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Kapitel 3

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Samstag, 8. April 2018

Am nächsten Morgen schaute Lauenberg ungeduldig zu Andreas Hauser und trat ans Fenster. »Was haben Sie herausgefunden?«

Hauser hob beschwichtigend die Hand. »Geduld, wir warten, bis der Chef da ist.«

Wie auf Kommando ging die Tür auf und Dr. Manderbach trat ein. »Guten Morgen. Ich habe die Unterlagen von Frau Dr. Eichhorn mitgebracht, die ich zuerst vorlese. Also: Der Tote ist mit einem Stein niedergeschlagen worden. Das erklärt die große Wunde am Kopf. Danach wurde er in die Büsche geschleift, was die Spuren an seiner Hüfte bestätigen. Auf Oberkörper, Magen und Unterleib befinden sich mehrere Hämatome, die von Schlägen und Tritten herrühren. Die Todesursache jedoch war der aufgesetzte Nahschuss. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer bereits bewusstlos. Der Einschuss erfolgte in der Mitte des Hinterkopfs und trat am unteren Rand des rechten Auges aus«, beendete Dr. Manderbach den Bericht. »Jetzt sind Sie dran, Hauser.«

Der Leiter der KTU räusperte sich. »Wir haben Abdrücke von Turnschuhen oder anderen Schuhen mit grobem Profil, der Größe 44, rund um den Tatort gefunden. Die Blutanalyse hat ergeben, dass es das Blut des Toten ist. Auf der Spielkarte waren keine Fingerabdrücke zu finden. Schmauchspuren am Opfer konnten wir feststellen. Es muss noch ausgewertet werden, um was für eine Schusswaffe es sich handelt. Das Projektil haben wir erst heute Morgen, tief im Erdboden, in der Nähe der Mauer, gefunden. Mehr haben wir im Moment nicht. Weitere Spuren konnten wir wegen der leichten Schneedecke nicht lokalisieren.«

»Danke, Herr Hauser, viel ist das nicht und ich hoffe, wir kommen schnellstens mit unseren Ermittlungen voran«, sagte Dr. Manderbach.

»Wie hieß die Kneipe auf dem Kassenbeleg, Herr Hauser?«, wollte Lauenberg wissen.

»Zum Römerkastell, in der Adlerstraße. Ist wenige Minuten vom Tatort entfernt!«, kam die Antwort.

»Schauen Sie bitte im PC nach, ob die geöffnet haben«, sagte Lauenberg zu Gerd, der an seiner Bürotür stand.

»Mach ich, Chef.«

Lauenberg schüttelte unmerklich den Kopf. Er mochte diese Anrede nicht.

Gerd nickte durch die Glasscheibe und hob den Daumen.

»Wollen Sie mitfahren, wir schauen uns den Laden mal an.« Lauenberg griff nach seiner Jacke.

Gerd war sofort bereit.

Schweigend fuhren sie durch die Straßen, bis Gerd sagte: »Da ist es.«


Die Tür zur Gaststätte stand offen und sie traten ein. Eine Frau, mittleren Alters und rundlicher Figur, stand hinter dem Tresen und spülte Gläser. Gäste waren keine anwesend. Lauenberg zeigte seinen Dienstausweis, nannte seinen und Gerds Namen.

»Wie kann ich Ihnen helfen?« Die Wirtin schaute sie freundlich an.

»Kalt hier«, stellte Lauenberg fest.

»Morgens muss gelüftet werden«, sagte die Frau. »Aber ich schließe die Tür.«

Lauenberg bedankte sich. »Ich gehe davon aus, dass sie die Chefin sind?«

»So ist es. Sabine Steger.«

»Frau Steger, vorgestern Abend trafen sich bei Ihnen Männer zum Kartenspiel.«

Die Wirtin nickte. »Wie an jedem Donnerstag.«

»Kennen Sie die Männer?«, fragte er.

»Das wäre zu viel gesagt. Ich kenne ihre Vornamen und ihre Gesichter. Die meisten kommen jeden Abend auf ein Bierchen, plaudern und sind eine Stunde später wieder weg. Es sei denn sie spielen Skat. Den Michael und seine Frau kenne ich länger. Hin und wieder kommen sie zum Essen, wenn ich einen Schnitzeltag habe.«

»Sie meinen Michael Steiner?« Lauenberg schaute sie fragend an.

Die Wirtin lachte. »Den ewigen Gewinner der Skatrunde. Ein sympathischer Mann.«

»Gab es am Donnerstag oder an anderen Tagen Streit untereinander?«, wollte Gerd wissen.

»Die sticheln ein wenig, wenn der Michael gewinnt. Für die Männer ist er ein heldenhafter Falschspieler. Sie meinen es nicht ernst, wollen mit Freibier getröstet werden. Das funktioniert«, erklärte die Wirtin.

»Spielt er falsch?«, fragte Lauenberg und schaute sich um. Die Kneipe war gemütlich eingerichtet und machte einen sauberen Eindruck.

