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ABSCHNITT 2 – DIE WEIGERUNG

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Der Held zögert, dem Ruf zu folgen, weil es gilt, Sicherheiten aufzugeben.“

Ich stand vor meinem Schreibtisch, der schwarze Sessel hinter mir, und starrte den Monitor an. Um den Kugelschreiber zu besorgen, der von größter Wichtigkeit war, musste ich das sichere Büro verlassen. Der dunkle Raum, das Habitat für vierzig Stunden die Woche, die risikofreie Unterkunft, die mich vom Treiben des Büroalltags fernhielt, war meine schützende Höhle. Von der Heizung erwärmt, bildete er ein angenehmes Gegenstück zu den kalten Gängen vor der weißen Tür. Die Dunkelheit bot Schutz vor der grellen Wirklichkeit des restlichen Hauses. Sollte ich den Text, die Botschaft, mit dem Computer schreiben und ausdrucken? In einer Schriftart, die meiner Handschrift glich? Reichte das, um die Seele des Geschriebenen zu erhalten?

Wenn ich das Büro verließe, müsste ich mit anderen Kollegen in Kontakt treten. Mich mit Mitarbeitern auseinandersetzen, die nicht auf mein Wohlergehen achteten. Die mit Wünschen und dem Willen Smalltalk zu machen heranträten. Heranstürmten. Sie erschienen mir wie Monster, wie Vampire, die nicht Blut, sondern Energie aussaugten. Sie wollten mich mit ihren belanglosen Geschichten ablenken, um währenddessen meine emotionale Kraft abzuzapfen. Mit ihren mitleidserregenden Erlebnissen Mitgefühl aufgrund uninteressanter Dinge provozieren. Nicht zuletzt wollten sie Arbeit auf mich abschieben, um mehr Zeit zum Pflegen sozialer Kontakte zu haben. Sie kämen mir entgegen und grüßten freundlich. Bewürfen mich mit Erzählungen über ekelige Krankheiten. Über ihre lieben und verzogenen Kinder. Über neue Anschaffungen, bei deren Anwendung sie Hilfe benötigten, weil sie im Vorfeld zu wenig Informationen eingeholt hatten. Über die letzten Urlaube und wie schlecht oder schön diese waren. Über herausragenden Leistungen, die hauptsächlich darin bestanden, sich bei ihrem Chef einzuschleimen und fünf Minuten Arbeit als eine vorzeitig erledigte Lebensaufgabe zu verkaufen. Sie erzählten Geschichten über nette Kollegen und fänden unweigerlich Punkte, die sie an ihnen kritisieren konnten. Sie verurteilten Mitarbeiter für Verhaltensweisen, die sie in gleicher Weise an den Tag legten. Mir wurde schwindlig, als ich an die Scheinheiligkeit und das Gutmenschentum dachte, dass mir beim Verlassen meiner Höhle entgegenschlüge. An den Narzissmus und die Suche nach dem eigenen Vorteil. An die Belegschaft mit besonderen Bedürfnissen, wie es politisch korrekt hieß, die gleichbehandelt werden wollten. Sie wussten, alle Hebel in Bewegung zu setzten, wenn eine Kleinigkeit nicht nach ihren Vorstellungen erledigt wurde und ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit verwehrt blieb. Wenn sich die Mehrheit nicht nach den Wünschen einzelner richtete. Was waren diese Begehren, geboren aus Selbstsucht und Eigennutz, gegen mein einfaches Bedürfnis nach einem Kugelschreiber? Was müsste ich durchmachen, welche Qualen durchleben, bevor ich zu dem Schreibwerkzeug käme? Der Gedanke wurde mir unerträglich. Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich setzte mich. Im Büro war ich geschützt vor den rücksichtslosen Angriffen der Monster, getarnt als zuvorkommende, einfühlsame Kollegen. Die jeden sofort unterbrachen, wenn von Gefühlen, Wünschen und Erlebnissen berichtet wurde, um die eigenen Geschichten zu erzählen. Die meinen Worten lauschten, um einen Punkt zu finden, an dem sie einhaken konnten, um ihren verbalen Erguss zum Besten zu geben. Ich hatte probiert, Kontakt herzustellen. Ich scheiterte. Gab auf. Wussten sie nicht, wie anstrengend sie waren? Wie sie mir den Verstand raubten, indem sie wertvolle Gedanken mit ihrem Sprachmüll verdrängten? Warum taten sie das? Aus Einsamkeit? Hatten sie das Bedürfnis, sich jedermann mitzuteilen? Mit jeder Geringfügigkeit?

Ich war nicht einsam. Ich war mir genug. Die Auseinandersetzung mit den Problemen der anderen widerte mich an. Zumal meine problemlosen Zeiten rar gesät waren und ich sie genoss. Die Sicherheit meiner Höhle aufgeben? Nein. Ich brauchte den Kugelschreiber. Der Text, den ich damit zu Papier bringen wollte, veränderte das Denken der Menschen. Offenbarte ihnen eine differenzierte Sichtweise. Zu welchem Preis? Mein Magen spielte bei dem Gedanken vor die Tür zu treten verrückt. Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen, überhäufte mich jemand mit Belanglosigkeiten. Ich sollte gehen. Die Hände wurden kalt und zitterten. Ich zögerte, nicht bereit, mein sicheres Büro aufzugeben.

Der Kugelschreiber

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