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GRÜSSE AUS PARIS

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Sir Ranald Rideout, der zuständige Minister, war nicht gerade erfreut darüber, dass man ihn urplötzlich von einer ausklingenden Abendgesellschaft wegholte, die eine österreichische Prinzessin gab, in deren gesellschaftliche Kreise er schon seit Jahren hatte vordringen wollen. Die telefonische Botschaft betonte das Ausmaß der Angelegenheit, die seine Aufmerksamkeit erforderte, ohne Hinweise darauf zu geben, worum es sich handelte. Der Untergebene, mit dem er sprach, hatte aufgelegt, bevor Sir Ranald Gelegenheit hatte, angesichts der Ungehörigkeit zu protestieren, dass er zu den Vereinbarungen für dieses Treffen oder diese Konferenz oder was auch immer es war nichts zu sagen hatte. Er sollte sich also in den Büros von Transworld Consortium, also dem Hauptquartier des Secret Service, einfinden? Demnach steckte dieser verwirrte alte Admiral, der für seinen sturen Widerstand gegen politische Führung berüchtigt war, in Schwierigkeiten. Den Burschen hätte man schon längst absägen sollen. Als Sir Ranald zu absolut ungehöriger Stunde um zwanzig nach eins die Treppe in dem großen grauen Gebäude hinaufstapfte, das über dem Regent’s Park aufragte, war er mehr als nur ein wenig verärgert. Er war ein flinker kleiner Bursche von sechzig Jahren und in bester körperlicher Verfassung. Diese war nicht das Ergebnis irgendeiner Selbstdisziplin, sondern der Gleichgültigkeit gegenüber dem Essen und Trinken, das so oft zum Leben der Mächtigen gehörte.

Die Tatsachen wurden ihm ohne Umschweife präsentiert. Er starrte mit gereizter Ungläubigkeit in die Gesichter der Personen, die rund um den abgenutzten Eichenholztisch saßen: der Ministerialrat seines Ministeriums, der stellvertretende Commissioner Vallance von Scotland Yard, dieser Tanner, in dessen Büro sie saßen und dessen Bedeutungslosigkeit sich schon allein am Zustand seines Mobiliars zeigte, der Spion namens Bond, der für dieses Durcheinander verantwortlich zu sein schien, und ein paar Polizisten aus Windsor.

»Also wirklich, meine Herren.« Sir Ranald blies die Backen auf und stieß die Luft langsam und geräuschvoll wieder aus. »Eine schöne Bescherung, das muss ich schon sagen. Damit werden wir uns an den Premierminister wenden müssen. Ich hoffe, das ist Ihnen klar.«

»Schön, dass Sie uns zustimmen«, erwiderte Tanner in gemäßigtem Ton. »Aber wie Sie wissen, ist der Premierminister heute – nein, gestern – nach Washington geflogen. Von dort aus kann er in dieser Angelegenheit nichts unternehmen, und ich bezweifle, dass er in der Lage sein wird, seinen Aufenthalt zu verkürzen. Also sieht es so aus, als müssten wir uns selbst darum kümmern.«

»Natürlich müssen wir das.« Dieses Mal schnaubte Sir Ranald nachdrücklich. »Natürlich müssen wir das. Die Frage ist, wo fangen wir an? Wo greifen wir ein? Sie scheinen nichts zu haben, das man als Spur bezeichnen könnte. Sehr ungewöhnlich. Nehmen Sie zum Beispiel diesen Mann, der erschossen aufgefunden wurde. Nicht der Bedienstete, der Gangster oder was immer er war. Alles, was Sie über ihn zu wissen scheinen, ist, dass er den Tod durch eine Kugel fand, die seinen Schädel zertrümmerte. Sehr hilfreich. Ist das wirklich alles, was man darüber sagen kann? Man hat doch sicher irgendeinen Hinweis bei ihm gefunden, oder?«

Inspector Crawford ergriff sofort das Wort, und Sir Ranald runzelte leicht die Stirn. Man sollte doch wohl erwarten, dass sich der unwichtigste Mann im Raum zuerst vergewisserte, dass niemand der vergleichsweise höhergestellten Anwesenden antworten wollte, bevor er sich in den Vordergrund drängte. Zumindest hätte man das wohl einst erwarten können.

