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Anfangs dachte Terry nur im Spaß daran zu mogeln. Immerhin hatte sie so etwas noch nie getan.

Doch je länger sie darüber nachdachte, desto ernster wurde es ihr damit. „Würde ich denn eine solche Unverschämtheit überhaupt wagen?“, fragte sie sich.

Und die erschreckende Antwort lautete: Ja.

Sie stützte den Kopf auf die Hände und ließ ihr hellblondes Haar wie einen Vorhang ins Gesicht hängen, während sie ihren Mathematiklehrer Mr Raub hinter dem Pult anstarrte.

Mathe für Fortgeschrittene, wie war sie bloß auf diesen Wahnwitz verfallen?

„Noch mal zur Erinnerung“, sagte der Mathelehrer, ein blasser, magerer Mann mit Glatze und braunem Schnurrbart. „Für diejenigen, die den Matheleistungstest wiederholen wollen: Er findet am Samstag im Junior College in Waynesbridge statt. Eine gute Gelegenheit, eure Zensuren zu verbessern. Aber ich freue mich, dass die meisten von euch schon beim ersten Mal so gut abgeschnitten haben.“

Die Schulglocke läutete. Terry seufzte und packte ihre Bücher zusammen.

In Begleitung ihres Freundes Dan Mason und ihrer bes ten Freundin Jill Bancroft verließ sie das Klassenzimmer.

Jill warf ihr langes braunes Haar zurück und drehte sich zu Terry um. „Musst du denn den Test unbedingt noch mal machen?“, fragte sie voll Mitgefühl. „Deine Zensur war immerhin besser als meine, aber ich werde den Test bestimmt nicht wiederholen.“

„Du musst es ja auch nicht mit meinem Vater aushalten“, erwiderte Terry mutlos. „Er ist nun mal Richter von Beruf und das kann er auch zu Hause nicht ablegen.“

Terrys Vater war Richter beim Strafgericht von Shadyside. Sie war sehr stolz auf ihn, denn sie wusste, dass die Leute ihn bewunderten und dass er in der Stadt eine einflussreiche Persönlichkeit war. Terry gab sich alle Mühe, es ihrem Vater immer recht zu machen, aber einfach war das nicht gerade. Er hatte sehr hohe Maßstäbe und erwartete gerade von ihr, seinem einzigen Kind, sehr viel.

Früher war kaum ein Tag vergangen, an dem Terrys Vater ihr nicht versichert hatte, wie stolz er auf sie war. Aber das war vorbei. In letzter Zeit war irgendwie der Wurm drin.

Terry war eine sehr gute Schülerin, bis auf Mathematik; das war ihr schwächstes Fach. Vor ein paar Monaten fing es dann an. Sie konnte sich noch genau an den Tag erinnern. Das Ergebnis ihres Mathetests war gerade mit der Post gekommen. Richter Phillips schaute ihr neugierig über die Schulter, während sie gespannt den Umschlag öffnete.

Das Resultat lautete: 570 Punkte. „Nicht schlecht“, dachte sie äußerst zufrieden. „Für Mathe wirklich nicht schlecht …“

Sie drehte sich um und wollte ihrem Vater das Ergebnis zeigen, aber er hatte es wohl schon gesehen. Und sein Gesichtsausdruck zeigte ihr deutlich, dass sie falsch lag: 570 Punkte waren für ihn ganz offensichtlich kein gutes Ergebnis.

Stirnrunzelnd verschränkte der Richter die Arme und sagte: „Tja, Terry, ich schätze, du wirst den Test wiederholen müssen. Mit einer solchen Mathematiknote wird es nichts mit Princeton.“ Damit drehte er sich um und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück.

Terry rutschte das Herz in die Hose. Bis jetzt hatte sie ihren Vater noch nie enttäuscht. Sie gewann Tennisturniere und Schulpreise und wurde alljährlich für ihre guten Zensuren ausgezeichnet – aber diesmal hatte sie versagt.

