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Das umfassende Leid

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Die dritte Art von Leid wird als umfassendes Leid bezeichnet. Dieses Leid als Leid zu erkennen benötigt ein noch größeres Maß an Intelligenz. Was wäre ein Beispiel von umfassendem Leid? Diese gegenwärtige Existenz, die wir erfahren, ist umfassendes Leid. Ganz gleich, ob man gerade etwas Angenehmes oder etwas Unangenehmes erfährt, in jeder Situation unseres Lebens ist diese Art von Existenz, wie wir sie jetzt erleben, umfassendes Leid. Der Grund dafür ist, dass unser gegenwärtiges Leben ein bedingtes Leben ist, das keine wirkliche Freiheit besitzt. Denn die Art von Dasein, in die wir geraten, und die Erfahrungen, die wir dann machen, folgen nicht unseren Wünschen, sondern hängt von anderen Faktoren ab. Wir haben also keine Freiheit, uns auszusuchen, wie wir leben und was wir während eines Lebens erfahren. Obwohl wir immer denken, dass wir frei sind, dass wir in einer freien Gesellschaft leben, was in gewisser Weise auch richtig ist, haben wir dennoch keine wirkliche Freiheit über unser Dasein.

Als erstes nehmen wir Geburt. Sowohl die Tatsache, dass wir Geburt nehmen, ebenso wie den Ort und die Umstände, unter denen wir geboren werden, können wir nicht nach unseren Wünschen gestalten. Manchmal passt unsere Geburt gar nicht auf die Umstände, in die wir hineingeraten, oder die Umstände passen uns gar nicht. Aber ungeachtet dessen, wie passend oder unpassend unsere Geburt sein mag, wir geraten irgendwohin und sind dann einfach dort.

In dieser Art nehmen wir Geburt. Vom zweiten Augenblick nach der Geburt an beginnt ein Rennen, und dieses Rennen geht nirgendwo anders hin als zum Ende des eben begonnen Lebens. Während dieses Rennens durchlaufen wir viele körperliche und geistige Veränderungen; manche sind angenehm, manche unangenehm, aber niemals haben wir die Möglichkeit, etwas daran zu ändern oder etwas rückgängig zu machen. Der ganze Ablauf folgt seinen eigenen Gesetzen. Schließlich kommt dann das Ende, das wir allgemein als Tod bezeichnen. Und obwohl ihn niemand erfahren will, haben wir wieder nicht die Freiheit, ihm zu entgehen.

Das zeigt sehr klar, ob wir tatsächlich Freiheit und Kontrolle über unser Dasein haben. Auch während unseres Lebens fehlen uns Freiheiten. So haben wir keine vollständige Freiheit über unsere Gedanken und Handlungen. Denn zur Zeit stehen wir vollständig unter der Macht unseres Geistes, und unser Geist selbst steht wieder unter der Macht weiterer Faktoren, von denen viele negativ sind, wie zum Beispiel Begierde, Eifersucht, Hass und so weiter. Wenn sie den Zustand unseres Geistes und unserer Person bestimmen, dann erfahren wir endlose Probleme. Ständig treten in unserem Geist Gedanken auf; Gedanken, die wir eigentlich gar nicht wollen, aber dennoch brechen sie hervor, gewinnen an Kraft und zwingen uns, unter ihrem Einfluss zu handeln. Wenn wir eine Wahl hätten, wäre es uns lieber, unser Geist wäre in einem harmonischen, friedlichen Zustand, ohne irgendwelche Störungen. Es wäre uns lieber, wenn wir unseren Geist auf jedes gewünschte Objekt richten könnten und er dann friedlich auf dieses Objekt gerichtet bliebe. Das wünschen wir zwar, aber ob unser Geist sich so verhält oder nicht, können wir leicht beobachten. Vor allem, wenn wir versuchen zu meditieren, werden wir schnell herausfinden, ob unser Geist auf dem gewünschten Objekt bleibt oder nicht.

Alle diese beschriebenen Unzulänglichkeiten zeigen unseren Mangel an Freiheit über unser Leben. Das ist unsere gegenwärtige Situation, der Zustand unseres gegenwärtigen Daseins. Dieser Zustand kann zwar geändert werden, aber im Moment treffen diese Beschreibungen zu.

Die erste und zweite Art von Leid erfahren die Wesen in den verschiedenen Daseinsbereichen in unterschiedlichem Maß. Manche Wesen erleben mehr vom ersten, manche mehr vom zweiten Leid. Vom umfassenden Leid jedoch sind alle Wesen des Daseinskreislaufs betroffen, unabhängig davon, ob es sich um Menschen, Tiere, Devas oder andere Lebewesen handelt. Da diese dritte Art von Leid alle Wesen des Daseinskreislaufs in gleicher Weise umfasst, wird sie als umfassendes Leid bezeichnet.

Das alles ist die Bedeutung der ersten edlen Wahrheit. Mit den Worten "Dies ist die edle Wahrheit des Leids" hat Buddha auf diese Wahrheit hingewiesen. Er hat nicht gesagt: "Es gibt eine Wahrheit des Leids, und dort ist sie." Damit wird deutlich, dass diese edle Wahrheit nicht weit weg ist. Sie befindet sich nicht irgendwo und liegt auch nicht zurück in der Vergangenheit, sondern sie befindet sich genau jetzt und hier innerhalb der eigenen Person. Das eigene, gegenwärtige Dasein ist davon betroffen. Das zu erkennen ist sehr wichtig.

Buddhas erste Unterweisung

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