Читать книгу Kaspar's sagenhafte Abenteuer - Riccardo Timpanaro - Страница 12
ОглавлениеKapitel 3
Ein Fest am Fuße des Weinbergs
Es herrschte ein ausgelassenes Treiben vor den Toren der Stadt Alfeld an der Leine.
Die Sonne schien, es war wohlig warm und der blaue Nachmittagshimmel nahezu wolkenlos. Inmitten des satten Grüns blühten zu dieser bunten Jahreszeit die prächtigsten Blumen. Von ihrer Farbe und dem betörenden Duft angelockt, schwirrten und summten fleißige Bienchen, anmutige Schmetterlinge und viele andere geschäftige Insekten umher. Im Hintergrund ragte der Weinberg aus der ansonsten recht flachen Ebene empor.
Es war eine wahre Freude, dem Festzug zuzusehen, der, so wie es die Tradition verlangte, von der St. Nicolai Kirche inmitten der Stadt aufgebrochen war, um das frisch vermählte Paar zum Hofe des Bräutigams zu begleiten und nun einen Halt machte, um das festliche Hochzeitsmahl inmitten der herrlichen Landschaft stattfinden zu lassen.
Tische und Bänke wurden aufgestellt und reichlich Speisen und Getränke aufgetischt. Eine große, dicke Sau wurde über dem offenen Feuer gedreht. Das Bier und der teure Wein schienen nicht enden zu wollen, und für die Kinder gab es Milch und reichlich Süßes. Es war somit an alles gedacht worden und von allem reichlich vorhanden, nahezu wie im Schlaraffenland, nur dass die saftigen Keulen hier nicht wie von alleine in den Mund geflogen kamen. Auch die kräftigen Ochsen, die die schweren, kunstvoll geschmückten Wägen gezogen hatten, darunter auch den Brautwagen, auf dem das Ehebett, eine stattliche Kommode, eine reichlich gefüllte Truhe und auch ein Spinnrad untergebracht waren, wurden nun gründlich versorgt. Musikanten spielten auf ihren Instrumenten und ein jeder hatte sich festlich herausgeputzt und trug an diesem besonderen Tag seine beste Kleidung. Stattliche Männer, in prächtige Gewänder gehüllt, tanzten mit ihren noch weitaus prächtigeren Frauen. Ihre Kinder spielten ausgelassen und tollten dabei wild umher. Die bunten Fähnchen und farbigen Bänder wehten im recht angenehmen, leichten Wind.
An einem der gedeckten Tische saß der dickliche Pfarrer, der zuvor am Morgen dem Brautpaar seinen Segen gespendet hatte, nun gemütlich auf einer der Holzbänke und nickte wohlwollend der feiernden Festgesellschaft zu. Man konnte seinen schon recht glasigen Augen und seiner roten Nase ablesen, dass er dem Alkohol bisher wohl durchaus nicht abgeneigt gewesen war.
Das junge Paar tanzte unterdessen inmitten der feiernden Gäste. Im Licht der strahlenden Sonne glitzerten und glänzten der kostbarer Ring und die prächtige Kette der Braut um die Wette. Doch vor allem das Strahlen ihres Gesichts erwärmte des Bürgermeisters Herz.
Der Brautvater und dessen Frau waren überglücklich, denn ihre einzige Tochter hatte nun endlich den Bund fürs Leben geschlossen, und dies sollte heute gebührend und durchaus auch ein wenig opulent mit allen Verwandten, Freunden und allerlei anderem Volk gefeiert werden. Als Vater der Braut hatte er sämtliche anfallenden Kosten zu tragen, doch dies war nur nebensächlich. Viel wichtiger war, seine Tochter in guten Händen zu wissen. Denn nicht nur, dass ihr wohlhabender Ehemann einen der größten Höfe besaß, infolgedessen auch eine relativ hohe Verlobungsgebühr entrichtet hatte, nein, zusätzlich dazu hatte er auch noch eine sehr großzügige Brautgabe erbracht. Sah man von diesen wichtigen, sehr beruhigenden, finanziellen Dingen einmal ab, bereitete dem Bürgermeister etwas anderes deutlich mehr Freude. Die beiden jungen Menschen schienen sich auch wirklich zu lieben, was in Zeiten arrangierter Hochzeiten keinesfalls die Regel war, denn Gefühle waren dabei meist belanglos. So kam hier alles zusammen, und es schien ihm, als meinte das Schicksal es wirklich gut mit den beiden jungen Leuten. Er nahm zufrieden die Hand seiner Frau, drückte sie liebevoll und war froh und glücklich.
»Lass uns einen kurzen Moment für uns alleine sein, Liebste!«, flüsterte der ausgelassene Bräutigam seiner jungen Braut ins Ohr, als das muntere Tanzlied langsam ausklang.
Sie nickte, und beide schlichen sich davon, so dass es niemand bemerkte. Am Rande des Waldes angekommen, umarmten und küssten sie sich leidenschaftlich.
»Warte, mein Liebster! Nicht so stürmisch.«, bat sie, als er sie immer fordernder hielt.