»Seltsamerweise gab es tatsächlich einige Habseligkeiten, Sir«, erklärte der Inspector. Er nickte in Richtung des kleinen Haufens aus diversen Gegenständen, die Vallance hin und her drehte. »Aber sie verraten uns nicht viel. Außer …«

»Verraten Sie uns irgendetwas über die Identität des Mannes?«

»Meiner Meinung nach nicht, Sir.«

Vallance, der auch zu dieser frühen Stunde so adrett wie immer gekleidet war, warf Crawford einen Blick zu und schüttelte ebenfalls den Kopf.

»Darf ich dann so frei sein und meine Frage erneut stellen? Wer war er? Stellvertretender Commissioner?«

»Unsere Fingerabdruckdaten werden in diesem Moment durchsucht, Sir Ranald«, versicherte Vallance und schaute dem Minister direkt ins Gesicht. »Und natürlich ist es vorstellbar, dass dieser Bursche darin vermerkt ist. Wir überprüfen auch die Daten im Ausland mithilfe von Interpol und so weiter, aber es wird mindestens ein paar Tage dauern, bis alle Ergebnisse vorliegen. Und ich habe den starken Verdacht, dass wir dadurch nichts Brauchbares erfahren werden. So wie ich das sehe, beweist allein die Tatsache, dass er zurückgelassen wurde, dass uns das Wissen um seine Identität nicht weiterhelfen wird.«

»Ich stimme Vallance zu«, sagte Tanner. »Wir sind in genau der gleichen Situation und ich bin mir sicher, dass wir die gleichen Ergebnisse erhalten werden oder auch gar keine. Nein, Sir – dieser Bursche wird sich als einer dieser vergleichsweise neuen internationalen Verbrechertypen erweisen, die im Bereich der Sabotage und des Terrorismus in beunruhigend großer Zahl aufgetaucht sind. Leute ohne nachvollziehbare Vergangenheit, vermutlich weiße Afrikaner mit einem Groll, abtrünnige Amerikaner – aber das sind alles nur Mutmaßungen, weil sie wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen. Die Kollegen in unserem Archiv nennen sie die Männer aus dem Nirgendwo. Eine ziemlich alberne Groschenromanbezeichnung, aber sie beschreibt sie sehr treffend. Ich will damit sagen, Sir, dass der Versuch, herauszufinden, wer dieser Kerl war, Zeitverschwendung ist, weil er in gewisser Weise niemand war.«

»Das sind doch nur Spekulationen, oder, Tanner?«, hakte Sir Ranald nach. Kleine Lachfältchen umspielten seine Augen, während er sprach, um zu zeigen, dass er in dieser Angelegenheit noch nicht persönlich wurde. »Sie raten einfach nur. Sie würden es sicher als wohlbegründete Vermutungen bezeichnen, aber das ist Ansichtssache. Ich fürchte, ich wurde dazu ausgebildet, alles sorgfältig, unvoreingenommen und gründlich zu beobachten, bevor ich mich an die Formulierung einer Theorie heranwage. Also … Bond«, im Gesicht des Ministers flackerte ein kurzer Ausdruck des Missfallens auf, während er fortfuhr, als fände er den Namen in irgendeiner Weise unschön, »Sie haben diesen Mann getroffen, als er noch lebte. Welche hilfreichen Informationen können Sie uns über ihn mitteilen?«

»So gut wie nichts, Sir, fürchte ich. Er wirkte vollkommen gewöhnlich, abgesehen von seinem Geschick im unbewaffneten Nahkampf, aber diese Fähigkeit könnte er überall auf der Welt erlernt haben. Also …«

»Was ist mit seiner Stimme? Irgendetwas Auffälliges?«

Bond war völlig ausgelaugt. Sein Kopf pochte, und er hatte einen metallischen Geschmack im Mund. Die Teile seines Körpers, die der Tote bearbeitet hatte, schmerzten. Das Schinkensandwich und der Kaffee, die er sich beide schnell in der Kantine besorgt hatte, waren längst vergessen. Doch trotzdem hätte er nie die Antwort gegeben, die er nun gab, wenn ihn die überhebliche Art des Politikers in Anwesenheit von Männern, die zwanzig Mal so viel Wert waren wie er, nicht so angewidert hätte.