»Gott bewahre, Michael ist ein hervorragender Spieler. Für ihn lege ich meine Hand ins Feuer. Ich glaube, er hatte früher erfolgreich an Turnieren teilgenommen. Er hat es nicht nötig falsch zu spielen«, sagte die Wirtin. »Sie haben mir nicht gesagt, worum es geht.«

Lauenberg räusperte sich. »Herr Steiner ist tot. Ermordet.«

»Nein!«, rief die Frau entsetzt und schlug die Hände vors Gesicht. »Das kann nicht sein. Er ist vorgestern Abend munter und vergnügt nach Hause gegangen.«

»Wann war das?«

»Kurz vor 23 Uhr.«

»Das wissen Sie so genau?«

Frau Steger nickte, mit Tränen in den Augen. »Nachdem er gegangen war, hörte ich mir die Nachrichten im Radio an.«

»Ist Ihnen irgendwas Außergewöhnliches aufgefallen?«

Die Frau schüttelte den Kopf. »Ein Mann betrat kurz zuvor das Lokal, trank eine Cola und ging wieder.«

»Kannten Sie ihn.«

»Noch nie hier gesehen.«

»Wie sah er aus?«

Die Wirtin rollte mit den Augen. »Sie können Fragen stellen. Er war jung, Mitte zwanzig, groß, schlank, hatte kurzes dunkelblondes Haar. Er hätte noch etwas vor, hörte ich ihn sagen.«

»Würden Sie ihn wieder erkennen?«

»Ich denke schon, Herr Hauptkommissar.«

»Wann hat er die Gaststätte verlassen?«, fragte Gerd.

»Das weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall vor Michael.«

»Wann können wir mit den Männern sprechen?«

»Jeden Tag, ab 18 Uhr. Sie sind pünktlich wie die Maurer.«

»Betreiben Sie die Gaststätte alleine?«

»Als mein Mann vor zwei Jahren starb, blieb mir nichts anderes übrig. Abends habe ich für drei Stunden eine Bedienung und einen Koch in der Küche gibt es auch«, sagte sie.

»Sind die beiden ebenfalls heute Abend zu sprechen?«, fragte Lauenberg.

»Jawohl«, bestätigte die Wirtin.

»Vielen Dank, wir schauen noch mal vorbei.« Lauenberg nickte ihr freundlich zu.

»Was denken Sie?«, fragte Gerd, als sie draußen waren.

»Es ist nicht auszuschließen, dass der Fremde etwas damit zu tun hat, obwohl nicht jeder fremde Gast ein Schlitzohr sein muss. Ich hoffe, einer der Männer kann ihn näher beschreiben«, seufzte Lauenberg. Sein Handy klingelte. Es war Frau Hofer, die Sekretärin. »Was gibt’s?«

»Frau Dr. Eichhorn hat angerufen. Sie hat was entdeckt. Fahren Sie bitte auf dem Rückweg in der Rechtsmedizin vorbei.«

»Danke, Frau Hofer, machen wir. Wäre wünschenswert, wenn sie etwas gefunden hätte, was uns weiter helfen könnte«, sagte Lauenberg.

Gerd nickte.

Die Ärztin winkte ihnen zu, als sie ankamen. »Schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten.«

»Was haben Sie entdeckt, Frau Doktor?« Lauenberg war ungeduldig. Ihm ging es nie schnell genug.

»Gemach, gemach«, sagte sie. »Kommen Sie mit.« Die Ärztin machte es spannend.

Sie betraten den Untersuchungsraum und sahen auf dem Tisch den Leichnam des Opfers liegen.

Lauenberg konnte sich nicht mehr zurückhalten. »Nun raus mit der Sprache«, Frau Dr. Eichhorn.«

»Ich weiß, Geduld ist nicht Ihre Stärke, das habe ich in der kurzen Zeit schon mitbekommen«. Sie trat an den Tisch und nahm die rechte Hand des Toten. »Schauen Sie hier. In der Innenfläche ist ein kleiner Schatten zu sehen, dem ich anfangs keine Bedeutung beigemessen hatte. Doch bei genauerer Untersuchung stellte ich fest, dass es ein winziger Blutstropfen war.«

»Und?« Lauenberg schaute sie erwartungsvoll an.

»Es ist nicht sein Blut, stimmt’s?«, mischte sich Gerd ein.

»Treffer. Es könnte somit das Blut des Täters sein.« Die Ärztin lächelte.

»Ein wertvoller Hinweis den Täter zu überführen. Wir müssen ihn nur finden. Wir lassen es mal durch die Datenbank laufen.«

»Hatte ich bereits veranlasst. Leider kein Ergebnis«, sagte sie.

»Danke, Frau Doktor.« Lauenberg reichte ihr die Hand.

Im Flur, auf dem Weg in ihr Büro, kam ihnen Dr. Manderbach entgegen.