»Wozu warten? Wir sind doch Mann und Frau und allein, Liebchen! Die Leute feiern und vermissen uns für eine Weile sicher nicht. Wir haben genug Zeit. Mein Verlangen nach dir ist so groß, empfindest du nicht dasselbe?«
»Nein, das ist es nicht!..«
Sie sah ihn verlegen an.
»Du kennst die Bräuche und Sitten hier ebenso gut wie ich. Denk doch an das Betttuch! Wir müssen es in der Hochzeitsnacht allen zeigen, nachdem wir… Erst danach sind wir wirklich Mann und Frau.«
Ja, er wusste dies und nickte, doch war ihm die Enttäuschung deutlich anzusehen.
»Es gibt noch anderes, was ich stattdessen für dich tun kann…«
Sie schmieg sich fest an ihn. Voller Wonne strich er ihr über die wohlgeformten Lippen.
»Warte noch einen Augenblick!«
Die junge Braut nahm ihren prächtigen, jedoch überaus schweren Kopfschmuck behutsam vom Haupt, löste das kunstvoll gefertigte Tuch und legte alles behutsam auf dem weichen Boden ab. Die geflochtenen, goldfarbenen Zöpfe hingen ihr nun die schmale Schulter hinab.
»Wunderschön!«, sagte ihr Mann beeindruckt.
»Du bist die Hübscheste weit und breit.«
Seine Hände glitten über ihren wohlgeformten Körper.
»Wenn uns aber doch jemand überrascht?«
Sie sah in besorgt an.
»Es wird uns schon niemand stören. Sie sind alle beschäftigt…«
Er öffnete ihre Bluse, sodass ihr wohlgeformter Busen zum Vorschein kam. Zärtlich streichelte und küsste er sein geliebtes Weib, und sie stöhnte auf vor Lust und Verlangen. Begierig zog sie ihn dicht zu sich.
»Ich will dich!«, hauchte sie.
»Oh, Liebchen…«, antwortete er ihr und streichelte dabei zart ihr Haar, während sie langsam in die Knie ging.
Gespannt schloss er die Augen und wartete, wartete ab, was nun kommen würde…
Etwas strich über den Kopf der jungen Frau, und sie musste mit ansehen, wie ihr geliebter Ehemann, der gerade noch aufrecht vor ihr gestanden hatte, nun plötzlich nach hinten fiel und mit seinem Rücken auf dem harten Waldboden landete. Regungslos blieb er dort liegen, aus seiner Schulter ragte ein Pfeil.
»Herzallerliebst!«, spottete eine männliche Stimme im Hintergrund.
Sie zuckte erschrocken zusammen, und als sie mit zittriger Hand über ihr Gesicht fuhr, spürte sie etwas Flüssiges. Es war Blut, doch nicht ihr eigenes. Sie bekam es mit der Angst zu tun! Panisch versuchte sie aufzustehen.
»Eh, eh, Täubchen! Untenbleiben!«, gluckste eine unangenehme Stimme.
Erst jetzt sah sie die beiden Männer. Zuerst schemenhaft, dann immer deutlicher, und sie kamen näher. Einer war klein, missgestaltet, hässlich, ein garstiger Gnom, zugleich aber überaus kräftig gebaut. Er war es gewesen, der den Pfeil abgeschossen hatte. Der andere, der Hochgewachsene, war dünn, edel gekleidet, besaß jedoch ein finsteres Gesicht, aus dem raubtierhafte Augen sie nun anstarrten.
»Wer seid ihr? Was wollt ihr?«, wollte die Bürgermeistertochter wissen.
Der hässliche Zwerg kam auf seinen krummen Beinen angewackelt und stank erbärmlich. Sie nahm die üble Mischung aus Urin und Schweiß wahr, und ihr wurde übel. Mit seinen klobigen Händen rüttelte er an ihrem Mann, doch dieser regte sich nicht. Dann nickte der Bucklige dem Großen zu, und dieser grinste zufrieden.
»Ihr Mörder!!! Warum habt ihr das getan?«, schrie sie, und die Tränen flossen ihr die Wangen hinab.
»Um den braucht Ihr Euch keine Sorgen mehr zu machen, Liebes! Ihr solltet Euch lieber Gedanken um Euch und Eure Zukunft machen…«, antwortete der Große, und er lächelte böse dabei.
Der Zwerg kicherte hämisch.
»Doch möchte ich mich Euch zuallererst vorstellen! Ich werde allerorts Herr Oberräuber genant, und dieser bucklige Geselle hier, der mit dem Bogen, schimpft sich Mini!«
Er verbeugte sich.
»Scheusal! Wen interessiert’s?«, schluchzte sie.
»Scheusal, Mörder, Würger, Diebe? Gleich setzt es Hiebe!!!«, geiferte der Gnom und griff verärgert nach seiner Peitsche.
»Halt, Mini!«, befahl der Oberräuber und hob drohend seine Hand.
Der Zwerg hielt murrend still.