»Nun ja, er sprach Englisch«, erwiderte Bond. »Und meiner Meinung nach war auch seine Grammatik korrekt. Ich habe natürlich sorgfältig auf Hinweise eines russischen, albanischen oder chinesischen Akzents geachtet, aber ich konnte keine feststellen. Allerdings hat er in meiner Anwesenheit nicht mehr als zwanzig Worte gesprochen, was möglicherweise zu wenig ist, um zu einer sicheren Schlussfolgerung zu gelangen.«

Am anderen Ende des Tischs kämpfte Vallance mit einem leichten Hustenanfall.

Sir Ranald wirkte nicht im Geringsten verärgert. Er blickte einmal kurz zu Vallance und sprach in mildem Tonfall mit Bond. »Ja, Sie waren nicht sehr lange in dem Haus, nicht wahr? Sie waren darauf bedacht, dort herauszukommen. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Flucht. Sie hätten es zweifellos als lächerlich altmodisch betrachtet, dortzubleiben und zu kämpfen, um Ihren Vorgesetzten vor dem wie auch immer gearteten Schicksal zu bewahren, das ihm drohte.«

Der Ministerialrat wandte sich abrupt ab und starrte in eine leere Ecke des Raums. Inspector Crawford, der Bond gegenübersaß, lief rot an und scharrte mit den Füßen.

»Mr Bond bewies großen Mut und erstaunlichen Einsatz, Sir«, sagte er laut. »Ich habe noch nie von jemandem gehört, der in der Lage gewesen wäre, eigenhändig und unbewaffnet vier fähige Männer zu überwältigen, ganz zu schweigen davon, dass er unter dem Einfluss einer Droge stand, die ihn wenige Minuten später außer Gefecht setzte. Wenn Mr Bond nicht entkommen wäre, wäre der Plan unserer Feinde vollständig aufgegangen. Nun müssen sie ihn an die Umstände anpassen und möglicherweise ist er sogar längst gescheitert.«

»Möglicherweise.« Sir Ranald wedelte mit der Hand in der Luft herum. Mit einer weiteren Grimasse des Missfallens wandte er sich an seinen Ministerialrat. »Bushnell, öffnen Sie bitte ein Fenster. Mit drei Kettenrauchern hier drinnen kann man nicht atmen.«

Während der Ministerialrat der Aufforderung eilig nachkam, verbarg Bond ein Grinsen bei der Erinnerung daran, dass er irgendwo gelesen hatte, eine Abneigung gegen Tabak sei ein häufiges Symptom für eine psychopathische Störung, an der unter anderen auch Hitler gelitten hatte.

Sir Ranald rieb sich eifrig die Hände, als hätte er eine wichtige Argumentation gewonnen, und fuhr hastig fort. »Nun denn, da wäre noch eine Sache, die mich stört. Es scheint keinerlei Wachposten oder Sicherheitspersonal in Sir Miles’ Wohnhaus gegeben zu haben. War das normal oder ist diesbezüglich jemandem ein Fehler unterlaufen?«

»Das war normal, Sir«, antwortete Tanner, der nun seinerseits rot anlief. »Wir befinden uns in Friedenszeiten. Was dort passierte, ist noch nie vorgekommen.«

»Allerdings. Sie stimmen vielleicht mit mir darin überein, dass man sich besonders gegen das noch nie Vorgekommene schützen muss?«

»Ja, Sir.« Tanners Stimme war so gut wie emotionslos.

