Читать книгу Bis dass der Tod euch vereint - R.J. Simon - Страница 4
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ОглавлениеDie Mittagssonne schien warm und hell auf die Küste der Riviera. Brigitte und Dominik schlenderten Hand in Hand, wie ein junges verliebtes Pärchen, die Strandpromenade von San Remo entlang. Obwohl sie beide keine Teenager mehr waren und sich bereits vor über zwanzig Jahren in den heiligen Stand der Ehe begaben, erzeugten sie eher diesen Eindruck, als den eines alten Ehepaares.
Brigitte zählte seit acht Wochen 41 Jahre, und ihr Gatte sogar 56. Auch Dominik sah man sein vorangeschrittenes Alter nicht unbedingt an. Er konnte sich immer noch an einer einigermaßen sportlichen Figur erfreuen, ohne den üblichen Bierbauch vor sich her zu tragen und war flott in seinen Bewegungen. Dominik war ein lustiger Mensch und stets zu einem Ulk aufgelegt, was seine Lachfältchen um die Augen bestätigten. Sein Gesicht war von leicht ovaler Form, braungebrannt und ein munteres Augenpaar registrierte alles um ihn herum. Er erweckte auf den ersten Blick also keinesfalls den Eindruck eines älteren, oder gar senilen Herrn.
Dominiks gewelltes Haar trug er zurückgekämmt und nicht zu lang, wodurch seine Geheimratsecken zwar deutlich hervortraten, aber auch das machte ihn keineswegs älter. Denn er litt nämlich nicht zusätzlich an Haarausfall, wie die meisten Männer seiner Generation. Sein Haupthaar war recht dicht und nur an den Schläfen stark angegraut. In den sonst schwarzen Haaren konnte man nur bei genauem Hinsehen vereinzelt silbrig glänzende Härchen ausmachen. Man sah also, dass Dominik keine zwanzig mehr war, aber sein tatsächliches Alter von 56 Jahren hätte ein Fremder wohl kaum erraten.
Vor gut zwanzig Jahren heiratete Brigitte den strammen und jugendlichen Dominik, zu einem großen Teil aus Liebe, andererseits sicher seines Geldes wegen. Womöglich entstand ihre Liebe zu ihm einst, oder dieses Gefühl welches Brigitte dafür hielt auch deshalb, weil sie wusste, dass ihr Verehrer reich war. Oder stellte diese Tatsache nur ein höchst positives willkommenes Attribut dar, das ihr in Verbindung mit dem sympathischen Mann ein schönes Leben versprach?
Heute kann Brigitte das nicht mehr beurteilen. Sie vermag nicht genau zu sagen, welche Gefühle sie damals für Dominik wirklich empfand. Brigitte war jung gewesen und es ist inzwischen eine so lange Zeit vergangen, die vieles an Erinnerungen schon verblassen und verschwimmen ließ. Sie konnte nur noch mutmaßen, wie ihre Empfindungen für Dominik zu Anfang waren. Ihre Romanze mit Dominik und ihre spätere Hochzeit, ergab sich nach und nach. Er interessierte sich ganz offensichtlich für Brigitte, umwarb sie und überhäufte sie mit Geschenken, bei denen er keinesfalls kleinlich war. Bis er dann schließlich bei ihren Eltern um Brigittes Hand anhielt.
Kennen lernte Brigitte ihren späteren Ehemann 1965 im zarten und tugendhaften Alter von 18 Jahren. Die allererste Begegnung fand in einem Café statt, wo sich Brigitte mit einer Handvoll Freundinnen und Arbeitskollegen nach Geschäftsschluss traf. Dort gedachten die Angestellten gemeinsam den Feierabend in gemütlicher Runde zu genießen. Von Beruf war Brigitte einstmals, in dem Leben vor Dominik, Sekretärin in einem Großraumbüro bei einer der bekannteren Versicherungsgesellschaften in Frankreich.
In dem kleinen, verträumten Café, das ein bekannter Treff für junge Menschen war, spielte üblicher Weise gedämpfte Musik. Somit wurde eine passable Voraussetzung geschaffen, dass sich die jungen Leute ungestört unterhalten und kennenlernen konnten. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen saß Brigitte an diesem frühen Abend an einem großen Tisch in einer der Nischen. Allesamt guter Laune, erzählten sie ausgelassen, lachten und scherzten.
Die lustigen Vorgänge tagsüber im Büro standen dabei anfänglich im Vordergrund. Denn dort verging kein Tag, an dem es nichts zu lachen gegeben hätte. So riefen sie sich zum Beispiel mit höchstem Vergnügen das Gesicht eines Kollegen ins Gedächtnis, der sich übermütig bei einem anderen auf den Schreibtisch setzte und dabei genau mitten in dessen Frühstücksbrot. Sie spotteten und ulkten weiter, denn es ereigneten sich noch jede Menge anderer Vorfälle, die zur Erheiterung aller beitrugen.
Auf der kleinen schwarzen glatten Tanzfläche des „Café Heart“ wiegten sich derweil zwei, drei Paare zu der langsamen und zum Schmusen animierenden Musik. Die fühlten sich jedoch nicht gestört durch das Lachen in der Nische. Wahrscheinlich hörten sie es auf der Tanzfläche gar nicht. Denn natürlich versuchte jeder in der kleinen Gesellschaft sich zu beherrschen, um nicht zu laut zu sein, damit die Atmosphäre in dem Café erhalten blieb. Lautes Gelächter verdarb nun mal Kuschelstimmung ganz schnell.
Die Gruppe um Brigitte empfand die Stimmung und die Umgebung in dem Tanzcafé derart gemütlich, dass keiner von ihnen auch nur einen Gedanken daran verschwendete, aufbrechen zu wollen. So vergingen die Stunden, es wurde später und gemütlicher, und die Laune wurde noch ausgelassener.
Nach einiger Zeit, es war bereits Abend geworden, wurde Brigitte auf einen elegant gekleideten Herrn aufmerksam, der einsam zwei Tische weiter saß. Dieser sah oft, wie Brigitte glaubte zu bemerken, zu ihr herüber. Sie schielte nach dieser Vermutung nun ihrerseits einige Male zu ihm, um das zu überprüfen. Tatsächlich war es so, dass dieser Herr auffallend oft an ihren Tisch blickte und dabei genau in die Richtung von Brigitte. Nach dieser Feststellung bemühte sich Brigitte nun, Blicke von sich in dessen Richtung zu vermeiden, denn es war ihr unangenehm, dass der Mann glauben könnte, sie sehe nach ihm.
Brigitte war von Natur aus schüchtern und durch ihre aufsteigende Unsicherheit störte es sie deshalb, dass und wie dieser Mann sie ansah. Sie konnte mit der Situation nichts anfangen, die Zeichen nicht deuten, und das machte sie verschämt und unsicher. Er musterte Brigitte zeitweise ungeniert, aber wohlgemerkt in keiner gaffenden oder unflätigen Art, sondern mit Augen, die Interesse bekundeten. Diese auffallende, bewundernde Beachtung, die er somit Brigitte schenkte, machte sie ein wenig nervös und verlegen.
Andererseits bewies Brigitte die Aufmerksamkeit, die der Herr für sie aufbrachte, dass sie scheinbar attraktiv genug aussah, um den Männern aufzufallen. Diese Bestätigung wiederum gab Brigitte eine gewisse Selbstsicherheit und wirkte ihrer Nervosität entgegen. Denn in ihrem damaligen Alter war sie sich ihrer Wirkung auf Männer noch im Unklaren. Ihr Erscheinungsbild und die damit verbundene Anziehungskraft auf das andere Geschlecht, stufte sie selbst sehr bescheiden ein. Brigittes Selbstvertrauen wurde dadurch wenig aufgebaut.
Bei einem ablenkenden Gespräch mit zweier ihrer Kolleginnen vergaß Brigitte vorübergehend die Anwesenheit des Herren und ihren daraus folgenden, persönlichen Konflikt ganz. Aber als die Band etwas später begann, einen sehr schönen Blues zu spielen, musste Brigitte zwangsläufig wieder auf ihn reagieren. Sie konnte sich ihm, selbst wenn Brigitte es gewollt hätte, nicht entziehen.
Plötzlich stand nämlich genau dieser groß gewachsene Mann an dem Tisch der kleinen Gesellschaft. Sein Auftreten war imposant und galant wie er so dastand und liebenswürdig auf Brigitte herab sah. Mit einer angedeuteten Verbeugung, begleitet von einem einnehmenden Lächeln, fragte er höflich, ob er Brigitte um den nächsten Tanz bitten dürfe.
Damit erfasste Brigitte ihre Schüchternheit wieder mit voller Wucht. Sie wusste nicht wohin mit ihren Blicken und sah deshalb immer wieder verlegen zur Seite oder zu Boden. Brigitte zögerte mit ihrer Antwort, weil sie sich nicht falsch verhalten wollte und ihr nicht einfiel, was sie am besten erwiderte. Hilflos suchte sie zuerst den Blickkontakt zu ihrer Freundin, die ihr aber auch nicht weiterhelfen konnte. In ihrer Verwirrung hatte Brigitte sogar kein Gefühl mehr dafür, ob sie überhaupt die richtige Stimmung und Lust für einen Tanz aufbrachte.
Der Druck, den die anwesenden Arbeitskollegen um sie herum auf sie ausübten, stieg. Denen gefiel diese Situation natürlich. Ihre Stimmung baute zu dem Zeitpunkt gerade auf die verschiedenen Missgeschicke des Tages der Kollegen auf, als sie bemerkten wie unsicher und verlegen Brigitte war. Wobei die Heiterkeit darüber nicht unbedingt nur aus Schadenfreude heraus kam. Abwechselnd redeten sie Brigitte aufmunternd zu, sie solle aufstehen und „ja“ sagen. Eigentlich wollte Brigitte das auch, denn der Mann gefiel ihr gut, der so mutig zu ihr herkam und so Achtung gebietend dastand. Aber ihre Verlegenheit hielt sie vorerst noch davon ab.
Erst als ihre beste Freundin sie in die Seite stieß und sie leise anzischte: „Nun geh` schon und lass den armen Kerl nicht so lange schmoren“ löste sich Brigitte aus ihrer Starre und entschied sich endlich positiv für den Bewerber.
Der stand die ganze lange Bedenkzeit über regungslos und hoffnungsvoll abwartend vor Brigitte und lächelte sie mit schwärmerischem Blick an. Er sah ihr dabei sehr genau und tief in die Augen, sofern sie nicht gerade wegsah. Brigitte konnte diesem Gesichtsausdruck, in dem etwas Geheimes, Bettelndes lag, kaum standhalten.
Ihm dann ebenfalls tief in die Pupillen blickend, erhob sich Brigitte und ging diesen einen Schritt, der als Distanz zwischen ihnen lag, auf ihn zu. Nun, da sie sich entschieden hatte, konnte Brigitte auch tatsächlich seinen Blick voll erwidern und ihre Anspannung löste sich. Die Verlegenheit wich spürbar von ihr. Brigitte wusste nicht mit Bestimmtheit, warum sie eigentlich mit diesem Mann tanzte. Womöglich, weil sie ihn in seinen Bemühungen, die ihr schmeichelten, nicht enttäuschen wollte. Kann sein, dass Brigitte durch das Drängen ihrer Begleiter eher nachgab, um nicht als Feigling oder Spielverderberin zu gelten. Oder einfach, weil er ihr doch gleich von Anfang an sehr gefiel und er sie mit seiner Faszination fesselte? Er war ein eindrucksvoller Mann. Ihre Entscheidung für ihn kam wohl automatisch, wie vom Unterbewusstsein gesteuert, oder wie im Traum.
Er schritt mit ihr zur Tanzfläche, nahm Brigitte in den Arm, ohne ihr jedoch, ganz Kavalier, zu nahe zu treten. Die Beiden hatten gerade so richtig ihren Takt gefunden, da war das Musikstück auch schon zu Ende. Durch Brigittes Unentschlossenheit gingen zu viele Minuten verloren, so dass sie erst gegen Ende des Songs auf der Tanzfläche ankamen und ihnen nicht mehr viel Zeit zum Tanzen übrig blieb.
Er schaute Brigitte wieder so flehend wie vorher an und drückte durch ein leises, knappes und traurig klingendes „Schade“ seine volle Enttäuschung über den vorzeitigen Schluss des gemeinsamen Tanzes aus. In diesem „Schade“ lag merklich das gesamte Elend, das er in diesem Moment empfand.
Damit sprach er aber auch genau das aus, was Brigitte gleichfalls dachte. Bei dem kurzen Vergnügen mit ihm, erwachte nämlich ihre Lust zu tanzen und das Wohlgefallen an dem galanten Mann. Nun wollte auch Brigitte gerne eine weitere Runde mit dem jugendlich wirkenden, im Vergleich zu ihrem Alter allerdings reiferen Herrn, drehen. Ihre Schüchternheit war wie weggewischt, als sie mit einem selbstsicheren Lächeln, das den Rest ihrer Verlegenheit eliminierte fragte, ob nun sie nicht um den nächsten Tanz bitten dürfte.
Die ihn überflutende Freudenwelle spürte Brigitte regelrecht überschwappen, denn die sprang ihr sprichwörtlich entgegen, als ihr Tanzpartner diese Frage hörte. Mit den, aus ihm heraussprudelnden Antworten: „Aber ja, natürlich gerne, mit Vergnügen, jederzeit“, zeigte er überdeutlich sein Entzücken über diese Bitte. Seine Augen verrieten außerdem die überschwängliche Freude, die ihn damit packte. Er legte galant den Arm um Brigitte und genau zum Einsatz des nächsten Liedes standen sie bereit.
Bei diesem zweiten Tanz kamen sie sich dann etwas näher, denn er dauerte, im Gegensatz zu dem vorhergehenden, doch wesentlich länger. Zuerst erfuhren sie gegenseitig ihre Vornamen, die sie bis dahin noch nicht kannten. Jeder erzählte dem anderen kleinere, unbedeutende, persönliche Dinge und winzige Bruchteile aus dem eigenen Leben. Viel Zeit blieb bei einem Tanz nicht. Doch die Sympathie füreinander wuchs mit jedem Schritt.
