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Das Drehmoment

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Bislang haben wir Kräfte besprochen, die auf ein Objekt einwirken, um es in Bewegung zu versetzen. Es ist jedoch ebenso wichtig zu erörtern, wo die Kräfte jeweils angesetzt werden, da es sich bei der Bewegung eines Objekts statt um eine Bewegung in einer bestimmten Richtung (die man auch als Translationsbewegung bezeichnet) um eine Dreh- oder Rotationsbewegung handeln kann. Es kommen auch Situationen vor, in denen die Nettokraft null ist, das Objekt sich jedoch in einer Rotations- statt in einer Translationsbewegung befindet. Diese Überlegungen bringen uns auf das Thema des Drehmoments.

Während eine Kraft erforderlich ist, um den Bewegungszustand eines Körpers zu ändern, ist ein Drehmoment erforderlich, um die Drehbewegung eines Objekts zu ändern. Um ein Objekt in eine Drehbewegung zu versetzen oder die Drehbewegung eines Objekts anzuhalten, wird ein Drehmoment benötigt. Beachten Sie, dass es sich auch bei der Rotation eines Objekts um eine Bewegung handelt, was bedeutet, dass eine Kraft erforderlich ist, um die Bewegung zu ändern. Um die Rotation eines Objekt zu ändern, muss die Kraft so wirken, dass ein Drehmoment entsteht. Drehmomente sind für die Bewegung des menschlichen Körpers besonders wichtig. Ich habe schon mehrfach erwähnt, dass wir unseren Bizeps zum Heben des Unterarms verwenden. Tatsächlich führt der gesamte Unterarm keine Translations-, sondern eine Rotationsbewegung aus. Die Hand und das Handgelenk mögen zwar eine bestimmte Entfernung zurücklegen, doch der Ellenbogen bewegt sich überhaupt nicht.

Wenn ein Objekt eine Drehbewegung ausführt, gibt es einen Punkt oder eine Achse, um die es sich dreht, den bzw. die man als Drehpunkt oder Rotationsachse bezeichnet. Eine Kraft kann ein Objekt in Rotation versetzen, wenn sie auf einen Punkt einwirkt, der vom Drehpunkt entfernt ist. Wenn Sie beispielsweise versuchen eine Tür zu öffnen, drücken Sie normalerweise auf den Türgriff in senkrechter Richtung zur Tür. Sie könnten jedoch auch näher bei den Scharnieren auf die Tür drücken, müssten dann aber wesentlich mehr Kraft aufwenden. Würden Sie direkt auf die Türangel drücken, könnten Sie die Tür überhaupt nicht öffnen, wie groß die aufgewendete Kraft auch wäre.

Um ein Drehmoment zu erzeugen, muss die Kraft nicht nur auf einen Punkt angewendet werden, der vom Drehpunkt entfernt ist, sondern sie muss auch in einer bestimmten Richtung relativ zum Drehpunkt wirken. Wenn die Kraft in einer Richtung wirkt, die durch den Drehpunkt verläuft, kann sie das Objekt nicht in Rotation versetzen. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie würden auf das seitliche Ende der Tür drücken, jedoch genau in Richtung der Türangeln. In diesem Fall wird sich die Tür nicht drehen. Sie wird sich vielleicht ein wenig hin und her bewegen, jedoch nur, wenn Sie nicht exakt in Richtung der Scharniere drücken, und sei die Abweichung von dieser Richtung auch noch so klein.

Ein weiteres einfaches Beispiel hierfür ist der Versuch, einen langen Stock auf der Hand zu balancieren. Der Punkt, an dem der Stock Ihre Hand berührt, ist der Drehpunkt. Man kann sich das Gewicht des Stocks als in einem als Gleichgewichtszentrum bezeichneten Punkt konzentriert vorstellen. (Wenn der Stock eine symmetrische Form hat, befindet sich das Gleichgewichtszentrum in seiner Mitte.) Das im Gleichgewichtszentrum wirkende Gewicht des Stocks erzeugt ein Drehmoment und bewirkt, dass der Stock zur Seite fällt, wenn sich das Gleichgewichtszentrum nicht direkt über dem Drehpunkt befindet. Wenn der Stock zu fallen beginnt, können Sie schnell Ihre Hand so bewegen, dass sich das Gleichgewichtszentrum des Stocks wieder unter dem Drehpunkt befindet. Auf diese Weise können Sie den Stock in seiner senkrechten Position halten. Diese Fähigkeit zum Balancieren eines Stocks erfordert natürlich ein gewisses Maß an Geschicklichkeit und schnelle Bewegungen, um die Position der Hand zu korrigieren. Wenn Sie Ihre Hand stillhielten, würde der Stock zur Seite fallen.