»Gut. Also, haben wir irgendeine Ahnung, wer hinter dieser Sache stecken könnte und welchen Zweck er damit verfolgt? Ich möchte ein paar fundierte Vermutungen hören.«

»Ein feindlicher Geheimdienst ist auf jeden Fall die offensichtlichste Möglichkeit. Was den Zweck angeht, können wir eine einfache Lösegeldforderung wohl ausschließen, schon allein deswegen, weil sie das auch innerhalb des Landes hätten durchführen können und damit nicht das immense Risiko hätten eingehen müssen, mit Sir Miles – und vermutlich auch mit Mr Bond, wenn er ihnen nicht entkommen wäre – über die Grenze zu verschwinden. Und warum sollte man für eine Lösegeldforderung zwei Leute als Geiseln nehmen? Die gleiche Argumentation trifft auf die Überlegung zu, dass es möglicherweise um eine Befragung oder eine Gehirnwäsche oder Ähnliches gehen könnte. Nein, hier geht es um mehr, um etwas … Größeres als das, da bin ich sicher.«

Sir Ranald schnaubte erneut. »Ach ja? Um was denn genau?«

»Keine Ahnung, Sir. Wir haben keinerlei Hinweise.«

»Mm. Und vermutlich verfügen wir über ähnlich wenige Informationen, wenn es um die Frage geht, wo dieser Plan, wie immer er aussieht und wer immer ihn ausführt, zu einem Ende gebracht werden soll. Gibt es irgendwelche Berichte über ungewöhnliche Aktivitäten von Ihren Stationen im Ausland?«

»Nein, Sir. Natürlich habe ich sofort darum gebeten, dass unsere Mitarbeiter besonders wachsam sind.«

»Ja, ja. Also wissen wir nichts. So wie es aussieht, müssen wir einfach abwarten, bis die gegnerische Seite ihren Zug macht. Ich danke Ihnen allen für Ihre Hilfe. Ich bin mir sicher, dass keiner von Ihnen mehr hätte tun können, als er bereits getan hat. Es tut mir leid, wenn es den Anschein hatte, als hätte ich angedeutet, Mr Bond hätte sich in irgendeiner Weise anders verhalten können. Ich habe gesprochen, ohne nachzudenken. Ihre erfolgreiche Flucht ist das einzige positive Ergebnis dieser ganzen Angelegenheit.«

Der Minister sprach die Worte in einem Ton aus, der nach echter Aufrichtigkeit klang. Offenbar war ihm der Gedanke gekommen – ein wenig verspätet, aber er hatte schon immer dazu geneigt, seiner Ungeduld mit den Angehörigen der niederen Ränge freien Lauf zu lassen –, dass er zwar gerechterweise nicht für die Entführung des Leiters des Secret Service verantwortlich gemacht werden konnte, seine Kabinettskollegen insgesamt aber einen für Politiker typischen Gerechtigkeitssinn besaßen. Mit anderen Worten: Diese Angelegenheit könnte in den Händen eines jeden, der ihn möglicherweise aus dem Weg räumen wollte, in eine äußerst wirksame Waffe verwandelt werden. Neid, Boshaftigkeit und Ehrgeiz waren überall um ihn herum. Diese Leute hier mochten nicht die zufriedenstellendsten oder effektivsten Verbündeten sein, aber sie waren die einzigen, die ihm derzeit zur Verfügung standen. Er wandte sich an Vallance, den er in der Vergangenheit mehrfach als übertrieben gut angezogenen Lackaffen abgetan hatte, und sagte, während er unbewusst die Vorderseite seines eigenen azurblauen Rüschenhemds glatt strich, in demütigem Ton: »Was schlagen Sie in der Zwischenzeit wegen der Presse vor, stellvertretender Commissioner? Wäre eine Nachrichtensperre angebracht? Ich bin mehr als bereit, mich Ihrem Vorschlag zu fügen.«

Vallance wagte es nicht, zu Bond oder Tanner zu schauen. »Ich denke, wir sollten von einer Nachrichtensperre absehen, Sir. Der Admiral hat jede Menge Kontakte, und wir wollen schließlich nicht, dass diese Leute anfangen, Fragen zu stellen. Ich schlage einen kurzen, beiläufigen Absatz vor, in dem steht, dass seine Unpässlichkeit noch andauert und er den Rat erhalten hat, sich gründlich auszuruhen.«