Auf diesen zweiten Tanz folgte ein dritter, dann ein vierter, ein fünfter, sechster......... Brigitte wüsste heute nicht mehr zu sagen, wie viele es endgültig wurden. Sie hatte verständlicher Weise nicht mitgezählt, aber es waren eine Unmenge. Woran sich Brigitte jedoch noch erinnerte war, dass ihr am nächsten Tag die Füße schmerzten. Das sagte alles über die Anzahl der Tänze aus. Dieses Schmerzgefühl nahm sie aber gerne hin, denn die Füße hätten niemals so sehr brennen können, als dass Brigitte jenen Abend missen oder gar bereuen wollte.
Wenn Brigitte gelegentlich zwischen zwei Tänzen zu dem Tisch mit ihren Kollegen und Kolleginnen kam, um etwas zu trinken und um sich wieder einmal zu zeigen, fragten die einen mit einem verschmitzten Grinsen, ob sie auch noch da wäre. Andere wollten wissen, ob der Flirt Spaß bereite und wie weit sie dabei seien. Diese Fragen waren keinesfalls als böse, oder als Missgunst aufzufassen. In ihnen spiegelte sich vielmehr auf leicht ironische Art das Wohlgefallen ihrer Kolleginnen und Kollegen wieder. Sie alle freuten sich für Brigitte, dass sie sich offensichtlich so gut amüsierte. Der ein oder andere erahnte eine aufkeimende Romanze und gönnte ihr diese. Am meisten gewährte natürlich Brigittes damalige beste Freundin Jasmine ihr dieses Glück.
Früh am nächsten Tag verließen Brigitte und Dominik das Café, nachdem er sie um Erlaubnis gebeten hatte, sie nach Hause bringen zu dürfen. Alles andere wäre ohnehin schier sträflich und gegen alle guten Manieren gewesen. Denn ihre Freunde brachen schon viel früher auf und Brigitte stünde ansonsten ganz alleine da. Sie selbst rechnete schon damit, dass es später als gewöhnlich werden würde. Das hatte Brigitte auch ihren Eltern so gesagt, die das akzeptierten. Die Begründung dafür war eigentlich, dass es mit ihren Kollegen bekannter Maßen immer länger dauerte, bis sie nach Hause kam. Dass sie jedoch dann erst früh am Morgen den Heimweg antrat, hätte Brigitte selbst nicht gedacht und erwartet. Sie tanzte mit Dominik die ganze Nacht hindurch ohne Ermüdungserscheinungen und zu merken, wie die Zeit dahin floss.
`Noch besser, ein Auto hat er also auch`, dachte Brigitte, als Dominik vor dem Café sagte, es stünde um die Ecke. Damals besaßen nicht viele Leute einen eigenen Wagen. Das galt schon als etwas Besonderes.
Brigitte gestattete Dominik, sie in den Arm zu nehmen, als sie losgingen. Er steuerte sie nach der Ecke auf ein wunderbares Automobil zu. Als Brigitte damit glaubte sein Ziel zu erkennen, rief sie mit großer Entzückung aus: „Ist das dein Auto?“
Mit dem Zeigefinger deutete Brigitte auf den Wagen, zu dem sie meinte, dass Dominik sie hindirigierte. Er nickte nur als sei das selbstverständlich, ohne weiteren Kommentar.
„Stark, Spitzenklasse...,“ Brigitte fand keine weitere Vokabel, die ihrer Begeisterung für dieses Auto den gebührlichen Ausdruck verleihen konnte.
Die Bewunderung für Dominik stieg in dieser Sekunde unbändig an, als Brigitte den Sportwagen sah. Oder war es zu diesem Zeitpunkt schon eine gewisse Verliebtheit? Heute vermochte Brigitte nicht mehr zu erklären, was für ein Gefühl sie wirklich für diesen Mann empfand, den sie so leicht und unverhofft durch reinen Zufall kennen lernte und der sich dann sehr bald als ihr ganz großes Glück herausstellte.
Brigitte war bis dahin niemals ein materiell denkendes Mädchen gewesen. Geld oder Prestigeobjekte bedeuteten ihr eigentlich gar nichts. Das ließ die Vermutung aufkommen, dass dann zu Anfang weniger das schneeweiße Sportcabriolet mit seinen roten Ledersitzen, als vielmehr doch der Mann an sich für ihre Liebe ausschlaggebend war. Wenn ein interessanter Mann allerdings ein solch tolles Auto besaß, schadete das natürlich keinesfalls der Sympathie, die man ihm entgegen brachte. Der daraus gerade entstehenden Liebe tat das ebenso wenig Abbruch.
Vor Brigittes Elternhaus verabschiedete sich Dominik von ihr mit den Worten: „Das war ein sehr schöner Abend für mich gewesen und wenn er dir auch gefallen hat, bin ich mehr als froh darüber. Noch glücklicher würde ich mich schätzen, wenn wir uns wiedersehen könnten.“
Da dieser Abend für Brigitte genauso wunderbar gewesen war und sie merkte, dass er etwas Besonderes in ihrem bisherigen Leben darstellte, verabredete sie sich gleich für den nächsten Tag mit Dominik. Sie wollte ihn unbedingt wiedersehen und auch näher kennenlernen. Irgendetwas im Innern von Brigitte zwang sie, ihm zuzusagen. War es Liebe, Neugier, oder die erkannte große Chance?
Für Dominik war es, wie er Brigitte einige Zeit darauf gestand, ganz klar Liebe auf den ersten Blick, wie der Volksmund eine solche Begegnung so schön nannte. Dominik offenbarte Brigitte bei diesem Geständnis, dass er in dem Augenblick, als er sie das erste Mal in dem Café sah, zu sich selbst sprach: „Das ist die Frau. deine Frau! Die, oder keine andere!“
Anschließend enthüllte er Brigitte weiter, dass er jedes Opfer gebracht und keinen Versuch ausgelassen hätte, ihr näher zu kommen. Als das für ihn feststand, kämpfte Dominik zunächst lange mit sich selbst, wie er seine Auserwählte ansprechen sollte. Er konnte ihr doch nicht banal gegenüber treten und Brigitte so plump und unglaubwürdig erklären, dass er sich gerade eben in sie verliebte.
Dominik behauptete, dass es ihm bis dahin nie Probleme bereitet habe, eine Frau anzusprechen. Aber bei all den bisherigen Mädchen war es etwas ganz Anderes gewesen. Bei Brigitte sollte es, im Gegensatz zu seinen vorangegangenen Bekanntschaften, eine wirkliche, aufrichtige Beziehung werden. Das stand für Dominik sogleich eisern fest. Mit ihr meinte Dominik es vom ersten Blickkontakt an ernst. Da wollte er keinen groben Fehler begehen, mit dem er sie erschreckte oder kränkte und dadurch vielleicht für immer verärgerte. Dominik stand dadurch von der ersten Sekunde an unter dem Druck, Brigitte angemessen anzusprechen, so dass sie ihm eine Chance gab, mit ihr in Kontakt zu kommen.
Es wollten sich seinerzeit selbstverständlich einige Männer mit Brigitte verabreden und mit ihr gehen. Die wenigsten erhielten aber eine wirkliche Gelegenheit dazu. Brigitte war bildhübsch anzusehen. Sie hatte eine charmante Ausstrahlung, eine absolut tolle Figur und war aber auch keines dieser Dummerchen, das man gerne mit gutem Aussehen in Verbindung brachte. Natürlich versuchten hauptsächlich Männer aus ihrem Bekanntenkreis ihr näher zu bekommen, oder welche aus dem Unternehmen, mit denen Brigitte zwangsläufig bei der Arbeit zusammen traf. Die entsprachen auch alle eher ihrem Alter.
Bis zu dieser durchtanzten Nacht mit Dominik, besaß aber keiner der Bewerber eine echte Chance bei Brigitte zu landen. Sie traf sich durchaus mit Freundinnen zum Ausgehen und verabredete sich dabei auch mit jungen Männern, aber zu mehr als einem flüchtigen Flirt ließ es Brigitte bei keinem kommen. Dominik war ihr erster richtiger Freund gewesen und nicht nur ein guter Bekannter oder einer der zahlreichen glühenden Verehrer ohne Aussicht auf Erfolg.
Dieser reifere Mann, der sie mit einem teueren Sportwagen am Morgen nach dem Tanzen nach Hause gefahren hatte, faszinierte Brigitte. Keine ihrer Freundinnen oder Bekannten war jemals von ihrem Freund in einem solchen Traumauto chauffiert worden. Dominik verkörperte obendrein, im Vergleich mit Brigittes bisherigen männlichen Begleitern, eine echte Persönlichkeit. Er stellte buchstäblich das dar, was man einen gestandenen Mann nannte und war kein Jüngling.
Dominik besaß von Anfang an gegenüber den anderen jungen Männern gute Erfolgsaussichten, Brigitte näher kennen zu lernen, als nur zu einem Tanz oder einem einmaligen Kaffee am Nachmittag. Das merkte er selbstverständlich auch und diesen Vorteil nutzte er für sich. Dominik baute auf diese Grundlage auf und bediente sich dieses Vorsprungs ungeniert, damit seine Zuneigung zu Brigitte möglichst auf Gegenliebe stieß.
Am Anfang ihrer Freundschaft war es wohl dann doch mehr Angeberei, mit einem solch tollen Mann aufkreuzen zu können, denn Liebe gewesen. Alle Frauen um sie herum, das fühlte Brigitte genau, beneideten sie um ihren attraktiven Gönner. Sie war jung, unerfahren und dieses Gefühl der Überlegenheit gegenüber anderen Mädchen tat ihr gut, weil das ihre Schüchternheit kaschierte.
Nur aus diesem Grund war Brigitte mit einem erneuten Rendezvous einverstanden? Das konnte sie sich dann wiederum doch kaum vorstellen. Brigitte weiß es heute wirklich nicht mehr. Irgendwie fühlte sie sich zu Dominik auch hingezogen. Ob das echte Liebe war? Warum zerbricht Brigitte sich eigentlich jetzt noch den Kopf darüber? Egal was es ursprünglich war, es ist sehr lange her!
Am nächsten Morgen nach der durchtanzten Nacht, bekam Brigitte ernsthafte Schwierigkeiten beim Aufstehen. Es wurde für ihre Verhältnisse doch viel zu spät, da sie normaler Weise eher Vernunft walten lies und die Disziplin über das Vergnügen stellte. Der Wecker klingelte und klingelte, als es Zeit zum Erwachen war. Bis Brigitte endlich richtig wach wurde, um dieses Klingeln zu registrieren, ging der Klöppel schon bedeutend langsamer. Und sie schlief dann um ein Haar wieder ein, während sie mit sich selbst kämpfte aus dem Bett zu steigen. Wenn Brigittes Mutter nicht in das Zimmer gekommen wäre, die Läden geöffnet und die Decke zurückgeschlagen hätte, läge sie wahrscheinlich noch heute in den Federn, so müde war sie gewesen.
Brigitte kam fast unpünktlich ins Büro. Aber ohne Frühstück, keiner vertrödelten Toilette und mit einigem Abhetzen, gelang es ihr gerade noch rechtzeitig am Arbeitsplatz zu erscheinen. Den ganzen Tag über kämpfte Brigitte mit den Folgen, die der fehlende Schlaf der vergangenen Nacht nach sich zog. Nichts, aber auch gar nichts lief ihr von der Hand. Alles und jeder schien sich gegen Brigitte verschworen zu haben. Sie machte eine Reihe von Leichtsinnsfehlern, die ihr gewöhnlich nie passiert wären, obwohl sie doch wegen der neuen Bekanntschaft zu Dominik auf Wolken schwebte und dadurch hätte motiviert sein müssen. Und in der Mittagspause übermannte sie der notwendige Schlaf.
Außerdem nervten Brigitte die zahlreichen Kommentare der Kolleginnen und Kollegen, den vorherigen Abend betreffend. Fast jeder einzelne der kleinen Gruppe fragte sie im Laufe des Tages grinsend, wie spät es denn geworden sei. Einige sprachen sie direkt mit Hinsicht auf ihre Müdigkeit an, ob das Tanzen so anstrengend gewesen wäre. Oder ob sonst etwas anders dafür die Ursache war, machten diejenigen eine bestimmte Andeutung. Alles Fragen und Anspielungen, über die Brigitte ausgeschlafen gelacht hätte. Aber in ihrer Müdigkeit regte sie sich darüber auf und reagierte teilweise sogar gereizt.
Dann, als endlich die Uhr halb fünf zeigte, freute sich Brigitte wesentlich mehr als an anderen Tagen, dass dieser Arbeitstag ein Ende fand. Das lag allerdings nicht an den Bemerkungen der Kollegen, oder daran, dass es Brigitte nun möglich wurde ihren verlorenen Schlaf nachzuholen. Je näher der Feierabend rückte, desto munterer wurde sie. Brigitte dachte dabei, wie überhaupt den ganzen Tag über, nur an Dominik. Sie wollte schnellstens nach Hause kommen, sich ausgehfertig machen, um in das Tanzcafé zu gelangen, wo sie sich mit Dominik beim Abschied verabredet hatte.
Mit dem üblichen „Tschüss, bis Morgen“, verabschiedete sich Brigitte knapp von ihren Kolleginnen und Kollegen. Sie wollte keine unnötige Zeit vergeuden und sich ohne Umschweife auf den Weg machen. Sie lief flink die Treppe des Bürogebäudes hinunter, durch die pompöse Glastüre hinaus auf die Straße und wandte sich nach links, in Richtung ihres Elternhauses. Just in dem Moment, als Brigitte den Gehweg betrat, hupte irgendwo ein Auto zwei Mal. Ganz entgegengesetzt ihrer normalen Verhaltensweise, drehte Brigitte den Kopf und erkannte nach wenigem Suchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen weißen Sportwagen. Das war eindeutig das Auto, mit dem sie am frühen Morgen schon einmal gefahren worden war, stellte Brigitte mit großer Herzensfreude fest.
