll dieser Wahnsinn enden? Das kann nur im Tal der großen Tränen enden. Irgendwann verschluckt man sich an dem ewigen Konsum. So wie Javier an einem Apfel. Wenn niemand helfen kann, dann bleibt alles im Halse stecken. Die innere Unzufriedenheit soll mit äußerem Konsum ausgeglichen werden. Das ist nicht möglich.

Ich merke, dass Konsum in Ordnung ist. Dieser soll nicht in die Extreme gehen. Nicht zu viel. Nicht zu wenig. Wie viel Konsum ist gut? Diese Entscheidung trifft man jeden Tag, jeden Moment. Das Haus der Weisheit hat mir eine Sache gelehrt. Ich kann im Leben alles bekommen, erreichen und realisieren. Immer mit der Gewissheit, dass nichts absolut sicher ist. Jede Sache kann in jedem Moment zu Ende sein.

Die kurze Geschichte mit Javier, Mecchulo und mir basiert auf einer wahren Begebenheit. Es hat auf dem Jakobsweg, der Via de la Plata, in Spanien stattgefunden. Es war eine wirkliche Lektion für mich.

Ich danke allen Menschen, denen ich begegnet bin und denen ich begegnen werde. Ich beende diesen Artikel mit einem Zitat, das ich auf einem meiner Wege gelesen habe.

„Das Ziel zu erreichen schien uns zunächst das Wichtigste, inzwischen ist es der Weg.“

Alto do Poio (Spanien), 21.04.1992, Verfasser unbekannt

Die Pilgerin schaut auf den Artikel. Sie wirkt nachdenklich und überrascht zugleich. Sie wollte Details und Weghinweise. Was trägt man im Rucksack? Was ist nützlich? Was wird benötigt? Ich habe das nicht gesagt. Sie verlässt etwas enttäuscht den Raum. Abgesehen davon nimmt sie den Artikel mit.

Tata's Entdeckungen

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