»Ausgezeichnet. Ich überlasse Ihnen die Umsetzung. Also – sonst noch Vorschläge? Egal wie vage. Irgendjemand …?«

Crawford regte sich. »Nun, Sir, wenn ich vielleicht …«

»Sprechen Sie, Inspector. Bitte, sprechen Sie.« Erneut bildeten sich Lachfältchen um Sir Ranalds Augen. »Ihr Beitrag ist äußerst willkommen.«

»Es geht um dieses Stück Papier mit den Namen und Nummern, das wir uns vorhin angesehen haben. Wir fanden es zerknüllt in der Brieftasche des Mannes. Soweit ich weiß, bearbeiten die Dechiffrierungsexperten immer noch eine Kopie des Blattes, sind sich aber fast sicher, dass es Zeitverschwendung ist, weil sie über zu wenige Informationen verfügen. Ich habe mich gefragt, ob wir uns das vielleicht selbst noch mal ansehen sollten. Haben wir schon die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es sich um Telefonnummern handeln könnte?«

»Ich fürchte, diese Idee führt zu nichts, Inspector«, sagte Tanner und rieb sich müde die Augen. »›Christiana‹ sieht natürlich wie Christiania in Norwegen aus, ›Vasso‹ könnte für Vassy im Nordosten Frankreichs stehen und wir alle wissen, wo Paris liegt, aber wir brauchten nicht einmal zehn Minuten, um festzustellen, dass diese Nummern ebenso wenig zu den Fernsprechämtern in diesen drei Orten passen wie beispielsweise Whitehall 123 zu London. Falls es sich um Telefonnummern handelt, sind sie vermutlich mithilfe einer Art Substitutionssystem verschlüsselt, das wir nicht knacken können, also stehen wir wieder am Anfang. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.«

»Könnte es sich um Kartenbezüge handeln?«, warf der Ministerialrat ein.

Tanner schüttelte den Kopf. »Die Anzahl der Ziffern stimmt nicht.«

»Eigentlich, Sir«, fuhr der Inspector mit ruhiger Beharrlichkeit fort, »meinte ich es nicht ganz so. Nehmen Sie mal das Wort, das wir noch nicht erwähnt haben – Antigone. Welche Assoziation ruft das bei den Leuten hervor?«

»Griechische Tragödie«, sagte Tanner. »Von Sophokles, nicht wahr? Das könnte ein Codewort für weiß der Himmel was sein.«

»Das ist möglich, Sir. Aber Antigone ist nicht nur eine griechische Tragödie, richtig? Es ist auch ein griechischer Name. Ein Frauenname. Ich weiß nicht, ob er dort heutzutage noch gebräuchlich ist, aber ich weiß, dass das auf viele andere dieser klassischen Namen zutrifft. Und Christiana. Klingt das nicht auch wie ein Frauenname, so ähnlich wie Christine, Christina und so weiter? Christiana könnte die griechische Variante sein. Und Paris ist natürlich auch ein griechischer Name.«

Bill Tanner stand abrupt auf und eilte zu einem Telefon, das auf einem mit Tinten- und Zigarettenbrandflecken übersäten Tisch an der Wand stand.

»Was Vasso angeht, fürchte ich, dass ich nicht …«

»Worauf wollen Sie hinaus, Inspector?«, unterbrach ihn Sir Ranald, der nun wieder sein ursprüngliches Verhalten an den Tag legte.

