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Kapitel 2

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Freitag, 7. April 2018

Lauenbergs Handy piepste. Verschlafen griff er danach und schaltete es aus. 6:50 Uhr. Zeit aufzustehen. Er streckte sich, sprang mit einem Satz aus dem Bett, und huschte ins Bad. Die kühle Dusche tankte seinen Körper mit Energie auf. Danach kleidete er sich an und warf einen Blick aus dem Fenster. Grau, triste und einen feinen Schneeteppich auf der Straße, konnte er erkennen. Auch das noch, dachte er. Ohne Frühstück verließ er das Haus. Er wollte vermeiden in einem möglichen Verkehrschaos stecken zu bleiben.

Hauptkommissar Steffen Lauenberg kam gleichzeitig mit seiner Kollegin auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums an.

»Guten Morgen, Frau Schneider«, grüßte er. »Sind Sie problemlos durchgekommen? Sie wohnen doch in Bad Camberg?«

Sie nickte. »Guten Morgen, Kollege, ich bin rechtzeitig losgefahren. Zehn Minuten hat es länger gedauert, als sonst.«

Gemeinsam betraten sie das Gebäude.

Im Büro goss sich Lauenberg einen Kaffee ein, den die Sekretärin bereitgestellt hatte. Geduldig wartete er bis Silke Schneider ihren Mantel ausgezogen und an ihrem Schreibtisch Platz genommen hatte.

»Ekliges Wetter. Ich hoffe, der Frühling setzt sich bald durch«, sagte er und reichte ihr eine Tasse Kaffee, was sie erstaunt aufblicken ließ. Das tat er das erste Mal, seit er vor einer Woche ins K11 gekommen war.

»Was haben Sie gegen das Wetter? Es ist April, der weiß nicht, was er will«, ulkte Silke. »Da gibt es schöne Tage, Regen oder Schnee. Was ist los? Sie schauen mich so komisch an.«

Er atmete tief durch. »Wenn ich daran denke, dass heute ihr letzter Tag ist, macht mich das traurig. Sie sind eine tolle Kollegin.«

»Oh, vielen Dank, ein schönes Kompliment. Aber wie ich Ihnen bereits erzählt habe, mache ich das meiner Tochter zuliebe. Sie steht vor dem Abitur, braucht ein bisschen Unterstützung. Es sind nur sechs Wochen, dann bin ich wieder zurück. Außer unserem Chef, Andreas Hauser und Frau Dr. Eichhorn, sind alle alten Kollegen weg; mich vermisst ohnehin keiner.«

»Ich schon. Wäre schön gewesen, Sie an meiner Seite zu wissen.«

Silke klopfte ihm auf die Schulter. »Das höre ich gerne. Ich hoffe, Sie bleiben länger, als Ihre Vorgänger.«

Gerd Schröder, der neue Kriminalassistent, ein netter Typ und Computerspezialist, platzte herein. »Was machen Sie für Gesichter? Egal, vertagen Sie Ihren Kummer. Es gibt einen Toten«, sagte er und reichte Lauenberg einen Zettel mit knappen Informationen.

»Geht klar, machen wir unsere Arbeit«, sagte er. »Wenn alles passt, bleibe ich bis zu meiner Pension«, versprach Lauenberg lächelnd. »Wann kommt der Ersatz für Sie, Kollegin?«

»So viel ich weiß, am Montag. Da wären Sie am Wochenende mit Gerd alleine.«

»Das ist kein Problem. Ich habe am Sonntag zwar frei, bin jedoch in Bereitschaft.«

»Wo geht es hin, am frühen Morgen?«, fragte Silke.

Lauenberg schaute auf das Blatt Papier in seiner Hand. »Zum alten Friedhof, nördlich der Stadt.« Er verzog das Gesicht.

Silke schlüpfte in ihren Mantel und sagte: »Keine Angst. Das ist inzwischen ein Freizeit- und Erholungspark.«

»Das beruhigt mich.«

Sie nickte. »Also, fahren wir.«


Nebelnässe schlug sich auf dem Asphalt nieder. Der Schnee vom gestrigen Abend, war bis auf wenige Flecken, weggetaut. Das Team der Spurensicherung, sowie die Rechtsmedizinerin, waren vor Ort.

»Wie üblich, seid ihr die Ersten am Tatort, trotz der Wetterlage«, bemerkte Silke.

Lauenberg trat zu dem Toten, der im Gebüsch lag. Er wandte sich um. »Wissen Sie, wer er ist?«, fragte er Andreas Hauser, den Leiter der Spurensicherung.