Die Müdigkeit, sowie der dadurch erhöhte Stress des Arbeitstages waren mit dem Hupzeichen endgültig, schlagartig verflogen. Brigitte lachte, überquerte leichtfüßig die Straße und lief hoch beglückt zu ihrem Chauffeur. Der strahlte gleichfalls über das ganze Gesicht, als er seine Herzdame auf sich zukommen sah.
Auf dem Beifahrersitz Platz nehmend, hauchte Brigitte ein „Guten Tag“, und himmelte Dominik dabei an. Auf die Frage, warum er hier stünde, die Verabredung sei doch erst am Abend im „Heart“, antwortete Dominik, dass er zur Stunde nichts anderes und schon gar nichts Besseres zu tun gehabt hätte. Er erinnerte sich, wo Brigitte arbeitete und wann ihre Arbeitszeit endete. So nötigte Dominik sein eigenes Gewissen, er müsse sie abholen, um sie nach Hause zu fahren. Das sei doch besser, als gelaufen. Und da war er!
Am Vorabend des Glückstages in Brigittes Leben, erzählten sie sich eine ganze Menge. Sie redeten über nichts ausführlich, oder vertieften bestimmte Themen besonders, wie das nun mal so ist, wenn man sich gerade kennenlernt. Eine neue Bekanntschaft ist an sich schon allgemein interessant und aufregend. Man konzentriert sich voll auf sie und es gibt dadurch so viel Gesprächsstoff, dass es immer nur für kurze Kommentare und Erläuterungen reicht. Man möchte am liebsten alles in einem Atemzug erzählen und von seinem Gegenüber gleichzeitig alles erfahren.
Aber dass Dominik sich bei dieser Flut aus Informationen der verschiedensten Dinge, die Brigitte ihm erzählte, noch an solche Details, wie ihren Arbeitgeber und ihren Feierabend erinnerte, betörte sie gleich wieder. Sie hielt das, wie alles, was Dominik sagte oder tat, für zu schön und romantisch, um wahr zu sein. Brigitte schwebte vollkommen auf Wolke sieben.
Dominik fuhr sie dann nach kurzer, unverfänglicher Begrüßung heim. Die Fahrt empfand Brigitte in ihrer Freude über das unverhoffte Wiedersehen als viel zu kurz. Sie hätte keinerlei Einwände dagegen gehabt, wenn Dominik dazu sinnlose Umwege gefahren wäre. Brigitte genoss die wenigen Minuten neben Dominik nämlich sehr. Für einen ganz kleinen Augenblick, als ihr langes Haar so schön im Fahrtwind wehte, fühlte sich Brigitte wie eine richtige erwachsene Dame an der Seite ihres Traumprinzen.
Vor ihrem Elternhaus angekommen, parkte Dominik den Wagen am Gehwegrand und lief schnell um das Auto herum, um Brigitte beim Aussteigen die Tür zu öffnen und ihr seine Hand zu reichen. Er zeigte insofern, welch ein vollendeter Kavalier er war. Dominik verabschiedete sich danach jedoch nicht von Brigitte, ohne ihr vorher eindringlich zu sagen, wie sehr er sich auf den bevorstehenden Abend mit ihr freute.
Genau mit diesem Ablauf setzte sich ihre anfängliche Beziehung auch an den folgenden Tagen fort. Dominik stand täglich mit dem Wagen vor dem Bürogebäude bereit wenn Brigitte Feierabend hatte, um sie gut behütet nach Hause zu chauffieren. Zum Abschied verabredeten sie sich jedes Mal für den Abend, oder auch schon für den späten Nachmittag miteinander. Sie verbrachten dann ihre gemeinsame Zeit damit, ins Kino zu gehen, einem Zoobesuch, oder in einem gemütlichen Restaurant und mit tanzen. Wobei selbstverständlich grundsätzlich Dominik die Eintrittsgelder und alle weiteren Rechnungen übernahm.
Gab es einmal keinen festen Plan für den Ablauf des Abends, nahmen die beiden sich also nichts Bestimmtes vor. Fiel ihnen kurzfristig dann auch später keine besondere Idee ein, flanierten Brigitte und Dominik einfach nur in der Gegend umher, bummelten durch die Stadt und auch durch den Park. Oder sie fuhren mit dem Sportcabriolet aufs Geratewohl los. Irgendwo hin, die Küste entlang, oder ins Hinterland, ohne festes Ziel. Dabei entdeckten sie oft durch Zufall ideale, lauschige Plätzchen oder außergewöhnlich gemütliche Bistros mit ungehinderter Sicht aufs Meer, wo sie sich ungestört an ihrer Zweisamkeit ergötzen konnten.
Im Grunde war es aber gleichgültig und spielte keine vorrangige Rolle, was sie zusammen besuchten oder gemeinsam veranstalteten. Es zählte einzig und allein, dass jeder die Nähe des anderen spürte. Brigitte fand es phantastisch, wie sich ihr Freund um sie kümmerte und scheinbar ausschließlich für sie alle Zeit opferte. Dominik verwöhnte sie nicht nur indem er so vieles mit ihr unternahm und stets für Brigitte da war. Es überwältigte sie außerdem wie galant er sich ihr gegenüber verhielt, sie mit Komplimenten überhäufte und wie Dominik versuchte, ihr jeden Tag etwas Neues zu zeigen und zu bieten, um Abwechslung in ihre Rendezvous zu bringen. Er vermied es dabei absolut, Langeweile und Eintönigkeit aufkommen zu lassen.
Amors Pfeile hatten wieder mit gewohnter Sicherheit einen Volltreffer gelandet. Für beide war das die glücklichste und prickelnste Zeit in ihrem bisherigen Leben. Brigitte wusste zwischen den Verabredungen nicht, wie sie die ohnehin schon wenigen Stunden ohne Dominik überstehen sollte. Ihre Gedanken waren immer nur bei ihm und umgekehrt dürfte es ihm geradeso ergangen sein. Der Tag konnte noch so mies und verregnet sein, wenn sich Brigitte und Dominik dann endlich gegenüberstanden, ging für sie beide die Sonne auf. Die Hetze der davor liegenden Stunden, vorangegangener Ärger und die Unannehmlichkeiten des Alltags, lösten sich sofort in glücklichen Gesichtern auf.
Brigitte war sehr stolz auf ihren Dominik. Sie beantwortete auch die neugierigen Fragen ihrer Kolleginnen im Betreff auf ihn gerne, mit Stolz und mit einer gewissen Genugtuung. Die übrigen Frauen im Büro erspähten natürlich auch, dass und mit welchem Wagen Brigitte täglich abgeholt wurde, die Veränderung, die mit ihr vorging und was dahinter steckte. Jeden Tag musste Brigitte genauestens berichten, was sie gemeinsam erlebten, wohin sie mit Dominik ging, wie lange sie sich wo aufhielten und was sich sonst noch alles in Verbindung mit ihm ereignete. Bei indiskreten Fragen allerdings lächelte Brigitte nur geheimnisvoll und schwieg. Sollten die Neider doch denken, was sie wollten. Nur ihre beste Freundin Jasmine wusste wirklich über alles Bescheid und kannte sämtliche Einzelheiten.
Bereits nach ein paar Tagen schenkte ihr Dominik ein echt goldenes Armkettchen. Einfach so, ohne bestimmten Grund. In dessen dafür vorgesehenen, größeren und flachen Glied, stand Dominiks Name eingraviert. Es sollte Brigitte ständig an ihn erinnern und war mit Sicherheit nicht billig gewesen. Dieses zeigte sie ebenfalls mit Würde im Geschäft den Kolleginnen vor. Brigitte demonstrierte damit auch, dass alles, was sie erzählte, der Wahrheit entsprach und keine Aufschneiderei war, wie vielleicht manche dachten. Die aufkeimende Eifersucht ihrer Kolleginnen, von denen keine etwas Ähnliches je von ihrem Freund oder Mann geschenkt bekommen hatte, erreichte damit sicherlich einen vorläufigen Höchststand.
Nach ungefähr zwei Wochen allerdings, so kann sich Brigitte erinnern, begann ihr Dominik durch sein doch unerklärliches, verschwenderisches Verhalten, was das Geld und die Freizeit betraf, leicht suspekt zu werden. Auch die wiederholten Bemerkungen einiger ihrer Kolleginnen trugen schleichend dazu bei, dass ihre Verehrung gegenüber Dominik getrübt und er ihr trotz seiner Freundlichkeit und seinem dargestellten Edelmut unheimlich wurde. Die ganzen Umstände waren wirklich äußerst ungewöhnlich. Auf diese Denkanstöße hin stellte Brigitte in ruhigen Minuten eigene Überlegungen an, die sie aber auch zu keinem Ergebnis brachten. Selbst Brigittes Eltern begannen langsam, vorsichtig gewisse Sorgen zu äußern.
Die Grundlage für deren Angst resultierte vorrangig aus der Ungewissheit, von was Dominik überhaupt lebe, womit er sein Geld verdiente, um sich auf solch großem Fuße bewegen zu können. Und dann brachte er noch obendrein jede Menge Zeit für Brigitte auf, ohne auf irgendwelche anderen Umstände Rücksicht nehmen zu müssen. Dominik brauchte anscheinend nie zur Arbeit gehen. Seltsamer Weise kannte sogar Brigitte nicht die Lösung auf diese Fragen, denn das war bisher nie ein Thema bei ihren Gesprächen gewesen.
In den Medien hörte man schon viel von Mädchenhändlern und allerlei anderen Verbrechern und zwielichtigen Gestalten, vor denen sich eine junge, hübsche Frau in Acht nehmen sollte. In ihren Zweisamkeiten, so fiel es Brigitte daraufhin auf, redeten die Beiden bis dahin fast ausschließlich von ihr. So dass Dominik nahezu alles über Brigitte bis ins Detail wusste, sie aber dagegen lediglich seine Hobbys kannte, welches Auto er fuhr oder was ihm beim Essen schmeckte und was weniger. Viel mehr Kenntnisse besaß Brigitte nicht über Dominik. Sie wusste keine Einzelheiten über sein Berufsleben und die Person Dominik. Er war für sie nur ein sympathischer, gut aussehender Mann mit offensichtlich viel Geld und ebenso viel Freizeit, der einen weißen Sportwagen fuhr.
Dieser Aspekt rückte Brigitte aber erst auf die Bemerkungen ihrer Kolleginnen und Freundinnen hin richtig in ihr Bewusstsein, das durch die berühmte rosarote Brille doch eindeutig getrübt war. Ihr fiel dann, beim Aufmerksam werden auf diese Tatsache und näheren Betrachten des Problems auf, dass Dominik bei ihren Gesprächen stets geschickt von sich selbst ablenkte. Das blieb bis dahin von Brigitte unbemerkt, oder sie verdrängte diesen Umstand, weil die Stunden mit ihm einfach zu schön und harmonisch für sie waren.
Als Brigitte ihn bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit daraufhin nachdrücklich fragte und ihm offen ihre Sorgen darlegte, gab Dominik ihr nach kurzem Zögern ausführlich Aufschluss über seinen Lebensinhalt und darüber, wie er im Geschäftsleben stand. Ihm leuchteten ihre Ängste ein und er spürte schon, dass Brigitte sich ihm gegenüber immer vorsichtigerer verhielt. Dominik wollte keine missverständlichen Spekulationen aufkommen lassen. Er hielt sich mit seinem eigenen Lebenslauf aus dem Grunde zurück, weil er damit nicht angeben wollte, erfuhr Brigitte dann. Es sollte bei niemandem der Eindruck entstehen, er hielte sich für eine besser gestellte Persönlichkeit als andere Menschen um ihn herum, die es in ihrem Leben eben nicht so glücklich getroffen hatten wie er.
Er, Dominik, war als Einzelunternehmer selbständig und konnte sich somit den Tag einteilen, wie es ihm in den Kram passte. Mit einem Lächeln begann er endlich von sich zu erzählen. Für Brigitte erweckte es den Eindruck, als habe er schon lange auf diese Fragen gewartet. Dominik erklärte Brigitte alles was ihn betraf, ohne auszuweichen. Es gab keine Tabus und er stand offen Rede und Antwort. Das war ein abendfüllendes Programm und ihr eigentlich geplantes Vorhaben an diesem Abend wurde verschoben. Aber die Klärung ihrer Bedenken erachtete Brigitte als wichtiger. Das ging für sie in Ordnung, nachdem sie lange grübelte, wie sie es anstellen sollte ihn deswegen zu befragen und Dominik schließlich so weit hatte, dass er Brigitte aufklärte.
Dominik wuchs zunächst bei seinem Vater auf, der damals seit knapp zwei Jahren verstorben war. Ihm verdankte er auch den Grundstock zu seinem Wohlstand. Dominiks Eltern lebten, seit er sich erinnern konnte, getrennt. Seine Mutter, zu der er niemals ein inniges Verhältnis gehabt hatte, war bereits seit mehreren Jahren verstorben.
Sein Vater hinterließ ihm nach seinem Tod ein beachtliches Vermögen in Form von Grundstücken, einen ansehnlichen Betrag an Geld und ein bescheidenes Haus. Mit diesen Mitteln als Grundlage habe Dominik dann begonnen, weitere Grundstücke und Häuser dazu zu kaufen, um sich ein Immobiliengeschäft aufzubauen. Die Grundstücke bebaute Dominik zum Teil mit Miethäusern, andere ließ er unberührt liegen, um sie später zu nutzen oder wieder gewinnbringend zu verkaufen. In Hinsicht auf die Auswahl der Grundstücke und wie er diese jeweils wirtschaftlich weiter einsetzte, zeigte Dominik ein glückliches Händchen. All seine Investitionen rentierten sich im höchsten Maße.