»Dass unser Mann nach Griechenland reisen wollte und sich von irgendwoher ein paar Telefonnummer besorgt hat, damit er sich dort ein wenig weibliche Gesellschaft verschaffen konnte, falls er Lust darauf bekäme. Ich denke, dass diese Zahlen allesamt Telefonnummern desselben ungenannten Fernsprechamts sind. Vermutlich ein recht großes. Möglicherweise Athen. Oder zumindest sollen wir das denken.«

Sir Ranald runzelte die Stirn. »Aber Paris ist ein Männername. Ich glaube kaum …«

»Ganz richtig, Sir, der Entführer der Helena von Troja, der Mann, der den Trojanischen Krieg auslöste. Aber wenn Sie noch einmal genauer hinschauen …«

Crawford reichte ihm das kleine krumplige Blatt aus billigem liniertem Papier. Der Minister hatte noch immer die Stirn gerunzelt, setzte sich eine Brille mit einem schweren schwarzen Gestell auf die Nase und starrte auf die mit Kugelschreiber gekritzelten Wörter. Er schnaubte. »Nun?«

»Direkt über ›Paris‹, gleich dort, Sir … Es ist sehr undeutlich, aber für mich sieht es so aus, als stünde da ›Falls Angebote ausfallen‹ oder ›wegfallen‹. Falls Antigone und die anderen beiden unterwegs sein oder sie ihm nicht gefallen sollten oder sonst etwas, würde Paris in der Lage sein, ihm eine passende Dame zu besorgen.«

»Mm.« Sir Ranald nahm die Brille wieder ab und kaute auf dem Bügel herum. Seine Augen huschten kurz zu Tanner, der noch immer telefonierte. »Was sagten Sie darüber, dass wir das denken sollen?«

»Für mich sieht das nach einem absichtlich platzierten Hinweis aus, Sir. Wenn er echt ist, ist er uns aufgrund von mindestens drei Fehlern in die Hände gefallen. Sie haben die Leiche nicht weggeschafft. Sie haben die Taschen des Toten nicht geleert. Und sie haben die Taschen nicht einmal durchsucht. Nun ja …«

»Sie meinen, das ist eine falsche Fährte?«

»Nein, Sir, ganz im Gegenteil. Es ist ein direkter Fingerzeig in Richtung Griechenland, deutlich genug, aber nicht zu deutlich.«

Tanner legte auf und kehrte an seinen Platz zurück. Er warf Crawford einen Blick zu, der in seinem Ansehen soeben gestiegen war.

»Mary Kyris aus der Botschaft zufolge sind alle vier absolut gebräuchliche moderne griechische Vornamen. Und die Zifferngruppen könnten Telefonnummern in Athen, Thessaloniki und ein paar anderen Städten sein.«

»Wir sind etwas auf der Spur, meine Herren«, sagte Sir Ranald, und seine Augen verschwanden fast zwischen den Fältchen. »Wir sind etwas auf der Spur.«

»Und wir wissen genau, was.«

James Bonds Kopf ruhte auf seinen Händen, seit er vor einer Viertelstunde zum letzten Mal gesprochen hatte. Er hatte fast so gewirkt, als wäre er eingeschlafen. Und er hatte tatsächlich darum kämpfen müssen, sein erschöpftes Hirn dazu zu zwingen, den Verlauf dieser Diskussion unablässig zu analysieren und auszuwerten. Als seine Stimme durch den niedrigen, raucherfüllten Raum hallte, setzte er sich in seinem Stuhl auf und starrte Tanner an.

»Inspector Crawford hat recht. Es ist ein platzierter Hinweis. Oder nennen wir es einen Köder. Sie waren sehr erpicht darauf, mich in ihre Pläne zu involvieren. Das sind sie eindeutig immer noch. Die Namen und Nummern auf dem Papier sind eine brillante Improvisation, die geschaffen wurde, um mich dazu zu bringen, ihrer Spur mit Höchstgeschwindigkeit zu folgen. Was ich natürlich tun muss. So wie die Dinge stehen, hätten sie genauso gut GRIECHENLAND auf den Zettel schreiben und es dabei belassen können.«

Tanner nickte langsam. »Wo wollen Sie anfangen?«

»Ganz egal«, erwiderte Bond. »Sagen wir, Athen. Es spielt eigentlich keine Rolle, weil ich nicht nach ihnen suchen werden muss. Sie werden mich finden.«

James Bond 15: Colonel Sun

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