»Frau Dr. Eichhorn hat noch was entdeckt. Fremdes Blut in der Handinnenfläche des Toten«, begann Lauenberg das Gespräch. »Anhand dieser DNA können wir den Täter entlarven. Bedauerlicherweise ist in der Datenbank nichts gelistet.«

»Das ist schade«, gab Dr. Manderbach zu. »Gibt es Verdächtige?«

Lauenberg nickte. »Ein junger Mann, der sich in der Gaststätte kurzzeitig aufgehalten hat. Keiner kannte ihn. Ich werde heute Abend die Männer befragen, ob jemand den Mann beschreiben kann, in der Hoffnung, es lässt sich ein Phantombild erstellen. Außerdem entnehme ich den Männern eine Speichelprobe.«

»Gute Idee, damit wären wir einen Schritt weiter.« Dr. Manderbach verabschiedete sich.

»Mittagspause. Ich gehe in die Kantine«, sagte Lauenberg.

»Wer kommt mit?«

»Ich gerne.« Gerd war bereit.

»Und Sie, Frau Hofer?«

»Danke, nett von Ihnen, aber ich treffe mich mit meiner Freundin.«

Gerd und Lauenberg verließen grinsend das Büro. Auf dem Weg zur Kantine sagte Gerd: »Das sah nicht nach zufälligem Mord aus. Der war geplant. Was könnte der Grund sein?«

»Möglich, dass der Tote doch falsch spielte und einer darüber sehr wütend geworden war. Ich fahre heute Abend auf dem Heimweg noch mal in der Kneipe vorbei, um die Männer zu befragen. Wenn die was wissen, finde ich das heraus. Für ein Freibier tun die fast alles«, meinte Lauenberg.

»Einen Versuch ist es wert«, pflichtete Gerd bei.


Gegen 18 Uhr traf Lauenberg in der Gaststätte ein. Er hatte Glück. Die Männer vom Donnerstagabend waren anwesend. Der alte Hans saß mit wachen Augen am Tresen. Zu den Spielern gehörte er nicht. Lauenberg stellte sich vor. Hans wirkte betroffen und wurde gesprächig. Mit erstaunlicher Präzession konnte er den Fremden beschreiben. Paul, ein Mitspieler, versicherte, sich ebenfalls an das Gesicht des Mannes zu erinnern. Lauenberg bat sie, am Montag aufs Präsidium zu kommen, um ein Phantombild zu erstellen. Er hoffte, dass sie den entscheidenden Hinweis geben konnten. Die anderen zwei Männer waren inzwischen eingetroffen. Er spendierte jedem ein Bier und alle waren sofort mit der Speichelprobe einverstanden, die Lauenberg gleich vor Ort entnahm. »Ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen, was uns weiterhelfen könnte?«, fragte er die Anwesenden. »Wie lief denn der Abend ab? Gab es Streit?«

»Streit gab es nie. Es war wie immer. Michael Steiner gewann jedes Spiel«, berichtete Paul. »Das ist leider jetzt vorbei. Wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, das erhöhte die Spannung.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Er wird uns fehlen«, sagte er und berichtete weiter: »Ein Fremder kam herein und trank eine Cola. Bevor er das Lokal verließ, versprach er, bei nächster Gelegenheit, auf ein Spiel, vorbeizukommen. Michael Steiner hatte ihm die Hand gereicht und ihm versichert, dass er sich freue. Minuten später, nachdem der Mann gegangen war, verabschiedete sich auch Steiner. Da kommen einem doch keine Gedanken, dass der Fremde ein Mörder sein könnte«, sagte er.

»Schon gut. Wir wissen nicht, ob er der Täter ist. Aber wir müssen ihn überprüfen. Wenn Ihnen noch was einfällt, geben Sie bitte Bescheid.«

Die Tür öffnete sich und eine junge Frau trat herein.

»Das ist Frau Vogt, meine Bedienung«, sagte die Wirtin zu Lauenberg.

Sie konnte mit ihren Auskünften nicht weiterhelfen, da sie an jenem Abend, bereits um 21 Uhr nach Hause gegangen war. Auch der Koch hatte von nichts eine Ahnung. »Ich bin in der Küche und bekomme vom Gastraum nicht viel mit«, sagte er.

Lauenberg bedankte sich, legte seine Visitenkarte auf den Tresen, und begab sich auf den Weg nach Hause.

Dass er den Abend alleine verbringen musste, störte ihn weniger. Mit der Psychotherapeutin, Lena von Feldern, war er seit drei Monaten befreundet. Es war eine lockere Beziehung. Er wollte abwarten und nichts übereilen. Mit ihr konnte er über seine Arbeit reden; sie war verschwiegen wie ein Grab. Einzelne Details gab er nicht preis und sie akzeptierte das, sowie er ihre Arbeit. Sie wollten sich heute treffen, doch Lena hatte wegen eines Termins abgesagt. Er dachte an seine Frau; er vermisste sie. Sie hatte ihn verlassen, wegen seiner Arbeit. Zu gefährlich, nie pünktlich zu Hause und wenn, war er müde. Das hielt sie nicht aus. Er konnte sie verstehen.

Der Stadtverkehr war zähflüssig. Er war froh, als er endlich in die Garage fuhr. Seufzend murmelte er: »Wie schön, dass morgen Sonntag ist, und ich meinen ersten freien Tag habe.« Gerd konnte ihn jederzeit verständigen. Später rief er Lena an und plauderte eine Weile mit ihr.

Mord am alten Friedhof

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