Ihr Vater hatte das Princeton College absolviert, eine der besten Universitäten des Landes, und, solange sie denken konnte, immer davon gesprochen, auch Terry dorthin zu schicken. Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, ob sie selbst das überhaupt wollte, denn in ihrer Familie galt das immer als selbstverständlich.

Jetzt aber schien ein Hindernis aufzutauchen – Mathe für Fortgeschrittene. Eine einzige kleine Note würde schuld daran sein, dass es ihr nicht gelang, den Traum ihres Vaters zu erfüllen.

Was für eine Ungerechtigkeit!

Terry hatte doch wirklich ihr Bestes gegeben. Aber diesmal war eben das Beste nicht gut genug gewesen.

Kaum hatte Terrys Vater die Tür seines Arbeitszimmers geschlossen, trat ihre Mutter ins Wohnzimmer. Terry stand immer noch bewegungslos an derselben Stelle, mit hängendem Kopf und dem Testergebnis in der Hand.

Doch Mrs Phillips fragte noch nicht einmal, wie der Test ausgefallen war. Sie warf nur einen flüchtigen Blick auf die verschlossene Tür des Arbeitszimmers und sagte dann: „Liebes, ich muss zu meiner Wohltätigkeitsversammlung. Ich bin spät dran. Sag deinem Vater bitte, dass ich gegen sechs zurück sein werde, ja?“ Sie gab Terry einen Kuss auf die Stirn und eilte zur Tür hinaus, sodass Terry nur noch ihr Schmuckgeklimper hörte.

Terry starrte ihr geistesabwesend hinterher. Ihr wurde klar, dass sie den Mathetest noch einmal machen musste. Und das hieß lernen, lernen, lernen, ob es ihr nun passte oder nicht.

Dabei wusste sie im Grunde ganz genau, dass es nichts nützte. Nie würde sie das erforderliche Resultat erreichen, nie im Leben!

Dan legte Terry den Arm um die Schulter, während sie durch die Schulhalle gingen. „Es wird schon nicht so schlimm werden, Terry“, tröstete er sie. „Die paar Stunden am Samstag schaffst du schon und dann hast du’s ein für alle Mal hinter dir.“

Terry blickte zu ihrem hochgewachsenen, gut aussehenden Freund auf und versuchte zu lächeln.

„Es macht mir nichts aus, den Test zu wiederholen – nicht allzu viel jedenfalls“, sagte sie. „Das ist nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr, dass Papa von mir ein Ergebnis von mindestens 700 Punkten erwartet – und das schaffe ich nie. Das weiß ich. Ich habe schon beim ersten Mal gelernt wie verrückt. Und jetzt strenge ich mich auch wieder an, so gut ich nur kann, aber es ist hoffnungslos! Man muss schon ein Genie sein, wenn man 700 Punkte kriegen will – und ich bin nun mal kein Mathegenie.“

Dan seufzte. Terry wusste, dass ihm das Thema nicht behagte. Er war ein Ass in Mathe und hatte im Test 720 Punkte gemacht. Aber er war ein anständiger Kerl und es tat ihm leid, Terry so traurig zu sehen. Deshalb wechselte er lieber das Thema, damit sie auf andere Gedanken kam.

„Weißt du was, ein Milchshake wird dir jetzt guttun. Ich lade dich ein. Lass uns rübergehen zur Ecke.“ Er drehte sich zu Jill um und fragte: „Hey, kommst du auch mit?“

Jill schüttelte den Kopf. „Nein, ich kann nicht. Ich muss zum Fotoklub. Kopf hoch, Terry. Bis später dann.“

„Tschüss, Jill.“

Jetzt, wo Jill weg war, schmiegte sich Terry an Dans Schulter und sie verließen das Schulgebäude. Draußen war es windig und schwül, ungewöhnlich warm für einen Märztag.

Die Ecke lag ein paar Häuserblocks entfernt. Es war ein Café, in dem sich hauptsächlich die jungen Leute aus dem oberen Shadyside trafen. Das Café war voll, es gab keinen freien Tisch mehr. Dan und Terry mussten sich deshalb mit einem Platz an der Theke begnügen und bestellten Schokoladenmilchshakes.