Der Anfang gestaltete sich sehr schwer. Die Banken vergaben ihre Kredite nur zögerlich an Dominik. Aber er benötigte das fremde Kapital, um die richtigen Grundstücke kaufen zu können und um sie dann auch zu bebauen. Dominik resignierte nach den ersten Absagen nicht, sie erweckten eher den Kampfgeist in ihm, denn für ihn gab es keine Zweifel am Gelingen seiner Pläne. Er verhandelte immer wieder mit den Banken, bis er diese von seinen Geschäftsplänen überzeugte, und sie ihm das Geld zur Verfügung stellten, welches er benötigte. Der große Erfolg, der sich langsam aber stetig einstellte, zeigte ihm und den Bankiers, dass er den richtigen Weg beschritt. Bald drehten sich die Bedingungen sogar insofern ins Gegenteil, dass die Banken bei ihm anstanden, um Kredite zu platzieren.
Dominik besaß zu Anfang kaum Erfahrung auf dem Immobiliensektor. Er verließ sich einzig und allein auf sein gutes Gefühl, das ihn nicht trog. Seine Erfolge erreichte Dominik dadurch, dass er seinen Verstand benutzte und ihm die Fähigkeit anhaftete, Zusammenhänge zu erkennen und logisch bis zu Ende zu denken. Durch gutes Planen, geschicktes Taktieren, rechtzeitiges Handeln und ausdauernden Einsatz, gehörte er bald zu den bedeutendsten Bauherren und Immobilienmaklern in der Gegend. Das zugehörige Fachwissen über Bausubstanzen und Grundstücksrechte eignete er sich durch fleißiges Bücher Lesen und dementsprechende Seminare an. Sicherlich gehörte zu seinem enormen Erfolg auch eine große Portion Glück dazu, wenn Dominik auch versuchte, Zufälle und unvorhersehbare Gegebenheiten gründlich auszuschalten, indem er möglichst immer alle nur denkbaren Umstände bei seinen Geschäften mit einplante.
Ein weiterer Geschäftszweig der Branche, nach dem Einkaufen und späteren Weiterverkaufen, war das Vermitteln von Wohnungen, Häusern und Grundstücken. Dabei verdiente Dominik bei jedem Geschäft das zu zustande kam eine so genannte Courtage, die sich aus dem Kaufpreis beziehungsweise dem Mietzins errechnete. In solchen Fällen, wenn er bei einem Verkauf nur als Vermittler zwischen zwei Parteien fungierte, kassierte er gewöhnlich von jeder Seite eine festgelegte Provision. Ein recht einträgliches Geschäft ohne den gewaltigen Kapitalaufwand, der zum Kauf und Bebauen eines Grundstücks, nötig war.
Fürwahr zeigte sich Dominik als sehr geschäftstüchtig, vorausschauend und dadurch erfolgreich. Also basierte sein Lebensstil und Vermögen nicht auf illegitimen Taten, wie aus dem Umfeld von Brigitte befürchtet, sondern in Dominiks gutem Gefühl für ein lohnendes Geschäft und seiner Beredungskunst. Dominik war ein ausgezeichneter Geschäftsmann und seine Kunden genossen eine vorzügliche Beratung. Er besaß ein so unglaublich exzellentes Verkaufsgeschick, dass er in Verbindung mit seiner sympathischen Ausstrahlung, wohl Abraham Lincoln einen Sklaven hätte verkaufen können.
Das Einkommen von Dominik ergab sich also daraus, so günstig wie nur möglich Immobilien einzukaufen und bei deren weiteren Veräußerung Höchstpreise zu erzielen. Oder auch einfach einen Verkäufer mit dem passenden Käufer zusammenzubringen und für seinen Einsatz eine Provision zu kassieren. Das wichtigste Instrument war, immer vor allen Anderen bedeutende Informationen zu erhalten und damit als Erster an dem entsprechenden Geschäft zu sein. Das galt besonders bei Geländen, die nicht viel Wert waren aber zum Beispiel durch eine anstehende Umwandlung in Bauland dann eine astronomische Summe einbrachten.
Diese Grundstücke musste man natürlich in seinen Besitz bekommen, bevor diese Umwandlung publik wurde und die damit verbundene Wertsteigerung für jeden absehbar. Dabei die richtige Auswahl zu treffen, war eine von Dominiks unschlagbaren Fähigkeiten. Er irrte sich nie und erwarb immer die steigerungsfähigsten Grundstücke. Die Differenz der Ausgaben und der Einnahmen bestimmten also dabei Dominiks Gewinn, der auf Grund seines untrüglichen Gefühls und Geschick, immer beachtlich war.
Der letzte Punkt, den Dominik bei seinem Erfolg als wichtig erachtete war, bei sämtlichen Geschäftsabschlüssen die Seriosität nicht aus dem Auge zu verlieren. Dominik achtete penibel darauf, keine anrüchigen Geschäfte zu tätigen, oder in solche verwickelt zu werden. Wenn er spürte, dass er eine Transaktion nur mit zweifelhaften oder gar unlauteren Mitteln tätigen konnte, verzichtete er lieber auf den Deal. Er wollte ein sauberer Geschäftsmann sein und bleiben.
Mehr und mehr, je bekannter Dominik wurde, bekam er automatisch Häuser, Grundstücke und Villen von Verkäufern angeboten, die deren Besitzer über ihn zu veräußern gedachten. Seine diskrete, seriöse und korrekte Arbeitsweise sprach sich selbstverständlich in den entsprechenden Kreisen herum und sorgte immer wieder für neue Aufträge. Dadurch erhielt Dominik, ohne umständliche Mühen, regelmäßig neue Verkaufsangebote und Kaufnachfragen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda, durch die sich sein guter Ruf als Makler aufbaute, wurde für ihn zu dem wichtigsten und besten Hilfsmittel und Werkzeug.
Die Geschäfte von Dominik zeichneten sich also hauptsächlich durch ständige Verhandlungen und Gespräche aus. Ununterbrochen suchte er nach relativ billigen Häusern und Grundstücken, was mit vielen Terminen vor Ort verbunden war. Ständig musste Dominik hart am Ball und stets auf der Hut sein, um als Erster den Fuß in der Tür eines Geschäfts zu haben. Die Konkurrenz schlief schließlich nicht.
Die Verhandlungen mit den Verkäufern oder den Käufern und die Besichtigung der Objekte, oder auch die Vertragsabschlüsse, legte Dominik, seit er Brigitte kannte, weitgehend so, dass er dazwischen genügend Zeit für sie zur Verfügung hatte. Bei den meisten Terminen mit seinen Kunden kam es auf eine Stunde früher oder später nicht an. Die Geschäftsleute unter ihnen bevorzugten zudem sowieso den Vormittag oder den frühen Mittag gegenüber dem Abend. So verschaffte sich Dominik auch den Freiraum, Brigitte täglich von der Arbeit abholen zu können.
`So einfach ist das alles´, dachte sich Brigitte auf die ausführlichen Erklärungen von Dominik. ´Keine krummen Touren´, wie ihre Bekannten, die Eltern und zuletzt auch sie selbst insgeheim befürchteten. Brigitte schämte sich fast ein wenig für ihre zuvor gehegten Unterstellungen, als Dominik ihr dann sein wirkliches Betätigungsfeld eröffnete und näher brachte, mit dem er seinen Lebensunterhalt verdiente. Er war ein ehrlicher Geschäftsmann, dessen Unternehmen sich wirtschaftlich sehr rentierte, weil Dominik immer das richtige Gespür bewies und fleißig für seinen Erfolg arbeitete.
´Nur kaufwilligen Menschen die entsprechenden Häuser und Grundstücke anbieten, die sie suchten und bereit waren für die Arbeit des Maklers dessen Provision zu zahlen. Oder eben den siebten Sinn wie Dominik zu haben, im Voraus abzuschätzen welche Gelände bald sehr wertvoll werden würden´. Aber ganz so einfach wie in der Theorie gestaltete sich dieses Geschäft nicht, wie Brigitte später leibhaftig miterlebte. Es steckte schon eine gehörige Menge Arbeitseinsatz und Stress, bedingt durch den Erfolgsdruck, dahinter.
Einige weitere Wochen danach war es an der Zeit, dass Brigitte ihren Freund den Eltern vorstellte. Sie begannen schon allmählich dezent zu drängen, den spendablen Verehrer kennenzulernen. Bis dahin mussten sie sich ihr Bild von Dominik aus den Erzählungen ihrer Tochter malen. Lediglich die Geschenke, die er Brigitte machte, waren für sie sichtbar und stimmten sie, bis zur Erklärung über den Beruf von Dominik durch Brigitte, etwas nachdenklich.
Gleich von Beginn an begeisterte Dominik ihre Eltern, zur Erleichterung von Brigitte, als sie ihn kennen lernten. Sie war darüber sehr glücklich, denn sie brachte ja noch nie einen Mann mit nach Hause, und wusste somit nicht, wie ihre Eltern reagieren würden. In den ersten Sekunden, als sie sich alle gegenüber standen, war Brigitte unheimlich gespannt, wie das ausgehen würde.
Dominik gewann sofort das Vertrauen und die Sympathien von ihren Eltern. Das las Brigitte eindeutig in ihren freundlichen Gesichtern, mit denen sie ihn empfingen. Dominik überzeugte alleine durch sein Auftreten und seine guten Manieren. Mit ihrem Vater verstand sich Dominik auf Anhieb glänzend, sodass die Bedenken einer Ablehnung durch ihn unbegründet waren. Brigitte befürchtete, dass ihr Vater vielleicht zu kritisch mit Dominik ins Gericht ginge, um festzustellen, ob er auch der Richtige für seine liebe und einzige Tochter sei.
Bei seinem Antrittsbesuch ließ es sich Dominik nicht nehmen, Brigittes Mutter mit einem Blumenstrauß zu erfreuen, wie sie einen solchen höchstens zu ihren Geburts- oder Hochzeitstagen überreicht bekam. Den Vater bedachte Dominik mit einer Flasche Cognac der Spitzenklasse.
Diese netten Gesten waren aber nicht der Ausschlag für die Zuneigung, die ihre Eltern für Dominik entwickelten. Die waren in ihrer Meinungsbildung unbestechlich und nur an dem Charakter der Person Dominik interessiert, der ihnen von Grund auf gefiel.
Das Band der Zusammengehörigkeit, welches Brigitte und Dominik um sich knüpften, schlang sich enger und enger. Seit dem Besuch bei den Eltern, dann auch mit deren gutem Segen und ihrem Einverständnis. Auf die positive Reaktion der Eltern hin und deshalb, weil sich Brigitte und Dominik gefühlsmäßig immer näher zueinander bewegten, ging er den nächsten Schritt ein. Er erachtete binnen Kurzem die Zeit für reif, Brigitte sein Heim vorzuführen, das sie bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte. Dominik lud sein Mädchen zum Abendessen in sein, wie er es selbst genannt hatte, bescheidenes Häuschen ein.
Es dauerte somit verhältnismäßig lange, bis er Brigitte mit in sein Domizil nahm und es ihr offenbarte. Darauf konnte sie sich keinen konkreten Reim machen, denn es fiel Brigitte schon auf, dass Dominik sie absichtlich von seinem Wohnsitz fernhielt. Als mögliche Erklärung dafür kam ihr nur in den Sinn, dass in seinen vier Wänden das übliche Junggesellenchaos tobte und er sie vor diesem Anblick bewahren wollte. Doch dann war es endlich soweit und Brigitte war mächtig gespannt wie Dominik wohl lebte.
Der Walmdachbungalow, zu dem sie fuhren, befand sich außerhalb von Nizza. Brigitte war ungehalten vor Begeisterung, als sie das Gebäude von außen sah. Er untertrieb einmal mehr mit seiner Beschreibung. Ohne es von innen zu kennen, war für Brigitte klar, dass dieser Bungalow sicherlich eine echte Konkurrenz zu jedem Haus eines führenden Angestellten in irgendeinem Großkonzern darstellte, wie zum Beispiel dem ihres obersten Chefs bei der Versicherung.
Beim Betreten der Räumlichkeiten drückte sich das Erstaunen Brigittes durch ein spontanes, lautes und lang gezogenes „Heee“ aus. Mehr fiel ihr zu dem, was sich da ihren Augen bot, nicht ein. So etwas hatte Brigitte zuvor noch nie persönlich gesehen. Die ersten Eindrücke überwältigten sie total. Dominiks „Häuschen“, präsentierte sich alles andere als bescheiden. Das war keines der üblichen Reihenhäuser, wie Brigitte es sich nach seinen herunterspielenden Worten ungefähr ausmalte.
Umgeben von einer parkähnlichen Anlage aus Laubbäumen und Tannen, drang in das Innere des Bungalows im höchsten Falle Vogelgezwitscher als Umweltgeräusch ein. Es war unglaublich still und gemütlich und die Räume weitläufig. Von dem Stadtlärm, wie Brigitte ihn gewohnt war, konnte sie gar nichts hören.
Der Fußboden war überall, wo man sich üblicher Weise bewegte, mit dicken, weichen Teppichen ausgelegt, die teuer aussahen, wie auch alles Übrige in dem Haus edel wirkten. Die geschmackvolle Ausstattung der Räume, die sich groß und hell zeigten, waren sicherlich mit einem erheblichen finanziellen Aufwand eingerichtet worden. Weit und breit kein Durcheinander, wie man es bei einem Junggesellenhaushalt erwartete. Es war ringsumher sauber und aufgeräumt, keine Unordnung oder auch nur ein Putzstreifen an den Fenstern. Die Möbel, Schränke und Sitzgelegenheiten waren erstklassig ausgewählt und zusammen mit den Tapeten und Bodenbelägen exquisit aufeinander abgestimmt.
