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Der Keuschheitsgürtel
ОглавлениеEine der interessantesten und sonderbarsten Sitten, die die Hörigkeit des Weibes etwa um das 14. und selbst noch 15. Jahrhundert dokumentieren, ist dieser phantastische Gürtel, den die Frauen in Abwesenheit der Männer tragen mußten, um eheliche Untreue zu verhindern.
So lächerlich und brutal uns diese Einrichtung auch erscheint, so ist zweierlei zu bedenken: Erstens die teilweise sehr freie Sittenauffassung — beispielsweise in Italien, wovon uns Boccaccio genügend saftige Proben liefert. Zweitens die Tatsache, daß damals die Männer sehr oft durch Fehden Jahre hindurch von ihren Frauen fern gehalten wurden. In den Kreuzzügen kam es vor, daß Ritter erst nach zehnjähriger Abwesenheit nach Hause zurückkehrten. Viele unternahmen freiwillige Pilgerfahrten nach dem Heiligen Grabe. Aber auch bei den üblichen Fehden und Kleinkriegen jener Zeiten gerieten die Männer oft in Gefangenschaft, und wir haben Beweise, daß solche Einkerkerungen viele Jahre währten.
„Die Keuschheitsgurte,“ schreibt Dr. Franz M. Feldhaus in seinem Buch „Polizei und Technik“, „bestehen aus einem festen, meist metallenen Leibgurt, an den sich ein oder zwei Bügel so ansetzen, daß sie zwischen den Beinen hindurchgehen. Die metallenen Gurte sind gepolstert und schließen sich fest an den Leib an. Ein Sicherheitsschloß hindert die Trägerin, den Gurt abzunehmen. Hinten haben die Gurte eine große und vorn eine siebartige Öffnung, damit die Trägerin bald diese, bald jene Notdurft verrichten kann.“
Daß es ein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit ist, einer Frau einen solchen Gurt anzulegen, ist selbstverständlich. Man erzählt, die wohlgesitteten, europäischen Ritter hätten diese barbarische Sitte während der Kreuzzüge im heidnischen Orient kennen gelernt ... Wahrscheinlicher ist die Nachricht, daß der verworfene Francesco Carrara, der letzte Tyrann von Padua, diese Gurte um das Jahr 1395 erfand. Florentiner Handwerker müssen solche Gurte damals angefertigt haben. Denn der Deutsche Konrad Keyser von Eichstädt erwähnt im Jahre 1405 derartige Gürtel florentinischer Frauen. Er sagt: „Dies ist ein harteisener Gürtel florentinischer Frauen, der vorn so geschlossen wird.“ Der Autor setzt Zweifel in den allgemeinen Gebrauch dieser Gürtel und nimmt an, daß es sich um Raritäten gehandelt hat. Er ist der Ansicht, daß kaum ein Mann seiner Frau ein solches Maß von Unsauberkeit zugemutet hätte.
Dem ist freilich entgegenzuhalten, daß die Sauberkeit damals anders aufgefaßt wurde als heute. Im Übrigen war der Gebrauch von Bädern, auch Unterleibsbädern, damals auf einer Höhe, die man z. B. den Damen des vierzehnten Ludwig von Frankreich gewünscht hätte. Darüber hinaus war man in solchen Dingen nicht allzu empfindlich, und die Stellung der Burgfrau war keine derartige, daß man besondere Rücksichten der Ritter voraussetzen dürfte.
Ob freilich in Deutschland die Sitte des Keuschheitsgürtels sehr verbreitet war, darf man bezweifeln. Aber in Italien war der Gürtel bestimmt vielfach in Gebrauch. Die Italiener haben sich in ihrer maßlosen Eifersucht ganz andere Dinge noch geleistet. Und vielleicht durfte manche Frau froh sein, mit solch einem Gürtel und mit der Unverletzbarkeit desselben dem heimkehrenden Gatten einen Beweis ihrer ehelichen Treue bieten zu können. Denunziationen waren damals an der Tagesordnung, und bei dem Recht über Leibes-, ja Lebensstrafen, das der Mann oft genug gegen die Frau besaß, schwebte diese immer in Gefahr, ganz unschuldig verdächtigt und gerichtet zu werden. Daß aber Deutschland den Keuschheitsgürtel gekannt hat, beweist eine Stelle in Johann Fischarts Dichtungen, der (etwa 1575) spöttisch bemerkt, „gegen Weiberlist helfe auch kein Panzerfleck mit Mahlschlossen“. Und noch um das Jahr 1600 wurde eine vornehme österreichische Edelfrau sogar mit einem solchen Gurt bestattet — ein Beweis, daß diese Sicherung gegen Untreue nicht etwa geheim gehalten wurde, sondern auch die Öffentlichkeit nicht scheute. Der Hingang einer vornehmen Frau in jenen Zeiten war ein großes Ereignis, und es gab immer viele weibliche Zeugen bei der Zurichtung der Leiche.