»Wie der aussieht, erkennt ihn niemand«, meinte Silke erschüttert.

»Lauenberg zog Gummihandschuhe über und beugte sich zu dem Toten herab. »Er ist schlimm zugerichtet«, stellte er fest.

»Jemand hat ihm mit voller Wucht das Gesicht zertrümmert und anschließend mit einem Kopfschuss getötet«, sagte Hauser. Er reichte Lauenberg eine Plastikhülle mit dem Ausweis des Opfers.

»Michael Steiner, 51 Jahre, wohnhaft in der Comeniusstraße«, las er.

»Das ist in der Nähe«, sagte Silke.

Andreas nickte. »Die nächste Straße links. Ich habe noch was für euch.« Er schwenkte eine Plastikhülle, in der sich eine Spielkarte befand. »Hatte er in seiner Jackentasche.«

»Herzbube. Was bedeutet das?« Lauenberg schaute Silke und Andreas Hauser verwundert an.

»Ein Zeichen?«, vermutete Silke ein.

»Er hatte einen Kassenzettel vom Römerkastell in seiner Geldbörse. Die Gaststätte befindet sich ebenfalls in der Nähe. Mehr kann ich euch im Moment nicht sagen.« Andreas wandte sich ab.

»Frau Dr. Eichhorn, seit wann ist das Opfer tot?«, fragte Lauenberg.

Sie schaute ihn lächelnd an. »Vorsichtig ausgedrückt: seit gestern Abend zwischen 23 Uhr und Mitternacht. Er war nach einem kräftigen Schlag, mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf, wehrlos. Möglicherweise ein Stein. Der Täter muss das Opfer hierher geschleift, mit Fußtritten attackiert, und dann erschossen haben. Ich vermute, dass er bereits bewusstlos gewesen war, als der Schuss fiel. Das Projektil ist wieder ausgetreten. Genaueres, wie gehabt, nach der Obduktion.«

»Was halten Sie davon, Frau Schneider?« Lauenberg schaute sie fragend an.

»Schwer zu sagen. Sieht wie eine Hinrichtung aus. Wir brauchen mehr Information. Wir suchen seine Adresse auf. Wenn es Angehörige gibt, müssen wir sie informieren. Diesen Teil unserer Arbeit hasse ich.«

Lauenberg nickte. »Wem sagen Sie das.«

Minuten später standen sie vor einem gepflegten Gebäude mit mehreren Etagen. Auf ihr Klingeln ertönte umgehend der Summer. An der Wohnungstür, im Erdgeschoss, stand eine gut aussehende Frau um die vierzig, salopp gekleidet, mit dunkelblond gewelltem Haar. Zwischen ihren ringgeschmückten Fingern hielt sie eine Zigarette.

»Entschuldigen Sie, ich dachte, es wäre mein Mann. Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie beunruhigt.

Silke schaute Lauenberg an, zog ihren Ausweis und stellte sich und ihren Kollegen vor.

»Geht es um Michael? Haben Sie was herausgefunden? Hat er was angestellt?« Ihre Augen blickten besorgt auf Silke und wanderten zu Lauenberg. »Aber wieso Mordkommission?«

»Dürfen wir hereinkommen?«, fragte Silke.

Die Frau nickte und ging aufrecht voran ins Wohnzimmer, das extravagant eingerichtet war. Der riesige Flachbildschirm, umrahmt von Regalen mit wertvollen Kleinigkeiten und jede Menge Bücher, nahm die halbe Wand ein. An der Seitenwand stand ein moderner Kaminofen, dem eine angenehme Wärme entströmte. »Nehmen Sie Platz, bitte.« Ihre Hände strichen unruhig den Stoff ihrer Hose glatt, nachdem sie die Zigarette im Ascher ausgedrückt hatte.

Silke setzte sich vorsichtig auf die weiße Ledercouch, bevor sie sagte: »Frau Steiner, was sollten wir herausgefunden haben?«

»Kommen Sie nicht wegen der Vermisstenanzeige? Ich hatte sie in der Nacht aufgegeben.« Die Frau blickte unsicher von einem zum anderen.

»Nein, nicht aus diesem Grund. Aber wir haben Ihren Mann gefunden. Er wurde niedergeschlagen. Er ist … «

Die Frau sprang auf. »Ist er schwer verletzt?« Zitternd riss sie die Augen auf.

Silke trat vor sie hin. »Er ist tot, erschossen.«

Die Frau schwankte. Silke hatte es kommen sehen und stützte sie. Lauenberg war ebenfalls aufgestanden.

»Tot?«, flüsterte die Frau, als begreife sie nicht, was das bedeutete.

