Читать книгу re:publica Reader 2014 – Tag 3 - re:publica GmbH - Страница 5
INTO THE WILD "Ich dosiere meine Wut" Nach dem NSA-Skandal wollte die re:publica politisch sein. Hat das geklappt? Mitveranstalter Markus Beckedahl über das Verhältnis von Spaß und Politik, fehlenden Zorn und den Medienhype um David Hasselhoff.
ОглавлениеInterview mit: Markus Beckedahl
Die re:publica ist vorbei. Was klar geworden ist: Die Datensammelwut ist außer Kontrolle geraten. Aber es gibt keine Lösungen, oder? Die Bundesregierung hat das Thema Überwachung für beendet erklärt – aus Rücksicht auf unsere Partnerländer und deren Geheimdienste. Aber wie ist unser eigener Geheimdienst in dieses System eingebunden? Auch der BND arbeitet mit den USA zusammen. Wir haben die re:publica genutzt, um die Debatte am Laufen zu halten. Und wir haben über konkrete Lösungen nachgedacht.
Was ist denn nun die Lösung? Es gibt leider nicht den einen Lösungsansatz. Man muss verschiedene Schritte machen, um Überwachung zurückzudrängen. Auf der technischen Seite: Kommunikation verschlüsseln. Das treibt die Kosten und den Aufwand für Massenüberwachung in die Höhe. Darauf hätte man auch schon vor dem NSA-Skandal kommen können. Aber Verschlüsselung ist noch immer zu aufwändig. Der Gesetzgeber muss Projekte unterstützen, die nutzerfreundlich und sicher sind. Es muss so einfach sein, dass es auch unsere Eltern benutzen können. Die Messenger-App Threema ist ein erster Schritt.
Und was muss sich auf der politischen Seite ändern? Die anlasslose Massenüberwachung muss endgültig verboten werden. Die Bundesregierung muss sagen: Wir verzichten auf die Vorratsdatenspeicherung. Einflussreiche Kreise wollen das willkürliche Datenspeichern nämlich wieder haben. Und Datenschutzabkommen wie "Save Harbour" sind auf europäischer Ebene gescheitert. Das lag hauptsächlich an Deutschland.
Ist die re:publica politischer geworden? Wir waren schon immer politisch. Aber früher fanden Veranstaltungen zum Thema Überwachung in den kleineren Sälen statt. Viele hielten das damals für Verschwörungstheorien. In diesem Jahr ist das Politische in den Vordergrund gerückt, auf die großen Bühnen.
Von Zorn ist trotzdem nichts zu spüren. Ich könnte mich jeden Tag tierisch darüber aufregen, aber dann hätte ich ein ziemlich unentspanntes Leben. Ich dosiere meine Wut. Ich versuche, das nicht zu sehr an mich herankommen zu lassen und trotzdem etwas zu bewegen.
Kann man mit David Hasselhoff etwas bewegen? Das war nicht unsere Idee, aber im Endeffekt hat es der re:publica nicht geschadet. Es hat uns eine mediale Aufmerksamkeit gebracht, die neu für uns war. Wir haben Anfragen von Blättern bekommen, die wir bisher nur vom Friseur kannten. Persönlich fand ich es enttäuschend, dass manche seriösen Medien nur hier waren, um Hasselhoff zu filmen.
Warum war Internetminister Dobrindt nicht hier? Ich habe noch nicht mitbekommen, dass Dobrindt groß für's Internet zuständig ist. Wir haben Innenminister de Maizière gebeten, mit uns über Datenschutz zu diskutieren. Wir haben auch Bundespräsident Gauck gefragt, ob er über Freiheit im Internet sprechen will, weil er so gerne über Freiheit redet. Aber von beiden, Gauck und de Maizière, haben wir nichts gehört.
Und dann kam Sascha Lobo. Der gehört ja quasi zum Inventar.
Lobo hat versucht, die Leute wachzurütteln. Aber abseits der Veranstaltungen redet trotzdem niemand über Politik. Die Menschen kommen hierher, um drei Tage Spaß zu haben. Das Programm beleuchtet die unterschiedlichsten Facetten einer sich verändernden digitalen Gesellschaft. Politik macht davon nur 20 Prozent aus.
Wie erkläre ich meinem 90-jährigen Opa, was die re:publica ist? Hier kommen Leute zusammen, die sich den Rest des Jahre nur online treffen, um zu reflektieren, was im Netz passiert. Von einer positiv-kritischen Position aus. Aber vor allen Dingen, um Spaß zu haben.
Wenn ich das sage, schaut er mich an wie ein Auto. Dein Opa muss ja nicht kommen. Er geht dafür wahrscheinlich zum Frühschoppen oder zum Kirchenchor, um dort seine Peer-Group zu treffen.
Peer-Group, digitale Gesellschaft, Datenverschlüsselung – wie lange muss man das noch erklären? Braucht es irgendwann keine re:publica mehr? Alles ist endlich. Aber es wird immer Orte geben, wo die fortschreitende Digitalisierung thematisiert wird. Ob das auch noch in zehn Jahren die re:publica ist, weiß ich nicht.
Die Fragen stellten Maximilian Heim und Timo Steppat