Blainville, der 1707 dem Grafen von Verona einen Besuch machte, sah mit eigenen Augen einen solchen „Venusgurt“. Er schreibt darüber: „Ich war so frei, zu sagen, daß nur ein unbesonnener eifersüchtiger Tor eine solche Maschine erfinden könnte. Denn zehn für einmal würde er dadurch nur zum Narren, weil Frauen viel zu erfahren wären, um sich von ihren Männern auf diese Weise betreuen zu lassen, wenn sie lange eingeschlossen lebten.“ Der Graf erwiderte seinem Gast, das sähe er wohl ein, aber die Ehemänner in Italien verschafften sich durch solche Gurte immerhin eine gewisse Beruhigung. Sie glaubten fest daran, daß diese kleine Vorsicht gut wäre, um ein Anwachsen der Hörner (natürlich nicht beim Weibe, sondern beim Manne) zu verhindern.
Blainville konnte sich nicht beruhigen, daß Eifersucht solche Marterwerkzeuge hervorrufen konnte. Er bezweifelte nach wie vor, daß „Venusgurten“ und selbst bewaffnete Wächter die Männer vor bösen Streichen ihrer Frauen hüten könnten, und er fand diese Gurte recht geeignet, überhaupt erst den Gedanken in der Frau zu nähren, wie sie am besten trotz des Gurtes und mit dem Gurt ihrem Manne einen Streich spielen konnte.
An diesen Ausführungen — und überhaupt an vielen Geschichten jener Zeit, die sich mit Vorliebe mit der ehelichen Treue befassen — nimmt weniger die Ansicht Blainvilles über den Wert des Venusgürtels unser Interesse in Anspruch, als die Tatsache, daß der vielerfahrene Reisende die eheliche Untreue als eine kaum zu umgehende Tatsache betont. In der Tat wimmeln die Erzählungen der italienischen Autoren jener Zeit, des Stravanarola, Crébillon, Grapputo und anderer, von Ehebrüchen junger Frauen, und die Schriftsteller werden nicht müde, aufzuzählen, welche Listen die Frauen angewandt haben, um die Wachsamkeit ihrer Männer zu täuschen. Gewöhnlich lauten die Überschriften etwa so: Faustina wird dem alten Gherardo zur Frau gegeben. Sie verliebt sich in einen Jüngling, liegt bei ihm und wird von ihm geschwängert. Gherardo findet sie schließlich im Bett mit ihrem Buhlen und will beide töten ..... (Francesco Grapputo).
Oder: Der auf seine Frau eifersüchtige Gianni wird von ihr durch seine eigene Schuld gehörnt (Thomas Costo) oder (derselbe Autor): Dionigi, der auf seine Frau eifersüchtig ist, verleitet, weil er übermäßig neugierig ist, zu wissen, ob sie ihm Hörner aufsetzen würde, die Frau dazu, es auch zu tun .....
Die Autoren bieten ihren ganzen Witz auf, um die Ehemänner lächerlich zu machen, und nichts bereitet ihnen größeres Vergnügen, als zu berichten, wie die Frau das angestellt hat. Man darf also bei der Beurteilung des Keuschheitsgürtels nicht vergessen, die Zeit zu beurteilen, die ihn hervorgebracht hat.
Es gibt aber kein Zeitalter, das nicht töricht genug wäre, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Vor einigen Wochen, im Jahre 1931, wurde in Österreich ein Bauer verhaftet, der seine drei Töchter seit Jahren eingesperrt gehalten hatte, „damit sie ihre Keuschheit nicht verlieren könnten“. Es bedurfte eines ganzen Aufgebots von Gendarmen, den Vater zu bändigen, der sich in vollem Rechte glaubte und der Meinung war, daß er Herr über die Keuschheit seiner Töchter sei. Und 1910 verübte in Paris der Apotheker Parat Selbstmord, als die Öffentlichkeit erfuhr, daß er seine Frau seit Jahren in Ketten gefangen gehalten hatte, um ihrer Treue sicher zu sein. Noch mehr, dieser ehrenwerte Mann hatte der Gefangenen einen Keuschheitsgürtel umgelegt, und er hatte dieses Instrument nicht etwa aus einem Museum entwendet: Nein, er hatte es in Paris gekauft, Anfang des XX. Jahrhunderts, und es wurde bei dieser Gelegenheit festgestellt, daß in Frankreich noch in der neuesten Zeit, als schon die Trompeten der neuen Amazonenkorps schmetterten, die der Frau die Befreiung bringen wollten, solche Gürtel gehandelt wurden. Das Patentamt löschte 1903 in Deutschland ein Gebrauchsmuster (D. & G. M. Nr. 204538), durch das die Erfinderin — es war ein richtiger Keuschheitsgürtel — die Männer gegen eheliche Untreue zu schützen versprach.