Dan griff nach einer Autozeitschrift, die dort herumlag. „Irgendein Autofan muss sie liegen gelassen haben“, sagte er und begann, in dem Heft zu blättern. Bei einer Werbeanzeige für Luxusautos verweilte er und fragte Terry: „Wenn du dir eins dieser Autos aussuchen dürftest, welches würdest du nehmen?“

Dieses Spiel machten sie öfter. Sie fuhren zum Beispiel gern im feinen Stadtteil North Hills herum und suchten sich ihr Traumhaus aus. Oder sie sahen sich eine Zeitschrift an und überlegten, welche Kleidungsstücke sie sich aussuchen würden, welche der Fotomodelle ihnen am besten gefielen oder auf welche Insel sie fahren würden, wenn sie die Wahl hätten.

Terry hatte jetzt eigentlich gar keine Lust auf dieses Spiel, aber sie schaute sich gehorsam die Autos an und zeigte dann auf einen blauen Jaguar.

„Ich glaube, ich würde mir den BMW aussuchen“, sagte Dan.

Terry interessierte sich nicht für den BMW. Stattdessen beobachtete sie geistesabwesend die Kellner und Kellnerinnen beim Schichtwechsel. Adam Messner, der mit ihnen im selben Mathekurs war, nahm gerade eine Schürze vom Haken und band sie sich um seine schmale Taille. Dann begann er seine Arbeit hinter der Theke.

Dan hatte seine Hand auf ihre gelegt. Sie drehte sich zu ihm um und schaute in sein hübsches Gesicht mit dem sorglosen Lächeln und den freundlichen grünen Augen. Guter alter Dan. Immer war er für sie da.

Er musterte sie nachdenklich. „Machst du dir immer noch Gedanken um deinen Test?“, fragte er.

Sie nickte. „Zu Hause ist zurzeit richtig dicke Luft“, sagte sie. „Du kennst ja meinen Vater und weißt, dass er immer viel um die Ohren hat. Aber im Fall Austin sind ihm jetzt ständig die Reporter auf den Fersen. Da ist seine Laune einfach unerträglich, wenn er nach der Arbeit nach Hause kommt.“

Jeder in Shadyside wusste über den Fall Austin Bescheid. Henry Austin, ein berüchtigter Bandenführer, war wegen Mordes verhaftet worden. Die Presse war jetzt wie wild hinter der Geschichte her und Richter Phillips war für den Fall zuständig. Aber er hasste diesen ganzen Medienrummel.

„Mama ist da auch keine Hilfe“, erzählte Terry weiter. „Wenn sie von ihren Wohltätigkeitsbällen und sonstigen Versammlungen redet, wird Papa noch gereizter. Sie lebt in ihrer eigenen Welt und die gespannte Atmosphäre bei uns zu Hause ignoriert sie einfach.“

Terry blickte flüchtig zu Dan auf. Er nickte und drückte verständnisvoll ihre Hand.

„Und dann komme ich noch mit meinem dummen Matheproblem daher. Dan, es ist einfach völlig unmöglich, dass ich in diesem Test auf 700 Punkte komme. Letzte Woche habe ich einen Übungstest gemacht und dabei nur 600 geschafft. Papa wird aus der Haut fahren, wenn ich bei der Prüfung nicht besser abschneide.“

Sie seufzte und senkte den Kopf, sodass ihr das Haar ins Gesicht fiel. „Das wäre was, wenn ich mir am Samstag einfach dein Gehirn ausleihen könnte, nur für den einen Tag …“

Plötzlich hielt sie inne. Sie klemmte sich das Haar hinter die Ohren und blickte Dan direkt ins Gesicht.

„Hey“, sagte sie lachend. „Du schaffst doch mit Leichtigkeit 700 Punkte. Vielleicht könntest du ja den Test für mich machen! Ich meine, Terry könnte doch genauso gut ein Jungenname sein …“

Ihre Stimme stockte, als sie Dans Gesichtsausdruck sah. Sein Lächeln verschwand und er runzelte die Stirn.