Das kombinierte, prunkvoll eingerichtete Wohn- und Esszimmer wurde von einer einzigen durchgehenden Fensterfront begrenzt. Diese ließ sich, in der Mitte geteilt, zur Seite schieben, wodurch man an warmen Tagen quasi im Freien sitzen konnte. Anschließend an die Glasfront begann ein, mit rustikalen Platten gefliester Streifen, der als Terrasse diente, wo man vorzüglich die Sommerabende ausklingen lassen konnte.
Danach erstreckte sich ein schöner, gleichmäßig grüner Rasen, wie aus einem Gartenlehrbuch. Dieser wiederum war mit dichten Hecken und Sträuchern umsäumt, die keinen Schluss darüber zuließen, was sich dahinter verbarg. Brigitte erfragte es, und mit einer weit ausholenden Bewegung erklärte Dominik: „Wald, Wald, Wald“
Ein annähernd vergleichbares Haus hatte Brigitte noch nie gesehen. Im Kino vielleicht, in einem Hollywoodfilm sah sie schon solche Anwesen. Aber persönlich unmittelbar in so einem Traumhaus zu stehen, blieb ihr bis dahin vergönnt. Brigitte war nur die kleine Mietwohnung ihrer Eltern gewohnt, wie solche auch ihre Verwandten und Bekannten bewohnten. Brigitte staunte nur noch angesichts der Großzügigkeit der Räume, der Weite des Grundstücks und der inneren Ausstattung. Alleine der, sich an die Küche anschließende Vorratsraum, hatte die Ausmaße ihres Jugendzimmers zu Hause.
Brigitte wunderte sich über nichts mehr. So erstaunte es sie keinesfalls, als Dominik ihr mit einem gewissen Maß an Stolz erklärte, die Rasenfläche vor ihr sei ein echter Englischer Rasen. Wenn sie mit dieser Bezeichnung auch sehr wenig anfangen konnte. Dominik gestand ihr, dass er für diesen Rasen sowie natürlich auch für den Rest des Gartens extra einen Gärtner beschäftigte.
Welch ein ungeheures Glück Brigitte zuteil wurde, als sie Dominik kennen lernte, verdeutlichte ihr endgültig an jenem Nachmittag dieses Anwesen. Zeitweise befürchtete sie, das alles nur zu träumen. Das Haus mit allem Drum und Dran, hätte in ihrer Phantasie nicht schöner sein können. Aber es war absolute Wirklichkeit, es gehörte Dominik und sie befand sich hellwach mittendrin mit der Aussicht, hier irgendwann leben zu dürfen.
Als Brigitte so auf dieser Terrasse stand und in den Garten schaute, das noble Wohnzimmer im Rücken, realisierte sie zum ersten Mal bewusst, welch ein Glückstreffer Dominik materiell gesehen war. Mit all seinen überragenden menschlichen Wesenszügen, die er trotz seines Erfolges nicht verloren hatte, wurde er zum echten Hauptgewinn.
Brigittes Liebe zu Dominik, zu dem Mann, der sich das, was sie da vor sich hatte leisten konnte, sich all seine Reichtümer sogar mit den eigenen Händen aufbaute, stieg unaufhörlich. Sie betete ihn an, vergötterte ihn und hielt Dominik für den tollsten Mann auf Gottes Erdboden. Oder schlummerte in Brigitte nur die Hoffnung Dominiks Frau zu werden, gesellschaftlich aufzusteigen und sich somit einen solchen Luxus und Lebenswandel leisten zu können?
Ein Verwirrspiel der Gefühle setzte ein, bei dem Brigitte die Kontrolle und den Bezug zur Realität verlor. Es schien einfach wie im Märchen: Armes Mädchen trifft Prinz. Aber dieses Märchen war ihre Geschichte und Brigitte spielte die Hauptrolle.
Brigittes Eltern schnitten bald immer öfter das Thema Hochzeit in Verbindung mit Dominik an. Sie hatten ihn kennen- und schätzen gelernt und hörten von ihrer Tochter immer nur sehr positive Dinge über ihn. Dadurch verstärkte sich ihre Meinung permanent, dass Dominik der richtige Mann für Brigitte sei.
Beide redeten mehr oder weniger auf Brigitte ein, beschworen sie regelrecht, dass das Schicksal es mehr als gut mit ihr gemeint hatte, als es ihr Dominik bescherte. Er sei doch nett, ehrlich, sähe gut aus, war liebenswert und obendrein wohlhabend, beschwatzten sie Brigitte unaufhörlich, wenn sie bei ihrem Lieblingsthema waren. Sie ließen bei der Darstellung von Dominik keinen Superlativ aus und hoben seine Vorzüge ständig hervor. Ihre Eltern fragten, was sie denn noch wolle oder erwarte. Brigitte solle doch nach dieser riesigen Chance fassen, so lange sie noch greifbar wäre.
Jedes Mal, wenn Brigitte ihnen Neuigkeiten von Dominik erzählte, von seinem Lebenswandel berichtete oder ein neues Geschenk von ihm präsentierte, betonten die Eltern, dass sie das alles für Immer haben könnte. Vorrangig ihre Mutter unterstrich das bei jeder passenden Gelegenheit. Lediglich heiraten müsste Brigitte Dominik dafür, um diesen Lebensstil zu erlangen. Das sei doch nun wirklich kein Opfer, oder schwer zu bewerkstelligen, fügte sie gerne hinzu.
Brigittes Eltern waren damals schon im gesetzten Alter. Sie wollten ihre Tochter gut versorgt wissen. Und natürlich wünschten sie sich, dass es ihrer Brigitte einmal besser erginge, als ihnen selbst. Denn als sie heirateten, besaßen sie beide gerade mal genug Bargeld, um die Hochzeitsfeier auszurichten. Es gab niemand, der sie hätte unterstützen können, verdeutlichten sie ihrer Tochter gerne ihre damalige Situation.
Als ihre Eltern die Ehe schlossen, kündigte sich schon der schlimme Krieg an und es herrschten deshalb furchtbar schlechte Zeiten. Bei ihrer ersten Wohnungseinrichtung, eine der billigsten die sie finden konnten, waren sie gezwungen gewesen, auf Kredit zu kaufen. Dann kam der Krieg mit all seinem Elend. Die junge Familie musste um die blanke Existenz kämpfen. Schon das Herbeischaffen von Lebensmitteln wurde zum Kampf und zu einer schier unlösbaren Aufgabe.
So manche Woche wusste die junge Mutter nicht, wovon sie ihren Mann und ihr Töchterchen ernähren sollte. Wie oft schrieb sie in der Nachkriegszeit das Eingekaufte beim Lebensmittelhändler an der Ecke an, wenn es überhaupt Nahrungsmittel gab. Dieser Zustand war ihr mehr als peinlich, aber Brigittes Mutter blieb keine Alternative. Sie war schließlich auch nicht die Einzige, der es so erging. Die wenigsten Menschen konnten ihren Einkauf immer gleich bezahlen. Das tröstete etwas über die empfundene Schande, die doch eigentlich keine war, hinweg. Diese Zeit stellte die gesamte Bevölkerung auf eine harte Probe.
Der größte Wunsch der Mutter also war, dass ihrer Tochter solche Nöte erspart blieben, wie sie selbst sie durchleben musste; dass es Brigitte einmal von Anfang an, wenn sie auf eigenen Beinen steht, besser erging. Für sie galt als sicher, dass sie sich keine Sorgen machen brauchte, wenn Brigitte bei Dominik blieb. Deshalb versuchte sie unermüdlich Brigitte zu verdeutlichen, welch eine gute Partie Dominik war, was er für ihr weiteres Leben darstellte und dass sie an ihm festhalten sollte.
Hätte aber Brigitte ihren Freund nicht wenigstens sympathisch gefunden, wäre es niemals so weit gekommen, wie es dann auch kam. Denn nur durch rosarote Worte der Eltern, konnte man keine vernünftige und funktionierende Ehe herbeireden. Da gehörte schon eine erhebliche Menge mehr dazu, als guter Wille und der Wunsch versorgt zu sein.
In dieser Weise setzte sich die fester werdende Beziehung der Beiden fort. Sie trafen sich so oft es ging, um jede freie Minute miteinander zu verbringen. Von ihren Eltern bekam Brigitte ihren Dominik parallel dazu ständig angepriesen, als das Beste, was ihr je geschehen konnte. Ihre Zuneigung zu ihm kannte irgendwann keine Grenzen mehr und bald hoffte auch Brigitte, wie die Mutter und der Vater, auf die Hochzeit. Dieses geheime Anliegen hätte Brigitte jedoch niemals gegenüber Dominik geäußert.
Brigitte wollte abwarten und ihn auf keinen Fall dazu drängen. Dominik sollte sich von niemandem unter Druck gesetzt fühlen. Er musste sie von sich aus fragen, ob sie seine Frau werden wollte, wenn er es für richtig erachtete. Ganz ohne Manipulationen und versteckte Andeutungen. Es durften weder ihre Eltern noch Brigitte selbst versuchen dabei Einfluss auf Dominik zu nehmen, weil ansonsten vielleicht genau das Gegenteil erreicht worden wäre. Obendrein verkörperte Dominik einen standhaften Mann, der sich zu nichts drängen lies, das er an sich ablehnte, und seine Entscheidungen unbeirrt traf.
Etwas mehr als ein Jahr war seit ihrer allerersten Begegnung vergangen, da lud Dominik seine Brigitte zum wiederholten Mal in seine Villa zum Essen ein. Dieses erste Jahr mit ihm verflog unglaublich schnell und war erfüllt von reichlich glücklichen Stunden. Sie hatten stets viel Spaß miteinander und er versuchte Brigitte immer eine Überraschung zu bescheren, um ihr Freude zu bringen. Sie war wirklich gerne in seiner Nähe, fühlte sich in Dominiks Gegenwart geborgen und die Abendessen in seinem Haus waren grundsätzlich etwas Besonderes.
Diesmal hatte Dominik das Wohnzimmer in dem sie speisten, noch romantischer hergerichtet als er das ohnehin immer tat. Der Tisch war mit dem besten Geschirr gedeckt und weiße Kerzen standen in stilvollen Ständern dabei. Im Kamin loderte ruhig ein Feuer und die Holzscheite knisterten nahezu unhörbar. Zur Abrundung wurde das gesamte Ambiente von leiser Geigenmusik unterstrichen. Das Bild, das sich Brigitte beim Eintreten bot, kam ihr vor wie die gelungene Inszenierung von Hollywood.
Der Raum wirkte insgesamt sehr feierlich. Das Idyll ausstrahlende Kerzenlicht auf der Tafel, das Wärme spendende Feuer im Kamin, mit seinem knisternden Holz und die träumerischen Geigenklänge, sorgten für ein absolut romantisches Umfeld.
Brigitte bemerkte natürlich gleich nach Betreten des Zimmers, dass Dominik wieder etwas Besonderes im Schilde führte. Ein solches Arrangement bereitete er trotz seiner ständigen Bemühungen in diesem Ausmaß noch nie vor. Aber auf was diese festliche, zeremonielle Stimmung abzielte, traute sich Brigitte nicht ernsthaft vorzustellen. Sie wollte sich nicht selbst in gewisse Hoffnungen begeben, die vielleicht unerfüllt blieben und sie somit enttäuscht würde.
Eher glaubte Brigitte daran, dass Dominik ihr wieder einmal ein größeres Geschenk machen oder sie vielleicht zu einem tollen Urlaub einladen wollte. Was sollte sonst einen solchen Aufwand rechtfertigen? Dass Brigittes geheimer Wunsch sich erfüllte, hätte sie nicht für möglich gehalten und wagte sie nicht zu glauben, aus Angst, sie würde mit einem solchen Omen die Chance zerstören. Bis Dominik ihr tatsächlich sagte, was sie hören wollte, konnte sie nicht glauben, dass es nun endlich so weit war.
An jenem Abend überraschte Dominik sie wirklich mit einem Geschenk. Er fragte Brigitte ohne lange vorbereitende Umschweife und große einleitende Worte beim Essen aus heiterem Himmel, ob sie ihn heiraten wollte. Überglücklich darüber, dass er diese Frage endlich aussprach, beantwortete Brigitte diese trotzdem zunächst nur mit einem schlichten „ja“. Dieses „Ja“ kam aber daraufhin anschließend, mit dem Bewusstwerden der Worte und deren Bedeutsamkeit, gleich noch mehrmals über ihre Lippen. Brigitte stieß es noch fünf-, sechs Mal jubelnd aus.
Ihre Hände zitterten vor lauter Freude über diese Frage derart, dass Brigitte nicht mehr fähig war das Essbesteck festzuhalten. Sie ließ es einfach unkontrolliert auf den Tisch fallen, wo es klirrend auf dem Teller landete. Das feine Porzellan erklang hell, wie Glockengeläut, zur Bestätigung ihrer Antwort.
Voller Übermut sprang Brigitte auf, lief um den Tisch herum auf Dominik zu und warf sich ihm schon sinnbildlich an den Hals, dass er fast, zusammen mit dem Stuhl, umgefallen wäre. Aus dem Würgegriff heraus, in dem er sich in diesem Moment befand, fragte Dominik etwas geknebelt, lachend: „Darf ich das als deine Zustimmung werten?“
„Dumme Frage!“ Brigitte erlöste ihn aus ihrer erdrückenden Umklammerung und ging vor ihm in die Knie, um Dominik weiter dankbar und verliebt anzustrahlen. Doch dabei stellte sie umgehend fest: „Dann müssen wir uns aber zuerst verloben.“
„Gut, dann sind wir ab jetzt verlobt “, entschied Dominik lachend.
Diese beiderseits getroffenen Entscheidungen, dass sie heiraten würden und sie sich deshalb ab diesem Abend im Status des Verlobtseins befanden, begossen sie zur Festigung zunächst mit einem Glas Champagner. Anschließend leerten sie auf das Eheversprechen hin eine gute Flasche alten Wein. Die hatte Dominik in weiser Voraussicht kühl gestellt. Er war sich seiner Sache absolut sicher gewesen. Von Brigitte erwartete er keine andere Antwort als ein „Ja“, weil er ahnte, dass sie darauf wartete.