Demnach sind der Ansatzpunkt und die Richtung der angewendeten Kraft zwei wichtige Parameter, die bestimmen, welches Drehmoment eine Kraft bewirkt. Wir können das Drehmoment auch quantitativ bestimmen, indem wir es als Produkt der Kraft und einer Länge definieren, die wir als Hebelarm bezeichnen. Der Hebelarm entspricht dem senkrechten Abstand zwischen dem Drehpunkt und dem Ansatzpunkt der gerichteten Kraft. Der senkrechte Abstand wird verwendet, weil er die größte Drehwirkung hat. Wenn Sie jemals einen Schraubenschlüssel zum Festziehen einer Mutter oder Schraube verwendet haben, wissen Sie, dass dies am besten geht, wenn man die Kraft senkrecht zum Schlüssel anwendet. Der Hebelarm entspricht in diesem Fall dem Abstand zwischen der Schraube am einen Ende des Schlüssels und dem anderen Ende, an dem Sie die Kraft ansetzen. Das Drehmoment ist das Produkt der Kraft und des Hebelarms. Dies kann in der folgenden mathematischen Gleichung ausgedrückt werden:


wobei τ das Drehmoment ist, F die angewendete Kraft and r der Hebelarm. Die Einheit des Drehmoments ist das Newtonmeter (Nm). Vielleicht haben Sie in der Bedienungsanleitung Ihres Wagens schon einmal den Abschnitt gelesen, der erklärt, wo die Muttern der Räder mit einem Schlüssel angezogen werden sollten und mit welcher in Newtonmeter angegebenen Kraft.

Um sich die Gleichung für das Drehmoment etwas zu veranschaulichen, denken Sie noch einmal an das Öffnen einer Tür. Wenn Sie am Türgriff im rechten Winkel zur Türoberfläche drücken, ist eine bestimmte Kraft erforderlich, um die Tür zu öffnen. Wenn Sie jedoch näher an der Türangel auf die Tür drücken würden, müssten Sie eine wesentlich größere Kraft aufbringen um die Tür zu bewegen. Allgemein gilt, dass bei der Anwendung eines bestimmten Drehmoments auf ein Objekt ein langer Hebelarm eine geringere Kraft erfordert, während bei einem kürzeren Hebelarm eine größere Kraft benötigt wird.

Wie gelingt es uns nun, unseren Unterarm zu heben? Die Spannkraft im Bizeps wendet an dem Punkt, an dem er mit dem Unterarm verbunden ist, eine Kraft auf den Unterarm an. Dieser Punkt befindet sich nicht am Ellenbogen, sondern in einem kleinem Abstand davon. Wenn sich Ihr Unterarm in einer horizontalen und Ihr Oberarm in einer vertikalen Position befindet, befindet sich auch der Bizeps in einer annähernd vertikalen Position. Das durch den Bizeps erzeugte Drehmoment entspricht dem Produkt der Spannkraft im Muskel und dem Abstand zwischen dem Ellenbogen und dem Ansatzpunkt des Muskels (Abb. 1.5).


Abb. 1.5 Rotationsbewegung. Wenn der Bizeps eine Kraft FM auf den Unterarm ausübt, wirkt er, gemessen vom Ellenbogen, über einen Abstand von rM Das daraus resultierende Drehmoment τM hat eine Drehung entgegen dem Uhrzeigersinn zur Folge, die den Unterarm hebt. Das Gewicht W des Unterarms wirkt über einen Abstand von rW und führt zu einer Drehung des Arms im Uhrzeigersinn, wenn der Bizeps entspannt wird.

Wenn Sie Ihren Bizeps entspannen würden, fiele bzw. drehte sich Ihr Unterarm (nicht der gesamte Arm) nach unten. Der Grund hierfür ist, dass das Gewicht Ihres Unterarms, das in seinem Gleichgewichtszentrum angreift, ein Drehmoment erzeugt, dessen Größe dem Produkt aus dem Gewicht des Unterarms und dem Abstand zwischen seinem Gleichgewichtszentrum und dem Ellenbogen entspricht.

Wie kommt es nun zur Bewegung des Arms, wenn er sich anfänglich in einer Ruheposition befindet? Bei einer Drehbewegung müssen wir das Nettodrehmoment betrachten. Einige Drehmomente können zur Drehung des Objekts in eine Richtung, zum Beispiel im Uhrzeigersinn, andere hingegen zur Drehung in die umgekehrte Richtung, d.h. entgegen dem Uhrzeigersinn führen. Damit sich ein in Ruhe befindendes Objekt zu drehen beginnt, muss das Drehmoment in der einen Richtung größer sein als das in der anderen. Denken wir nochmals an das Heben eines Arms. Ist das durch den Bizeps erzeugte Drehmoment größer als dasjenige, welches durch das Gewicht des Arms erzeugt wird, dreht sich der Unterarm nach oben, während Sie ihn heben. Wenn Sie den Bizeps entspannen, ist das einzige auf den Unterarm wirkende Drehmoment das durch die Schwerkraft bewirkte Drehmoment, sodass er sich wieder nach unten dreht.

Vielleicht beginnen Sie mittlerweile zu verstehen, dass Drehmomente bei der Erklärung der Bewegungen des menschlichen Körpers eine wichtige Rolle spielen. Den Arm heben, beim Gehen die Beine schwingen, sich auf die Zehenspitzen stellen oder sich bücken und wieder aufrichten: Alle diese Bewegungen haben etwas mit Drehmomenten zu tun. Beachten Sie, dass in manchen Fällen der Hebelarm zwischen dem Drehpunkt und dem Ansatzpunkt eines Muskels sehr klein ist. Dies macht es erforderlich, dass die zur Erzeugung eines bestimmten Drehmoments benötigte Kraft ziemlich groß sein muss. Tatsächlich kann diese Kraft mehrfach größer sein als das Gewichts des Objekts, das Sie zu heben versuchen.

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