»Verehrte Bürgermeistertochter, verzeiht bitte! Es mangelt meinem Knecht ein wenig an Umgangsformen, dafür hat er aber andere Qualitäten. Oh, ich sehe Ihr habt etwas abbekommen…«, bemerkte der Oberräuber und zog ein kleines, kostbar besticktes Tüchlein hervor.
Beinahe fürsorglich und sehr behutsam wischte er die Blutspritzer aus ihrem Gesicht. Von diesem Scheusal berührt zu werden, verursachte ihr großen Eckel, und sie spuckte ihn angewidert an. Seine Augen glühten auf vor Zorn. Sie spürte das Wilde in ihm. Sah kurz die gefährliche, todbringende Bestie hinter der Fassade aufblitzen, welche dann aber auch genauso schnell wieder verschwand, wie sie erschienen war, denn er hatte sich rasch wieder unter Kontrolle. Der Oberräuber lächelte sie aufgesetzt freundlich an und säuberte dann sein eigenes Gesicht. Danach warf er das Tuch gleichgültig auf den Boden.
»Du hast mehr Glück als Verstand, Weib!«, bemerkte er ruhig.
»Unter anderen Umständen, hätte ich dir die passende Antwort auf dein sehr unhöfliches Verhalten gegeben, doch mein Herr verlangt nach dir. Und dies in einem Stück, was ich nun äußerst bedauerlich finde!«
Er strich über ihr zartes Gesicht, und ein Schauer des Ekels und der Abscheu überkam sie erneut.
»Aber lassen wir das! Du hast gefragt, was wir wollen. Nun, dies kann ich dir sagen… Wir sind gekommen, um dich zu holen, dich mitzunehmen, mein Täubchen!«
»Mich mitnehmen? Wohin?«, wollten sie wissen.
»In dein neues Heim!«
»In mein neues Heim? Wo soll das sein? Was soll der Unsinn? Mein Platz ist bei meinem Mann! Bei meinem Ehemann!«, erwiderte sie entrüstet.
»Du wirst es bald erfahren, Täubchen!«, fuhr er unbeeindruckt fort.
»Dämliche Pute! Dumm und dämlich!«, schimpfte der Zwerg und schüttelte seinen Kopf dabei.
»Weiß nichts, das Weib! Bähhhh!!!«
»Ruhig Mini!«, befahl ihm der hochgewachsene Räuber.
»Niemand interessiert sich für deine Meinung. Wir nehmen sie mit. Fessel sie!!! Aber vorsichtig, krümm Ihr kein Haar, sonst schneide ich dir die Kehle durch! Verstanden?«
Der Gnom nickte folgsam und nahm sich einen festen Strick. Mit diesem fesselte er sie, so fest, dass es schmerzte und sie anfing zu schluchzen, was ihrem Peiniger aber reichlich egal war.
»Die Anderen werden uns schon vermissen, uns suchen und gleich hier sein!«, wimmerte sie trotzig vor sich hin.
»Es tut mir beinahe leid, dir dies so deutlich sagen zu müssen, meine Liebe, aber niemand kann dir jetzt noch helfen! Niemand wird dich retten können, denn…«, antwortete ihr Gegenüber kalt.
»…sie werden dich niemals mehr finden!«
Sie vernahm im Hintergrund ein leises Geräusch. Hoffnung keimte in ihr auf. Sollte es vielleicht doch noch nicht zu spät sein?
»Sie kommen!!! Dort, hört doch selbst!«
»Nein, nein…«, schüttelte er den Kopf.
»Er kommt!«
»Wer er?«, wollte sie wissen.
»Der, der uns geschickt hat. Er kommt selber!«
Man konnte im Hintergrund nun deutlich das sich nähernde Klappern von Hufen hören.
»Warum tut ihr uns das nur an?«, schluchzte sie vor sich hin.
Die Umrisse eines riesigen Reiters, der nun schon sehr nahe war, wurden deutlich.
»Hauptmann kommt…«, gurgelte der Gnom.
Der bucklige Kerl reckte aufgeregt seine Hals empor um besser sehen zu können.
»Hauptmann? Wer…«, wollte sie wissen, doch ihr Gegenüber hob drohend seine Hand.
»Schweig still, Weib! Es ist besser so für dich, glaube mir.«
Als der riesige Reiter schließlich angekommen war, verbeugte sich der Oberräuber demütig, und der garstige Gnom tat es ihm gleich. Die furchteinflößende Gestalt brachte ihr kräftiges Pferd zum Stehen, stieg dann so schwungvoll ab, dass der Boden unter dem Gewicht förmlich erzitterte, und eilte rasch und unaufhaltsam, die beiden anderen Räuber dabei vollkommen ignorierend, auf die sich fürchtende Bürgermeistertochter zu. Sie bekam es vollends mit der Angst zu tun, als sie schließlich in das finstere Gesicht des Räuberhauptmanns sah.
»Nein!!!«, schrie sie entsetzt, als er sie packte.
»Wer seid Ihr?«, stammelte sie, dann wurde sie ohnmächtig.