Mit jedem Schluck des edlen Tropfens den sie tranken und vor dem sie die Gläser zusammen stießen, so dass sie laut ertönten, besiegelten sie ihr Vorhaben mit den Worten: „Auf uns und unsere Zukunft!“
Brigitte bemerkte dann einen ganz leichten Schwips von dem Wein, als sie die Flasche ausgetrunken hatten. Dominik trank zwar den größeren Teil, aber da Brigitte normal eher wenig Alkohol zu sich nahm, spürte sie die zwei Gläser schon deutlich. Dieser Zustand, den Brigitte in sich fühlte, konnte aber ebenso gut von der überschwänglichen Freude herrühren, die Dominik ihr mit seinem Antrag bereitete. In Verbindung mit dem Alkohol wurde ihre Laune dementsprechend aufgeputscht.
Noch am selben Abend fuhren sie gemeinsam mit Dominiks Wagen zu Brigittes Eltern. Natürlich wieder mit Geschenken für Papa und Mama, wo Dominik dann offiziell um die Hand ihrer Tochter anhielt. Übermütig stürzte Brigitte voraus in die Wohnung, einem Überfall gleich und verkündete lautstark: „Dominik möchte euch etwas fragen!“ Bei diesem Ansturm und dem freudestrahlenden Ausruf ihrer Tochter, ahnten die beiden gewiss, was nun folgte.
Die Frage war reine Formsache. Selbstverständlich waren die Eltern mit einer Heirat einverstanden. Denn die Hochzeit erhofften sie sich schon seit längerem und sie wären die Allerletzten gewesen, die dem Glück ihrer Tochter im Wege gestanden hätten. Wiederum selig, als die Eltern beide wohlwollend zustimmten, schloss Brigitte abermals ihren zukünftigen Ehemann vor ihren Eltern mit überschäumender Freude in die Arme.
Dominik war kein bisschen aufgeregt bei dem Antrag, den er seinen Schwiegereltern in spe machte. Er wusste, dass sie ihn mochten und dass sie sich nur das wünschten, was auch ihre Tochter wollte. Dominik besaß damals schon eine untrügerische Menschenkenntnis, die ihm sagte, dass er keinerlei Befürchtungen vor einer Ablehnung zu haben brauchte.
Bald darauf verlobten sich die Heiratsanwärter dann in der Öffentlichkeit. Dominik wollte das ultimative Eheversprechen ganz groß feiern. Das entsprach natürlich auch voll den Wünschen von Brigitte. Bei ihrer Hochzeit sollte es von Anfang an an nichts fehlen. Und eine üppige Verlobungsfeier gehörte somit dazu. So bekam Brigitte auch die Gelegenheit, all ihren Verwandten den Mann ihres Herzens vorzustellen, auf den sie ungeheuer stolz war.
Dominik wählte dazu ein Restaurant aus, das genügend Platz bot, um alle Verwandten und Freunde der Familie von Brigitte zu bewirten und reservierte es für diesen Tag. Vorwiegend bestanden die Gäste nämlich aus Angehörigen seiner künftigen Ehefrau. Von Dominiks Seite existierten nur noch vier weitläufige Verwandte.
Da war zunächst einmal eine Großtante, die Dominik seit er sich erinnern konnte vielleicht insgesamt sechsmal sah und deren Mann, den er noch weniger ansichtig geworden war. Ansonsten zählte noch eine Art Cousine zu seiner Familie, von der Dominik nicht einmal selbst genau zu sagen vermochte, wie die verwandtschaftliche Verbindung zu ihr zustande kam. Auch sie wusste nicht hundertprozentig die Zusammenhänge zwischen ihren Eltern und denen von Dominik. Direkte Geschwister waren sie keine gewesen, so viel war sicher. Allenfalls die Großtante konnte darüber umfassend Auskunft geben. Diese Cousine, die auch erheblich älter als Dominik war, mit dem Namen Cathérine, lud er ebenfalls samt ihrem Mann ein.
Mehr Angehörige besaß Dominik seines Wissens nach nicht. Diese vier Personen stellten seine ganze Familie dar, die sowieso noch nie groß war. Viele starben bedingt durch den Krieg, Alter oder Krankheiten bereits. Dominik war der letzte und somit jüngste Nachkomme in seiner Familie.
Brigittes Familie dagegen bestand aus einer beachtlichen Zahl. Ihre Mutter hatte neun Geschwister. Der Vater sogar zwölf. Alle waren sie verheiratet und aus fast jeder Verbindung gingen wiederum Kinder hervor. Manche durften schon Enkelkinder ihr Eigen nennen. Somit erreichte der familiäre Umfang von Brigitte mit allen Anverwandten eine respektable Anzahl an Leuten.
Dominik lud sie allesamt ein. Seine wenigen und Brigittes zahlreiche Familienmitglieder. Es wurde niemand vergessen und jeder einzelne war herzlich willkommen. Ihm gefiel das, eine derart große Verwandtschaft zu gewinnen. So gehandhabt ergab sich für Dominik zudem die Möglichkeit, die Angehörigen seiner zukünftigen Frau auf einen Schlag und an einem Tag kennenzulernen. Das fand er spannend.
Dieser Nebeneffekt erwies sich als sehr sinnvoll bei dieser Aktion. Dominik betrachtete das sehr nüchtern. So verteilten sich nämlich die gegenseitigen Bekanntmachungen nicht auf unzählige Besuche. In der Regel wurde bei solchen Zusammenkünfte ohnehin aus Vorsicht zunächst langweilige Gespräche geführt, weil keiner wusste, was er am besten reden sollte, ohne vielleicht einen Fehler zu machen, denn das jeweilige Gegenüber war einem natürlich völlig unbekannt. Die damit verloren gegangene Zeit und das gezwungene, steife Herumsitzen nur der Form wegen, wurde somit glatt ausgeschlossen.
Alles in allem wuchs die Anzahl der Gäste der Verlobungsfeier auf zirka hundert Personen an. Selbstverständlich übernahm Dominik die vollständigen anfallenden Kosten des Festes alleine. Auch diverse Hotelrechnungen, für Leute die von weit her anreisten, beglich er ohne die geringste Andeutung, dass damit die Kosten zu viel werden würden. Er wollte alle dabei haben und keinem sollten dadurch Unkosten entstehen.
Die Frage, ob seine Schwiegereltern die Rechnung bezahlen wollten, stellte sich nicht für ihn. Dominik klärte das vorweg schon bei den ersten Planungen, indem er das eindeutig bestimmte und sagte, dass er nicht zulassen würde, dass seine zukünftigen Schwiegereltern das Fest ausrichteten. Er wollte heiraten, begründete er seinen Standpunkt und somit sei er auch für alle anfallenden Rechnungen, die dieser neue Lebensabschnitt mit sich brachte, verantwortlich. Außerdem stellten diese Kosten für ihn gewiss eine kleinere Belastung dar, als das für seine Schwiegereltern der Fall gewesen wäre, war sein wichtigstes Argument, ohne sie jedoch mit dieser Tatsache kränken zu wollen. In dem Punkt mussten sie ihm unumwunden zustimmen.
Zur Verlobung beschenkte Dominik seine Brigitte mit einem kostbaren Ring, der ihr außerordentlich gefiel. Ihr stockte kurz der Atem, als Dominik ihr den Ring vor den versammelten Gästen zum Zeichen seiner Liebe und zum sichtbaren Ausdruck seines Eheversprechens ansteckte. Brigittes Ansicht nach, ohne den Preis dafür zu wissen, gehörte er aber eher in einen Safe als an ihre Hand. Ihre Bescheidenheit in dieser Beziehung war damals noch ungebrochen.
Dominik lag es jedoch fern, in solchen Angelegenheiten Brigitte um ihre Meinung zu fragen. Er konnte sich solche Geschenke gut leisten und bescherte ihr diese Freude gerne. Wenn Dominik für Brigitte etwas kaufte, war ihm der Preis dafür egal. Das Präsent musste ihr gefallen, darin bestand das hauptsächliche Kriterium bei seiner Auswahl.
Dieses Schmuckstück aus Gold, mit einem von Diamanten umrandeten Rubin, bewahrte Brigitte fast nur in ihrem Schmuckkästchen auf. Zum Tragen schien er ihr einfach zu wertvoll. Die Erkundigung, ob es sich um echte Steine handelte, erübrigte sich selbstredend. Der Ring war nicht protzig, aber Brigitte glaubte, dass sie im Büro mit einem solchen Schatz am Finger ebenso aufgefallen wäre, als wenn sie sich die Haare grün färbte. Für den normalen Alltag fand sie ihn zu extravagant. Als normale Sekretärin konnte sie ihrer Meinung nach nicht mit Schmuck ausgestattet sein wie eine First Lady.
Um Dominik aber nicht zu enttäuschen, oder er gar auf die Idee kam, ihr würde der Ring nicht gefallen, zog sie ihn immer an, wenn sie mit ihm zusammen war. So holte Brigitte ihn bei Feierabend, unbemerkt von den Kollegen und Kolleginnen, aus der Tasche, bevor sie die Straße betrat, wenn Dominik davor stand, um auf sie zu warten.
Auch dieser, ihr Verlobungsring, war längst Brigittes aktuellen Geldsorgen zum Opfer gefallen.
Jeder beglückwünschte bei der Feier das angehende Ehepaar. Bestimmt waren bei den Gratulanten einige dabei, die sie um ihren Verlobten beneideten. In manchen Gesichtern glaubte Brigitte zu erkennen, dass die Glückwünsche in Wirklichkeit von Neid begleitet wurden. Sie selbst fühlte sich den Verwandten gegenüber, die sich um sie drängelten, wie eine Prinzessin und hielt ihren Prinzen stolz an ihrer Seite.
Die meisten aber gönnten ihr Dominik. Die, bei denen beim Gedanken daran, dass es Brigitte einmal besser ergehen würde als ihnen selbst, nicht der bloße Neid hochstieg, freuten sich aufrichtig mit ihr. In ihrer Familie gab es keine reichen Leute. Das waren alles Menschen mit normalen Berufen und durchschnittlichem Einkommen. Brigitte wurde durch ihre Hochzeit mit Dominik die Erste von ihnen allen, die wahrscheinlich in keiner Lebenslage finanzielle Probleme zu befürchten hatte.
Ab dem Tag der Verlobung gestatteten die Eltern von Brigitte, dass Dominik sie fortan mit Papa und Mama anredete. Sie bestanden sogar ausdrücklich darauf. Ihm gefiel das sehr. Für sie beide stand der Hochzeit nichts mehr im Wege und es hätte etwas Schreckliches geschehen müssen, dass die Vermählung abgesagt worden wäre. Dominik gehörte schon vor der Ehe fest zur Familie und wurde vollkommen integriert. Das imponierte ihm, denn für Dominik war die Familie heilig.
Von nun an erlaubten Brigittes Eltern außerdem, wogegen sie zuvor strikt ihr Veto einlegten, dass ihre Tochter am Wochenende auch einmal bei Dominik übernachtete. Sie waren nicht ganz so sittenstreng, wie der Großteil der damaligen Bevölkerung. Vor der Verlobung jedoch duldeten Papa und Mama eine solche zeitweilige wilde Ehe keinesfalls.
Anlässlich dieser Zweisamkeiten verwöhnte Dominik seine Braut nach allen Regeln der Kunst. Sie sollte keinen Tag davon bereuen. Des Morgens stand er unbemerkt auf, während Brigitte noch im Land der Träume weilte, um in der Küche das Frühstück zuzubereiten. Selbst wenn sie aufwachte und bemerkte, wie er sich aus dem Bett schlich, stellte sich Brigitte weiter schlafend, um ihm die Überraschung gelingen zu lassen.
Mit einem vollgeladenen Tablett, auf dem keine Leckerei fehlte, kehrte Dominik dann in das Schlafzimmer zurück. Nachdem er dieses auf einem kleinen Abstelltischchen geparkt hatte, zog er die Vorhänge auf und weckte Brigitte, wie der Prinz sein Dornröschen, mit einem Kuss. Er setzte sich wieder zu ihr ins Bett und zog von dem Tisch, der in unmittelbarer Nähe zum Bett stand, das Tablett herüber.
Ausnahmslos bedeuteten diese Wochenenden mit Dominik alles für Brigitte. Ein Morgen mit Frühstück im Bett bei Dominik baute in ihr ein unglaublich gutes Gefühl auf. Immer wieder wirkte ein solcher Tagesbeginn wie ein Jungbrunnen für Brigitte. Nach dem gemeinsamen Kaffeetrinken im Bett konnte der Tag durch nichts mehr verdorben werden. Damit waren sie gewappnet gegen alle Widrigkeiten, die sich ihnen hätten in den Weg stellen können.
Erwartungsgemäß verging wenig Zeit, bis Brigitte und Dominik begannen ihre Hochzeit detaillierter zu planen. Den Termin für dieses eklatante Fest, das es werden sollte, bestimmten sie bei einem solchen Kraft spendenden Morgen, auf etwa sechs Monate später. In groben Zügen legten die beiden dabei den Ablauf und die Arrangements fest. Die Auswahl der Gäste war ebenso schnell getroffen, wie der Zeitpunkt der Eheschließung. Sie wollten einfach alle Freunde, Verwandte und Arbeitskollegen einladen und die Hochzeit sollte im Frühling stattfinden. Das Fest musste das der Verlobung bei Weitem überstrahlen und die getroffenen Vorbereitungen für dieses Ereignis versprachen, das zu verwirklichen.
Brigitte empfand ihre Hochzeit als die allerschönste, die sie jemals gesehen hatte. Der Kern ihres Empfindens lag nicht nur darin, weil es ihre eigene war und Brigitte somit die Hauptperson des Geschehens. Dazu trug eher bei, dass Dominik keine Kosten und Mühen scheute, um die Feier festlich und pompös zu gestalten. Er tat was in seiner Macht stand, um es an nichts fehlen zu lassen.