Terry fühlte, wie ihr die Schamröte ins Gesicht stieg. Wie konnte sie so etwas nur sagen!

„He, komm schon, Dan, ich hab doch bloß Spaß gemacht“, sagte sie und versuchte, ihre Verlegenheit zu überspielen. Sie stupste ihn in die Rippen und tat so, als sei sie beleidigt, weil er sie ernst genommen hatte.

Seine Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. „Schon gut, ich hab ja gewusst, dass du nur Spaß machst“, sagte er nervös.

Terry tat so, als glaubte sie ihm.

Dan schlürfte sein Glas leer und schaute auf die Uhr. „Ich muss gehen“, sagte er. „Meine Mutter hat mich gebeten, sie beim Tennisklub abzuholen. Soll ich dich heimfahren?“

„Nein danke“, sagte Terry. „Ich bin mit Jill im Einkaufszentrum verabredet.“

Dan stand auf und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Sorg dich nicht um den Test. Ich weiß, dass du’s schaffst.“

Sie lächelte ihn an. „Bestimmt“, sagte sie. „Bis morgen dann.“

Er küsste sie noch einmal, dann wandte er sich um und verließ das Café.

Sie schaute ihm nach, wie er zur Tür hinausging. Dann starrte sie nachdenklich auf die Theke und nippte an ihrem Milchshake.

Dan war wirklich klasse – irgendwie. Er war so offen und ehrlich. Das gefiel ihr an ihm, aber gleichzeitig ärgerte sie sich darüber.

Terry war im Grunde auch ein guter Mensch. Aber manchmal verspürte sie den Drang, etwas Unrechtes zu tun, nur ein kleines bisschen zumindest. Aber Dan hielt sie jedes Mal davon ab und überredete sie, vernünftig und ehrlich zu bleiben. Dann bekam sie ein schlechtes Gewissen, dass sie überhaupt an so etwas gedacht hatte, was immer es auch war.

Sie schob ihr Glas beiseite und schaute auf. Adam Messner lächelte sie über die Theke hinweg an.

Ob er schon lange da stand und sie beobachtete?

Terry rutschte nervös auf ihrem Sitz hin und her. Dieses Lächeln – da steckte doch etwas dahinter! Hatte er gehört, was sie zu Dan gesagt hatte? Hatte er gelauscht?

Adam beugte sich langsam über die Theke zu ihr herüber und kam ganz dicht heran. „Ich mach’s“, flüsterte er.

Sie erschrak und wich zurück. „Was meinst du? Was willst du machen?“ Dabei wusste sie genau, was er meinte.

„Den Test“, sagte er. „Ich mach ihn für dich.“

Sie musterte ihn sorgfältig – sein hageres Gesicht mit den dunklen Augen, sein schulterlanges schwarzes Haar. Sein Lächeln war verschwunden. Er meinte es ernst.

Terry mochte Adam nicht besonders. Er wohnte in einem schäbigen Haus in der Fear Street und trieb sich mit einer ungehobelten Bande herum. Aber in Mathe war er spitze, das wusste sie.

„Trotzdem, ich tu es besser nicht“, dachte sie bei sich. „Es gehört sich nicht.“

Aber schon während sie das noch dachte, wusste sie, dass sie es im Grunde doch wagen wollte. Sie musste an ihren Vater denken und stellte sich sein enttäuschtes Gesicht vor, wenn sein Blick auf ihr neues Testergebnis fiele. Kein bisschen besser als das erste würde es sein, vielleicht sogar noch schlechter.

„Nein“, dachte sie. „Ich muss auf 700 Punkte kommen. Ich mach’s.

Ich werde betrügen.“

Sie nickte Adam zu. Und sie wusste, dass er verstand.

„Warum machst du das für mich?“, flüsterte sie.

„Sagen wir mal so“, sagte er und kam so nah heran, dass seine Lippen fast ihr Ohr berührten. „Ich hab etwas, was du willst – und du hast etwas, was ich will.“

Fear Street 40 - Prüfungsangst

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