Sekunden später fing sie an zu weinen.

»Können wir jemand verständigen?« Lauenberg schaute sie besorgt an.

Sie schüttelte fassungslos den Kopf und beruhigte sich allmählich. »Ich rufe meine Schwester an. Sie wohnt in der Nähe.« Sie nahm ihr Handy und drückte die Kurzwahltaste. In kurzen abgehakten Worten bat sie ihre Schwester um ihr sofortiges Kommen.

»Wie ist das passiert und wann?«, fragte sie Silke verzweifelt.

»Wir wissen nichts Genaues. Ein Mann mit Hund hat ihn heute Morgen beim Spaziergang in der Nähe des alten Friedhofs gefunden. Vermutlich ist es gestern Abend gegen 23 Uhr geschehen. Die Spurensicherung muss erst alle Ergebnisse auswerten«, gab Silke Auskunft.

»Dann ist es auf dem Heimweg passiert«, schluchzte Frau Steiner.

»Gibt es noch andere Verwandten oder haben Sie Kinder?«, fragte Silke.

»Nein.«

»Wo war ihr Mann beschäftigt, Frau Steiner?«

»Bei Alfa Elektro«, stotterte sie.

»Hatte Ihr Mann Feinde?«

Sie tupfte sich die Tränen von den Wangen und schüttelte den Kopf. »Nicht das ich wüsste. Er war zu jedem freundlich und hilfsbereit. Wer sollte etwas gegen ihn gehabt haben?«

Es klingelte an der Haustür. Silke und Lauenberg erhoben sich. Frau Steiner öffnete und fiel ihrer Schwester um den Hals. Die Kommissare verabschiedeten sich, nachdem Silke der Schwester die Sachlage geschildert hatte.

»Fahren wir zuerst zu dieser Firma. Wir müssen die Firmenleitung über Steiners Tod informieren«, meinte Silke, als sie in den Wagen stiegen. »Finden Sie nicht, dass die Frau keine echte Trauer zeigt? Wirkt wie einstudiert.«

Lauenberg zuckte mit den Schultern. »Jeder Mensch reagiert anders. Fahren wir in die Firma des Toten.«

Unterwegs meinte Silke: »Sie werden mit der neuen Kollegin gut auskommen. Ich kenne sie von einem Einsatz. Sie ist umgänglich, aber wenn sie von einer Sache überzeugt ist, gibt es kein Pardon«, lachte sie.

»Wir werden sehen«, antwortete Lauenberg. Er schaute Silke kurz an und richtete seinen Blick auf die Straße, indem er dachte: Sie sieht gut aus. Halblange mittelblonde Haare, gute Figur, ebenmäßiges Gesicht. Tolle Frau!

»Haben Sie Familie oder ist Ihnen das zu persönlich?«, wollte die Kollegin wissen.

»Da gibt es nicht viel zu sagen. Ich lebe seit einem Jahr von meiner Frau getrennt.«

Silke nickte. »Macht Ihnen das zu schaffen?«

»Ich liebe sie noch immer.«

»Verstehe.«

»Und Sie?«, fragte er.

Silke hatte das Gefühl, es interessiere ihn nicht wirklich, dennoch antwortete sie: »Ich bin seit vielen Jahren geschieden und lebe seit knapp drei Jahren mit einem Kollegen vom LKA zusammen. Udo Berger. Vielleicht laufen Sie sich mal über den Weg.«

»Ich werde mir den Namen merken«, versprach Lauenberg. Als sie ins Büro zurückkamen, wartete Polizeirat Dr. Manderbach auf sie. In knappen Worten unterrichtete Lauenberg ihn über den neusten Fall.

»Haben Sie was in der Firma des Toten ermittelt?«,

fragte Dr. Manderbach.

»Nichts, was uns weiterbrächte«, antwortete der Kommissar.

»Der Chef, ein Herr Brinkmann, war noch nicht anwesend. Einige Mitarbeiter haben das Opfer als einen zuverlässigen, kompetenten Kollegen bezeichnet. Ich werde dort nochmals vorsprechen.«

Dr. Manderbach nickte. »Tun Sie das.«

Silke und Lauenberg standen auf und verabschiedeten sich.

»Ich gehe noch in die Cafeteria, mir ein Streuselstückchen holen. Mögen Sie auch eins.«

»Da sage ich nicht nein«, grinste Lauenberg. »Ach, wissen Sie was? Ich komme mit und wir trinken einen Kaffee zusammen.«

»Ich bin begeistert. Unser letzter gemeinsamer Tag«, antwortete

Silke erfreut.

Mord am alten Friedhof

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