Brigittes Brautkleid bezahlten allerdings ihre Eltern, die dabei ebenfalls nicht auf das Geld achteten. Das ließen sie sich nicht nehmen. Sie hätten ihren letzen Groschen dafür gegeben, dass ihre Tochter sich als Braut konkurrenzlos strahlend repräsentierte.
An ihrem majestätischsten Tag trug Brigitte ein knöchellanges schneeweißes Kleid, das nur aus Spitze und Satin bestand. Die Blöße ihrer Schultern bedeckte ein Pelzjäckchen, mit dreiviertellangen Ärmeln. Der zu dem Kleid gehörende Schleier war stattliche fünf Meter lang. Er wurde von sechs kleinen Mädchen aus Brigittes Verwandtschaft getragen. Diese trugen einheitliche, zartrosa Kleidchen und ihre Haare waren mit Rosenkränzen geschmückt.
Zu diesem höchst feierlichen Anlass ließ sich Dominik einmalig einen silbergrauen, maßgeschneiderten Frack mit Weste anfertigen. Mit schwarzen Lackschuhen sowie Zylinder geziert, übernahm er seine Braut von deren Vater. Einträchtig schritten sie den endlos scheinenden, roten Teppich entlang zum Altar.
Dem märchenhaften Brautpaar gingen wiederum vier Blumenmädchen voraus, die identisch zu den Schleppenträgerinnen bekleidet waren, und streuten aus geflochtenen Körben bunte Blüten auf den Weg, den das Brautpaar beschritt.
So zogen das Paar und sein Gefolge mit allen Attributen, die zu einer Märchenhochzeit gehörten, den Gang zwischen den Bänken entlang durch die Kirche. Auch dort, in dem Gotteshaus, hatte Dominik großzügig gewirkt. Es gab fast keine Stelle am und um den Altar, die nicht mit Blumengestecken oder Vasen mit duftenden Sträußen geziert war. An jeder Ecke einer Bankreihe leuchteten ebenfalls kleine Gebinde aus Blumen. Die letzten Bankreihen verband je ein Torbogen aus Blüten, durch die das Brautpaar bei seinem Einmarsch dann hindurch schritt.
Die Orgel spielte den traditionellen Hochzeitsmarsch und alle Blicke hafteten naturgemäß auf dem Brautpaar. Bis auf den letzten Platz war die Kirche besucht. Denn schon die Hochzeitsgäste füllten die Bänke zu zwei Dritteln aus. Selbst in den Gängen zwischen den Bankreihen standen Schaulustige unter Verwandten, die keine Sitzplätze mehr erhaschen konnten. Sogar vor der Kirche bildete sich eine kleine Menschentraube aus Leuten, die nicht einmal mehr einen Stehplatz abbekamen.
Brigitte war angetan von dem Anblick der vielen Menschen, die alle nur wegen ihr kamen. Die Eindrücke, die auf Brigitte einstürzten, waren unbeschreiblich. Das gesamte Arrangement rührte sie so, dass sie nur schwer die Freudentränen unterdrückte, die sie zu überkommen drohten.
Als sie jedoch am Ende ihres Weges an ihrer Mutter vorbeikamen und Brigitte ihren beseelten „Alles-Gute-Blick“ sah und dass ihr das Augenwasser in dicken Tropfen zwischen den Lidern stand, konnte sie nicht mehr an sich halten. Die Schleusen öffneten sich und die Tränen liefen Brigitte ungehalten über die Wangen. Sie weinte ungebremst aus lauter Glückseligkeit und unendlicher Herzensfreude.
Selbst ihren Vater, einen gestandenen Mann, den Brigitte noch nie hatte weinen sehen, obwohl er schon sehr viel Elend und persönliches Leid erlebte, berührte dieses Ereignis tief im Innern. Brigitte sah ihn noch nie in einer solchen Gemütsbewegung. Auch er bekam beim Anblick seiner Tochter, die er in diesem Hochzeitsglanz erleben durfte, feuchte Augen. Dem Zauber einer solchen Zeremonie konnte auch der Brautvater sich nicht entziehen. Da hätte er keinerlei Gefühle haben dürfen, um nicht ergriffen zu sein.
Von der Trauung selbst bekam Brigitte nur Teile mit. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, war aber andererseits so damit beschäftigt keinen Fehler zu begehen, angesichts der vielen Augenpaare die sich auf sie richteten, dass es unmöglich wurde, alle Einzelheiten bewusst aufzunehmen. Zudem kämpfte Brigitte verzweifelt, jedoch ohne Erfolg, gegen die immer wiederkehrende Tränenflut. Einmal losgelaufen, konnte sie diese kaum wieder unterdrücken und eindämmen. Die Rührung lief ihr in kleinen Bächen über die Wangen.
Die einfühlsame Predigt des Pfarrers enthielt ebenfalls rührselige Aspekte, die verdeutlichen sollten, was es heißt eine Ehe einzugehen und die zu Tränen führten, wenn man schon diesbezüglich angeschlagen war.
Der Pfarrer baute auch das von Dominik aufgesetzte Eheversprechen in seine Rede mit ein. Der smarte und knallharte Geschäftsmann zeigte dabei Gefühl und verfasste es selbst, als kleine Überraschung und Huldigung an seine zukünftige Frau.
„Vom heutigen Tage an werden wir unseren Weg gemeinsam gehen, bis dass einer das allerletzte Stück alleine gehen muss“, zitierte der Pfarrer. „Was mein ist, ist Dein. Und was Dein ist, ist mein.
Wir werden uns auf unserer Reise gegenseitig stützen und Halt geben. Die Knüppel, die man uns zwischen die Beine wirft und die Steine, die man uns in den Weg legt, nehmen wir, um uns damit die Brücken zu neuen Ufern zu bauen“.
Danach folgte zum Abschluss die Frage des Pfarrers, welche die Trauung besiegelte. Das erforderliche, klassische „Ja, ich will“, brachte Brigitte nur schwer und zudem schwach über ihre bebenden Lippen.
Dann der Ringtausch, bei dem Dominik Probleme hatte den Ring über ihren zitternden Finger zu schieben. Brigitte ließ im Gegenzug den seinen beinahe fallen vor Aufregung. Zum Schluss noch der besiegelnde Kuss, dann war die Prozedur überstanden. Den wichtigsten Teil der Zeremonie brachte Brigitte einigermaßen mit Stil hinter sich. Sie war außer sich vor emotionaler Erregtheit und bebte innerlich.
Bis zum Verlassen der Kirche hatte sich Brigitte wieder geringfügig besänftigt. Dennoch hielt sie ihren frisch vermählten Ehemann mit immer noch feuchten Augen ganz fest. Sie verließen das Haus Gottes, das sie als Verlobte betraten, als Ehepaar Arm in Arm. Brigitte presste sich dabei an ihren Gatten, um das nach außen hin zu unterstreichen und um sich selbst sicheren Halt zu geben. Dominik war fortan ihr Mann.
Am Eingangsportal der Kirche empfingen sie die wartenden Verwandten, Bekannten und Freunde mit einem Hagel aus Reiskörnern und Wolken von Konfetti. Die Treppe war durchweg mit aromatischen Lorbeerblättern bedeckt. Am Fuße der Treppe hatten die Arbeitskollegen von Brigitte einen Bildteppich aus Blüten gelegt. Als Motiv zeigte er ein Herz, in dessen Mitte zwei ineinander geschlungene Ringe dargestellt waren.
Brigitte wollte um diesen bezaubernden Blütenteppich herum gehen, um ihn nicht beim Betreten zu zerstören. Aber die Umstehenden riefen ihnen zu, sie müssten hindurchgehen, damit dieses Symbol auch wirklich Glück brächte. So hob Brigitte ihren ausladenden Rock an und schritt vorsichtig darüber. Auch Dominik setzte seine Füße nur zögerlich und behutsam in die Blüten und sprang eher darüber, als dass er plump hinein trat.
Als nächstes mussten sie gemeinsam einen kleinen Holzstamm durchsägen, den jemand als Barriere aufgebaut hatte. Danach war der Weg in die Ehe sinnbildlich frei und alle Hindernisse ausgeräumt. Die Gratulanten umringten das Brautpaar sofort, um mit Händeschütteln und Umarmungen ihre Glückwünsche zu überbringen. Für Brigitte erneut eine Tränen treibende, sentimentale Angelegenheit. Die, auf sie schnell hintereinander einstürmenden Empfindungen, konnte Brigitte nicht gebührend erwidern oder verarbeiten. Dominik nahm den Trubel gelassener hin. Er lachte und bedankte sich ohne nervös zu wirken bei jedem, der ihm die Hand schüttelte. Er erschien völlig ruhig bei den Gratulationen.
Brigittes Mutter weinte bei der Beglückwünschung hemmungslos. Ihr Vater wurde das „alles, alles Gute mein Kind“ kaum los, denn seine Stimme drohte ihm den Dienst zu versagen. Stattdessen schloss er seine Tochter liebevoll und ausgiebig in die Arme und drückte sie innig an sich.
Die Großmutter von Brigitte, die diese Hochzeit auch noch miterleben durfte, weinte für alle anderen, die sich in der Beherrschung hatten, mit. Sie drückte ihrer Enkelin so fest die Hände, dass es schmerzte. Auch ihre Umarmung war ungeahnt kräftig. Angesichts ihres hohen Alters eine erstaunliche Leistung. Sie wünschte den beiden unter starkem Schluchzen viel Glück und ermahnte Brigitte ausdrücklich, sie solle immer gut für ihren Mann sorgen, immer für ihn da sein und ihn niemals im Stich lassen.
Der Anblick, der teilweise vor Rührung weinenden Verwandten, hatte auch Brigitte schon längst wieder zu Tränenströmen hingerissen. Beim Empfang der guten und besten Zukunftswünsche nickte sie überwiegend nur. Ein „Danke“ oder ähnliches war sie unfähig zu sagen. In Brigittes Hals saß etwas, an dem jedes Wort stecken blieb.
Unter dem immer noch andauernden Regen aus Reis und Konfetti stieg das mit Hochleben- und Glückwünschen überschüttete Paar in die bereitstehende, weiße Hochzeitskutsche ein. Auch hier zeigte sich die Freizügigkeit Dominiks im Bezug auf seine Frau, die ihm explizit an diesem Tag eigen war. Es handelte sich präzise um eine solche Kutsche, wie sie sich Brigitte vorstellte. Mit allem Zubehör, wie sie es mit Dominik besprochen hatte.
Wie er Brigitte während der folgenden Fahrt erzählte, war Dominik lange unterwegs gewesen, um eine blütenweiße Kutsche, mit vier ebenfalls weißen Rössern aufzutreiben. Das Schmücken derselben und das Postillionslivree des Kutschers zu organisieren war dagegen unproblematisch. So fuhren sie winkend, von den stolzen Pferden gezogen, zu der anschließenden Hochzeitsfeier.
Die Angehörigen folgten der weißen Hochzeitskutsche in ihren Autos als Kolonne. Für die geladenen Gäste, die keinen eigenen Wagen besaßen, hatte Dominik einen Bus gemietet, der den Abschluss des Zuges bildete. So erreichte der Korso eine bemerkenswerte Länge und sorgte somit schon für Aufsehen. Dazu kam das Hupkonzert, das die entgegenkommenden Fahrzeuge als Glückwunsch und Gruß anstimmten und das das Gefolge gerne und ausgiebig erwiderte.
Das abgehaltene Fest übertraf das der Verlobung bei Weitem. Es wurde in einem vornehmen Restaurant gefeiert, mit pompösem kaltem und warmem Buffet, bei dem keine kostbare Leckerei fehlte. Im Eingangsbereich war eine Champagnerpyramide aufgebaut, so dass jeder eintreffende Gast mit einem Glas des edlen Getränks begrüßt wurde. Für die Tanzmusik engagierte Dominik eine Kapelle und zur Unterhaltung traten zusätzlich ein Illusionist sowie ein Komikerduo auf, deren Thema natürlich die Ehe war. Für das Wohlergehen und die Belustigung der Gäste war also gesorgt und alle Extras, die zu einer solchen Festivität gehören, waren vorhanden.
Gegen Mitternacht setzte sich das Hochzeitspaar allmählich von dem Trubel ab. Die Feier war zu dem Zeitpunkt noch voll im Gange, so dass Brigitte den Aufbruch, der von Dominik ausging, nicht verstand. Sie folgte aber als treue Ehefrau seiner Anweisung, als er sagte, sie solle zum Abschluss den Brautstrauß werfen, sie müssten sich nun von dem Fest trennen.
Sie winkten der Hochzeitsgesellschaft beim Verlassen des Saales zu, verabschiedeten sich von ihren Eltern und machten sich auf den Weg, von dem Brigitte nicht wusste, wohin er führte. Vor dem Restaurant wartete bereits ein Taxi, mit dem sie, wie es ihr vorkam, in Richtung Flughafen fuhren. Brigitte hatte vorher wirklich keine Ahnung und bohrte Dominik deshalb ununterbrochen mit Fragen, was es damit nun auf sich hätte. Daraufhin erst zeigte er ihr die Flugtickets und Brigitte erkannte die nächste Überraschung.
Die Reise führte nach Hawaii, was für die damaligen Verhältnisse ein Ziel war, von dem die meisten Menschen nur träumen konnten. Hawaii verkörperte den Südseetraum schlechthin und dort verbrachte jeder seinen Urlaub, der es sich leisten konnte. Davon gab es allerdings zu jener Zeit nicht viele Menschen. Auch Brigitte hätte vor ihrer Bekanntschaft mit Dominik nie daran geglaubt, einmal dort, auf der Paradiesinsel auszuspannen. Selbst als die Hochzeit sich abzeichnete wäre ihr als letztes in den Sinn gekommen, dass sie so bald eine derartige Reise unternehmen würde. Dass Brigitte schon ihre Flitterwochen dorthin führten, bedeutete für sie das größte und erstaunlichste Geschenk.
Das war eine der mannigfachen Überraschungen, die diese Hochzeit barg und gleichzeitig die schönste. Die Ausrichtung des Festes für Brigitte, nach ihren Vorstellungen, bedeutete die erste Verblüffung. Ihr eigentliches Hochzeitsgeschenk von Dominik erhielt sie auf der Feier vor den versammelten Gästen. Es handelte sich dabei um eine komplette Garnitur Schmuck aus Weißgold. Sie bestand aus einem Kollier, Ohrringen, Ring und Armkettchen. Jedes einzelne Teil gleichsam besetzt mit kleinen Diamanten.
Diese luxuriöse und extravagante Gabe sollte die Verehrung, Anerkennung und Liebe von Dominik gegenüber Brigitte ausdrücken. Etwas derart kostbares und schönes sah Brigitte bis dahin nur in Schaufenstern oder in Prospekten teurer Geschäfte an der Côte d´Azur. Noch nie aber, verständlicher Weise, an sich selbst.
Der nächste Schmuck, der ihren Geldsorgen zum Opfer fallen würde, wird wohl dieses Hochzeitsgeschenk sein.
Bis Dominik ihr im Taxi die Flugtickets zeigte, waren sie schon fast am Flughafen von Nizza angekommen. Nach Brigittes anfänglichem stummen Staunen, in dem sich zunächst ihr Frohsinn darüber ausdrückte, rief sie aufgeregt: „Aber Kleider, ich brauche doch Kleider!“
Ihre Garderobe befand sich jedoch bereits in Koffern verpackt im Gepäckraum des Taxis. Ebenso die Koffer von Dominik. Zusammen mit Brigittes Mutter, die in das Geheimnis eingeweiht war, bereitete es Dominik so vor. Das gesamte Vorhaben blieb bis zuletzt von Brigitte unbemerkt und garantierte so eine gelungene Überraschung.
Das Brautpaar verbrachte zwei sehr, sehr schöne und erholsame Flitterwochen auf der exotischen Insel. Sie badeten dabei in den warmen traumhaften Fluten des Meeres ebenso ausgiebig, wie in einer haushohen Woge der Glückseligkeit und Liebe. An den lauen Abenden gingen sie tanzen, machten Spaziergänge bis spät in die Nacht am Strand entlang, oder ließen sich einfach im Hotel verwöhnen. Das war mit eine der schönsten und harmonischsten Zeiten ihrer Ehe.
Zusätzlich bescherte Brigitte ihre Hochzeit mit Dominik, als Zugabe sozusagen sein Angebot, endlich bei der Versicherung zu kündigen. Sie arbeitete noch bis zu dem Tag, an dem sie Dominik die Hand fürs Leben reichte in ihrer alten Firma. Stattdessen wollte er von nun an, dass sie bei ihm als Sekretärin arbeitete und ihm das Büro zu Hause führte. Ansonsten brauchte Brigitte nebenbei nur noch Hausfrau zu sein, was zusammen mit einer Haushaltshilfe problemlos zu handhaben war.
Damit erklärte sich Brigitte sofort freudestrahlend und ohne lange Bedenkzeit einverstanden. Die Arbeit in dem Großraumbüro befriedigte sie längst nicht mehr. Ihre Motivation, morgens aufzustehen und zur Arbeit zu gehen, bewegte sich um den Nullpunkt. Insgeheim hoffte Brigitte auch darauf, dass Dominik sie aus dem nervenaufreibenden und eigentlich monotonen Alltag herausholte. Sie fragte sich schon, wie das zukünftig weiter gehen sollte, wenn Brigitte bereits in jungen Jahren keine Lust mehr auf das profane Arbeitsleben hatte.
Durch dieses Angebot kam Brigitte also aus dem Stressleben heraus zu einer Arbeit, bei der sie keinen Chef mehr als solchen hatte. Sie wurde dadurch freier, denn ihr Boss war fortan ihr eigener Ehemann. Und was gibt es schöneres, als den eigenen Mann, den man liebte, zum Vorgesetzten zu haben? Das bedeutete keine strengen Anweisungen mehr, keine unsinnigen Formalitäten und unterwürfige Gesten gegenüber einem anderen Menschen im Arbeitsalltag. Ohne Angst vor dem Chef lief alles doppelt so leicht von der Hand. Zudem macht die Arbeit alleine deswegen mehr Spaß, weil man sie für sich selbst erledigt.
Brigitte genoss also nach der Hochzeit ein Leben, nach dem sicherlich unzählige Mädchen und Ehefrauen in ihren geheimen, phantasievollen Träumen hungerten. Sie residierte mit ihrem Mann in einem großzügigen, eleganten Haus und sie waren geschäftlich ihre eigenen Chefs. Brigitte fürchtete keinerlei Geldprobleme. Für sie war nicht die Frage, wenn sie etwas sah das ihr gefiel: „Kann ich mir das leisten?“ Sondern eher: “Brauche ich das wirklich, oder steht es bald nur ungenutzt in einer Ecke herum?“ Brigitte konnte ihr Dasein mit Dominik in vollen Zügen auskosten.
Die Beiden schritten stets gemeinsam durch das angenehme Leben. Sie zeigten sich unzertrennlich und es schlich sich bei ihnen vorerst nicht, wie bei vielen anderen Paaren, ein Ehealltag ein, wo man gelegentlich gerne alleine war. Brigitte und Dominik lebten noch lange Jahre in dem Bungalow, den er von seinem Vater geerbt hatte und fühlten sich dort sehr wohl. Ihre Geschäfte gingen sehr gut und Brigitte arbeitete sich bestens in die neue Materie ein.
Zum zehnten Hochzeitstag hielt Dominik dann eine umwälzende Überraschung für seine Frau bereit. Er unterbreitete Brigitte den Vorschlag, den Wohnsitz zu verlegen und ein noch schöneres Haus zu kaufen. Dieses Vorhaben war umso erstaunlicher, weil Dominik sich ursprünglich nicht von seines Vaters Haus trennen wollte. Plötzlich war er dazu bereit es zu verkaufen, um ein anderes an anderer Stelle der Côte d´Azur zu erwerben. Ganz zufällig wüsste er gerade ein entsprechendes, sagte Dominik am Morgen ihres zehnten Jahrestags, als er Brigitte einen riesigen Rosenstrauß überreichte.
Gemeinsam fuhren sie noch am selben Tag mit dem Auto die Küstenstraße entlang nach Menton, um das Haus, das Dominik im Auge hatte, zu besichtigen. Das in Frage kommende Gebäude war um ein vielfaches prächtiger und stilvoller, als ihr bisheriges Heim. Brigitte benötigte keine lange Bedenkzeit. Noch bevor sie überhaupt alle Einzelheiten des Hauses gesehen hatte, erklärte sie sich mit dem Tausch einverstanden. Es wäre töricht gewesen das Angebot abzulehnen.
Das voraussichtlich neue Heim lag direkt am Meer. Das war der herausragenste Vorteil bei der Lage, im Gegensatz zu dem vorherigen. Auch das Haus in Menton lag außerhalb der Stadt und somit erholsam ruhig. Das Grundstück befand sich an der Landstraße, die von Menton nach Monte Carlo führte, ungefähr in halber Höhe der steil ansteigenden Küste. Durch die Einfahrt am Seitenstreifen der Küstenstraße, gelangte man auf das Anwesen. Eine Mauer und Sicherheitszäune begrenzten das Grundstück zur Straße hin, und ein schmiedeeisernes, elektrisch betriebenes Tor sicherte den Eingang.
Hinter dem zweistöckigen Bau befand sich ein terrassenförmig angelegter Garten. Danach führte eine, aus flachen Stufen bestehende, in den Fels gehauene Natursteintreppe, hinunter zum Strand. Dessen Ufer war feinsandig und als Bucht ausgeprägt. Somit schützte die von der Natur vorgegebene Struktur gegen neugierige Blicke. Dort unten konnte Brigitte sich alleine mit Dominik ungeniert sonnen und beim baden gehen würde man sie nur vom offenen Meer her sehen können. Es wäre ungeheuer bequem und vorteilhaft, wenn man seinen eigenen Strand hatte, dachte sich Brigitte gleich.
Die Wohnräume waren noch ausgedehnter als die im bisherigen Haus. Durch großflächige Fenster wurden sie hell und freundlich. Von allen Wohnräumen aus hatte man freien Meerblick und die Sonne strahlte ungehindert hinein. So lud nicht nur die Einrichtung, sondern auch die beruhigende Sicht zur Gemütlichkeit ein.
Im Erdgeschoß erstreckte sich ein gigantischer Salon über fast die gesamte Grundfläche des Hauses. Das waren immerhin knapp dreihundert Quadratmeter. Dieser Raum bildete sozusagen Wohn- und Esszimmer, mit der offenen Küche auf einer Seite, in einem.
Der Boden war im gesamten Erdgeschoß mit fein gemustertem Carrara-Marmor ausgelegt. Eine der Querseiten nahm ein, aus roten Ziegelsteinen errichtetes, brusthohes Mäuerchen ein, dessen Abschlussplatte ebenfalls aus Marmor bestand und die als Tresen diente. Dahinter erstreckte sich eine moderne Einbauküche, mit allen erdenklichen Küchengeräten, die teilweise unsichtbar in der Mauer des Tresens eingearbeitet waren. Die Arbeitsplatte und Ablageflächen der Küche bestanden aus dem gleichen Marmor wie der Boden und die Theke. Die Essecke mit hohem Tisch und hochlehnigen, viel verzierten Sitzmöbeln, passte genau in den Wintergarten daneben, in dem sich der Raum fortsetzte.
Auf der Längsseite, die zum Garten und anschließend auch zum Strand hin zeigte, beschloss eine einzige, große Doppelglasscheibe, wie im alten Haus den Raum. Jedoch viel moderner als dort. Denn diese musste man nicht mit Muskelkraft verschieben, sondern sie konnte durch einen Knopfdruck elektrisch betrieben, zur Seite gefahren werden. Die erste Terrasse danach war ebenso mit Marmor ausgestattet, wie der Innenraum. Bei geöffneter Front erkannte man so gut wie keinen Übergang zwischen Wohnraum und dem Freien. Nach dieser Ebene, die lediglich einige ausladenden Blumenkübel zierten, begannen die weiteren Terrassen des Gartens, bis die eigentliche Treppe zum Strand begann.
Der zweite Stock des Hauses, von der Eingangshalle aus über eine breite, geschwungene Treppe erreichbar, beherbergte das Schlaf- und die Gästezimmer, sowie zwei fürstliche Badezimmer. Alle Räume oben waren mittels einer Galerie verbunden und gleichfalls großzügig gestaltet. Die Einrichtung im ganzen Haus zeigte sich sehr exquisit.
Alleine die Räume im Kellergeschoß, die Dominik zum Büro ausbauen wollte, entsprachen nicht ihren Vorstellungen. Dadurch, dass diese ohnehin verändert werden mussten, war deren Zustand egal und kein Kriterium für den Kauf. Dort fehlte zur perfekten Ausstattung ein kleiner Fitnessraum mit angegliedertem Saunabereich. Dominik erachtete diesen Umbau als keine unzumutbare Maßnahme und sollte schnell erledigt sein.
In jenem Traumhaus, das inzwischen zum Alptraumschloss wurde, lebt Brigitte heute noch. Dieses ist auch, neben den Geldwerten, die Hauptstreitfrage in der Erbschaftsangelegenheit, weil es laut dem Testament nicht ihr gehören soll. Es macht Brigitte wütend, wenn sie nur daran denkt, dass diese Villa jemand zugesprochen bekam, von dem sie noch nie im Leben hörte.
Für die Großzügigkeit, die Dominik ihr bis zum abrupten, tragischen Ende ihrer Ehe entgegenbrachte, bedankte sich Brigitte durch sehr viel Anschmiegsamkeit und Liebe. Sie verwöhnte ihn wo und so gut es ihr möglich wurde. Brigitte bekundete ihm ihre Zuneigung und Dankbarkeit vom ersten Tag ihrer Ehe an täglich durch kleine Gesten und allerlei Anstrengungen. Wenn das alles auch in den letzten Jahren zunehmend oft nur vorgetäuscht war. Brigitte gab sich die größtmögliche Mühe, dass Dominik an ihre Liebe glaubte und keine Sekunde daran zweifeln brauchte.
Es entsprach schon der Wahrheit: Irgendwie war die frühere Liebe in den vergangenen Jahren mehr und mehr abgeklungen. Das anfängliche Feuer erlosch fast, denn es bekam keinerlei neues Brennmaterial. Für Brigitte war alles nur noch Gewohnheit gewesen. Gewohnheit an etwas so schönes wie den Luxus, die eigene Abgesichertheit und eben einen Ehemann. Der Tagesablauf vom Aufstehen bis zum Gute-Nacht-Kuss war Routine geworden, die vollautomatisch ablief. In diesen Ablauf waren ihr Verhalten und die Zärtlichkeiten zu Dominik mit inbegriffen. Brigitte wollte aber den Luxus und die Geborgenheit, die sie bei Dominik gefunden hatte, um keinen Preis der Welt missen.
Wie Brigitte in der näheren Vergangenheit fühlte, spürte Dominik ihrer Meinung nach nicht. Brigitte gab sich auch in ihrem Handeln und Auftreten ihm gegenüber jede Mühe, dass er nichts merkte. Enttäuschen wollte sie Dominik nicht, oder gar riskieren, dass er sie verlassen würde. Da spielte Brigitte lieber das Schauspiel der liebenden Gattin. Was sie auch zur vollen Zufriedenheit bis zum heutigen Tag beherrschte. Sie hatte ja etliche Jahre Zeit zum Erlernen dieser Rolle.
In der Zwischenzeit hat sich alles, was mit der nachlassenden Liebe in Zusammenhang stand, durch den Tod Dominiks von selbst erledigt. Die Probleme, die jetzt noch akut waren, würde Brigitte auch noch beiseite räumen. Sie ist optimistisch, dass alles gut werden wird.